Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Zu Riccardo Bonfranchis Frage, ob sich die Pränatale Diagnostik (PD) diskriminierend auf Menschen mit schwerer geistiger und mehrfacher Behinderung auswirke
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Georg Feuser
Bonfranchi stellt seinen Ausführungen als Fazit voran, dass die Pränatale Diagnostik (PD) nicht behindertenfeindlich sei. Wenn die Ablehnung eines an einem Menschen beobachtbaren oder, wie im Fall der PD, durch medizintechnische Maßnahmen diagnostiziertes Merkmal zu einer Form der Unterdrückung des dieses Merkmal tragenden Menschen führt, die sogar eine Beendigung seines Lebens erlaubt, so drückt das, bezogen auf mein Begriffsverständnis und die Begründung dessen, was Behindertenfeindlichkeit genannt werden kann, die extremste Form ihrer gesellschaftlichen Praxis aus.
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VHN 2 | 2013 152 GeorG Feuser Pränatale Diagnostik Die kontroverse Debatte Zu Riccardo Bonfranchis Frage, ob sich die Pränatale Diagnostik (PD) diskriminierend auf Menschen mit schwerer geistiger und mehrfacher Behinderung auswirke Georg Feuser Universität Zürich Bonfranchi stellt seinen Ausführungen als Fazit voran, dass die Pränatale Diagnostik (PD) nicht behindertenfeindlich sei. Wenn die Ablehnung eines an einem Menschen beobachtbaren oder, wie im Fall der PD, durch medizintechnische Maßnahmen diagnostiziertes Merkmal zu einer Form der Unterdrückung des dieses Merkmal tragenden Menschen führt, die sogar eine Beendigung seines Lebens erlaubt, so drückt das, bezogen auf mein Begriffsverständnis und die Begründung dessen, was Behindertenfeindlichkeit genannt werden kann, die extremste Form ihrer gesellschaftlichen Praxis aus. Sie muss, so gesehen, sogar mit dem Phänomen der „Euthanasie“ in Zusammenhang gebracht werden, auch wenn dieser Begriff in Bezug auf die Beendigung vorgeburtlichen Lebens nicht verwendet wird. Misst man der Veröffentlichung eines solchen Beitrags in einer renommierten Fachzeitschrift überhaupt einen relevanten Stellenwert zu, so kann ich diesen nur darin sehen, dass das Desaster fachwissenschaftlicher Analysen und Argumentationsstränge offengelegt und mit dem Appell intensiver Auseinandersetzung mit der aufgeworfenen Frage versehen wird. Deshalb möchte ich auf einige Aspekte der von Bonfranchi aufgeworfenen Frage, bezogen auf Menschen mit schwerer geistiger und mehrfacher Behinderung, eingehen. Zugestimmt werden kann der Aussage, dass die PD „die logische Konsequenz technologischer Entwicklungen“ ist, Ausdruck der Nicht- Akzeptanz schwerer Behinderungen, die Bonfranchi (für mich nicht zustimmungsfähig) als „nicht zu kompensieren“ bezeichnet, was pauschal jedwede Möglichkeit von ,Reifung‘ und ,Entwicklung‘ im Prozess der Epigenese im Mensch-Person- und Mensch-Welt-Verhältnis (Spitz 1972) negiert. Wird der Aspekt technologischer Entwicklung konsequent verfolgt, müsste die von Bonfranchi aufgeworfene Frage auf dem Zeitpfeil menschlicher Genese bereits an deren Anfang gestellt und auch auf die Präimplantationsdiagnostik (PID) im Rahmen der In-Vitro-Fertilisation (IVF) bezogen werden, da der Sachverhalt dort erst einmal kein anderer ist. Da es eine (Er-)Zeugung menschlichen Lebens auf einem postnatalen Niveau seiner Entwicklung (wo immer dieses auch anzusiedeln wäre) nicht gibt, sind wir unweigerlich damit konfrontiert, dass menschliches Leben sich (a) als ein Prozess in der Spanne von der Zeugung bis zum Tod (wann immer dieser erfolgt) in prä-, peri- und postnatalen Lebensräumen darstellt. Dieser Prozess selbst ist (b) heute weitgehend beschreibbar. Die Selbstorganisation eines lebenden Systems kann nicht aus ihrer systemischen Vermitteltheit mit seinen Umfeldbedingungen herausgelöst werden, die Grundlage seiner Entwicklung sind. Der Systemtod wäre VHN 2 | 2013 153 GeorG Feuser Pränatale Diagnostik Die kontroverse Debatte die Folge. Die Entwicklung selbst, verstanden als Komplexitätssteigerung und zunehmende Diversifikation des Systems, ist bezogen auf diese Parameter für keine Etappe prognostizierbar. Verweisen möchte ich nur auf Pablo Pineda, der durch den Film „Yo tambien“ als Schauspieler bekannt geworden ist, als erster Europäer 1999 mit einem Downsyndrom (DS) ein Lehramtsstudium an der Universität Malaga abgeschlossen hat und jetzt an einer Schule in Córdoba tätig ist. Abgesehen davon, dass seine Schullaufbahn integriert erfolgte, würde er im Falle einer PID möglicherweise im Zustand der befruchteten Eizelle selektiert und nicht implantiert worden sein oder sein pränatales Leben hätte im embryonalen bzw. fetalen Zustand nach PD beendet werden können. Dies auf der Basis eines Karyogramms, das nicht mehr und nicht weniger als eine T21 darzustellen vermag und in keiner Weise eine verlässliche Aussage über die Potenzialität dieses lebenden Systems zulässt und auch nicht darüber, wie weit diese in der verfügbaren Lebensspanne realisiert werden kann. Eine Aussage über Möglichkeiten und Grenzen des Systems ist nicht möglich und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft aufgrund der Systemkomplexität nicht diagnostizierbar (das neuronale Netzwerk Gehirn arbeitet mit 100 Milliarden [10 11 ] Neuronen und 10 15 Synapsen! Black 1991; Feuser 1998). Hätte die Arbeit von Bonfranchi ein Minimum an Forschungsrelevanz, so würde der Autor, (a) seinen eigenen Ausführungen folgend, allein durch den Verweis auf behinderte Menschen aus der ,Krüppelbewegung‘ erkennen können, dass die PD diskriminierend ist, weil diese Menschen ihre pränatale Tötbarkeit als Verletzung ihrer Würde erfahren, und (b) aus seiner pädagogischen Praxis mit solchen Kindern und Jugendlichen bei allen nicht zu leugnenden Widersprüchen, Missachtungen ihrer Bedürfnisse und Verletzungen ihrer Integrität wohl auch deren Lebensfreude diesbezüglich gewichten können, ganz abgesehen davon, dass (c) für eine Exploration der Betroffenen die Fähigkeit zur Verbalisierung keine Voraussetzung ist. So gesehen kann nur darauf Bezug genommen werden, dass Menschen, die schon in der frühen Embryogenese auftretende strukturelle Beeinträchtigungen in ihr System zu integrieren haben, späterhin mit hoher Wahrscheinlichkeit umfassender persönlicher und gesellschaftlicher Fürsorge hinsichtlich ihrer Gesundheit, Erziehung und Bildung und damit auch einer größeren sozialen und monetären Absicherung ihrer Existenz bedürfen als im Regelfall. Sie können, wie es üblicherweise ausgedrückt wird, schwerst und mehrfach behindert sein. Beeinträchtigungen funktioneller Art entziehen sich noch weitgehend pränatal-diagnostischen Zugriffen, die hinsichtlich resultierender Entwicklungsbeeinträchtigungen aber ähnlich gravierend sein und hinsichtlich ihrer ,Unerwünschtheit‘ bzw. der Kosten-Nutzen-Frage unter das Verdikt der „neuen Euthanasie“ gestellt werden können. Da menschliches Leben (a) dem Prozess seiner Entwicklungslogik in der Kontinuität - ich sage einmal - von einfachen Formen seiner Realisierung (die schon hoch komplex sind) zu hoher Komplexität, wie sie sich z. B. im Bewusstsein des Systems ausdrückt, nicht enthoben werden kann und (b) seine nicht vorwegnehmbare Potenzialität sich nur im Austausch mit seinen jeweiligen Lebenswelten (Uterus, primäre Bezugs- und Bindungsperson, Familie, Schule, Gesellschaft) realisiert, bleiben nur „Kunstgriffe“ hinsichtlich der Entscheidung, ob, wann und in welchen Zeiträumen (werdendes) Leben beendet werden darf. Dies z. B. im Sinne der Zu- oder Aberkennung eines (juridisch zu sehenden) Personstatus, der Zu- oder Aberkennung, ein vernunftfähiges Lebewesen zu sein bzw. werden VHN 2 | 2013 154 GeorG Feuser Pränatale Diagnostik Die kontroverse Debatte zu können, oder, wie in (präferenz-)utilitaristischen Argumentationen, des Noch-nicht- oder Nicht-mehr-Wollenkönnens der Erhaltung der eigenen Existenz bzw. der Mehrung des Glücks der Gesamtheit durch Tötung von Menschen, deren Existenz als Glücksminderung angesehen wird und/ oder für derart leidvoll, dass ihre Tötung moralisch geboten und ethisch als gerechtfertigt erscheint (eschatologisches Argument der ,Erlösung‘), wie das u. a. z. B. umfassend bei Singer (1982; 1984) und Kuhse/ Singer (1993) zum Ausdruck kommt. Was ich mit „Kunstgriff “ bezeichne, meint die Bestimmung von Merkmalen als Kriterien für ein zu schützendes bzw. nicht zu schützendes Leben, die ihrerseits in Anerkennung einer Kontinuität menschlichen Lebens von der Zeugung bis zum Tod nur willkürlich gesetzt werden und nicht aus dieser Kontinuität abgeleitet werden können, in der das Vorausgehende stets Grundlage des nachfolgend Möglichen ist. Vor diesem Hintergrund muss die Frage von Bonfranchi, ob die PD für Menschen mit Behinderung diskriminierend bzw. lebensbedrohend sei, bejaht werden. Dabei bleibt ungeklärt, was er mit dem Begriff „diskriminierend” meint. In einfachster Form könnte das die „Unterscheidung“ von Personen mit einer zugeschriebenen Behinderung von denen ohne eine solche sein - bis hin zu ihrer Ausgrenzung, Segregierung und Inklusion in Sonderinstitutionen bei erheblich ausgedünnten Möglichkeiten der Teilhabe an Gesellschaft und Kultur und einem gravierenden Bildungsreduktionismus (reduzierte Curricula) ohne Möglichkeit der Exklusion aus diesen. Auch ihre aktive Tötung kann gemeint sein, was unklar bleibt. Dass die PD (und eben auch die PID) lebensbedrohend ist, zeigt die von Bonfranchi negierte Empirie (z. B. Lenhard 2003), was die in seinem Beitrag auch definitionslos bleibende „Behindertenfeindlichkeit“, wie ich sie verstehen kann, bestätigt. Es bleiben zwei Dimensionen bestehen: Zum einen das ethisch nicht zu beugende Recht einer Frau über ihren eigenen Körper, das zu negieren die Außerkraftsetzung jedweder Freiheit des Menschen bedeuten würde (Steinvorth 1990), aber keine „Lex Behinderung“ i. S. der Möglichkeit zur Abtreibung bei attestierter Behinderung (auch bis kurz vor der Geburt) rechtfertigt, die vom Fötus sogar überlebt werden kann, was weitergehende Fragen aufwirft. Zum anderen ist die PD im Rahmen der Arbeit der genetischen Beratungsstellen von Anfang an mit Kosten-Nutzen-Analysen verbunden, mit denen ihr Auf- und Ausbau seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre in Deutschland begründet wurde (siehe Feuser 1997, 16). In diesem Zusammenhang ist es auch zu sehen, dass Eltern, die sich für die Geburt eines behinderten Kindes entscheiden, bei Inanspruchnahme der ihnen rechtlich zustehenden Hilfen drauf verwiesen wurden, dass sie dieses Kind nicht hätten haben müssen, womit ich wiederholt in meiner eigenen Berufspraxis konfrontiert war. Damit besteht aus meiner Sicht eine eklatante Unterdrückung der Entscheidungsfreiheit der Schwangeren und eine dadurch potenzierte Unterdrückung der Lebensmöglichkeit des Ungeborenen. Der Versuch von Bonfranchi, mit dem „Gas- Wasser-Eis-Argument“ eine gegen sein Fazit sprechende Meinung zu finden, ist mir nicht nachvollziehbar. H 2 O (Wasser) verändert unter Einwirken von Temperaturgradienten seine Konsistenz in fest (Eis), flüssig und gasförmig (Wasserdampf), es bleibt aber H 2 O! Eine quantitative Vermehrung der PD (z. B. durch einen Bluttest leichter und ungefährlicher zu pränatalen Daten zu kommen) mit dem Übergang in eine neue Qualität in Verbindung zu bringen, die ihrerseits nicht näher begründet wird, ist schon physikalisch falsch (H 2 O bleibt H 2 O). Es wäre die wissenschaftlich nicht haltbare Ontologisierung phänomenologischer Sachverhalte und auch für die Erklärung der Diskriminierung schwer geistig und mehrfach behinderter VHN 2 | 2013 155 GeorG Feuser Pränatale Diagnostik Die kontroverse Debatte Menschen nicht relevant. Ein dadurch möglicherweise bedingter Anstieg der Abtreibung von Menschen mit T21 von 92 % auf 100 % würde statistisch auch nur ein quantitatives Ereignis darstellen. Der Rekurs von Bonfranchi auf das Verhältnis von Quantität und Qualität, welches Kernbegriffe der Dialektik sind, bleibt ohne erklärenden Wert. Wenn der Beitrag von Bonfranchi einer Qualität entbehrt, dann der eines dialektischen Denkens. Bonfranchi verweist darauf, was er dem Diskurs unterstellt, dass „[…] die PD bzw. eine allfällige Diskussion um die Lebenschancen von schwerst behindert geborenen Säuglingen mit dem Tötungsprogramm der Nazis auf die gleiche Stufe gestellt wurde“ (S. 145), was nach meinem Literaturstand so nicht zutreffend ist. Vergessen bleibt bei Bonfranchi das sogenannte ,Liegenlassen‘ schwerst beeinträchtigter Neugeborener, das Rüggeberg schon 1991 allein für die alten Bundesländer der BRD mit fünfbis sechstausend Babys pro Jahr beziffert hat. Allerdings erlaubt das rassistisch-biologistisch und sozialdarwinistisch orientierte Denken und das darauf basierende mörderische Handeln im Hitlerfaschismus gegenüber „rassisch Minderwertigen“ und den „Ballastexistenzen“, das schon mit der Schrift von Binding und Hoche (1920) eine Art moderne Grundlegung gefunden hat, durchaus die Annahme, dass ein entsprechendes Screening aller Schwangeren wohl zur Anwendung gekommen wäre, wenn diese Methoden schon zur Verfügung gestanden hätten, worauf auch die Sterilisationspraxis der NS-Faschisten verweist. Die historische Kontinuität ergibt sich nicht aus einem heute in gleicher Weise festzustellenden Faschismus, sondern im Kontext biopolitisch geprägter Bevölkerungspolitik, die in einer Demokratie per Konsens der Bevölkerung genau so durchgreifend realisiert werden kann wie in einem totalitären Regime. Die medizintechnologischen Entwicklungen in der Spanne von der IVF bis hin zur (Teil-)Hirntoddefinition (für die Organentnahmepraxis) stecken das Spektrum ab, das den „Versuch der totalen Herrschaft über den Menschen“ (Agamben 2002, 128) repräsentiert, eine Biomacht, die u. a. durch die gegenseitige Integration von Medizin und Politik in ihren wesentlichen Zügen als Biopolitik gekennzeichnet und dabei ist, ihre vollendete Form anzunehmen (ebd. 152) und deren Prinzipien „sterben machen“, „leben machen“ und „überleben machen“ sind (Agamben 2003, 135). Was resultiert, ist Aussonderung der Aussonderung bzw. die Teilung der Teilung, die zu jenem „Rest“ führt, der in der Theorie von Agamben unter Rückgriff auf die Biopolitik, wie sie Foucault (2006) in seinen Vorlesungen von 1978/ 79 grundgelegt hat, das „nackte Leben“ hervorbringt, den „homo sacer“ als denjenigen, wie Agamben (2002, 94) schreibt, „dem gegenüber alle Menschen als Souveräne handeln“, während der Souverän der ist, […] „dem gegenüber alle Menschen potentiell homines sacri sind“ (ebd.). Das kennzeichnet den „homo sacer“, das heilige Leben, […] „das nicht geopfert werden kann und dennoch getötet werden darf “ (ebd., 92). Die Teilung der Teilung beschreibt hier, dass die als geistig bzw. mehrfach behindert Klassifizierten dreifach ausgesondert/ geteilt werden: als solche, denen eine Teilhabe am regulären Bildungssystem ermöglicht wird (Integration/ Inklusion; auch wenn die reduktionistischen Bildungsstandards für sie erhalten bleiben, was sie im Grunde konterkariert und aufhebt); als solche Ausgesonderte, die in der Aussonderung (Sonderinstitutionen) verbleiben und den ,Rest‘ bilden; und als solche, die getötet werden können. Wenn Bonfranchi Integration/ Inklusion zu einem die Menschenwürde verletzenden Akt deklassiert, wie er dies z. B. in einem Leserbrief in der Zeitschrift Teilhabe 2/ 2011 mit dem Titel „Die unreflektierte Integration von Kindern mit geis- VHN 2 | 2013 156 GeorG Feuser Pränatale Diagnostik Die kontroverse Debatte tiger Behinderung verletzt ihre Würde“ zum Ausdruck bringt bzw. es auch in öffentlichen Veranstaltungen kundtut, diskreditiert er, verhält er sich behindertenfeindlich, weil er einer Gruppe Menschen, die ein bestimmtes beobachtbares Merkmal auf sich vereinigen, die Realisierung ihrer Menschenrechte im Sinne anerkennungsbasierter Teilhabe vorenthält (was in die Nähe rassistischer Phänomene rückt) und schafft somit einen ,Rest‘, der, wie Agamben aufzeigt, unter Rückgriff auf die Biopolitik letztlich getötet werden kann. Eine pädagogisch relevante Maßnahme, bezogen auf den durchweg und berechtigterweise beklagenswerten Stand der Qualität der Integrations-/ Inklusionspraxis, wäre, diese subjektfähig zu machen und einen Menschen, den es nicht außerhalb seiner Subjekthaftigkeit gibt, auf seinem Bildungsweg, seine Menschenrechte wahrend, assistierend zu begleiten (Feuser 2011 a; 2011 b), denn die Sonderschulen für geistig und mehrfach behinderte Menschen haben ihrerseits keine bessere pädagogische Qualität zu bieten (Janz u. a. 2009), von anderen, menschlicher Entwicklung abträglichen Momenten ganz zu schweigen. Erst mit einer qualitativ angemessenen inklusiven Unterrichtsqualität würden wir uns wieder im Feld der Pädagogik bewegen und aus dem Diktum der „Ausnahme-Beziehung“ (Agamben 2002, 28), einer ,negativen Minimalbeziehung‘, heraustreten können; denn was ausschließt oder wer ausschließt, unterhält zum Ausgeschlossenen eine Beziehung und ist insofern durch sein eigenes Ausgeschlossensein eingeschlossen. Literatur Agamben, G. (2002): Homo sacer. Frankfurt a. M.: suhrkamp Agamben, G. (2003): Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge. Frankfurt a. M.: suhrkamp Black, I. B. (1991): symbole, synapsen und systeme. Die molekulare Biologie des Geistes. Heidelberg: spektrum Bonfranchi, r. (2011): Die unreflektierte Integration von Kindern mit geistiger Behinderung verletzt ihre Würde. In: Teilhabe 50, 90 -91 Binding, K.; Hoche, A. (1920): Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Leipzig: Meiner edelman, G.; Tononi, G. (2002): Gehirn und Geist. Wie aus Materie Bewusstsein entsteht. München: C. H. Beck Feuser, G. (1995): Behinderte Kinder und Jugendliche. Zwischen Integration und Ausgrenzung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft Feuser, G. (1997): Wider die unvernunft der euthanasie. Grundlagen einer ethik in der Heil- und sonderpädagogik. 2. Aufl. Luzern: sZH Feuser, G. (1998): Vom Bewusstsein und der Bewusstheit. eine lebensnotwendige unterscheidung. In: Behinderte in Familie, schule und Gesellschaft 21 (6), 41 -53 Feuser, G. (2011 a): Advokatorische Assistenz. In: erzmann, T.; Feuser, G. (Hrsg.): „Ich fühle mich wie ein Vogel, der aus dem Nest fliegt.“ Frankfurt a.M.: Peter Lang, 203 -218 Feuser, G. (2011 b): entwicklungslogische Didaktik. In: Kaiser, A.; schmetz, D.; Wachtel, P.; Werner, B. (Hrsg.): Didaktik und unterricht. enzyklopädisches Handbuch der Behindertenpädagogik. Bd. 4. stuttgart: Kohlhammer, 86 -100 Foucault, M. (2006): sicherheit, Territorium, Bevölkerung. Bd. 1 und 2. 4. Aufl. Frankfurt a. M.: suhrkamp Jantzen, W. (2008): Zur politischen Philosophie der Behinderung. In: Behindertenpädagogik 47, 229 -244 Janz, F.; Klauß, T.; Lamers, W. (2009): unterricht für schülerinnen und schüler mit schwerer und mehrfacher Behinderung - ergebnisse aus dem Forschungsprojekt BisB. In: Behindertenpädagogik 48, 117 -142 Kuhse, H.; singer, P. (1993): Muss dieses Kind am Leben bleiben? Das Problem schwerstgeschädigter Neugeborener. erlangen: Harald Fischer Lenhard, W. (2003): Der einfluss pränataler Diagnostik und selektiven Fetozids auf die Inzidenz von Menschen mit angeborener Behin- VHN 2 | 2013 157 GeorG Feuser Pränatale Diagnostik Die kontroverse Debatte derung. In: Heilpädagogische Forschung 29, 165 -176 rüggeberg, A. (1991): Man lässt wieder Babies sterben in Deutschland - Aber manche überleben auch ohne ärztliche Behandlung. In: Behinderte in Familie, schule und Gesellschaft 14 (4), 15 -24 singer, P. (1982): Befreiung der Tiere. München: Hirthammer singer, P. (1984): Praktische ethik. stuttgart: reclam spitz, r. (1972): eine genetische Feldtheorie der Ichbildung. Frankfurt a. M.: Fischer steinvorth, u. (1990): Klassische und Moderne ethik. reinbek: rowohlt Zimmermann, r. (2005): Philosophie nach Auschwitz. eine Neubestimmung von Moral in Politik und Gesellschaft. reinbek: rowohlt anschrift des autors Prof. Dr. Georg Feuser Universität Zürich Institut für Erziehungswissenschaft, Bereich Sonderpädagogik Hirschengraben 48 CH-8001 Zürich gfeuser@swissonline.ch
