eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 85/1

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2016.art03d
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2016
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Auch Lehrkräfte benötigen Unterstützung im Inklusiven Unterricht!

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2016
Matti Kuorelahti
Tuomo Virtanen
Solveig Chilla
Weltweit ist eine Entwicklung hin zu einem inklusiven Schulsystem festzustellen, was für das traditionelle Rollenbild und die Professionalisierung von Lehrkräften eine Herausforderung darstellt. Auf persönlicher Ebene spielen Fragen der Einstellung („Will ich es wirklich?“) und Selbstwirksamkeit („Kann ich das schaffen?“) eine wichtige Rolle. Das Konstrukt „professional agency“ (Eteläpelto u. a. 2013) beschreibt das Zusammenspiel von professioneller Identität und Schulkontext. Darüber hinaus zeigen aktuelle Forschungen, dass sich agency eher durch eigenes Tun als durch Nachahmung im sozialen Kontext entwickelt und verändert. Am Beispiel Finnland wird das Zusammenspiel von agency, Identität und Selbstwirksamkeitsvorstellungen im Kontext Inklusiver Bildung erläutert. Das response to intervention (RTI)-Modell als eine Methode des gemeinsamen Unterrichts fordert verantwortungsvolles Handeln von allen am Bildungsprozess beteiligten Lehrkräften. Es obliegt ihnen zu entscheiden, wann und in welcher Art und Weise Unterstützungs- und Fördermaßnahmen eingesetzt werden müssen, um den individuellen Lernbedürfnissen von Schüler/innen adäquat zu begegnen. Aber nicht nur Schüler/innen, sondern auch Lehrkräfte benötigen Unterstützung, um Inklusiven Unterricht gemeinsam zu gestalten. Ein Kernbereich der Professionalisierung ist die Entwicklung didaktisch-methodischer Fähigkeiten. Alle Lehrkräfte benötigen professionelle Unterstützung ihrer täglichen Arbeit und besonders in der Anwendung und Weiterentwicklung konkreten Unterrichts.
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25 VHN, 85. Jg., S. 25 -35 (2016) DOI 10.2378/ vhn2016.art03d © Ernst Reinhardt Verlag FACH B E ITR AG TH EME NSTR ANG Inklusion und Pädagogische Profession Auch Lehrkräfte benötigen Unterstützung im Inklusiven Unterricht! Professional Agency und die Professionalisierung von Lehrkräften in der Inklusion Matti Kuorelahti, Tuomo Virtanen University of Jyväskylä Solveig Chilla Pädagogische Hochschule Heidelberg Zusammenfassung: Weltweit ist eine Entwicklung hin zu einem inklusiven Schulsystem festzustellen, was für das traditionelle Rollenbild und die Professionalisierung von Lehrkräften eine Herausforderung darstellt. Auf persönlicher Ebene spielen Fragen der Einstellung („Will ich es wirklich? “) und Selbstwirksamkeit („Kann ich das schaffen? “) eine wichtige Rolle. Das Konstrukt „professional agency“ (Eteläpelto u. a. 2013) beschreibt das Zusammenspiel von professioneller Identität und Schulkontext. Darüber hinaus zeigen aktuelle Forschungen, dass sich agency eher durch eigenes Tun als durch Nachahmung im sozialen Kontext entwickelt und verändert. Am Beispiel Finnland wird das Zusammenspiel von agency, Identität und Selbstwirksamkeitsvorstellungen im Kontext Inklusiver Bildung erläutert. Das response to intervention (RTI)-Modell als eine Methode des gemeinsamen Unterrichts fordert verantwortungsvolles Handeln von allen am Bildungsprozess beteiligten Lehrkräften. Es obliegt ihnen zu entscheiden, wann und in welcher Art und Weise Unterstützungs- und Fördermaßnahmen eingesetzt werden müssen, um den individuellen Lernbedürfnissen von Schüler/ innen adäquat zu begegnen. Aber nicht nur Schüler/ innen, sondern auch Lehrkräfte benötigen Unterstützung, um Inklusiven Unterricht gemeinsam zu gestalten. Ein Kernbereich der Professionalisierung ist die Entwicklung didaktisch-methodischer Fähigkeiten. Alle Lehrkräfte benötigen professionelle Unterstützung ihrer täglichen Arbeit und besonders in der Anwendung und Weiterentwicklung konkreten Unterrichts. Schlüsselbegriffe: Professional agency, Inklusion, Professionalisierung, Finnland Teachers Too Need Support in Inclusive Schools! Summary: Education policies have globally turned inclusive which challenges the traditional professionalism of teachers. At the personal level, there are questions of attitudes (“Do I want it? ”) and self-efficacy (“Can I make it? ”). The construct “professional agency” describes the professional identity and the school context. Moreover, recent research shows that agency is merely transformed by actions than copying it from the socio-cultural context. Inclusion requires support to the students. The response to intervention model (RTI) points to the responsibility of all teachers. They have to understand when, and what kind of appropriate support actions are needed to promote the learning of each individual student. Not only students but also teachers need support to develop inclusive teaching skills. An Inclusive school requires the commitment of the community, and a new approach to teacher’s professionalism: The support of all students instead of labeling some of them as “cases for special educators and institutions”. Also teachers need collegial support to practice pedagogies, which would challenge “response to intervention” in students. Keywords: Professional agency, inclusion, professionalization, Finland VHN 1 | 2016 26 MATTI KUORELAHTI, TUOMO VIRTANEN, SOLVEIG CHILLA Professional Agency und die Professionalisierung von Lehrkräften FACH B E ITR AG 1 Einleitung Lehrkräfte sind die wichtigste und einflussreichste Ressource für das Lernen und das subjektive Wohlergehen von Schüler/ innen in der Schule. Um die Bildungsqualität zu erhöhen, sollte das Augenmerk auf den Lehrkräften liegen. Nach welchen Kriterien werden Studierende der Lehrämter ausgewählt? Wie wird pädagogisches Handeln in Schulen organisiert und realisiert? Und welche Unterstützung erfahren Lehrkräfte auf ihrem Professionalisierungsweg (Barber/ Mourshed 2007)? Ebenso bedeutsam ist das professionelle Wohlergehen der Lehrkräfte, um ihr Engagement für die Bildung und Erziehung der jüngeren Generationen zu garantieren. Wenn Lehrkräften bewusst ist, dass ihre Entscheidung für den Lehrberuf nicht ihre erste Priorität war, sondern ein Kompromiss der übriggebliebenen Möglichkeiten, so wird ihre Motivation und ihr Gestaltungswille hinsichtlich der Schüler/ innen und der Institution unmittelbar davon beeinflusst. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass der Beruf des Lehrers bzw. der Lehrerin bei Jugendlichen nur in sehr wenigen Kulturen hoch angesehen ist. Vor diesem Hintergrund sind finnische Universitäten in der seltenen und glücklichen Lage, 15 - 20mal mehr Bewerber/ innen für jeden Studienplatz zu haben, als sie vergeben können. Inklusion ist gleichermaßen Trend und Aufgabe in der weltweiten Schulentwicklung. Auch haben Eltern dieses Konzept mittlerweile akzeptiert und schätzen gelernt und bevorzugen inklusive vor nicht-inklusiven Schulen. Eltern, deren Kinder eine inklusive Schule besuchen, beurteilen die Pädagogik, die Lehrkräfte und den Wert der schulischen Bildung positiver als Eltern von Kindern in nicht-inklusiven Schulen. Dies gilt speziell für Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF): sie zeigen eine deutlich positivere Haltung als andere Eltern. Dies gilt ebenso für die inklusive Schule in Finnland: Eltern von Kindern mit SPF bewerten die Schulen generell deutlich positiver als die Vergleichsgruppen (Bertelsmann-Stiftung 2015, 6; Kuorelahti 2001). In diesem Artikel wird die Professionalisierung von Lehrkräften aus zwei Perspektiven betrachtet: Erstens hinsichtlich professioneller agency und Identität von Lehrkräften und zweitens in Bezug auf die Selbstwirksamkeitsvorstellungen und Einstellungen von Lehrkräften im Hinblick auf inklusive Bildung. Der Weg hin zu einer inklusiven Schule stellt neue Herausforderungen an die Professionalität der Lehrkräfte, besonders was die individuelle Unterrichtsgestaltung im Kontext von Diversität und Heterogenität in jeder einzelnen Klasse betrifft. 2 „Professional agency“ und professionelle Identität Schulen befinden sich laufend im Prozess der Selbstreform, da sie die gesellschaftlichen Werte und Ziele abbilden müssen. Dies gilt beispielsweise für das Konzept inklusiver Bildung und Erziehung, welches von den Ländern umgesetzt werden muss und als erzieherischer Grundwert von einer breiten Basis anerkannt und getragen wird. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Sonderschul- und Regelschulwesen Schritt für Schritt zugunsten gemeinsamer Erziehung und Bildung von Schüler/ innen mit und ohne SPF. Aus der Metaperspektive betrachtet, gestaltet sich dieser Prozess weltweit als schwierig und verläuft mitnichten überall harmonisch oder synchron, sondern variiert je nach Land und bildungspolitischer Stoßrichtung. Global bewegen sich die Länder - ungeachtet der unterschiedlichen Entwicklungstempi - deutlich in Richtung inklusiver Bildung, wie in der UN-Konvention (United Nations 2006) beschlossen. VHN 1 | 2016 27 MATTI KUORELAHTI, TUOMO VIRTANEN, SOLVEIG CHILLA Professional Agency und die Professionalisierung von Lehrkräften FACH B E ITR AG Lehrkräfte passen sich dieser Entwicklung nicht zuletzt deswegen an, weil sie sich den realen Herausforderungen durch die individuellen Lernbedürfnisse in ihren Klassen stellen müssen. Dabei unterrichten erfahrene Lehrkräfte in ihrem schulischen Alltag stets anders als sie es in ihrer Ausbildung gelernt haben, da sich nicht nur die soziokulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen, sondern auch die Schulkulturen permanent ändern. Um zu verstehen, welche Vorstellungen von Schulkultur Lehrkräfte entwickeln, wäre es wertvoll, sich den folgenden Fragen wissenschaftlich zu nähern: Bis zu welchem Grad können sich Lehrkräfte in ihren Schulen engagieren? Inwieweit ist es ihnen möglich, ihre professionellen Tätigkeiten, also ihr pädagogisches Handeln, selbst und unabhängig zu gestalten? Und nicht zuletzt: Kann die je individuelle professionelle Identität ermittelt werden? In diesem Zusammenhang schlagen Eteläpelto u. a. (2013, 60f) das Konzept der professional agency (PA) vor. Sie haben PA als Modus konzipiert, „(…) when professional subjects … exert influence, make choices and take stances in ways that affect their work and/ or their professional identities“. PA kann daher als „Gestaltungswille“ umschrieben werden, wobei in deutschsprachigen Übersetzungen „(…) agency je nach Kontext als Handlungsmächtigkeit, Handlungsbefähigung oder -fähigkeit wiedergegeben, als transformative Handlungsmacht beschrieben oder schlicht mit Handeln gleichgesetzt“ wird (Raitelhuber 2008, 18). Dabei schließt agency sowohl subjektive (Identität) als auch kontextuelle (soziokulturelle) Faktoren mit ein. Auf subjektiver Ebene wird professionelle Identität nicht nur durch Ideale, Motivation, Interessen und Engagement bestimmt, sondern auch durch professionelles Wissen und professionelle Fähigkeiten. Die Identität entwickelt sich durch Erfahrung weiter. Der Kontext, also z. B. soziokulturelle Bedingungen, Machtverhältnisse, Arbeitskulturen, (politische und gesellschaftliche) Diskurse und Fachlichkeit, beeinflusst die Art und Weise der professionellen Einstellung, die jede einzelne Lehrkraft in ihrer Schule an den Tag legt, was hier unter dem Begriff agency zusammengefasst wird. Wie stark oder schwach agency ausgeprägt ist, hängt sehr von je individuellen Erfahrungen mit der Rolle in Entscheidungsfindungsprozessen und dem Erleben von Einflussmöglichkeiten ab. Übertragen auf den Schulkontext defi- SOZIOKULTURELLE BEDINGUNGEN VON SCHULE Schulgebäude, Möblierung, Ressourcen, Arbeitskulturen und -routinen, Leitung, Traditionen und pädagogische Ideale / Vorstellungen. LEHRKRÄFTE (Subjekte) Identität der Lehrkraft: Motivation, Ziele, Engagement für die Bildung. Wissen und Fertigkeiten zum Unterricht / pädagogische Handlungsmöglichkeiten. Professionelle Erfahrung. PROFESSIONAL AGENCY Die Lehrkraft macht seinen / ihren Einfluss in der Schule geltend, entscheidet und entwickelt eine Haltung gegenüber Lernbeeinträchtigungen oder Inklusion, wovon die Identität / Identitätsentwicklung der Lehrkraft beeinflusst wird. Abb. 1 Professionelle Identität der Lehrkräfte in der Schule VHN 1 | 2016 28 MATTI KUORELAHTI, TUOMO VIRTANEN, SOLVEIG CHILLA Professional Agency und die Professionalisierung von Lehrkräften FACH B E ITR AG nieren Lehrkräfte ihre professionelle Identität sowohl durch Ideale, Motivationen und Fähigkeiten als auch durch ihren persönlichen Einsatz und ihre Ziele. Gleichermaßen tragen aber auch ihr professionelles Wissen, ihre professionellen Fähigkeiten, ihre Berufsbiografie und ihre beruflichen Erfahrungen zur Entwicklung der professionellen Identität bei. Diesen Transfer auf den Schulkontext nehmen Eteläpelto u. a. (2013, 61) wie in Abb. 1 dargestellt vor. Aktuelle Studien zeigen, dass die professionelle Identität von Lehrkräften eher durch ihre eigenen Handlungen als von den gesellschaftlichen Praktiken und Normen beeinflusst wird. Die professionelle Identität von Lehrkräften (Motivation, Engagement, Zielsetzungen) verändert sich demnach, wenn neue Maßnahmen und Ansätze in den Schulen entwickelt werden. So werden angehende Lehrkräfte täglich mit der Diskrepanz zwischen ihren Idealen und der Schulrealität konfrontiert: Eine Auseinandersetzung mit diesem Konflikt mit dem Ziel, die eigene Lehrer/ innenidentität neu zu definieren, bedarf einer engen kollegialen Beziehung sowohl mit der Schulleitung als auch mit Expert/ innen verschiedener Fachrichtungen. Mindestens ein/ e Kolleg/ in sollte einem dabei unterstützend zur Seite stehen (Eteläpelto u. a. 2015, 664 und 674ff). Auch inklusive Ideen und Theorien bewirken Veränderungen der Identität von Lehrkräften. Die professionelle agency früherer Regelschullehrkräfte umfasste kaum sonderpädagogische Expertise, da Schüler/ innen mit SPF in Sonderschulen von Sonderschullehrkräften unterrichtet wurden. Innerhalb dieses Systems war es Teil der professionellen Identität von Regelschullehrkräften, die „Problemschülerin“ oder den „Störenfried“ zu identifizieren und Schüler/ innen mit SPF den dafür ausgebildeten Fachleuten zu übergeben. Aus der Perspektive inklusiver Schule muss dieser Teil der professionellen Identität völlig neu bestimmt werden, wenn inklusiver Unterricht vorangebracht werden soll. Dem gesellschaftlichen Druck von außen, wie er z. B. mit einem veränderten Blick auf Minderheiten generell - und speziell auf Menschen mit Behinderungen - einhergeht, kann aber nur durch die individuelle Veränderung der inneren Haltung von Regelschullehrkräften entsprochen werden. Ihnen wird abverlangt, ihre Sichtweise zu hinterfragen und ihre eigene professionelle Identität neu auszurichten. 3 Selbstwirksamkeitsvorstellungen und Einstellungen von Lehrkräften im Kontext von Inklusiver Bildung Lehrkräfte und ihr Unterricht werden umfassend wissenschaftlich erforscht. Ein Ergebnis bleibt dabei stabil: Die Qualität von Bildungseinrichtungen ist maßgeblich von der Qualität der Lehrkräfte abhängig (Barber/ Mourshed 2007; Hattie 2015; Sahlberg 2015). Ein flexibleres System bedarf dabei genauso einer größeren pädagogischen Autonomie von Lehrkräften wie einer gemeinsamen Praxis, welche von der Schulleitung und der Administration unterstützt wird, die eher die pädagogischen als die verwaltungstechnischen Aufgaben und Ziele im Blick hat (Mourshed u. a. 2010). Die Vorstellungen von Personen über ihre Fähigkeiten, eine bestimmte Aufgabe auszuführen, werden mit Banduras (1977) bahnbrechenden theoretischen und empirischen Arbeiten als „Selbstwirksamkeitsvorstellungen“ beschrieben. Tschannen-Moran u. a. (1998) übertragen dieses Konzept auf die Erziehungswissenschaft und die Lehrkräfte, indem sie den positiven Zusammenhang zwischen Selbstwirksamkeitsvorstellungen von Lehrkräften und besseren Leistungen von Schüler/ innen hervorheben. Weil Selbstwirksamkeitsvorstellungen und -möglichkeiten mit den pädagogischen Handlungen einhergehen, liegt es auf der Hand, dass Selbstwirksamkeit von Lehrkräften im inklusiven Unterricht besonders wichtig wird. Wenn Lehrkräfte sich nicht vorstellen können, in VHN 1 | 2016 29 MATTI KUORELAHTI, TUOMO VIRTANEN, SOLVEIG CHILLA Professional Agency und die Professionalisierung von Lehrkräften FACH B E ITR AG Klassen mit Schüler/ innen mit SPF oder in heterogenen Lerngruppen effektiv zu unterrichten, wird dieser Unterricht sowohl aus Schüler/ innenals auch aus Lehrkräftesicht unbefriedigend bleiben. Selbstwirksamkeit lässt sich - auch in soziokulturell verschiedenen Gesellschaften - mithilfe der Skala von Sharma u. a. (2011) in drei Effektivitätsdimensionen valide abbilden (z. B. China: Malinen u. a. 2012): 1) Inklusive Konzepte umsetzen 2) Zusammenarbeit 3) Verhaltensmanagement. Selbstwirksamkeitsvorstellungen können sich ändern, sind aber gerade bei erfahrenen Lehrkräften äußerst stabil (Tschannen-Moran u. a. 1998). Die Qualität von Erfahrungen kann dabei als Schlüsselvariable gelten: Positive Erfahrungen verstärken die Selbstwirksamkeitsvorstellungen, während negative Erfahrungen diese vermindern. Genau so wichtig für positive Selbstwirksamkeitskonzepte ist die Zusammenarbeit mit Kolleg/ innen im Umgang mit Schüler/ innen und herausfordernden Situationen im Unterricht. Dabei ist nicht die Anzahl der Schüler/ innen in einer Lerngruppe maßgebend; einen größeren Einfluss auf die Selbstwirksamkeitsvorstellungen hat die Art der Herausforderung bzw. die individuellen Lernbedürfnisse der Schüler/ innen: Je mehr Schüler/ innen mit Förderbedarf, desto unzufriedener sind Lehrkräfte mit ihrer Arbeit (OECD 2014 b). Hierin liegt auch das wichtigste Argument gegen die inklusive Schule: Lehrkräfte werden überfordert, wenn „zu viele“ Schüler/ innen mit „zu viel“ SPF in ihrer Klasse sind und sich deswegen der Unterricht qualitativ verschlechtert. Gleiches gilt für die Einstellungen der Lehrkräfte zum Unterricht für Schüler/ innen mit SPF. So belegen Malinen u. a. (2012) für chinesische Lehrkräfte, dass sich positive Erfahrungen im Unterricht mit Schüler/ innen mit SPF auf die Einstellungen zum inklusiven Unterricht generell positiv auswirken (vgl. aber de Boer u. a. 2012). Zusammenfassend bestätigt sich, dass nicht nur Schüler/ innen, sondern auch Lehrkräfte Unterstützung benötigen, wenn sie den Herausforderungen inklusiven Unterrichts angemessen begegnen sollen. Wenn, wie in England, auch Schüler/ innen mit allen Ausprägungen emotional-sozialer Entwicklungsbeeinträchtigungen im Regelunterricht integriert werden sollen, ohne dass die Lehrkräfte mittels Supervision, Fortbildung oder durch kollegiale Expert/ innen unterstützt werden, dann ist dies problematisch (Goodman/ Burton 2010). 4 Das Beispiel Finnland Die Meinungen, Haltungen und Bedenken finnischer Lehrkräfte zur Inklusiven Bildung wurden mit internationalen Verfahren erfasst (SACIE; Loreman u. a. 2007). Es zeigt sich eine eher neutrale Einstellung gegenüber inklusiver Bildung mit einer sehr geringen Standardabweichung, sodass keine extremen Einstellungen pro oder contra Inklusion gemessen wurden (mean = 2,51 auf einer Skala von 1 - 4, der neutrale Punkt ist 2,5). Positive Effekte offenbaren sich dann, wenn Meinungen gegenüber Menschen mit Behinderungen abgefragt werden (mean = 3,71). Die Subskala „Bedenken“ dokumentiert eine zurückhaltende Reaktion (mean = 1,88) in Bezug auf die Frage, was passieren würde, wenn Personen mit Behinderungen im je eigenen Klassenzimmer unterrichtet werden sollten (Savolainen u. a. 2012, 59 - 61). Obwohl sie Menschen mit Behinderungen insgesamt positiv gegenüberstehen, sorgen sich finnische Lehrkräfte darum, wie sie die Schüler/ innen angemessen unterrichten sollen. Der Einfluss von praktischer Unterrichtserfahrung mit Schüler/ innen mit SPF auf die Einstellungen von Lehrkräften ist elementar. Einerseits wird kein oder nur ein schwacher Zusammenhang berichtet. Wird aber die Qualität der Erfahrung mit erfasst, wird er bedeutsam: Einstellungen sind positiv, wenn positive Erfah- VHN 1 | 2016 30 MATTI KUORELAHTI, TUOMO VIRTANEN, SOLVEIG CHILLA Professional Agency und die Professionalisierung von Lehrkräften FACH B E ITR AG rungen gemacht werden konnten (Moberg/ Savolainen 2003, 28 - 29). Da sich professionelle Identität durch die Handlungen der Lehrkräfte selbst und nicht einfach durch eine Veränderung der traditionellen soziokulturellen Vorbilder in den Schulen verändert, sind die Ergebnisse aus der finnischen Studie für professionelle agency besonders bedeutsam. Finnische Lehrkräfte - ob Sonder- oder Regelschulpädagog/ innen - verfügen über eine gute akademische Ausbildung mit einem Masterabschluss; sie sind reflexive und kritische Expert/ innen in ihrem Fach. Dies genügt jedoch weder im Hinblick auf professionelles Handeln noch auf die Ausbildung einer professionellen Identität: Positive Erfahrungen mit inklusivem Unterricht und in der Kooperation miteinander sind ebenso wichtig. 4.1 TALIS - Ein Ländervergleich von Unterricht „Most schools look much the same today as they did a generation ago (…)“, betont Angel Gurria, Generalsekretär der OECD, auf der ersten Seite des OECD Teaching and Learning International Survey (TALIS) Berichtes (OECD 2014 a, 2). Auch entwickelten Lehrkräfte zu selten Fähigkeiten und Fertigkeiten, die dazu geeignet wären, den unterschiedlichen Lernbedürfnissen heutiger Schüler/ innen angemessen zu begegnen. Bildung sei der große „Equalizer“, mit dessen Hilfe allen Kindern effektive Lernmöglichkeiten geboten werden sollen, so dass jede/ r seine/ ihre individuellen Fähigkeiten entwickeln könne. Daher sollte den Fähigkeiten der Lehrkräfte besondere Bedeutung beigemessen werden. TALIS 2013 vergleicht 34 Länder im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen und die Lernumgebungen in Zufallsstichproben von 200 Schulen je Teilnehmerstaat, wobei Schulleitungen, Ausbildung von Lehrkräften, Wertschätzung, Einstellungen, Haltungen, Unterrichtsmethoden, Selbstwirksamkeitsvorstellungen und Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit erfasst werden (OECD 2014 a, 4). Die überwiegende Zahl der Lehrkräfte ist weiblich (68 %), durchschnittlich 43 Jahre alt mit 16 Jahren Lehrerfahrung, unterrichtet 38 Stunden wöchentlich in Klassen mit 24 Schüler/ innen. Schulleitungen sind zur Hälfte männlich, durchschnittlich 52 Jahre alt, verfügen über neun Jahre Unterrichtserfahrung und arbeiten in Schulen mit 546 Schüler/ innen und 45 Lehrkräften. Unklar bleibt, wie viele der Arbeitsstunden der Lehrkräfte tatsächlich auf den Unterricht und wie viele auf die Schulentwicklung entfallen. Es ist möglich, dass inklusive Schulen mehr Ressourcen benötigen, um Unterricht zu organisieren und zu planen als nichtinklusive Schulen. Mehr als ein Fünftel der Lehrkräfte an Sekundarschulen benennt Schüler/ innen mit SPF, Verhaltensauffälligkeiten und Klassenorganisation als wichtigste Themen der Professionalisierung. Diese Faktoren sind zu berücksichtigen, besonders wenn es um Regelschulen mit Schüler/ innen mit SPF im Bereich Lernen und emotional-soziale Entwicklung geht. Auch benötigen Lehrkräfte Rückmeldungen zu ihrer alltäglichen Arbeit, doch unterscheiden sich die Länder stark darin, wie viel Feedback einzelne Lehrkräfte erhalten. Über 50 % der Lehrkräfte aus Island, Finnland und Schweden berichten, dass sie niemals Rückmeldung auf der Basis direkter Unterrichtsbeobachtung erhalten (OECD-Durchschnitt: 20 %), während dies in Ländern wie England, den USA, Singapur, Polen und den Vereinigten Arabischen Emiraten zum Standard gehört. Zu diskutieren ist jedoch, ob Rückmeldung auf Basis direkter Unterrichtsbeobachtung im Sinne von Professionalisierung nur als positiv zu werten ist oder ob sie nicht auch ein Instrument darstellt, um Lehrkräfte zu kontrollieren und in ihrer Autonomie einzuschränken. VHN 1 | 2016 31 MATTI KUORELAHTI, TUOMO VIRTANEN, SOLVEIG CHILLA Professional Agency und die Professionalisierung von Lehrkräften FACH B E ITR AG Desgleichen wurden Lehrkräfte befragt, ob Rückmeldung zu positiven Veränderungen führen könne. Die detaillierte Auswertung bestätigt dies für die Bereiche Selbstvertrauen, Motivation und Arbeitszufriedenheit (2/ 3 der Lehrkräfte), während es für pädagogische Kontexte weniger gilt. Nur 50 % der Antwortenden nehmen an, dass sich Rückmeldung in Bezug auf verbesserte Unterrichtsmethoden mit Schüler/ innen mit SPF positiv auswirkt. Gleiches gilt für die Professionalisierung: Feedback ist wichtig, aber für die Entwicklung konkreter Unterrichtsmethoden wird mehr als nur Rückmeldung benötigt. Die Selbstwirksamkeitsvorstellungen der Lehrkräfte stehen mit der Offenheit der Schulgemeinschaft in engem Zusammenhang. Lehrkräfte mit niedrigen Selbstwirksamkeitsvorstellungen nehmen seltener an Teamsitzungen und gemeinsamen Aktivitäten teil und kooperieren seltener mit Kollegen. Lehrkräfte mit hohen Selbstwirksamkeitsvorstellungen sind gleichzeitig Teamspieler/ innen. Lehrkräfte, die von sich selbst und ihren professionellen Fähigkeiten nicht überzeugt sind, halten die Türen geschlossen, was sich auch in der Arbeitszufriedenheit widerspiegelt. Kooperative und kooperierende Lehrkräfte sind zufriedener als ihre nicht-kooperierenden Kolleg/ innen. In dem Moment aber, in dem Lehrkräfte keine oder nur wenige Schüler/ innen mit Verhaltensauffälligkeiten in der Klasse haben, sind sie deutlich zufriedener mit ihrer Arbeit als Kolleg/ innen mit mehr Kindern mit diesen Auffälligkeiten. Es fehlt der TALIS-Studie jedoch an Vergleichsmöglichkeiten zwischen inklusiven und nichtinklusiven Schulen, sodass Aspekte der individuellen Basisarbeit und Vergleiche auf Systemebene nicht berücksichtigt werden können. Auf der anderen Seite können die generellen Vorbehalte gegenüber inklusiven Praktiken als ein Dreh- und Angelpunkt in Bezug auf Schüler/ innen mit SPF identifiziert werden. 4.2 Response to Intervention in Finnland Das Response to Intervention-Konzept (RTI) wurde ursprünglich in den 2000er Jahren entwickelt, um in US-Amerika die Effektivität sonderpädagogischer Intervention zu erfassen. Entscheidend ist es, möglichst früh zu intervenieren. Dabei ist ausschlaggebend, dass der Lehrkraft bewusst wird, dass sie die Schlüsselfigur in der Unterstützung des Bildungsprozesses von Schüler/ innen ist, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Sonderpädagogin/ einen Sonderpädagogen oder eine Regelschullehrkraft handelt. Auch wenn sonderpädagogische Expertise in Bezug auf die spezifischen Lernbedürfnisse und Lernhürden von Schüler/ innen notwendig ist (vgl. Fuchs u. a. 2012), hängen Effektivität von RTI und der Erfolg inklusiver Praktiken in der Schule von jeder Lehrkraft ab, die am Bildungsprozess beteiligt ist. Im Jahre 2007 wurden mit einem ministerialen Strategiepapier („Sonderpädagogische Strategie“) erste Schritte unternommen, das RTI-Modell im finnischen Bildungswesen zu etablieren (Ministry of Education 2007). Gleichzeitig veränderte sich der gesellschaftliche und bildungspolitische Diskurs von „sonderpädagogischem Förderbedarf “ zu „speziellen Unterstützungsleistungen“. Seitdem führt der Nationale Bildungsrat eine Vielzahl von berufsbegleitenden Weiterbildungsprogrammen (2008 - 2012) auf Bezirksebene durch, an der die überwiegende Zahl von Städten und Gemeinden teilgenommen haben. Zunächst sollten die Einstellungen und Fähigkeiten von Lehrkräften zu Diversität im Unterricht angegangen werden (2008 - 2010), bevor lokale Adaptionen und konkrete Vor-Ort-Umsetzungen für das RTI-Modell erprobt wurden (2010 - 2012) (Rinkinen/ Lindberg 2014). Die Unterstützung des individuellen Lernprozesses erfolgt in diesem Modell auf drei Ebenen oder Schichten („tiers“): VHN 1 | 2016 32 MATTI KUORELAHTI, TUOMO VIRTANEN, SOLVEIG CHILLA Professional Agency und die Professionalisierung von Lehrkräften FACH B E ITR AG n Universelle Unterstützung als erste Ebene beinhaltet alle Maßnahmen, die Regelschullehrkräfte in ihrem allgemeinen Unterricht umsetzen sollen. Dazu gehört Differenzierung genau so wie Individualisierung, ergo das selbstverständliche Handwerkszeug pädagogischen Handelns, von dem die meisten Schüler/ innen profitieren. Lehrkräfte sollten in der Lage sein einzuschätzen, welche und wie viel Unterstützung ein/ e Schüler/ in benötigt, um eine erfolgreiche Schullaufbahn zu absolvieren. n Intensivierte Unterstützung als zweiter Schritt berücksichtigt spezifische Lernbedürfnisse. Die Anzahl von Schüler/ innen, die eine solche intensivere Förderung benötigen, liegt allgemein zwischen 5 - 15 %. In Finnland erhielten im Jahr 2014 7,5 % aller Erstbis Neuntklässler/ innen an öffentlichen Schulen derartige Unterstützung (OSF 2015). Sie wären traditionell als Schüler/ innen mit SPF eingestuft worden. Im dreistufigen Modell der RTI liegt die intensivierte Unterstützung in den Händen der Sonderpädagog/ innen und wird entweder im Regelunterricht oder in speziellen additiven Settings angeboten. n Spezielle Unterstützung umfasst drittens individualisierte Lehrpläne, die an die je individuellen Lernvoraussetzungen angepasst sind. Diese dritte Förderstufe wird von Sonderpädagog/ innen - je nach örtlichen und politischen Gegebenheiten - inklusiv (im Regelunterricht) oder separat (in Sonderklassen oder -schulen) angeboten. 5 Diskussion „Schwierige Schüler/ innen“ und sozio-emotionale Auffälligkeiten werden von Junglehrkräften als größte Hürde im eigenen Unterricht erlebt. Sie erwarten ein Mehr an Unterstützung seitens der Schule durch multiprofessionelle Teams (Psycholog/ in, Sozialarbeiter/ in, Schulgesundheits- und -krankenpfleger/ in, Supervisoren, Lehrkräfte und Schulleitung) (Eteläpelto u. a. 2015). Offensichtlich benötigen aber nicht nur unerfahrene Lehrkräfte Hilfe, auch erfahrene Kolleg/ innen sind mit den Herausforderungen, die der Schulalltag im inklusiven Kontext für sie bereithält, oft überfordert. Alltägliches verändert sich jährlich, monatlich, wöchentlich, täglich und sogar von Schulstunde zu Schulstunde, und es wäre blauäugig anzunehmen, dass man diesem Umstand mit exakter Vorausplanung begegnen könnte. Eine gemeinsame und gemeinsam verantwortete Strategie der Schulgemeinschaft kann jedoch als Stütze für den/ die Einzelne/ n dienen, mit schwierigen Situationen umzugehen, und Hilfe in Bezug auf professionelle Unterstützungsleistungen bieten. In der Lösung des Einzelfalls bieten gemeinsame Vorstellungen und kollegiale Hilfestellung und Loyalität die Stützpfeiler, auf die die Lehrkraft bauen kann. Liegt die Verantwortung allein bei einer einzelnen Lehrkraft, wird sie davon erdrückt. Sie hat das Recht zu fragen: „Wie kann ich es schaffen? Welche Hilfe erfahre ich von meiner Schulleitung und von meinen Kolleg/ innen? Und wie kann ich meinen Beitrag dazu leisten, meine Kolleg/ innen, meine Schulleitung und meine Schulgemeinschaft zu bereichern und zu unterstützen? “ Eine Erhöhung des Gehalts oder die Gewährung finanzieller Zulagen allein hat sich dabei als unzureichend herausgestellt (Sahlberg 2015). Wichtiger ist es, die Selbstwirksamkeitsvorstellungen und die positiven Einstellungen zu stärken. Wie Moberg und Savolainen (2003) zeigen, sind es die positiven Erfahrungen, die den Unterschied in der Inklusion machen: Positive Einstellungen basieren auf positiven inklusiven Erfahrungen. Professional agency bildet und verändert sich durch Handlungen: Inklusion zu erfahren und zu leben wird zur Inklusion beitragen; die guten Beispiele erfolgreicher Inklusion werden sich verbreiten. VHN 1 | 2016 33 MATTI KUORELAHTI, TUOMO VIRTANEN, SOLVEIG CHILLA Professional Agency und die Professionalisierung von Lehrkräften FACH B E ITR AG Lehrkräfte benötigen Lehrkräfte, um voneinander zu lernen. Berater/ innen von außerhalb der Schule ohne pädagogische Erfahrung könnten skeptisch betrachtet und negativ wahrgenommen werden. Finnische Lehrkräfte haben eine starke agency in Bezug auf Pädagogik und Professionalität, aber gleichzeitig eine deutlich schwächere agency im Hinblick auf die sozial-interaktive Dimension des Klassenzimmers (Eteläpelto u. a. 2015). Die große Zukunftsaufgabe für finnische Schulen liegt folglich in der Frage, wie jede einzelne Lehrkraft ihre eigene Rolle im dreigliedrigen RTI-Modell definiert: Die Lehrkraft ‚siebt‘ nicht mehr die ‚Problemfälle‘ in ihrer Klasse aus, um sie in die Hände der Sonderpädagog/ innen zu geben, sondern ist professionell genug, um mit anderen Kolleg/ innen zusammenzuarbeiten und erlebt ihre Professionalität in wechselseitigem Austausch und gegenseitiger Hilfestellung. Inklusive Schulen sollten flexibel strukturiert sein, sodass individuelle Unterstützung rechtzeitig erkannt und auf dem geeigneten Niveau angeboten werden kann (Fuchs u. a. 2012). Sonderpädagogik ist ein Element der Unterstützung und sollte in den Regelschulen als selbstverständlicher Teil des Unterrichts gelten, sodass Schüler/ innen nicht exkludiert werden müssen, um ihren Bildungsweg zu gehen. Allen Lehrkräften sollten effektive Verfahren zur Verfügung stehen, mit deren Hilfe die individuellen Lernhürden identifiziert werden können und die darüber hinaus geeignet sind, Interventionswege aufzuzeigen. Dabei sollte der sozio-emotionale Aspekt des Lernens und der Förderung nicht zu kurz kommen. Schüler/ innen werden von Erwachsenen nicht immer angemessen wahrgenommen; speziell die frühen Anzeichen von Rückzug werden selten rechtzeitig erkannt. Oft werden die Nöte erst offenkundig, wenn schwere Verhaltensauffälligkeiten wie Schulabsentismus oder offene Gewalt auftreten (Virtanen u. a. 2014). Ein vielversprechender Ansatz könnte hier die Bindung an die Schule sein, welche einen Einblick in die Erfahrungswelt einzelner Schüler/ innen erlaubt, bevor die äußeren Anzeichen innerer Nöte sichtbar werden. Nicht zuletzt sollte sich jede Lehrkraft kontinuierlich fragen: „Wie organisiere ich qualitativ hochwertigen Unterricht? Wie kann mich meine professionelle Lerngemeinschaft dabei unterstützen? “ Beide Fragen können gemeinsam beantwortet werden: Kollegiale Zusammenarbeit, Wissensaustausch und kontinuierliche Wissenserweiterung sowie konkrete Handlungserfahrungen und Methoden im Umgang mit den heterogenen Lernausgangslagen und Lernbedürfnissen von Schüler/ innen sind der Kern guten inklusiven Unterrichts. Literatur Bandura, A. (1977): Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavioural change. In: Psychological Review 84, 191 -215 Barber, M.; Mourshed, M. (2007): How the world’s best-performing school systems come out on top. McKinsey&Company. Online: http: / / mckinseyonsociety.com/ downloads/ reports/ Education/ Worlds_School_Systems_Final.pdf, 25. 8. 2015 Bertelsmann-Stiftung (2015): Wie Eltern Inklusion sehen: Erfahrungen und Einschätzungen. Ergebnisse einer repräsentativen Elternumfrage. Online unter: https: / / www.bertelsmannstiftung.de/ fileadmin/ files/ BSt/ Publikationen/ GrauePublikationen/ IB_Studie_Elternbefra gung_Inklusion_in_Deutschland.pdf, 8. 7. 2015 de Boer, A.; Pijl, S. J.; Post, W.; Minnaert, A. (2012): Which variables relate to the attitudes of teachers, parents and peers towards students with special educational needs in regular education? In: Educational Studies 38, 433 -448. http: / / dx. doi.org/ 10.1080/ 03055698.2011.643109 Eteläpelto, A.; Vähäsantanen, K.; Hökkä, P.; Paloniemi, S. (2013): What is agency? 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Student University of Jyväskylä Department of Teacher Education P.O. Box 35 FI-40014 Jyväskylän yliopisto tuomo.e.virtanen@jyu.fi