eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 79/3

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Aktuelle Forschungsprojekte: 3/10

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Die soziale Situation einzelintegrierter hörgeschädigter Schüler an allgemeinen Schulen
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VHN 3/ 2010 254 Aktuelle Forschungsprojekte Die soziale Situation einzelintegrierter hörgeschädigter Schüler an allgemeinen Schulen Claudia Gräfen Ludwig-Maximilians-Universität München Forschungshintergrund Das vorliegende Forschungsteilprojekt ist eingebettet in das Gesamtforschungsprojekt „Integration hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher in allgemeinen Einrichtungen“ des Lehrstuhls für Gehörlosen- und Schwerhörigenpädagogik der Ludwig-Maximilians- Universität München. Dieses besteht unter der Leitung von Prof. Dr. Annette Leonhardt schon seit zehn Jahren. Innerhalb des Projektes konnten bereits unterschiedliche Facetten der schulischen Einzelintegration Hörgeschädigter untersucht werden, und dank der Variationsbreite der einzelnen Module lässt sich ein umfassendes Bild der Integrationssituation Hörgeschädigter zeichnen. Es fehlen jedoch noch wichtige Teilaspekte wie beispielsweise die soziale Integration der hörgeschädigten Schüler. Im Bereich der Gehörlosen- und Schwerhörigenpädagogik läuft die Diskussion um eine schulische Integration schon seit langem. Hörgeschädigte wurden seit jeher sowohl in Förderzentren, Förderschwerpunkt Hören, als auch in allgemeinen Schulen beschult. Heutzutage tragen insbesondere die verbesserte Früherkennung und somit rechtzeitige Diagnostik von Hörschäden bei Kindern sowie die damit verbundene zeitnahe hörtechnische Versorgung, die qualitativ verbesserten technischen Hörhilfen und die früher einsetzende Frühförderung dazu bei, dass mehr und mehr hörgeschädigte Kinder integriert beschult werden. Die häufigste schulische Integrationsform in Deutschland ist die Einzelintegration, bei der ein einzelner hörgeschädigter Schüler in einer Klasse einer allgemeinen Schule unterrichtet wird und durch den Mobilen Sonderpädagogischen Dienst hörgeschädigtenpädagogische Unterstützung bekommt. Aus den Themenstellungen der Vorgängerprojekte (siehe Beiträge in VHN 3/ 2007, 4/ 2007, 3/ 2008) und den daraus hervorgegangenen offenen Fragestellungen, die weiteren Forschungsbedarf aufzeigten, ist das Projekt „Die soziale Situation einzelintegrierter hörgeschädigter Schüler in allgemeinen Schulen“ entstanden. Im Rahmen dieses Projektes soll die soziale Integration auf der einen Seite aus Sicht der hörgeschädigten Schüler und auf der anderen Seite aus Sicht der hörenden Mitschüler untersucht werden. Die bisherigen Forschungsergebnisse des Gesamtforschungsprojektes haben gezeigt, dass eine relativ große Anzahl hörgeschädigter Kinder heute erfolgreich integrativ beschult wird (Leonhardt 2009). Es gibt jedoch immer wieder Schüler, für welche die integrative Schulsituation eine erhebliche Belastung darstellt. Dies konnte im Teilprojekt „Gründe für den Wechsel von der allgemeinen Schule ins Förderzentrum“ eindrücklich belegt werden. Als Hauptgründe für den Wechsel zeichneten sich das unzureichende Sprachverstehen der hörgeschädigten Schüler in der allgemeinen Schule, die psychisch-emotionale Befindlichkeit dieser Schulkinder und deren ungünstiges Verhältnis zu den Mitschülern ab (Lindner 2007). Die gemeinsame Erziehung behinderter und nicht behinderter Kinder sowie der gemeinsame Unterricht in einer demokratischen und humanen Schule für alle sollen zu einer umfassenden sozialen Integration beitragen. Hierbei wird deutlich, dass das bloße Zusammensein von behinderten und nicht behinderten Schülern noch keine soziale Integration bedeutet (Dumke 1991). Um optimale Bedingungen zu schaffen, ist es unabdingbar, neben der schulischen Leistung, die oft als wichtigstes Merkmal gelingender Integration angesehen wird, auch die soziale und emotionale Situation der hörgeschädigten Schüler in der Integrationssituation zu erfassen. Vor diesem Hintergrund scheint es notwendig, die derzeitige emotionale und soziale Situation der hörgeschädigten Schüler zu untersuchen, um daraus Maßnahmen und Präventionsstrategien zu entwickeln, welche die Schüler in ihrer jeweiligen Situation unterstützen können. Forschungsziel und Forschungsfragen Aus dem Forschungsziel, die emotionale und soziale Situation einzelintegrierter hörgeschädigter Schüler an allgemeinen Schulen zu erfassen, ergaben sich folgende leitende Forschungsfragen: 1. Wie gestalten sich die sozialen Beziehungen zwischen den Klassenkameraden in Schule und Freizeit? 2. Wie ist die emotionale Situation der hörgeschädigten Schüler? VHN 3/ 2010 255 Aktuelle Forschungsprojekte In diesem Zusammenhang scheint es besonders bedeutsam, die Schüler selbst zu befragen, um deren subjektive Sicht auf ihre Situation in Erfahrung zu bringen. Forschungsdesign Die angestrebte Stichprobe besteht aus 28 Schulklassen der 3. bis 8. Jahrgangsstufe mit je einem einzelintegrierten hörgeschädigten Schüler. Da es um die subjektive Sichtweise der Integration des hörgeschädigten Schülers und der normal hörenden Mitschüler geht, sollen sich die Befragungen auf die Schüler konzentrieren. Die Mitschüler des hörgeschädigten Schülers werden insofern in die Untersuchung einbezogen, indem die ganze Schulklasse einschließlich des hörgeschädigten Schülers einen Fragebogen erhält. Ziel der Erhebung ist es, die Außensicht der Mitschüler auf die soziale Integration ihres hörgeschädigten Klassenkameraden zu erfassen. Der Fragebogen beinhaltet in erster Linie soziometrische Fragen, um den Status des hörgeschädigten Schülers innerhalb der Klasse zu untersuchen und ein differenziertes Bild der Klassensituation zu erhalten. Der Fragebogen wurde auf Grundlage der Literaturrecherche und Auswertung der bisherigen Forschungsergebnisse entwickelt. Da im Vordergrund des Fragebogens die Bestimmung des soziometrischen Status des hörgeschädigten Schülers steht, werden überwiegend offene Fragen gestellt. Neben den offenen soziometrischen Fragen fließen Aussagen zum emotionalen Wohlbefinden in Anlehnung an den FEESS 3-4 in den Dimensionen „Soziale Integration“, „Klassenklima“ und „Selbstkonzept“ ein. Diese sind auf einer vierstufigen Ratingskala vom Schüler zu bewerten. Darüber hinaus wird der hörgeschädigte Schüler in einem leitfadenorientierten Interview befragt. Ziel des Interviews ist es, sowohl detaillierte Informationen über die sozialen Beziehungen des hörgeschädigten Schülers in Schule und Freizeit als auch eine Bewertung der Integrationssituation zu erhalten. Ausblick Das vorliegende Projekt ist insgesamt auf drei Jahre (2008 bis 2011) ausgerichtet. Die empirischen Erhebungen haben nach einjähriger Vorbereitungsphase, die durch intensives Literaturstudium und Entwicklung der Erhebungsinstrumente gekennzeichnet war, Anfang des Jahres 2010 begonnen. Weitere Informationen sowie Literaturangaben können eingeholt werden bei claudia.graefen@edu. lmu.de Sonderpädagogische Professionalität: Deutungsmuster und beruflicher Habitus in der Förderschule Jürgen W. Müller Pädagogische Hochschule Heidelberg Beim nachfolgend vorgestellten Forschungsprojekt handelt es sich um ein Dissertationsvorhaben am Institut für Sonderpädagogik der Universität Landau. Forschungshintergrund und Forschungsstand Professionstheoretische Debatten über den Stand der Professionalisierung pädagogischer Berufe werden in den verschiedenen Teildisziplinen der Erziehungswissenschaften seit den 1980er und insbesondere den 1990er Jahren intensiv geführt (vgl. Moser u.a. 2006, 448). In der Professionalisierungsdebatte der Allgemeinen Pädagogik findet die Heilpädagogische Professionalität allerdings keine Beachtung, was sich - so Lindmeier (2000, 166) - auf die etablierte Arbeitsteilung zwischen Normalpädagogik und Sonderpädagogik zurückführen lässt. Im Laufe der letzten Jahre ist jedoch ein Anschluss der Heil- und Sonderpädagogik an die professionstheoretischen Debatten zu beobachten. „Aktuelle Publikationen zu einschlägigen bzw. spezifischen Kompetenzen von Sonderpädagogen beruhen größtenteils auf theoretischen Ausführungen und verbleiben meist auf der Ebene beliebig eingrenzbarer oder erweiterbarer Kompetenzbereiche. Thematisch gebündelt werden diagnostische Kompetenzen, Förder-, Beratungs-, Kooperationskompetenzen sowie Kompetenzen zum Arrangieren von Lern- und Entwicklungsprozessen (Benkmann 2001; Reiser 1998; Baulig 1997; Opp 1998; Lindmeier 2000; Loeken/ Windisch 2005)“ (Moser u. a. 2006, 450). Zusammenfassend - so Moser u. a. (ebd.) - bedarf es grundlegender empirischer Forschungsarbeiten in Bezug auf spezifische Kompetenzen, Haltungen/ Wertorientierungen und Handlungsstrukturen in Hinblick auf das sonderpädagogische Arbeitsbündnis. VHN 3/ 2010 256 Aktuelle Forschungsprojekte Forschungsfrage und Forschungsziel Für die sonderpädagogische Professionsforschung konstatieren Moser u. a. (2006, 450) Forschungsbedarf. Im Mittelpunkt des vorliegenden Forschungsprojektes stehen das Professionswissen und die Frage nach dessen Rekonstruktion. Im Rahmen des Forschungsprojektes kann die Bedeutung erziehungswissenschaftlicher Wissensbestände, erfahrungs- oder theoriegestützter Handlungs- und Deutungsmuster, des beruflichen Selbstverständnisses und der ethischen Selbstverpflichtung für die beruflichen Habitusformen von Förderschullehrer/ innen rekonstruiert werden. Wesentliche Zielsetzung dieser Studie ist es, einen eigenständigen Beitrag zur sonderpädagogischen Professionsforschung zu liefern und die konstatierte Forschungslücke ein Stück weit zu schließen. Die Befunde können zunächst einmal zeigen, was für die vor Ort tätigen Kollegen/ innen wesentliches „Rüstzeug“ zur erfolgreichen Bewältigung des beruflichen Alltags darstellt. Darüber hinaus lassen sich für an der Debatte über Entstehung und gegebenenfalls „Anbahnung“ bzw. „Förderung der Professionalität im Lehrerberuf“ Interessierte ausbildungsbezogene Anregungen finden und kritisch diskutieren. Forschungsdesign und Forschungsmethoden Erhebungsinstrumentarium (Interviewform und Sample): Aus der großen Vielfalt unterschiedlicher Typen und Verfahren qualitativer Interviews (vgl. Hopf 2003, 439ff ) wurde im Rahmen der „Leitfaden-Interviews“ insbesondere die halbstandardisierte Befragungsmethode in Form des Experten-Interviews ausgewählt. An der Interviewreihe auf der Basis eines halbstandardisierten Leitfaden-Interviews haben 16 Kollegen/ innen einer Förderschule teilgenommen. Die Auswahl erfolgte nach den Kriterien Alter, Geschlecht, Dauer der Berufstätigkeit und Art des Einsatzortes und stellt einen repräsentativen Querschnitt durch das Kollegium dar. Auswertungsverfahren: Bedingt durch die unterschiedlichen Forschungsperspektiven „Sicht des Subjekts“ und „Rekonstruktion deutungs- und handlungsgenerierender Strukturen“ gestaltet sich die Auswertung der 16 transkribierten Interviews mehrstufig. a) Qualitative Inhaltsanalyse: Die qualitative Inhaltsanalyse basiert auf dem Grundgedanken, „Texte systematisch (zu) analysieren, in dem sie das Material schrittweise mit theoriegeleitet am Material entwickelten Kategoriensystemen bearbeitet“ (Mayring 2002, 114). b) Deutungsmuster- und Habitusanalyse: Die Gemeinsamkeit zwischen Deutungsmuster- und Habitusanalyse besteht in der Konstruktionslogik: „Für Habitus wird wie für Deutungsmuster ein generativer Status reklamiert; das Habituskonzept kennt ebenfalls Spannungsverhältnisse von Determination und Emergenz, von objektiven, d. h. von subjektiven Intentionen unabhängigen Strukturen und deren interaktiven Reproduktion; der ,Hysteresiseffekt‘ des Habitus korrespondiert mit der These von der relativen Autonomie von Deutungsmustern“ (Meuser/ Sackmann 1992, 21f ). Die größten Differenzen zwischen den beiden Konzepten sind im methodischen Zugriff zu sehen: „Wo das Deutungsmusterkonzept eher vage auf objektive Handlungsprobleme als auslösende Momente für die Bildung von Deutungsmustern verweist und die Identifizierung der Handlungsprobleme der empirischen Rekonstruktion vorbehält, sind die einen Habitus konstituierenden Bedingungen unabhängig von empirischer Forschung angebbar: die als Klassenlagen konzipierten Soziallagen, d. h. ,Kapitalkonfigurationen‘, deren Zahl begrenzt und bekannt ist“ (ebd. 22). Auswertungsstrategie: Der Auswertungsprozess soll in drei Stufen erfolgen: a) Deskriptive Analyse: Die einzelnen Fälle werden bezüglich fallübergreifender Kategorien ausgewertet. Ziel der deskriptiven Analyse ist es, einen breiten und umfassenden Überblick über den Untersuchungsgegenstand zu liefern. b) Theoriegeleitete und themenzentrierte Analyse: Das empirische Material der deskriptiven Analyse wird in Beziehung gesetzt zu den theoretischen Konzepten, den Deutungsmustern und dem beruflichen Habitus. c) Vergleichende (komparative) Analyse: Sie dient dazu, Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei Subgruppen pointierter zu analysieren. Weitere Informationen und Literaturhinweise sind erhältlich bei juergen.walter.mueller@ph-heidelberg. de VHN 3/ 2010 257 Aktuelle Forschungsprojekte Förderverlaufsdokumentation - Ein Instrument zur systematischen Erfassung der Wirksamkeit pädagogisch-therapeutischer Maßnahmen Annett Uhlemann Pädagogische Hochschule Zentralschweiz (PHZ), Hochschule Schwyz Beim nachfolgend vorgestellten Entwicklungsprojekt handelt es sich um ein gemeinsames Vorhaben der PHZ Hochschule Schwyz und des Vereins Schulischer Heilpädagoginnen und Heilpädagogen des Kantons Schwyz. Ausgangslage Mit der Zunahme von inklusiven Maßnahmen in den (vor)schulischen Bildungseinrichtungen geht auch ein verändertes Verständnis bezüglich des beruflichen Auftrags der schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen (SHP) einher. Im Unterschied zur bisherigen Arbeit mit dem Kind, die in der Regel räumlich separiert erfolgte, steht heute das Agieren in der Klasse mit dem Schwerpunkt auf der gemeinsamen Planung und Durchführung des Unterrichts im Zentrum. Die sonderpädagogische Einzelförderung findet in den Aufgabenbeschreibungen der SHP wenig Erwähnung und wird im Praxisfeld zunehmend negativ konnotiert. Diese Entwicklung ist kritisch zu betrachten, denn sie lässt außer Acht, dass in einem integrativen Setting nicht alle Förderziele in effizienter Weise erreichbar sind. In Ergänzung zum integrativ-differenzierenden Unterricht wird somit weiterhin für den bedarfsgerechten Einsatz individueller Förderung in der Einzelsituation plädiert. Die Dauer der jeweiligen Maßnahme ist dabei durch kontinuierliche Wirksamkeitsmessung der Förderung und die Ableitung entsprechender Konsequenzen zu minimieren. Hierfür wird ein praxistaugliches Instrument benötigt, mittels dessen die Effekte der getroffenen Fördermaßnahme systematisch evaluiert und überschaubar dargestellt werden können. Während entsprechende Dokumentationsbögen für die formative Evaluation logopädischer Maßnahmen bekannt sind, steht Vergleichbares für die heilpädagogische individuumsbezogene Förderung noch aus. Die Intention, eine solche Förderverlaufsdokumentation zu entwickeln, bildete deshalb den Ausgangspunkt des Projektes. Zielsetzung des Entwicklungsprojektes Das Instrument bezieht sich in erster Linie auf die am Einzelziel orientierte förderdiagnostische Arbeit. Dabei geht es zum einen um den marginalisierten Bereich der räumlich getrennten Einzelförderung, zum anderen um individuelle Arbeit mit dem Kind, die auch im integrativen Setting oder in der Kleinklasse (inkl. Sonderschule) stattfinden kann. Der Einsatz der Förderverlaufsdokumentation (FVD) ist aber auch bei der Umsetzung einer Maßnahme denkbar, die sich an eine Kleingruppe richtet. In jedem Fall soll die FVD die heilpädagogisch tätige Person bei der Evaluation der von ihr durchgeführten Fördermaßnahme unterstützen. Es handelt sich somit um eine prozessbezogene Qualitätssicherung, in deren Zentrum die kritische Betrachtung des eigenen pädagogisch-therapeutischen Handelns im Kontext der Zielannäherung steht. Ferner soll die Dokumentation als Gesprächsgrundlage für das Standortgespräch verwendbar sein. Aktueller Stand Eine erste Version der FVD liegt vor und wurde von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe getestet. Das Instrument basiert auf dem förderdiagnostischen Verständnis eines hypothesengeleiteten Vorgehens. Es wird davon ausgegangen, dass bei der Entwicklung der diagnostischen Arbeitshypothese die Analyse der Wechselwirkungen zwischen den ICF- Komponenten wegleitend ist. Der betreffende Lebens- und Erfahrungsbereich (vgl. Schulisches Standortgespräch des Kantons Zürich) wird im Kopf der Dokumentation eingetragen, gefolgt von der Arbeitshypothese, dem auf Relevanz geprüften Förderziel sowie den Maßnahmen und Methoden. Da förderdiagnostische Arbeitshypothesen als Momentaufnahmen zu betrachten sind, wurden Felder für Korrekturen von Maßnahme, Ziel und Hypothese eingerichtet. Nach jeder Fördereinheit wird mittels Skalierung 1 - 3 das Verhältnis vom erreichten zum definierten Ziel beurteilt. Diese kleinschrittige Evaluation stellt VHN 3/ 2010 258 Aktuelle Forschungsprojekte das Kernstück der Förderverlaufsdokumentation dar. Damit ein solches Instrument Aufnahme in die heilpädagogische Praxis finden und dort zur Routine werden kann, muss es neben dem merklichen Nutzen eine hohe Praktikabilität in der Anwendung aufweisen. Aus diesem Grund wurde eine Excel- Version gewählt, die einfach handhabbar ist und eine maximale Überschaubarkeit bietet (ca. 30 Fördereinheiten auf einer DIN-A 4-Seite). Die FVD kann digital oder handschriftlich geführt werden. Die Arbeit am Computer ermöglicht die Benutzung von Verknüpfungen und Links. Die Protokollblätter sämtlicher geförderter Kinder können im selben Dokument gespeichert werden. Ein zusätzliches Übersichtsblatt erleichtert die Orientierung. Ferner wurde ein Handbuch verfasst, das den wissenschaftlichen Bezug herstellt, den förderdiagnostischen Prozess skizziert und Anleitungen zur Führung der Förderverlaufsdokumentation gibt. Schwerpunkte bilden dabei die Ableitung der Arbeitshypothese und die Festlegung des Förderziels, dessen Indikatoren den Grundstein für die Evaluation legen und folglich die Wirksamkeitsoptimierung der Fördermaßnahme ermöglichen. Ergänzend wird ein Vorgehen beim Ausbleiben von Fortschritten vorgeschlagen. Gegenwärtig wird die FVD (zusammen mit dem Handbuch) von einer Gruppe SHP im Kanton Schwyz in Bezug auf ihre Praktikabilität erprobt. Zudem laufen Abklärungen, ob und in welcher Form eine Verknüpfung mit empfohlenen, d. h. durch Wirksamkeitsstudien belegten sonderpädagogischen Verfahren erfolgen kann. Ausblick Im Anschluss an die zweite Evaluationsphase wird das Instrument auf der Basis der Rückmeldungen der SHP optimiert. Das Ziel der Förderverlaufsdokumentation ist, durch die systematische Erfassung und Abbildung (Dokumentation) der Fördereffekte die Wirksamkeit zielgeleiteten pädagogisch-therapeutischen Handelns zu steigern. Letztendlich wird somit zu prüfen sein, ob dieses Ziel mit dem Einsatz der FVD erreicht wird. Weitere Informationen und Literaturangaben können eingeholt werden bei annett.uhlemann@phz. ch Übergang Förderschule - Beruf - Förderschwerpunkt geistige Entwicklung Manuela Heger, Désirée Laubenstein Julius-Maximilians-Universität Würzburg Forschungshintergrund Menschen mit geistiger Behinderung sind auch heute noch überproportional vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Eine 2006 im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus durchgeführte Erhebung zeigt, dass ca. 70 % aller Schüler/ innen, welche die Berufsschulstufe von Schulen mit dem Förderschwerpunkt geistige Behinderung verlassen, direkt in die Werkstätten für behinderte Menschen wechseln. Das Bundesland Bayern hat daher unter Federführung des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales und des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus im Schuljahr 2006/ 2007 das Projekt „Übergang Förderschule - Beruf“ gestartet. Ziel ist es, durch Einbezug der Kompetenzen der Integrationsfachdienste (IFD) zu einem Zeitpunkt, zu dem die Schüler/ innen noch weitere zwei Jahre die Berufsschulstufe besuchen, deren Handlungsmöglichkeiten zu stärken und sie im Übergang von der Förderschule in ein Beschäftigungsverhältnis auf dem ersten Arbeitsmarkt zu begleiten. Der IFD kann bereits in Jahrgangsstufe 11 und 12 in der Schule tätig werden (Diagnostik, Orientierungspraktika, Langzeitpraktika). Aufgabe des IFD ist im weiteren Verlauf die Akquise eines Praktikumsbzw. Arbeitsplatzes für den/ die Schüler/ in in der nachschulischen Zeit. Während des Transitionsprozesses und des ersten Jahres im Betrieb erfolgen weiterhin eine Begleitung und ein Job-Coaching durch den IFD. Das Projekt, dessen wesentliche Konzeption und Inhalte mittlerweile in eine Gesamtmaßnahme unter Einbezug der zwei Regelinstrumente „Erweiterte vertiefte Berufsorientierung“ (vBO) (§ 421 q AGB III) und Unterstützte Beschäftigung (UB) (§ 38 a, SGB IX) fortgeführt werden, wird wissenschaftlich begleitet von der Universität Würzburg, Lehrstuhl für Sonderpädagogik IV, Pädagogik bei Geistiger Behinderung, unter Mitwirkung der beiden Autorinnen. Die Finanzierung erfolgt über das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. VHN 3/ 2010 259 Aktuelle Forschungsprojekte Forschungsvorhaben Die wissenschaftliche Begleitung orientiert sich in ihrer Ausrichtung im Hinblick auf zu formulierende Fragestellungen, Datenerhebungen, Analysen, Auswertungen und Interpretationen an der empirischen Sozialforschung, speziell an den Grundlagen der Handlungsbzw. Feldforschung. Sie hat sich die Aufgabe gestellt zu evaluieren, ob und wie durch eine frühzeitige Vernetzung aller Beteiligten sowie eine gezielte Berufsvorbereitung einzelner Schüler/ innen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung mit Hilfe des IFD für eine größere Zahl von Schüler/ innen der Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt unmittelbar aus der Berufsschulstufe heraus realisierbar ist. Es handelt sich somit um eine prozessbegleitende Einschätzung und eine Analyse der Qualität der Vernetzung, auf deren Grundlage weiterführende Vorschläge erarbeitet werden. Des Weiteren soll analysiert werden, welche Wirkfaktoren Einfluss auf eine mögliche Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt von Schüler/ innen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung nehmen und eine solche unterstützen oder behindern. Um zu dieser Fragestellung Aussagen machen zu können, müssen möglichst viele und differenzierte Informationen über die teilnehmenden Schüler/ innen und weitere Wirkfaktoren (IFD, Lehrkraft/ Schule, Eltern, Betriebe usw.) gesammelt werden. Die in den Erhebungen ermittelten Daten werden allen Beteiligten möglichst zeitnah wieder dargelegt, um so als eventuelle Veränderungsimpulse wirksam werden zu können. Somit verändert sich auch das Verhältnis von Forschern und „Beforschten“ dahingehend, dass sich alle aktiv an der Zieldiskussion und Datenerhebung beteiligen. Die wissenschaftliche Begleitung nimmt somit neben der Untersuchung von empirischen, quantitativen und qualitativen Fragestellungen auch eine Beratungs- und Unterstützungsfunktion ein. Forschungsmethodik Alle Erhebungen der wissenschaftlichen Begleitung beziehen sich auf die 85 Teilnehmenden des 1. und 2. Durchgangs während der Projektphase (35 Teilnehmer/ innen mit Beginn Januar 2007 und 50 Teilnehmer/ innen mit Beginn Januar 2008). Seit dem Frühjahr 2008 hat die wissenschaftliche Begleitung in mehreren Erhebungen versucht, die oben angesprochenen Wirkfaktoren und deren Vernetzungsstrukturen zu extrahieren und zu analysieren. So wurden die Lehrkräfte und die IFD-Berater/ innen per Fragebogen z. B. zu projektinternen Aspekten bzgl. Auswahlkriterien der am Projekt teilnehmenden Schüler/ innen, zur Diagnostik wie auch zu Vernetzung/ Kooperation/ Interdisziplinarität befragt. Des Weiteren wurden durch einen von Lehrkräften und IFD gemeinsam ausgefüllten Fragebogen die Ausgangslagen der Teilnehmer/ innen sowie durch eine tabellarische Bestandsaufnahme - ausgefüllt durch den IFD - zu einem späteren Zeitpunkt weitere detaillierte Angaben zu den Teilnehmer/ innen und deren Projektteilnahme erhoben. Um jedoch nicht nur Aussagen Dritter (IFD, Lehrkraft) über die Teilnehmer/ innen zu erhalten, sondern diese selbst zu Fragen ihrer beruflichen Orientierung und zu ihren Erfahrungen im Projekt sowie dessen Bewertung zu Wort kommen zu lassen, werden zur Zeit problemzentrierte Interviews mit den Teilnehmer/ innen in ganz Bayern durchgeführt. Erste Ergebnisse Es stellt sich heraus, dass folgende Auswahlkriterien für die Teilnahme am Projekt ausschlaggebend waren: Motivation und Arbeitsverhalten, soziale Kompetenz, Kommunikation und Mobilität. Sowohl IFD als auch Lehrkräfte erachten die Fähigkeit der Teilnehmer/ innen, Anweisungen zu verstehen, die Lernbereitschaft der jungen Menschen und eine offene Einstellung zur Arbeit als notwendige Voraussetzungen für eine berufliche Integration. Soziale Kompetenzen wie das Beherrschen von Umgangsformen, Pünktlichkeit und Teamfähigkeit wurden ebenfalls als besonders wichtig bezeichnet. Dagegen wurden Schüler/ innen meist dann aus dem Projekt ausgeschlossen, wenn sie mangelnde soziale Fähigkeiten aufwiesen, die Eltern nicht zur Kooperation bereit waren oder Schüler/ innen aufgrund fehlender Projektplätze nicht weiter teilnehmen konnten. Ein entscheidendes Kennzeichen des Projekts bilden der gegenseitige, intensive Informationsaustausch und die Unterstützungsleistungen zwischen IFD und Lehrkraft. Vernetzungsstrukturen wurden hier differenziert aufgebaut und verfestigt. Durch die nunmehr bestehende intensive Kooperation können teilnehmenden Schüler/ innen zahlreiche Praktika auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglicht werden, und es konnten auch bereits 35 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen werden, von denen zum momentanen Zeitpunkt noch 30 bestehen. VHN 3/ 2010 260 Aktuelle Forschungsprojekte Zu verzeichnen ist in diesem Projekt eine signifikante Überrepräsentation von männlichen Schulabgängern. Zu vermuten ist - nach einer erneuten Befragung der IFD -, dass es einfacher zu sein scheint, männliche Schüler in Praktika oder auch Beschäftigungsverhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu entlassen, da diese aufgrund ihrer körperlichen Konstitution eher helfende oder ‚zupackende‘ Arbeiten ausführen können und damit in unterschiedlichsten Produktionsbereichen einsetzbar sind, d. h. in Arbeitsbereichen, in denen (bisher noch) Nischenplätze zu finden sind. Die körperliche Belastbarkeit und das handwerkliche Geschick der männlichen Schüler ermöglichen es diesen Jugendlichen, aus einer größeren Anzahl von Betrieben auswählen zu können, womit die Chance steigt, einen passenden Arbeitsplatz zu finden. Genauere Analysen zur Genderthematik stehen jedoch noch aus. Der Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung ist Mitte 2011 zu erwarten. Ausblick Inwieweit sich die bereits vollzogenen Übergänge in bestehende Arbeitsverhältnisse als ‚gelungen‘, d. h. als stabile, länger andauernde Arbeitsverhältnisse darstellen, kann im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung momentan nicht evaluiert werden, wird jedoch im Sinne einer Nachhaltigkeitsstudie zu überprüfen sein. Weitere Informationen können eingeholt werden unter manuela.heger@uni-wuerzburg.de. Website: www.projekt-uebergang-schule-beruf.de „Automobil: Ausbildung ohne Barrieren“ - Verbesserung der Teilhabechancen behinderter Jugendlicher auf dem Ausbildungsmarkt Mathilde Niehaus, Thomas Kaul, Britta Marfels, Frank Menzel, Elena Brinkmann Universität zu Köln Hintergrund Die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Übergang von der Schule in die Berufsausbildung und die betriebliche Übernahme sind in den letzten Jahren deutlich komplexer geworden. Ein nahtloser Wechsel ins Erwerbsleben stellt für viele Jugendliche eher die Ausnahme dar (vgl. Dressel/ Pflicht 2006; Kieselbach 2005; Stauber 2004; Thoma 2003; BMBF 2005). Die Problematik auf dem Ausbildungsmarkt resultiert aus einer Vielzahl von Personen- und Kontextmerkmalen sowie deren Wechselwirkungen (vgl. Niehaus/ Hauser/ Dreja/ Förster 2008). Trotz Angebotsbreite und hoher Ausdifferenzierung führt das bestehende System der beruflichen Bildung und Rehabilitation in der Bundesrepublik mehr und mehr zu sogenannten „Maßnahmekarrieren“, die keine langfristige Eingliederung in die Arbeitswelt ermöglichen (Niehaus/ Jäger 2009). Absolventinnen und Absolventen von Förderschulen bzw. schwerbehinderte Jugendliche sind als Risikogruppe von diesem Konkurrenzkampf auf dem Lehrstellenmarkt besonders betroffen. Barrieren im Bewerbungs- und Rekrutierungsprozess Die Einstellung von Menschen mit Behinderung ist für Unternehmen häufig mit Befürchtungen hinsichtlich einer geringeren Leistungsfähigkeit und Einsetzbarkeit im Vergleich zu nicht behindertem Personal sowie daraus resultierender Kosten verbunden (Peck/ Kirkbride 2001). Zwar genießen behinderte Menschen einen „Sympathieeffekt“, allerdings führt dieser nicht unbedingt zu höheren Einstellungschancen (Weuster 2004). Eine Benachteiligung behinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt konnte in verschiedenen internationalen Studien durch die Identifizierung von Barrieren empirisch belegt werden (Ravaud u. a. 1992; MacRae/ Laverty 2006). Hürden stellen sich demnach bereits im Bewerbungsbzw. Rekrutierungsprozess und manifestieren sich auf persönlicher, betrieblicher oder gesellschaftlicher Ebene. Neben der institutionellen und sozialen Verankerung von negativen Einstellungen und Stereotypen gegenüber Menschen mit Behinderung kann Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt aus betrieblichen Auswahlprozessen resultieren. Technische, soziale oder kommunikative Barrieren sowie Vorurteile können zu unüberwindbaren Hindernissen werden. Experimentell hat sich gezeigt, dass nichtbehinderte Bewerberinnen und Bewerber im Vergleich zu behinderten Mitbewerber/ innen bevorzugt zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden (Ravaud u. a. 1992; MacRae/ Laverty 2006). Darüber hinaus wird angenommen, dass sich ein Teil der VHN 3/ 2010 261 Aktuelle Forschungsprojekte schwerbehinderten Jugendlichen aus unterschiedlichen Gründen erst gar nicht auf betriebliche Ausbildungsplätze bewirbt. Um der Benachteiligung behinderter Jugendlicher auf dem Ausbildungsmarkt entgegenzuwirken, ist daher eine Analyse sowohl des Bewerbungsverhaltens der schwerbehinderten Jugendlichen als auch des Rekrutierungsprozesses aufseiten der Unternehmen notwendig. Durchführung und Ziele des Projektes Das von der Universität zu Köln durchgeführte Modellprojekt wird im Rahmen der Initiative „job - Jobs ohne Barrieren“ vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert. Neben verschiedenen Unternehmen der Automobilindustrie sind der Arbeitskreis der Schwerbehindertenvertretungen der Deutschen Automobilindustrie sowie Vertreter des Sozialverbandes VdK Deutschland e.V. und der Gewerkschaften aktiv beteiligt. Vorrangiges Ziel des Projektes ist die Verbesserung der Teilhabechancen schwerbehinderter Jugendlicher auf dem Ausbildungsmarkt. Um die Integrationschancen schwerbehinderter Jugendlicher zu erhöhen, bedarf es auf der einen Seite einer gezielten Unterstützung dieser Personen im Sinne eines Empowerments. Auf der anderen Seite ist es unumgänglich, auch im betrieblichen Kontext anzusetzen. Neben dem Erkennen und dem Abbau technischer Barrieren, z. B. im Auswahlprozess, können Aktivitäten zur Reduktion von Vorurteilen gegenüber behinderten Bewerberinnen und Bewerbern von Bedeutung sein. Die unterschiedlichen Perspektiven der am Rekrutierungsprozess Beteiligten wie Geschäftsführung, Ausbildungsleitung, Ausbildungspersonal, Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung spielen daher eine wichtige Rolle. Ebenso stehen die persönlichen Erfahrungen bereits rekrutierter schwerbehinderter Auszubildender im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Beschreibung und die Analyse der unterschiedlichen Herangehensweisen der beteiligten Unternehmen bei der Rekrutierung schwerbehinderter Auszubildender sowie deren Bewerbungsverhalten sollen Chancen und Barrieren aufzeigen. Die Forschungsergebnisse münden in einen „Best-Practice“ Handlungsleitfaden, der branchenübergreifend neue Impulse gibt, Orientierung bietet und Wissen bündelt. Methodisches Vorgehen Das Forschungsvorhaben wird in drei Phasen realisiert. Zunächst erfolgt eine Analyse des Ist-Zustandes des Bewerbungs- und Rekrutierungsprozesses, die in eine Interventionsphase mündet und mit einer Auswertungs- und Evaluationsphase abschließt. Aufgrund des explorativen Charakters des Projekts kommen neben Dokumentenanalysen sowie schriftlichen oder Online-Befragungen insbesondere qualitative Verfahren wie Interviews und Focus Groups zum Einsatz. Die Projektbeteiligten sind partizipativ in den Forschungsprozess eingebunden. Analyse des Ist-Zustandes des Bewerbungs- und Rekrutierungsprozesses In dieser Phase werden bereits abgeschlossene bzw. laufende Bewerbungsprozesse in den einzelnen Unternehmen hinsichtlich der Verfahrensabläufe analysiert und transparent gemacht. Ebenso stehen die im Vorfeld der Bewerbungsphase genutzten Rekrutierungsstrategien im Fokus des Forschungsinteresses. Anhand halbstandardisierter Interviewleitfäden werden Interviews mit allen relevanten betrieblichen Akteuren, die am Rekrutierungsprozess beteiligt sind, sowie mit schwerbehinderten Auszubildenden durchgeführt. Daneben wird erfasst, wie viele schwerbehinderte Jugendliche sich in den jeweiligen Unternehmen beworben haben und ob diese in eine engere Auswahl einbezogen wurden. Von Bedeutung in diesem Kontext ist auch die Rolle der Bundesagentur für Arbeit mit ihrer Lenkungswirkung in außerbetriebliche Maßnahmen. Ziel dieser Phase ist es, Struktur- und Prozessbarrieren aufseiten der Bewerberinnen und Bewerber sowie der betrieblichen Abläufe zu identifizieren. Interventionen Die Kooperationspartner IG Metall und der Sozialverband VdK Deutschland e.V. führen in den beteiligten Unternehmen Informationsveranstaltungen für diejenigen betrieblichen Akteure durch, die als Initiatoren, Promotoren und Gestalter von Ausbildungsverhältnissen für behinderte Jugendliche aktiv und relevant sind. In diesen Schulungen wird über die rechtlichen Grundlagen und Unterstützungsangebote bei der Ausbildung von schwerbehinderten Jugendlichen sowie über Krankheits-/ Behinderungsbilder und deren Auswirkungen im Arbeitsleben VHN 3/ 2010 262 Aktuelle Forschungsprojekte informiert. Auch gesellschaftliche Haltungen und Vorurteile gegenüber schwerbehinderten Menschen werden thematisiert und in Bezug auf das Rekrutierungsverhalten reflektiert. Durch aktive Kontakte zwischen Unternehmen und regional angegliederten Schulen sollen schwerbehinderte Jugendliche im Sinne eines Empowerments informiert und zur Bewerbung ermutigt werden. Je nach Ausgangs- und Bedarfslage in den Unternehmen wird eine Veränderung und Anpassung von Rekrutierungsstrategien durch Kooperationen mit Schulen und sonstigen relevanten Institutionen angeregt und unterstützt. Evaluierung und Auswertung Im Sinne einer Prozessbegleitung erfolgt eine Erprobung und Nachsteuerung der Interventionsmaßnahmen. Je nach Realisierungsmöglichkeiten in den jeweiligen Unternehmen sollen die Ergebnisse bereits innerhalb der Projektlaufzeit in aktuelle Bewerbungsphasen einfließen. Es wird überprüft, ob die Veränderungen der Interventionsphase auf Akzeptanz stoßen, ob sich mehr Jugendliche angesprochen fühlen und entsprechend die Anzahl behinderter Bewerber steigt. In einem Handlungsleitfaden, der die Ergebnisse aller Forschungsaktivitäten bündelt, werden Empfehlungen für erfolgreiche Strategien, für Rekrutierungsprozesse und für die künftige Gestaltung von betrieblichen Angeboten festgehalten. Ebenso werden Maßnahmen und Strukturen, die unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit zu einer Verbesserung des Übergangs beitragen, aufgezeigt. Damit sollen die Anforderungen der Arbeitswelt und die Fähigkeiten schwerbehinderter junger Menschen besser in Einklang gebracht werden. Weitere Informationen sowie Literaturangaben können eingeholt werden bei mathilde.niehaus@unikoeln.de