Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2012.art14d
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Unterstütztes freiwilliges Engagement
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Monika T. Wicki
Durch freiwilliges Engagement können Erwachsene mit einer intellektuellen Beeinträchtigung sinnvoll in die Gemeinschaft einbezogen werden. Der Artikel untersucht die Frage, ob sich in der Schweiz Personen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung freiwillig engagieren, welche Möglichkeiten sich ihnen bieten und welcher Unterstützungsbedarf vonseiten der Einsatzorganisationen gesehen wird. Eine Online-Befragung bei Vermittlungsorganisationen, Wohnheimen und Werkstätten für Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung als Einsatzorganisationen dient als Datengrundlage. Bezüglich des freiwilligen Engagements der beschriebenen Personengruppe werden sowohl positive als auch herausfordernde Aspekte dargestellt. Die Resultate werden im Hinblick auf die Förderung des freiwilligen Engagements von Erwachsenen mit intellektueller Beeinträchtigung diskutiert.
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125 VHN, 82. Jg., S. 125 -139 (2013) DOI 10.2378/ vhn2012.art14d © Ernst Reinhardt Verlag Fachbeitrag Unterstütztes freiwilliges Engagement Monika t. Wicki interkantonale hochschule für heilpädagogik, Zürich Zusammenfassung: Durch freiwilliges Engagement können Erwachsene mit einer intellektuellen Beeinträchtigung sinnvoll in die Gemeinschaft einbezogen werden. Der Artikel untersucht die Frage, ob sich in der Schweiz Personen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung freiwillig engagieren, welche Möglichkeiten sich ihnen bieten und welcher Unterstützungsbedarf vonseiten der Einsatzorganisationen gesehen wird. Eine Online-Befragung bei Vermittlungsorganisationen, Wohnheimen und Werkstätten für Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung als Einsatzorganisationen dient als Datengrundlage. Bezüglich des freiwilligen Engagements der beschriebenen Personengruppe werden sowohl positive als auch herausfordernde Aspekte dargestellt. Die Resultate werden im Hinblick auf die Förderung des freiwilligen Engagements von Erwachsenen mit intellektueller Beeinträchtigung diskutiert. Schlüsselbegriffe: Intellektuelle Beeinträchtigung, geistige Behinderung, freiwilliges Engagement Supported Volunteering Summary: Volunteering by adults with intellectual disabilities contributes to their social integration. The article examines the question if persons with intellectual disabilities are engaged in voluntary activities in Switzerland, what opportunities they have, and what form of assistance they need. An online-survey of intermediate organisations, residential homes, and workshops for disabled people served as data basis for the study. Both positive and challenging aspects are presented. The results are discussed with regard to the promotion of volunteering by adults with intellectual disabilities. Keywords: Intellectual disability, mental retardation, volunteering 1 Das freiwillige engagement von erwachsenen mit behinderung Seit der Jahrtausendwende findet das freiwillige bzw. bürgerschaftliche Engagement in Wissenschaft und Praxis ein verstärktes Interesse. 2001 war das UNO-Jahr der Freiwilligen und 2011 das europäische Jahr der Freiwilligentätigkeit. Freiwilliges Engagement, also die freiwillig übernommene Aufgabe oder Arbeit, die über einen längeren Zeitraum hinweg mit einer gewissen Regelmäßigkeit unbezahlt oder gegen eine geringe Aufwandsentschädigung im Kontext einer Organisation oder im nachbarschaftlichen Umfeld ausgeübt wird (Gensicke u. a. 2006, 41), ist ein wesentlicher Bestandteil des sozialen, kulturellen und ökonomischen Gefüges moderner Gesellschaften (Braun 2001, 104; Nollert/ Huser 2007, 14). Rund die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer gehen einer regelmäßigen freiwilligen Tätigkeit nach. Sie engagieren sich in Vereinen, übernehmen politische Ämter oder leisten Nachbarschaftshilfe (Stadelmann-Steffen u. a. 2007, 43 u. 81). Das freiwillige Engagement ist ein Schlüsselfaktor für eine starke Zivilgesellschaft (UN Volunteers 2002) und ein wichtiger Integrationsfaktor der Gesellschaft, denn es fördert die Teilhabe an der Gemeinschaft (Bühlmann/ Freitag 2004, 339; Freitag u. a. 2009, 511; Trembath u. a. 2010, 215). VHN 2 | 2013 126 MONIka T. WIckI Unterstütztes freiwilliges Engagement Fachbeitrag Miller u. a. (2002; 2003) zeigen, dass sich Menschen mit Behinderung weniger häufig freiwillig engagieren können als Menschen ohne Behinderung und dass Personen mit intellektueller Beeinträchtigung besonders selten als Freiwillige engagiert sind. Es ist davon auszugehen, dass sich auch in der Schweiz Freiwillige mit intellektueller Beeinträchtigung engagieren, dies jedoch in reduziertem Ausmaß und verbunden mit zahlreichen Herausforderungen. Damit Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung inklusiv in der Gesellschaft teilnehmen und teilhaben können, ist die Forschung auch über das freiwillige Engagement dieser Personengruppe und dessen Förderung unerlässlich. 1.1 Motivation und hindernisse Die Motivation von Freiwilligen wurde bereits in zahlreichen Studien untersucht (Bovay u. a. 1994; Düx u. a. 2009, 45ff; Stadelmann-Steffen u. a. 2010, 87ff). Die Studien zeigen, dass sich die Freiwilligen häufig engagieren, weil sie Spaß an den Tätigkeiten haben und Zufriedenheit im Engagement suchen; sie möchten mit anderen etwas bewegen, anderen helfen, mit anderen Menschen zusammenkommen und soziale Beziehungen aufbauen; sie wollen ihre Fähigkeiten einbringen, persönlich wachsen und neue Erfahrungen machen, ihre persönlichen Wertvorstellungen umsetzen, aber auch Fertigkeiten für die persönliche Karriere erlernen. Es existieren nur wenige Studien, welche die Motivation von Freiwilligen mit intellektuellen Einschränkungen untersuchen. Trembath u. a. führten mit 24 erwachsenen Freiwilligen mit besonderen Kommunikationsbedürfnissen Interviews durch und konnten zeigen, dass sich die Motive von Freiwilligen mit Behinderung kaum von denjenigen von Freiwilligen ohne Behinderung unterscheiden (Trembath u. a. 2010, 208). Gut gebildete Personen, die über ein hohes Einkommen und ein großes soziales Netzwerk verfügen, engagieren sich generell häufiger als Personen mit einem niedrigen Bildungsstatus und kleinerem Netzwerk (Foley/ Edwards 1999; Nollert/ Huser 2007, 31). Viele Menschen mit einer Behinderung haben Schwierigkeiten, sich freiwillig zu engagieren. Ein möglicher Grund dafür ist, dass Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung sowohl im Hinblick auf Bildung, Einkommen und Größe des sozialen Netzwerks benachteiligt sind (Gredig u. a. 2005, 15 u. 43f). Verschiedene Studien (Graff/ Vedell 2003; Miller u. a. 2003; Choma/ Ochocka 2005, 2; Trembath u. a. 2010, 215) weisen auf weitere Hindernisse hin, welche die Möglichkeiten für ein freiwilliges Engagement für Erwachsene mit Behinderung reduzieren können. Die Freiwilligenarbeit ist oft zu wenig koordiniert, und Organisationen tendieren dazu, die Fähigkeiten dieser Personen zu unterschätzen. Es gibt Schwierigkeiten, die Aufgaben den unterschiedlichen Bedürfnissen der Freiwilligen anzupassen oder passende und sinnvolle Tätigkeiten zu finden. Die Mitarbeitenden in den Organisationen fühlen sich zu wenig ausgebildet, mit Personen mit intellektueller Beeinträchtigung zu kommunizieren und sie in ihrem Engagement zu unterstützen. Für rollstuhlfahrende Freiwillige gibt es Schwierigkeiten beim Zugang, zudem fehlen oft Transportmöglichkeiten. 1.2 Positive effekte für erwachsene mit behinderung Freiwilliges Engagement kann auch erwachsenen Menschen mit einer lebenslangen Behinderung großen Gewinn bringen. Balandin u. a. (2006, 683) konnten anhand von 14 Interviews mit Erwachsenen mit einer Behinderung zeigen, dass die Freiwilligen Leute kennenlernen und ihr soziales Netzwerk ausbauen können. VHN 2 | 2013 127 MONIka T. WIckI Unterstütztes freiwilliges Engagement Fachbeitrag Sie können zudem ihre Kompetenzen einsetzen und neue Fertigkeiten entwickeln. Choma und Ochocka (2005) evaluierten ein Programm in Waterloo, Ontario, zur Unterstützung des freiwilligen Engagements von 226 erwachsenen Personen mit physischen und intellektuellen Behinderungen wie auch mit Sinnesbehinderungen. Bei diesem Projekt wurden die Freiwilligen mit Behinderung durch Peers ohne Behinderung begleitet. Choma und Ochocka (2005, 7) stellten fest, dass das Selbstvertrauen der Freiwilligen gestärkt wird, weil sie sich gebraucht, zugehörig und anerkannt fühlen, zudem werden spezifische Fertigkeiten ausgebildet. Die Freiwilligen werden durch das Engagement befähigt, in der Gemeinde zu partizipieren. In dieser Rolle sind sie eher Gebende als Nehmende von Dienstleistungen. Dadurch werden Wohlbefinden und Lebensqualität erhöht. Freiwilliges Engagement ist eine sinnvolle Tätigkeit und fördert gleichzeitig die Teilhabe an der Gesellschaft. 1.3 Mögliche risiken In der gegenwärtigen internationalen Debatte verbinden sich mit dem freiwilligen Engagement zahlreiche Erwartungen. Angesichts der durch den demografischen Wandel zu erwartenden Zunahme an Pflege- und Unterstützungsbedürfnissen bei knapper werdenden öffentlichen Mitteln wird im freiwilligen Engagement eine Möglichkeit zur finanziellen Entlastung der sozialen Sicherungssysteme gesehen. Man verspricht sich eine stärkere Problem- und Bürgernähe, sogar eine erhöhte Effektivität und Qualität der Leistungen, wenn soziale Dienste vermehrt durch zivilgesellschaftliche Akteure übernommen werden (Braun 2001, 104). Diskutiert wird auch, dass freiwilliges Engagement vor dem Hintergrund steigender Arbeitslosigkeit aufgrund der Globalisierung der Arbeitsmärkte und der Flexibilisierung von Arbeit die Integrationsleistung klassischer Erwerbsarbeit ergänzen oder auch ersetzen kann. Freiwilliges Engagement kann den vom Arbeitsmarkt Ausgeschlossenen gesellschaftliche Teilhabe, Sinnstiftung und Anerkennung bieten (Beck 2000, 49; Erlinghagen 2000, 293; Nadai 2005). Reilly (2005, 20) konnte zeigen, dass zahlreiche Personen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung das freiwillige Engagement als eine sinnvolle Alternative zur bezahlten Arbeit betrachten. Im Hinblick auf diese Debatten muss die Möglichkeit der Ausbeutung von Personen, die eine bezahlte Arbeit suchen, gleichermaßen beachtet und diskutiert werden. Es kann vorkommen, dass Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung das freiwillige Engagement als ihre Arbeit betrachten. Darum sollte genau geklärt werden, ob die Betroffenen ein freiwilliges Engagement oder eine bezahlte Arbeit suchen, und wenn Letzteres der Fall ist, hat die Unterstützung in der Suche nach einer bezahlten Arbeit Priorität. Bedacht werden muss auch, dass die Professionalität der erbrachten Leistung nicht unter dem vermehrten Einbezug von Freiwilligen leidet. 1.4 Unterstützungsmöglichkeiten Seit vielen Jahren gibt es im angelsächsischen Raum Projekte, die das freiwillige Engagement von Menschen mit Beeinträchtigungen unterstützen, so auch die Erweiterung des Projektes REC (Recreation in Education and the Community), das in Massachusetts in den 1990er Jahren über mehrere Jahre durchgeführt und von Komissar u. a. (1995 und 1997, 15) evaluiert wurde. Mögliche Strategien zur Unterstützung des freiwilligen Engagements für Vermittlungsagenturen sind die Unterstützung bei der Ausübung der freiwilligen Tätigkeit und beim Finden von Aktivitäten, die zu den Fähigkeiten der Person passen. Ein inklusives Marketing bzw. die Aufklärung der Bevölkerung über Bedeutung und Gewinn der freiwilligen Arbeit von Menschen mit Behinderung und die An- VHN 2 | 2013 128 MONIka T. WIckI Unterstütztes freiwilliges Engagement Fachbeitrag passung von Texten an die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung werden als weitere Punkte genannt. Wichtigste Maßnahme sei aber die Begleitung der Freiwilligen bei der Tätigkeit selber, sofern eine solche erwünscht sei. Mit Begleitpersonen arbeiten auch die Projekte „Building Community Through Inclusive Volunteering“ (BCTIV) in Greensboro, North Carolina (Miller u. a. 2002), und das Projekt „Ready… Get Set…Volunteer! “ (RGSV) in Waterloo, Ontario (Choma/ Ochocka 2005). Auch Wilson u. a. (2010, 213) betonen die positiven Effekte der Unterstützung von Freiwilligen mit Behinderung durch sogenannte Mentoren. Im Handbuch „Volunteer Connection: Creating an Accessible and Inclusive Environment“ (Volunteer Canada 2001, 17) werden vier Unterstützungsbereiche genannt: 1) Den physischen Zutritt ermöglichen, 2) technische Hilfsmittel bereitstellen, 3) unterstützende Dienstleistungen und individuelle Assistenz anbieten sowie 4) Anpassungen bei Leitlinien vornehmen, um spezielle Arbeitsarrangements zu ermöglichen. Choma und Ochocka (2005, 7) nennen fünf Unterstützungsformen: 1) Informieren, 2) Fähigkeiten und Anforderungen der Tätigkeit prüfen und in Passung bringen, 3) Empfehlungen geben, 4) Coaching in Form von Unterstützung und Ausbildung für die Tätigkeit bieten und 5) die Personen bei ihren Tätigkeiten begleiten. 2 Forschungsstand in der Schweiz und Definition der Personengruppe Im deutschsprachigen Raum gibt es kaum Studien zum freiwilligen Engagement von Erwachsenen mit Behinderung. Eine Studie zum freiwilligen Engagement von Erwachsenen mit intellektueller Beeinträchtigung, die an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik in Zürich durchgeführt und von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft finanziell unterstützt wird, liefert erste Daten zum freiwilligen Engagement von Erwachsenen mit intellektueller Beeinträchtigung in der Schweiz 1 . Die in dieser Studie verwendete Definition der Gruppe der Personen mit intellektueller Beeinträchtigung basiert auf dem Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (BehiG 2002), dem Übereinkommen der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen (United Nations 2008) sowie der internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) (World Health Organisation 2001). Alle drei Definitionen sehen Behinderung als Folge von komplexen Interaktionen zwischen gesundheitlichen Faktoren und individuell unterschiedlichen physischen, sozialen und umweltgegebenen Aspekten, welche die Teilhabe einschränken. Es kann nicht vorausgesetzt werden, dass ein Mensch, der in den Körperfunktionen (physisch, geistig, sinnlich) eine Schädigung hat und vielleicht in der Aktivität beeinträchtigt ist, zugleich Einschränkungen in der Teilhabe erlebt. Wird Behinderung als ungünstige Wechselwirkung zwischen einer Person (mit ihrer Lebenssituation, ihrer Persönlichkeit usw.), ihren Körperfunktionen (physisch, geistig, sinnlich) und ihrem Umfeld (kulturell, institutionell, baulich usw.) betrachtet, erscheint es sinnvoll, den Begriff Beeinträchtigung zu verwenden, wenn noch nicht feststeht, ob und in welcher Form eine Behinderung vorliegt. Für die Beschreibung der Gruppe der Erwachsenen mit intellektueller Beeinträchtigung werden unterschiedliche Bezeichnungen verwendet. Viele Personen weisen mehrere Beeinträchtigungen gleichzeitig auf. Diese können sich im Laufe der Zeit verändern. Der Begriff „geistige Behinderung“ ist unpräzise und veraltet. Die betroffenen Personen selber bevorzugen den Begriff „Lernbehinderung“ VHN 2 | 2013 129 MONIka T. WIckI Unterstütztes freiwilliges Engagement Fachbeitrag (Fornefeld 2009, 60). In der Schweiz unterscheidet jedoch die Schweizerische Invalidenversicherung zwischen einer geistigen Behinderung und einer Lernbehinderung aufgrund des Intelligenzquotienten 2 (Eidgenössisches Departement des Innern EDI 2011, 7). Wir ziehen daher die Bezeichnung der Zielgruppe als „Erwachsene mit intellektueller Beeinträchtigung“ vor. So können sowohl Personen mit einem höheren als auch mit tieferem IQ in die Studie miteinbezogen werden. Letztlich steht aber im Zentrum der Studie die Frage nach dem Unterstützungsbedarf von Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung und nicht die Frage nach deren Beeinträchtigung. Ziel der Studie ist es, Grundlagen dafür zu liefern, das freiwillige Engagement von Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung zu fördern und zu unterstützen. Da in der Schweiz keinerlei Daten zu diesem Thema zur Verfügung stehen, wurde in einem ersten Schritt im Winter 2011 eine Online-Befragung bei Vermittlungs- und Einsatzorganisationen in der Schweiz durchgeführt. Es sollte in Erfahrung gebracht werden, ob, und wenn ja, wie viele Freiwillige mit einer intellektuellen Beeinträchtigung in der Schweiz tätig sind, welche Möglichkeiten sie haben, sich zu engagieren, welche Herausforderungen sich ihnen stellen, welche Unterstützung geboten wird und welche weiteren Unterstützungsbedarfe bestehen. Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse der Befragung vorgestellt. 3 Freiwillige mit einer intellektuellen beeinträchtigung in der Schweiz 3.1 Online-befragung zum freiwilligen engagement Um zu sehen, welche Möglichkeiten, Herausforderungen und Unterstützungsangebote in der Schweiz für Freiwillige mit einer intellektuellen Beeinträchtigung vorhanden sind, wurden zunächst zwei unterschiedliche Arten von Organisationen angeschrieben. Mit einer Online-Befragung wurden einerseits Vermittlungsstellen und andererseits Einsatzorganisationen befragt. 3.2 Vermittlungsstellen Viele Freiwillige finden ihren Einsatzort durch Vermittlungsstellen für Freiwilligenarbeit. Die Dachorganisation der Fach- und Vermittlungsstellen für Freiwilligenarbeit ist BENEVOL Schweiz. Sie informiert und berät Einzelpersonen, Organisationen und Vereine zu allen Aspekten der Freiwilligenarbeit. Zur Teilnahme an der Online-Befragung wurden BENEVOL Schweiz, 14 Mitglieder von BE- NEVOL Schweiz sowie fünf weitere Fachstellen, die auf der Homepage von BENEVOL Schweiz aufgeführt sind, angeschrieben. Zudem wurden neun weitere im Internet aufgeführte freie und kirchliche Vermittlungsstellen für Freiwillige für die Befragung angeschrieben. Insgesamt wurden 30 Vermittlungsstellen aus der ganzen Schweiz per E-Mail eingeladen, an der Befragung teilzunehmen. 3.3 einsatzorganisationen Die Einsatzmöglichkeiten für ein freiwilliges Engagement sind vielfältig. Freiwilliges Engagement kann im Kontext einer Organisation oder im nachbarschaftlichen Umfeld geleistet werden. Um einen ersten Einstieg ins Feld der Freiwilligen zu bekommen, haben wir uns entschieden, zunächst nur das freiwillige Engagement in potenziellen Einsatzorganisationen zu untersuchen, da diese direkt und einfach zu erreichen sind. Ausgangspunkt der Auswahl der befragten Einsatzorganisationen war die Annahme, dass Organisationen, die mit Personen mit intel- VHN 2 | 2013 130 MONIka T. WIckI Unterstütztes freiwilliges Engagement Fachbeitrag Vermittler Vereine Wohnheime andere region a n g e s c h r i e b e n a n t w o r t e n r ü c k l a u f a n g e s c h r i e b e n a n t w o r t e n r ü c k l a u f a n g e s c h r i e b e n a n t w o r t e n r ü c k l a u f w e i t e r e a n t w o r t e n a n t w o r t e n t o t a l a n g e s c h r i e b e n t o t a l r ü c k l a u f t o t a l Ostschweiz (aR, aI, GL, GR, SG, SH, TG) 4 2 50.0 % 31 8 25.8 % 137 37 27.0 % 2 49 172 28.5 % Genferseeregion (GE, VD, VS) 7 0 0.0 % 19 6 31.6 % 83 20 24.1 % 4 30 109 27.5 % Nordwestschweiz (aG, BL, BS) 4 4 100.0 % 22 4 18.2 % 108 21 19.4 % 4 33 134 24.6 % Zentralschweiz (LU, NW, OW, SZ, UR, ZG) 2 0 0.0 % 26 9 34.6 % 66 12 18.2 % 1 22 94 23.4 % Mittelland (BE, FR, JU, NE, SO) 6 4 66.7 % 42 11 26.2 % 165 22 13.3 % 7 44 213 20.7 % Tessin 0 0 0.0 % 0 0 0.0 % 17 2 11.8 % 1 3 17 17.6 % Zürich (ZH) 5 3 60.0 % 17 5 29.4 % 156 19 12.2 % 4 31 178 17.4 % gesamte Schweiz 2 0 0.0 % 7 0 0.0 % Fürstentum Liechtenstein 2 0 0.0 % unbekannt 4 total 30 13 43.3 % 164 43 26.2 % 734 133 18.1 % 23 216 928 23.3 % tab. 1 Rücklauf nach Art der Organisation und Herkunftsregion 3 der Antworten VHN 2 | 2013 131 MONIka T. WIckI Unterstütztes freiwilliges Engagement Fachbeitrag lektuellen Beeinträchtigungen arbeiten, möglicherweise eher bereit sind, Freiwillige aus dieser Gruppe anzustellen als andere Organisationen. Es wurden Wohnheime und Werkstätten sowie Verbände und Vereine befragt, die mit oder für Personen mit Beeinträchtigung arbeiten. Die Adressen der Wohnheime und Werkstätten, die wir im Folgenden für die bessere Lesbarkeit mit dem Begriff Wohnheime bezeichnen, stammen aus dem Mitgliederverzeichnis von INSOS Schweiz. INSOS Schweiz vertritt als nationaler Branchenverband die Interessen von 750 Institutionen für Menschen mit Behinderung, in denen 60.000 Menschen Arbeit, eine Tagesstruktur oder ein Zuhause finden und die Möglichkeit haben, eine Integrations- oder eine berufliche Maßnahme zu absolvieren. Die Einladung zur Teilnahme an der Befragung wurde an 734 E-Mail-Adressen von Wohnheimen versandt. Zudem wurden regionale und schweizweit tätige Verbände und Vereine angeschrieben, die sich für Menschen mit Behinderung, insbesondere mit einer intellektuellen Beeinträchtigung, und für ihre Familien einsetzen: Insieme, Pro Infirmis, cerebral und Procap. Diese werden im Folgenden zur einfacheren Lesbarkeit mit dem Begriff Vereine zusammengefasst. Die Anfrage zur Teilnahme an der Befragung wurde an 164 E-Mail-Adressen dieser Vereine für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung versandt. Die Online-Befragung wurde im November 2011 in deutscher und französischer Sprache versandt und war vier Wochen zugänglich. Zwei Wochen nach dem ersten Versand wurde eine Erinnerungsmail an sämtliche Adressen verschickt. Die Antworten wurden mithilfe des Datenanalyseprogramms SPSS Version 20 und mittels deskriptiver Statistik und Inhaltsanalyse ausgewertet. 3.4 rücklauf Insgesamt wurden also 30 Vermittlungsstellen, 164 Vereine sowie 734 Wohnheime angeschrieben. Erhalten haben wir, dargestellt in Tabelle 1, total 216 Antworten. Die Antworten stammen von 13 Vermittlungsstellen, von 43 Vereinen, von 133 Wohnheimen und von 27 Institutionen, von denen nicht bekannt ist, ob es sich um Wohnheime oder Vereine handelt. Die Rücklaufquote von durchschnittlich 23,3 % ist für eine Online-Befragung akzeptabel. Die Vermittlungsstellen haben mit einer Rücklaufquote von 43 % deutlich häufiger geantwortet als die Vereine (Rücklaufquote 26 %) oder die Wohnheime (Rücklaufquote 18,1 %). Der Rücklauf ist in den Regionen unterschiedlich: In der Region Ostschweiz antworteten mehr als 28 % der angeschriebenen Personen, während im Kanton Zürich nur gut 17 % den Fragebogen ausfüllten. Die vereinzelten gesamtschweizerisch tätigen Dachorganisationen, die angeschrieben wurden, haben nicht geantwortet. 4 ergebnisse 4.1 Die Vermittlung von Freiwilligen mit intellektueller beeinträchtigung Die Vermittlungsstellen geben Auskunft darüber, wie viele Vermittlungen sie pro Jahr durchführen und ob und wie viele Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung darunter sind. Zudem fragten wir, welchen Nutzen die Vermittlungsstelle selber und, ihrer Meinung nach, Einsatzorganisationen und Freiwillige mit einer intellektuellen Beeinträchtigung vom freiwilligen Engagement hätten. Gefragt wurde auch, welche Möglichkeiten für eine freiwillige Tätigkeit vorhanden sind und welche Schwierigkeiten bei der Vermittlung von Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung gesehen werden. VHN 2 | 2013 132 MONIka T. WIckI Unterstütztes freiwilliges Engagement Fachbeitrag Die dreizehn antwortenden Vermittlungsstellen vermittelten im letzten Jahr je zwischen 40 und 500 Freiwillige, insgesamt 1’840 Personen. Der Median liegt bei 120. Vermittelt werden auch Freiwillige mit einer Beeinträchtigung. Acht Vermittlungsstellen vermitteln keine Personen mit Beeinträchtigung, eine vermittelt pro Jahr bis zu 30 Personen mit Behinderung. Der Median liegt hier bei 0.5. Insgesamt schreiben die Vermittlungsstellen, sie hätten 48 Personen mit Beeinträchtigungen vermittelt. Uns interessiert besonders die Frage nach vermittelten Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung. Eine Vertreterin einer Vermittlungsstelle hat zurückgemeldet, dass sie schon seit vielen Jahren in diesem Bereich als Vermittlerin von Freiwilligen tätig sei und dabei noch nie einem Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung begegnet sei. Nur zwei Vertreter von Vermittlungsstellen geben an, dass sie im letzten Jahr Freiwillige mit intellektueller Beeinträchtigung vermittelt hätten. Von diesen hat eine Vermittlungsstelle eine Person und die andere zwei Personen vermittelt. Als Tätigkeit wird das Begleiten bei Spaziergängen genannt. Die zwei Vertreter der Vermittlungsstellen, welche Freiwillige mit intellektueller Beeinträchtigung vermittelten, sehen verschiedene Schwierigkeiten bei der Vermittlung dieser Personengruppe. Besonders schwierig sei es, einen Einsatzort zu finden, der zu den Fähigkeiten der Person passe, die sich freiwillig engagieren möchte. Als weitere Herausforderungen nennen sie die Kommunikationsfähigkeit und die Zuverlässigkeit der Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung. Die zwei Vermittlungsstellen begegnen diesen Herausforderungen durch eine nahe Begleitung und indem sie den Unterstützungsbedarf der Personen kennenlernen. Das Ergebnis zeigt: Vermittlungsstellen vermitteln nur sehr wenige Freiwillige mit einer intellektuellen Beeinträchtigung. Unter mehr als 1’800 vermittelten Freiwilligen sind nur 48 Personen mit einer Behinderung und unter diesen nur drei mit einer intellektuellen Beeinträchtigung. Eine mögliche Schlussfolgerung daraus ist, dass Vermittlungsstellen im Hinblick auf die Förderung des freiwilligen Engagements von Erwachsenen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung diese Personengruppe stärker berücksichtigen bzw. ansprechen, informieren und vermitteln könnten. 4.2 Der einsatz von Freiwilligen mit intellektueller beeinträchtigung 4.2.1 anzahl Freiwilliger mit intellektueller beeinträchtigung Gesamthaft liegen die Antworten von mehr als 200 Einsatzorganisationen (Wohnheime, Werkstätten, Verbände und Vereine) vor. Ziel der Befragung der Einsatzorganisationen war es festzustellen, ob und, wenn ja, welche Möglichkeiten Einsatzorganisationen für ein freiwilliges Engagement von Erwachsenen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung bieten, welche Schwierigkeiten und Hindernisse dabei auftreten und wie groß der Unterstützungsbedarf ist. In nur 26 Einsatzorganisationen sind insgesamt 137 Freiwillige mit einer intellektuellen Beeinträchtigung tätig. 107 davon arbeiten in 18 Verbänden und Vereinen und 29 in sieben Wohnheimen. Bei einer Person ist unbekannt, in welcher Art Institution sie freiwillig arbeitet. 4.2.2 tätigkeiten der Freiwilligen mit intellektueller beeinträchtigung Es stellt sich die Frage, welche Tätigkeiten erwachsene Freiwillige mit einer intellektuellen Beeinträchtigung ausführen. Die Antworten der Einsatzorganisationen auf die offenen Fragen wurden mit einer Inhaltsanalyse ausgewertet. VHN 2 | 2013 133 MONIka T. WIckI Unterstütztes freiwilliges Engagement Fachbeitrag Sieben Vereine, welche eine hohe Anzahl Freiwilliger mit intellektueller Beeinträchtigung melden, geben die Mitarbeit bei Standaktionen als Tätigkeit an. So sind von den 137 Freiwilligen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung ca. 90 Personen einbis zweimal jährlich bei Standaktionen tätig. Andere Freiwilligentätigkeiten sind in Vereinen die Mitarbeit im Büro, beim Versand von Briefen oder in den Programmkommissionen von Bildungsclub oder Procap. In den Wohnheimen werden zudem Vorlesen, Einkaufen und Musizieren genannt. Nach Stadelmann-Steffen u. a. (2010) geben 27 % der Freiwilligen, die in Vereinen, Verbänden oder anderen Organisationen tätig sind, an, dass sie Treffen und Veranstaltungen organisieren, 20 % vollbringen persönliche Hilfeleistungen, 15 % führen Verwaltungstätigkeiten aus (Stadelmann-Steffen u. a. 2010, 50). Die Freiwilligen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung hingegen werden eher bei praktischen Tätigkeiten wie Standaktionen eingesetzt. Solche Arbeiten machen aber nur für 14 % aller Freiwilligen in der Schweiz den Hauptinhalt ihrer Tätigkeit aus (ebd.). Dieses Ergebnis zeigt: Die Einsatzmöglichkeiten von Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung sind gegenüber denen anderer Freiwilliger deutlich eingeschränkt. 4.2.3 Unterstützung der Freiwilligen mit intellektueller beeinträchtigung Um das freiwillige Engagement von Erwachsenen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung zu fördern, interessieren auch die Fragen nach den Schwierigkeiten, welchen die Einsatzorganisationen begegnen, wie sie damit umgehen und welche Unterstützung den Freiwilligen angeboten wird. Um Einblick in die spezifischen Herausforderungen zu erhalten, wurde mit offenen Fragen nach diesen und nach Möglichkeiten, ihnen zu begegnen, gefragt. 17 Einsatzorganisationen und zwei Vermittlungsstellen, die mit Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung arbeiten, machen Angaben zu den Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit diesen Personen. Für sechs Personen stellen der Zeitbedarf und der spezifische Rhythmus der Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung eine besondere Schwierigkeit dar. Vier Personen sagen, die Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung seien „eigensinnig“ und „stur“. Probleme bereiten überdies die erschwerte Kommunikation, mangelnde Fähigkeiten im Umgang mit Geld, Kenntnis der Uhrzeit oder Kenntnis und Akzeptanz von Regeln. Zwei Einsatzorganisationen empfinden es als schwierig, Aufgaben zu finden, die zu den Fähigkeiten der Freiwilligen passen und klar sind. Von je einer Person wird die Akzeptanz der Freiwilligen von den anderen Freiwilligen oder den Klienten, die Integration der Freiwilligen in der Gruppe und die Weiterbildung der Freiwilligen im Hinblick auf ihre Tätigkeit als schwierig empfunden. Um den Herausforderungen zu begegnen, kann den Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung eine spezifische Unterstützung angeboten werden. Es zeigen sich leichte Unterschiede im Ausmaß und der Art der angebotenen Unterstützung für diejenigen Freiwilligen, die in Wohnheimen arbeiten, und jenen, die sich in Vereinen und Verbänden engagieren. Die Ergebnisse sind in Abbildung 1 zusammengefasst dargestellt. Nach Angaben der Befragten brauchen Freiwillige mit einer intellektuellen Beeinträchtigung zusätzliche Unterstützung. Von den 26 Vereinen und Wohnheimen, die mit Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung arbeiten, geben zwanzig an, wie viel Unterstützung ihrer Meinung nach diese Freiwilligen benötigen. Die Antwortenden sind in dieser Hinsicht geteilter Meinung. Insgesamt sind zehn Personen der Ansicht, dass viel, und VHN 2 | 2013 134 MONIka T. WIckI Unterstütztes freiwilliges Engagement Fachbeitrag zwölf, dass wenig Unterstützung notwendig sei. Niemand vertrat die Meinung, dass es keine Unterstützung brauche. Während acht von vierzehn Antwortenden aus Vereinen angeben, dass die Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung viel Unterstützung benötigen, sagen dies nur zwei von sechs Antwortenden aus den Wohnheimen. Zwanzig Personen geben eine Antwort auf die Frage, ob die Einsatzorganisationen für die Freiwilligen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung eine spezifische Unterstützung anbieten. 13 davon (drei Wohnheime und zehn Verbände) bejahen diese Frage, sieben (drei Wohnheime und vier Verbände) bieten keine spezifische Unterstützung an. Wohnheime bieten weniger spezifische Unterstützung an als Vereine. Fünf der sechs Antwortenden aus den Wohnheimen geben an, dass sich die Unterstützung nicht oder nur wenig von derjenigen für andere Freiwillige unterscheide. Aus den Vereinen sagen dies zehn von 14 Antwortenden. Die Antwortenden, welche Unterstützung anbieten, konnten in einer offenen Frage angeben, welche Angebote sie entwickelt haben, um mit den spezifischen Herausforderungen umzugehen. Fünf Vertreter der Einsatzorganisationen schreiben, dass sie die Kommunikation an die Bedürfnisse der Freiwilligen anpassen und ausführliche Informationen und Anleitungen geben. Je vier Personen betonen die Wichtigkeit einer ausreichenden Begleitung bei der Tätigkeit und die Notwendigkeit, Akzeptanz, Respekt, Geduld und Flexibilität für die Freiwilligen aufzubringen. Von je zwei Personen wird erwähnt, dass die Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung mehr Zeit erhielten, um die Tätigkeiten auszuführen, und dass darauf geachtet werde, eine passende Tätigkeit zu finden, die leicht abb. 1 Unterstützung für Freiwillige mit intellektueller Beeinträchtigung (Anzahl der Antworten) VHN 2 | 2013 135 MONIka T. WIckI Unterstütztes freiwilliges Engagement Fachbeitrag erreichbar ist (bzw. werden Transportmöglichkeiten bereitgestellt). Eine Person nennt Weiterbildung der Freiwilligen als Unterstützungsmaßnahme. Die Ergebnisse zeigen: Freiwillige mit einer intellektuellen Beeinträchtigung erhalten nur zum Teil spezifische Unterstützung, um ihr freiwilliges Engagement auszuführen. Diese Unterstützung unterscheidet sich manchmal von derjenigen für andere Freiwillige und bringt für die Einsatzorganisationen etwas mehr Aufwand mit sich. Nur in wenigen Wohnheimen sind Freiwillige mit intellektueller Beeinträchtigung beschäftigt: diese wenigen Fälle erhalten weniger Unterstützung und seltener spezifische Unterstützung von den Einsatzorganisationen als Freiwillige, die in Vereinen und Verbänden engagiert sind. 4.2.4 Nutzen und gewinn durch das freiwillige engagement Den Einsatzorganisationen wurden offene Fragen dazu gestellt, welchen Nutzen sie aus der Arbeit mit Freiwilligen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung ziehen können. Zudem wurden sie gefragt, welchen Gewinn die Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung ihrer Meinung nach aus ihrer Tätigkeit zögen. Die 18 Antworten zeigen, dass sowohl die Einsatzorganisationen als auch die Freiwilligen vom Einsatz profitieren können: Das freiwillige Engagement entlastet die Angestellten, und gleichzeitig hilft es den Vereinen und Wohnheimen, ihrem Gleichstellungs- und Integrationsauftrag nachzukommen. Durch die Mitarbeit der durch Behinderung selber betroffenen Personen steigt gemäß drei Vertretern die Glaubwürdigkeit der Organisationen in der Öffentlichkeit. Die Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung werden von einigen Befragten auch als Bereicherung für den Betrieb empfunden, denn sie bringen als Betroffene Fachwissen, aber auch viel Freude und Unkompliziertheit in den Alltag. Der Gewinn für die Freiwilligen besteht gemäß den Angaben der Vermittlungsstellen und der Einsatzorganisationen darin, dass sie zusätzliche Anerkennung erhalten und das Gefühl bekommen, ernst genommen und gebraucht zu werden. Die Einsatzorganisationen sind der Meinung, dass das freiwillige Engagement Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten biete und sowohl das Selbstwertgefühl als auch das soziale Netzwerk stärke. 4.2.5 Die bedeutung der haltung gegenüber Freiwilligenarbeit Nur sehr wenige Freiwillige mit einer intellektuellen Beeinträchtigung arbeiten in Wohnheimen oder Werkstätten. Es stellt sich die Frage, wie viel Erfahrung diese Organisationen grundsätzlich mit Freiwilligen, das heißt mit Freiwilligen ohne Beeinträchtigung, haben. Von 203 Einsatzorganisationen äußern sich 42 Personen aus den Vereinen und 121 aus Wohnheimen oder Werkstätten zu dieser Frage. Es zeigt sich, dass die Vereine deutlich mehr Erfahrung mit Freiwilligen ohne Beeinträchtigungen haben als die Wohnheime. Mehr als 65 % der Vereine geben an, viel Erfahrung mit Freiwilligen zu haben, während dies nur 22 % der Wohnheime von sich selber sagen. So stellt sich die Frage, wie viele Wohnheime und wie viele Vereine mit Freiwilligen mit Beeinträchtigungen zusammenarbeiten. Auch in diesem Punkt haben die Verbände mehr Erfahrung als die Wohnheime. 70 % der Vereine, insgesamt 31, arbeiten mit Freiwilligen mit Behinderung, hingegen nur 10 % der Wohnheime (insgesamt 14). Die Ergebnisse zur Erfahrung mit Freiwilligen ohne Beeinträchtigung, zur Zusammenarbeit mit Freiwilligen mit Beeinträchtigung und zur Zusammenarbeit mit Freiwilligen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung sind in Abbildung 2 zusammengefasst. VHN 2 | 2013 136 MONIka T. WIckI Unterstütztes freiwilliges Engagement Fachbeitrag Der Chi-Quadrat-Test zeigt, dass Organisationen, welche über viel Erfahrung mit Freiwilligen verfügen, signifikant häufiger auch mit Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung arbeiten: χ 2 (2, n = 141) = 16.3, p < .001. Insgesamt wurden uns 319 Freiwillige mit Behinderung (Median 5, Standardabweichung 7.7, Spannweite 39) und davon 137 Freiwillige mit intellektueller Beeinträchtigung (Median 3.5, Standardabweichung 6.1, Spannweite 22) genannt. Im Gegensatz zu den Wohnheimen haben Vereine und Verbände, die für und mit Personen mit intellektueller Beeinträchtigung arbeiten, mehr Erfahrung im Umgang mit Freiwilligen. Sie haben auch mehr Erfahrung im Umgang mit Freiwilligen mit Behinderung und im Umgang mit Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung. Die Ursache für diesen Unterschied ist aus der Befragung nicht ersichtlich. Eine Hypothese ist, dass die Art der Finanzierung oder die Grundhaltung Freiwilligen gegenüber deren Einsatz beeinflusst. Die Vereine und Verbände finanzieren sich zu einem großen Teil aus Spenden, freiwilliges Engagement in Form von Spenden ist für sie eine bedeutende Grundlage ihrer Tätigkeit. Wohnheime und Werkstätten hingegen werden oft zu großen Teilen aus staatlichen Beiträgen finanziert. Das freiwillige Engagement bildet hier weniger die Grundlage der Tätigkeit. Möglicherweise ist dies einer der Gründe, warum in Wohnheimen und Werkstätten weniger Freiwillige eingesetzt werden. 5 Unterstütztes freiwilliges engagement optimieren Die Ergebnisse der Online-Befragung zeigen, dass unterstütztes freiwilliges Engagement auch in der Schweiz praktiziert wird. In 26 Wohnheimen, Werkstätten, Vereinen und Verbänden arbeiten mindestens 137 Freiwillige mit intellektueller Beeinträchtigung. Vermittlungsorganisationen von Freiwilligen sind dabei jedoch nur sehr selten involviert. abb. 2 Erfahrung von Vereinen und Wohnheimen mit Freiwilligen, mit Freiwilligen mit Behinderung und mit Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung VHN 2 | 2013 137 MONIka T. WIckI Unterstütztes freiwilliges Engagement Fachbeitrag Die am freiwilligen Engagement beteiligten Betreuenden erleben ähnliche Herausforderungen, wie sie bereits in anderen Studien genannt wurden (Graff/ Vedell 2003; Miller u. a. 2003; Choma/ Ochocka 2005; Trembath u. a. 2010). Im Zentrum steht die Schwierigkeit, die Aufgaben dem besonderen Rhythmus der Freiwilligen anzupassen bzw. Tätigkeiten zu finden, die ihren unterschiedlichen Kompetenzen und Bedürfnissen entsprechen. Zudem muss die Kommunikation angepasst werden. Einsatzorganisationen, welche gewohnt sind, mit Freiwilligen zu arbeiten, arbeiten auch eher mit Freiwilligen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung zusammen. Verbände und Vereine, die sich für Menschen mit Behinderung einsetzen, bieten Erwachsenen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung öfter die Möglichkeit, sich freiwillig zu engagieren, als Wohnheime und Werkstätten. Die potenziellen Einsatzfelder für Freiwillige mit intellektueller Beeinträchtigung sind jedoch eingeschränkt. Die Mitarbeit bei Standaktionen ist die häufigste Tätigkeit und wird von mehr als der Hälfte aller von uns erfassten Freiwilligen ausgeführt. Durch die Befragung haben wir den Eindruck gewonnen, dass sich Erwachsene mit einer intellektuellen Beeinträchtigung in der Schweiz eher selten und mit eingeschränkten Möglichkeiten engagieren können, obwohl sowohl sie als auch die Einsatzorganisationen vom Engagement profitieren könnten. Erwachsene mit einer intellektuellen Beeinträchtigung scheinen zudem einen eingeschränkten Zugang zu Vermittlungsstellen für Freiwillige zu haben. Um das freiwillige Engagement von Erwachsenen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung zu fördern, könnten möglicherweise vielfältigere Tätigkeitsfelder eröffnet werden, wenn die betreffenden Vermittlungsstellen mehr Kontakt und Erfahrung mit Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung hätten oder umgekehrt, wenn mehr Freiwillige mit intellektueller Beeinträchtigung Zugang zu den Vermittlungsstellen erhielten. Zusätzlich besteht in Wohnheimen und Werkstätten die Möglichkeit, das freiwillige Engagement im Allgemeinen und das freiwillige Engagement von Erwachsenen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung grundsätzlich bekanntzumachen und zu fördern. Die Online-Befragung von Vermittler- und Einsatzorganisationen berücksichtigt die Sicht der Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung nicht. Wie sehen sie selber ihr freiwilliges Engagement? Wie sind sie dazu gekommen? Welche Hindernisse erleben sie? Und welche Strategien führen zur Überwindung dieser Hindernisse? Interviews mit Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung könnten helfen, diese Fragen zu beantworten. Aber auch die Schwierigkeiten aufseiten der Betreuenden oder der Vermittler müssen vertieft betrachtet und mit den Ergebnissen der Interviews gespiegelt werden. Dazu kann ein Gruppengespräch mit Betreuenden hilfreich sein. Letztlich stellt sich auch die Frage der Rolle der Bildungsclubs für Erwachsene mit intellektueller Beeinträchtigung im Rahmen der Ausbildung von Freiwilligen. Die verschiedenen Gespräche sollen die Ergebnisse der Befragung prüfen und vertiefte Aussagen über die Möglichkeiten, Herausforderungen und Unterstützungsbedarfe von Freiwilligen mit intellektueller Beeinträchtigung in der Schweiz ermöglichen. anmerkungen 1 Die Studie zum freiwilligen Engagement von Erwachsenen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung läuft an der HfH seit august 2011. Eine Online-Befragung bei Einsatz- und Vermittlerorganisationen und eine analyse derer konzepte der Freiwilligenarbeit, Interviews mit Freiwilligen und ihren Betreuenden VHN 2 | 2013 138 MONIka T. WIckI Unterstütztes freiwilliges Engagement Fachbeitrag sowie Gespräche mit Bildungsclubs von insieme und Pro Infirmis vermitteln einen vertieften Einblick in das freiwillige Engagement dieser Personengruppe. Die Ergebnisse werden zudem als Grundlage für einen Leitfaden zur Unterstützung des freiwilligen Engagements von Erwachsenen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung dienen. Eine Buchpublikation ist geplant. 2 als lernbehindert werden Menschen bezeichnet, deren Intelligenzquotient zwischen einer und zwei Standardabweichungen unter der Norm liegt, die also einen IQ zwischen 70 und 85 haben (Eidgenössisches Departement des Innern EDI, 2011). 3 Die Einteilung der Regionen wurde vom Bundesamt für Statistik übernommen Literatur Balandin, S.; Llewellyn, G.; Dew, a.; Ballin, L.; Schneider, J. (2006): Older Disabled Workers’ Perceptions of Volunteering. In: Disability & Society 21, 677 -692 Beck, U. (Hrsg.) (2000): Die Zukunft von arbeit und Demokratie. Frankfurt am Main: Suhrkamp BehiG/ Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (2002). Online unter: http: / / www. admin.ch/ ch/ d/ sr/ 1/ 151.3.de.pdf, 1. 7. 2012 Bovay, c.; Tabin, J.-P.; campiche, R. J. (1994): Bénévolat. Modes d’emploi. Le recours au bénévolat dans l’action sociale et sanitaire. Lausanne: Réalités sociales Braun, S. 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