eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 86/2

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2017.art19d
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2017
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Rezension: Hendrich, Andrea (2016): Kinder mit Migrations- und Fluchterfahrung in der Kita. München: Ernst Reinhardt Verlag. 109 S., € 19,90

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2017
Christine Beckerle
Marie-Luise Artzt
Rezension Hendrich, Andrea (2016): Kinder mit Migrations- und Fluchterfahrung in der Kita München: Ernst Reinhardt Verlag. 109 S., € 19,90
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VHN 2 | 2017 176 REZE NSION E N Hendrich, Andrea (2016): Kinder mit Migrations- und Fluchterfahrung in der Kita München: Ernst Reinhardt Verlag. 109 S., € 19,90 Im vorliegenden Werk setzt sich Andrea Hendrich mit einem politisch und gesellschaftlich sehr wichtigen Thema auseinander, das höchst anspruchsvolle Anforderungen an die pädagogische Praxis mit sich bringt - sie geht der Frage nach, wie pädagogische Fachkräfte Kinder mit Migrations- und Fluchterfahrung in der Kita bestmöglich begleiten und unterstützen können. Das Buch gibt eine Einführung in mögliche Herausforderungen, die Familien mit Migrations- und Fluchterfahrungen erleben (Migration, Flucht, Trauma). Dabei werden mehrere Lebens- und Entwicklungsbereiche thematisiert (z. B. Kultur, Glaube, Sprache, Lebensalltag, Verluste, Armut, Belastungen), wodurch der Blick der Lesenden auf verschiedene, vielleicht bis dahin nicht bedachte Aspekte gelenkt wird. Neben einer theoretischen Bearbeitung des Themas wird ein alltagsnahes Verständnis durch Fallbeschreibungen von Kindern und Familien, die mittlerweile in Deutschland leben, vermittelt. Im Folgenden geht die Autorin auf das Thema „Resilienz und Resilienzförderung“ ein, indem sie beschreibt, welche Ressourcen auf Seiten der Kinder, der Familien und der Umwelt förderlich sind, um Migrations- und Fluchterfahrungen erfolgreich zu bewältigen. Daraus leitet sie Elemente einer Resilienzförderung ab, die als Anhaltspunkte für pädagogische Fachkräfte dienen können. Die zwei anschließenden Kapitel widmen sich der pädagogischen Haltung und dem pädagogischen Handeln im Kita-Alltag sowie der Elternarbeit und Vernetzung. Diese Kapitel können als der Kern des Buches bezeichnet werden, da hier aufgezeigt wird, worauf in der alltäglichen pädagogischen Arbeit mit Kindern mit Migrations- und Fluchterfahrungen besonders geachtet werden sollte (z. B. Beziehungsaufbau, Stabilität, Sprach- VHN 2 | 2017 177 REZE NSION E N förderung, kultursensible Erziehung, vorbeugende Maßnahmen bei möglichen Traumata, Arbeit mit den Eltern, Kooperationen mit Ämtern und Institutionen). Hervorzuheben ist, dass in allen vorgestellten Ansätzen ein ressourcenorientierter Blick auf die Kinder gerichtet wird und die Aufgabe der Entwicklungsbegleitung und -unterstützung über die Kita hinaus auch bei den Familien und im weiteren Umfeld gesehen wird. Neben förderlichen Rahmenbedingungen, wie z. B. multiprofessionellen Teams, Supervisionen, Kooperationen im Stadtteil sowie Fortbildungen, stellt die Autorin auch Grenzen der pädagogischen Arbeit in der Kita dar. Diese Hinweise könnten ein Bewusstsein dafür schärfen, welche Verantwortung die pädagogischen Fachkräfte in diesem Prozess haben und an welchen Stellen sie andere Unterstützungssysteme in Anspruch nehmen sollten. Andrea Hendrich spricht mit diesem Buch pädagogische Fachkräfte an, die in der pädagogischen Praxis mit Kindern mit Migrations- und Fluchterfahrungen arbeiten. Das Buch basiert auf einem fundierten theoretischen Hintergrund und ist zugleich anschaulich und praxisorientiert aufbereitet. Dadurch eignet es sich sowohl zum Einarbeiten in wichtige Aspekte dieses Themenbereichs als auch zum Generieren von Ideen angemessener Umgangsweisen mit den Kindern im Kita-Alltag - beides könnte aktuell eine große Bereicherung für pädagogische Fachkräfte sein. Insgesamt wird die Haltung vermittelt, dass Kinder trotz aller Verschiedenheit in erster Linie Kinder sind, die sowohl gemeinsame als auch individuelle Bedürfnisse haben - eine Sichtweise, die nicht nur in der Arbeit mit Kindern mit Migrations- und Fluchterfahrungen, sondern generell in der inklusiven pädagogischen Arbeit leitend ist. Ebenso kommt immer wieder zum Vorschein, dass eine sensible und bewusste Arbeit in diesem Bereich von pädagogischen Fachkräften eine intensive Auseinandersetzung mit den eigenen Erfahrungen und der eigenen Biografie erfordert. Diese Hinweise könnten pädagogische Fachkräfte zum Reflektieren über die eigene Person anregen, was sich wiederum positiv auf die pädagogische Arbeit mit allen Kindern auswirken dürfte. Christine Beckerle M. A., Marie-Luise Artzt M. A. D-30159 Hannover DOI 10.2378/ vhn2017.art19d