eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 87/2

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2018
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Fachbeitrag: Vom Korbflechter zur Informatikerin

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Sylvie Johner-Kobi
Anna Maria Riedi
Im vorliegenden Beitrag wird am Beispiel einer gesamtschweizerischen Studie zum Arbeitsleben von Menschen mit Sehbehinderung (SAMS) diskutiert, in welchen Berufen Menschen mit Sehbehinderung aktuell tätig sind, wie vielfältig die Berufsfelder sind und wie sich berufliche Diversität in den letzten fünfzig Jahren verändert hat. Hierfür werden Daten von SAMS neu analysiert. Es zeigt sich eine zunehmende Berufsdiversität (gemessen anhand eines Berufsdiversitätsquotienten), die sich allerdings nicht bei allen analysierten Gruppen (Frauen/Männer, Früh- und Späterblindete usw.) gleich stark zeigt. Am Schluss des Beitrags wird diskutiert, ob der vorgestellte Berufsdiversitätsquotient ein zusätzlicher Indikator zur Messung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben darstellen könnte.
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139 VHN, 87. Jg., S. 139 -151 (2018) DOI 10.2378/ vhn2018.art15d © Ernst Reinhardt Verlag Vom Korbflechter zur Informatikerin Zunehmende Berufsdiversität für Menschen mit einer Sehbehinderung in der Schweiz - möglicher Indikator für Inklusion? Sylvie Johner-Kobi, Anna Maria Riedi Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Zürich Zusammenfassung: Im vorliegenden Beitrag wird am Beispiel einer gesamtschweizerischen Studie zum Arbeitsleben von Menschen mit Sehbehinderung (SAMS) diskutiert, in welchen Berufen Menschen mit Sehbehinderung aktuell tätig sind, wie vielfältig die Berufsfelder sind und wie sich berufliche Diversität in den letzten fünfzig Jahren verändert hat. Hierfür werden Daten von SAMS neu analysiert. Es zeigt sich eine zunehmende Berufsdiversität (gemessen anhand eines Berufsdiversitätsquotienten), die sich allerdings nicht bei allen analysierten Gruppen (Frauen/ Männer, Früh- und Späterblindete usw.) gleich stark zeigt. Am Schluss des Beitrags wird diskutiert, ob der vorgestellte Berufsdiversitätsquotient ein zusätzlicher Indikator zur Messung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben darstellen könnte. Schlüsselbegriffe: Inklusion, Sehbehinderung, Blindheit, Arbeitsintegration, Berufsdiversität From Basket Weaver to Computer Scientist. Increasing Occupational Diversity for Visually Impaired People in Switzerland - A Possible Indicator for Inclusion? Summary: Based on a nationwide study on the professional life of visually impaired people, this article examines their current type of occupation, the diversity of their professional fields and how occupational diversity has changed over the last 50 years. For this purpose, the findings of SAMS (Study on the Working Life of People with Visual Impairment) are newly analysed. There is an increasing occupational diversity (measured by a job diversity ratio) although not equally strong for all analysed groups (women/ men, early-blind/ late-blind, etc.). Finally, the article discusses whether the presented job diversity ratio could be used as an additional indicator for measuring the work-related equality of people with disabilities. Keywords: Inclusion, visual impairment, blindness, vocational integration, occupational diversity FACH B E ITR AG 1 Berufliche Integration und Berufsdiversität von Menschen mit (Seh)Behinderung: ein kurzer begrifflicher und geschichtlicher Abriss Das SAMS-Projekt (Studie zur Arbeitssituation von Menschen mit Sehbehinderung) hat aufgezeigt, dass Menschen mit einer Sehbehinderung, die im ersten Arbeitsmarkt tätig sind, in einer Vielzahl von Berufen arbeiten. Bei den schweizweit befragten 273 blinden und sehbehinderten Personen kamen insgesamt 84 verschiedene Berufe vor; eine auf den ersten Blick hohe Berufsdiversität. Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, wie sich berufliche Diversität bei Menschen mit Sehbehinderung in den letzten fünfzig Jahren verändert hat und ob berufliche Diversität ein Indikator für aktuelle berufliche Gleichstellung sein könnte. VHN 2 | 2018 140 SYLVIE JOHNER-KOBI, ANNA MARIA RIEDI Berufsdiversität für Menschen mit Sehbehinderung in der Schweiz FACH B E ITR AG 1.1 Berufliche Teilnahme und Teilhabe von Menschen mit Behinderung Der Begriff der beruflichen Teilnahme und Teilhabe findet kaum als Fachbegriff Verwendung. Vielmehr ist die Rede von beruflicher Eingliederung, Rehabilitation, Integration oder Inklusion. Hingegen hat sich der Begriff Menschen mit Behinderung weitgehend gegen andere Terminologien wie Gebrechliche, Behinderte usw. durchgesetzt. Der Beitrag von Villard-Traber stellt 1945 die Frage: „Kann der Infirme ins Erwerbsleben eingegliedert werden? “ (Villard-Traber 1945, 252) und addressiert damit die berufliche Eingliederung. Im deutschsprachigen, europäischen Raum findet sich in der Nachkriegszeit verbreitet der Begriff der beruflichen Rehabilitation, z. B. an der Arbeitskonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (Schweizer Bundesrat 1983). Auch das Bundesgesetz über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959 sieht „Maßnahmen zur sozial-beruflichen Rehabilitation“ (Art. 14 a Abs. 2 IVG, SR 831.20) vor. Der Begriff der Eingliederung bleibt jedoch in der Schweiz gegenüber dem Begriff der Rehabilitation dominant. So gilt seit dem Gesetzgebungsverfahren für die Invalidenversicherung in den 1950er-Jahren der Grundsatz „Eingliederung vor Rente“ 1 (AHV/ IV 2015). Gleichwohl erhält aber auch der Begriff der Integration einen hohen Stellenwert. Die Maßnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung lauten „Integrationsmaßnahmen“ (Art. 14 a Abs. 1 IVG). Integration stärkt unter gesellschaftlicher Perspektive den Aspekt des sozialen Zusammenhalts resp. der sozialen Kohäsion (Krämer 2008, 38f.). Inklusion kann in Anlehnung an den englischsprachigen Begriff inclusion als politisch korrekter Begriff zu Integration gesehen werden. Der Begriff signalisiert jedoch vor allem einen „Paradigmenwechsel“ (Riecken u. a. 2017, 9). Es geht nicht mehr um den Einbezug einer bestimmten Minderheitengruppe in eine Mehrheitsgruppe im Sinne der „Zwei-Gruppen- Theorie“ (Hinz 2002, 356), sondern um ein „Miteinander unterschiedlichster Mehr- und Minderheiten“ (ebd., 355). Berufliche Inklusion fokussiert weniger auf die Frage, ob Menschen für den Arbeitsmarkt geeignet sind, als vielmehr auf die Frage, ob Betriebe berufliche Inklusion ermöglichen können (Riecken u. a. 2017, 8). Unternehmen sind gefordert, die positiven Effekte von Diversität in Arbeitsteams zu erkennen (Böhm u. a. 2013, 5) und Flexibilität zuzulassen (ebd., 19), da dies für alle Mitarbeitenden im Betrieb von Vorteil sein kann (z. B. ältere Mitarbeitende, Mitarbeitende mit Betreuungspflichten usw.). Schäper (2007, 184) versteht Inklusion denn auch als „ethisches Projekt“ im Zustand des working progress: Inklusion markiert weniger die „Qualität der Praxis“ (ebd., 185) als vielmehr die „Qualität der Auseinandersetzung“ (ebd.) mit ihr. Der vorliegende Beitrag verwendet zunächst den Begriff der beruflichen Integration, um zu verdeutlichen, dass entlang der ‚Zwei-Gruppen-Theorie‘ erwerbsorientierte Belange von Menschen mit einer (Seh-)Behinderung im Zentrum stehen (vgl. dazu auch Hinz 2010, 49f.). Eine weitere terminologische Differenzierung zeigt sich bezüglich der Adressatinnen und Adressaten beruflicher Integration. Der Mensch mit einer Behinderung hat verschiedene begrifflichtheoretische Passagen hinter sich. 1920 bildete sich auf private Initiative die Schweizerische Vereinigung für Anormale (SVfA) als Dachorganisation verschiedener Fach-Verbände 2 , welche sich für die „medizinisch-pädagogischberuflich-soziale Hilfe an körperlich und geistig behinderten Kindern und Erwachsenen“ (Zangger 1967, 12) einsetzten. Ab 1946 nannte sich die Dachorganisation Pro Infirmis. Im Blick auf die Berufswahl der Infirmen stellte Villard-Traber fest: „Gerade eine einseitige Arbeit, die einem VHN 2 | 2018 141 SYLVIE JOHNER-KOBI, ANNA MARIA RIEDI Berufsdiversität für Menschen mit Sehbehinderung in der Schweiz FACH B E ITR AG Normalen oft unerträglich scheint (…) können einem Infirmen eine stille Befriedigung gewähren.“ (Villard-Traber 1945, 253) In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bildeten Mindererwerbsfähige und Gebrechliche die Zielgruppen verschiedener Hilfsgesellschaften, welche Betroffenen in speziellen Werkstätten eine berufliche Ausbildung zum Zweck der Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichten. Allerdings erwies sich der Übergang von den speziellen Werkstätten in den ersten Arbeitsmarkt oft als schwierig (Steiger 1948, 129). Daher forderte Kull 3 vom Bund, vermehrt Arbeitsstellen mit Erwerbsbeschränkten, namentlich „Blinden und Tauben“ (Kull 1949, 276), zu besetzen. Mit Einführung der Invalidenversicherung 1959/ 60 wird der Begriff des Invaliden stärker und tritt oft zusammen mit dem Begriff des Behinderten auf. Sandmeier (1960, 58) weist auf die Integrationskraft des ersten Arbeitsmarktes für Invalide und Behinderte hin, in der sich auch die Hochkonjunktur der Nachkriegszeit spiegelt. Das Ende der wirtschaftlichen Boomjahre Mitte der 1970er Jahre erschwerte allerdings die Eingliederung auf dem angespannten Arbeitsmarkt erheblich (Germann u. a. o. J.). Der Begriff des Behinderten hat sich jedoch bis weit in die 1980er Jahre hinein gehalten, beispielsweise bei Bleidick (1984) in seiner Schrift zur Pädagogik der Behinderten. Erst in den 1990er Jahren setzte sich allmählich der Begriff Menschen mit einer Behinderung durch (vgl. BehiG, Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2002, SR 151.3). Diese Begrifflichkeit lehnt sich an die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit der WHO (2005) an und weist auf die Bedeutung des sozialen Aspektes von Behinderung hin. Behinderung wird als eine Wechselwirkung von individueller Beeinträchtigung und behinderndem Umfeld verstanden. 1.2 Berufliche Integration von Menschen mit Sehbehinderung Während früher Korbflechten, Stuhlflechten und Bürstenherstellung zu den klassischen Blindenberufen 4 gehörten (Steiner 2015, 25), ist dieses Berufsspektrum in der heutigen Zeit deutlich breiter und existenzsichernder geworden. Dies hat unter anderem mit neuen Ausbildungen zu tun, welche in der Schweiz speziell für Menschen mit Sehbehinderung angeboten wurden 5 oder bei welchen Personen mit einer Sehbehinderung während der Ausbildung Unterstützung erhielten 6 (Steiner 2015, 25). Gemäß Steiner (2015, 25) war neben den Ausbildungen aber auch eine verstärkte und „flächendeckende Einführung“ der Low-Vision- Rehabilitation ein Meilenstein für eine verbesserte berufliche Integration. Auf die Schweiz bezogen gibt es nur vereinzelte Arbeiten und Studien, die sich ausschließlich 7 auf die berufliche Situation von Menschen mit Sehbehinderung im Anschluss an die Inkraftsetzung des IVG im Jahr 1960 beziehen. Zu nennen sind hier insbesondere zwei Arbeiten, zum einen die 1969 erschienene Diplomarbeit von Flückiger (1969), zum anderen die Dissertation von Bernasconi aus dem Jahre 1981, die an der Universität St. Gallen eingereicht wurde. Flückiger ging es darum zu zeigen, „dass die Lage der Blinden und Sehschwachen in beruflicher Hinsicht keineswegs aussichtslos ist“ (Flückiger 1969, 1). Sie befragte damals 30 ehemalige Schülerinnen und Schüler der Schulheims Zollikofen, die entweder bereits beruflich integriert waren oder sich noch in einer Ausbildung befanden. In ihrer Untersuchung ging sie Fragen zur Berufswahl sowie zu Charakteristika der gegenwärtigen Arbeitstätigkeit (Einkommen, Aufstiegsmöglichkeiten, Versicherung usw.) nach. Die Befragten absolvierten Ausbildungen im kaufmännischen Bereich (15 Personen), als Telefonisten und Telefonistinnen, in der Metallbearbeitung, als Klavierstimmerinnen und Klavierstimmer, als Bürstenmacher, als Masseurin bzw. Masseur oder als Haushaltshil- VHN 2 | 2018 142 SYLVIE JOHNER-KOBI, ANNA MARIA RIEDI Berufsdiversität für Menschen mit Sehbehinderung in der Schweiz FACH B E ITR AG fe. Eine Person studierte in Deutschland an der Blindenstudienanstalt in Marburg (Flückiger 1969, 35ff.). Einige der von Flückiger interviewten Personen waren in geschützten Werkstätten tätig (erwähnt werden die Metallarbeitenden sowie die Bürstenarbeiter), allerdings ist nicht klar, wie viele (ebd., 43). Bernasconi verfasste seine Dissertation in einer Zeit, in welcher aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage viele Menschen mit Behinderung entlassen wurden oder keine neuen Einstellungen erfolgten. Häufige Zahlungen von IV-Renten gefährdeten aus Sicht von Bernasconi (1981, 28ff.) das Prinzip „Eingliederung vor Rente“. Die Studie bezog sich auschließlich auf „blinde und hochgradig sehbehinderte“ Personen (ebd., 104) mit einem Visus von 0.1 und weniger beim Verlassen der Schule bzw. eines Rehabilitationszentrums. Der Feldzugang erfolgte über verschiedene Schulen und Heime für blinde und sehbehinderte Kinder. Einbezogen wurden Personen, welche die entsprechenden Einrichtungen zwischen 1960 und 1978 verlassen hatten. Von 215 kontaktierten Personen konnten 179 befragt werden. 105 der interviewten Personen waren erwerbstätig, 12 davon in einer geschützten Werkstätte (ebd., 128). Als Ausgangslage der empirischen Untersuchung formulierte Bernasconi sieben Hypothesen. Eine bezieht sich auf die berufliche Diversität: „Wegen behinderungsbedingten Berufswahleinschränkungen beschränken sich die Berufe, die von den Blinden und hochgradig Sehbehinderten ausgeübt werden, auf weniger als 20 Berufe.“ (Bernasconi 1981, 97f.) Die Befragten sind in folgenden Berufen tätig (nach Häufigkeit sortiert): in kaufmännischen Berufen, in akademischen Berufen, als Industrie- und Metallarbeiter, Telefonistinnen, Physiotherapeutinnen und medizinische Masseure, Klavierstimmer, Lehrerinnen und Sozialarbeitende (ebd, 131). Gemäß Bernasconi (ebd., 98) liegen die Gründe für diese Einschränkung bei der Ausbildung sowie den unterstützenden Systemen (Beratung, Vermittlung). Die für die Schweiz festgestellten beruflichen Einschränkungen treffen auch für Deutschland zu. Franzke (1987) befasste sich in seiner Dissertation mit Integrationsstrategien für Blinde in Büroberufen. Mit Bezugnahme auf bestehendes statistisches Material zur Arbeitstätigkeit von „Blindengeldempfängerinnen und -empfängern“ stellt Franzke fest: „Die Berufsstrukturanalyse Blinder zeigt ein extrem schmales Berufsspektrum. Ca. 50 % aller berufstätigen Blinden verteilen sich auf nur 3 Berufe. Ca. 80 % auf 5 Berufe.“ (Franzke 1987, 48) In absteigender Reihenfolge sind dies die Berufe der Telefonistinnen, der Steno-/ Phonotypisten, der Masseure, der Blindenhandwerkerinnen sowie der Industriearbeiter. Im Gegensatz zur Schweiz gehören kaufmännische Berufe nicht zu den fünf häufigsten Berufen. Franzke (ebd., 48) führt dies auf ein Defizit bei den Ausbildungsmöglichkeiten in der „Sachbearbeitung“ zurück. Durch die begrenzte berufliche Vielfalt steigt nach Franzke (ebd., 49) bei schlechter wirtschaftlicher Lage das Risiko, arbeitslos zu werden 8 . Die erwähnten Studien, die insbesondere Auskunft über die Situation zwischen 1960 und 1990 geben, zeigen auf, dass Menschen mit einer Sehbehinderung damals sehr eingeschränkte Berufsfelder zur Verfügung standen. 2 Arbeitsintegration aktuell 2.1 Rechtliche und politische Situation Rechtliche Bestimmungen zu Fragen der beruflichen Integration finden sich in der Schweiz unter anderem im Bundesgesetz über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959 (IVG, SR 831.20), im Bundesgesetz zur Beseitigung der Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2002 (Behindertengleichstellungsgesetz, BehiG, SR 151.3) und im Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (BRK, SR 0.109, Übersetzung Stand 20. Dezember 2016). VHN 2 | 2018 143 SYLVIE JOHNER-KOBI, ANNA MARIA RIEDI Berufsdiversität für Menschen mit Sehbehinderung in der Schweiz FACH B E ITR AG Das IVG regelt Versicherungsansprüche und -leistungen in Form von Renten, Maßnahmen und Beratungen, dazu zählen insbesondere auch Maßnahmen der Frühintervention und der (Wieder-)Eingliederung (Art. 12 - 21 IVG). Das BehiG hingegen bezweckt in Art. 1 Abs. 1 die Verhinderung, Verringerung und Beseitigung von Benachteiligungen, denen Menschen mit Behinderung ausgesetzt sind. Art. 1 Abs. 2 BehiG verweist auf das Ziel der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben insbesondere hinsichtlich sozialer Kontakte, der Aus- und Weiterbildung sowie der Erwerbstätigkeit. Mit Art. 17 BehiG ist es dem Bund z. B. möglich, zeitlich befristete Pilotversuche durchzuführen, um Anreize für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zu erproben, beispielsweise die Einrichtung behindertengerechter Arbeitsplätze. Ein aktueller Bericht zur Entwicklung der Behindertenpolitik - auf dem Hintergrund der Evaluation zum BehiG 2015 - hält jedoch fest, dass im Bereich der Arbeit „der größte Handlungsbedarf “ (EDI 2017 a, 4) besteht. Die BRK ist ein Menschenrechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, welches seit dem 15. Mai 2014 in der Schweiz in Kraft ist. Art. 27 BRK steht unter dem Titel ‚Arbeit und Beschäftigung‘ und anerkennt in Abs. 1 „das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird (…)“. Die sozial- und arbeitsmarktpolitische Lage zeigt sich am Bemühen von Behörden und Privaten, das Bewusstsein zu stärken, dass Menschen mit Behinderung über große Potenziale am Arbeitsmarkt verfügen. Exemplarisch sei hier die nationale Konferenz zur Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung erwähnt. Die dreiteilige 9 Konferenz will 2017 einen „gemeinsamen Masterplan aller an der beruflichen Integration beteiligten Partnerinnen und Partner“ (BSV 2017) erarbeiten. Im Anschluss an die erste Konferenz vom Januar 2017 wurde eine gemeinsame Erklärung der teilnehmenden Organisationen zur Arbeitsmarktintegration veröffentlicht. Sie hält u. a. fest, dass „Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen über ein Arbeitsmarktpotenzial verfügen, das es sowohl aus sozialpolitischen als auch volkswirtschaftlichen Zusammenhängen zu fördern und besser zu nutzen gilt“ (EDI 2017 b, 2). Daher interessieren in einem nächsten Schritt aktuelle Fakten und Zahlen zur beruflichen Integration von Menschen mit einer Sehbehinderung. 2.2 Berufliche Integration in Zahlen Zahlen zu Menschen, die blind oder sehbehindert sind, liegen in der Schweiz nur vereinzelt vor bzw. müssen aus verschiedenen statistischen Quellen (IV-Statistiken, Statistiken der sozialmedizinischen Institutionen, Daten zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung des Bundes usw.) zusammengetragen werden (siehe hierzu auch BFS 2009; Inclusion Handicap 2017; Spring 2012) 10 . Wenn erfasst werden soll, wie diese Gruppe beruflich integriert ist, verschärft sich die Problematik zusätzlich. Die wenigen verfügbaren Daten zeigen Folgendes auf: In der Schweiz haben im Jahr 2012 1.5 % der Wohnbevölkerung im Alter 15 + eine Einschränkung des Sehvermögens schweren Grades (BFS 2014 a). Die 1.5 % umfassen diejenigen Personen, welche auf die Frage, ob man mit Brille oder Kontaktlinsen genug sieht, um ein Buch oder eine Zeitung zu lesen, mit „Ja, aber mit starken Schwierigkeiten“ oder „nein“ geantwortet haben (BFS 2014 b, 11). Damit sind allerdings diejenigen Personen nicht erfasst, die keine Probleme beim Lesen, aber andere Formen der Sehbeeinträchtigung haben (beispielsweise Gesichtsfeldeinschränkungen). VHN 2 | 2018 144 SYLVIE JOHNER-KOBI, ANNA MARIA RIEDI Berufsdiversität für Menschen mit Sehbehinderung in der Schweiz FACH B E ITR AG Wie viele Menschen mit Sehbehinderung im ersten Arbeitsmarkt tätig sind, ist nicht erfasst. Es gibt nur Hinweise zum Arbeitsmarktstatus von Menschen mit einer Behinderung generell (BFS 2017). Bezüglich des zweiten Arbeitsmarktes sind nur Zahlen zu Menschen mit einer Sinnesbehinderung (keine Aufteilung in verschiedene Gruppen) verfügbar. Gemäß Bundesamt für Statistik (eigene Berechnungen aufgrund von Daten des BFS 2015) sind im Jahr 2013 gesamtschweizerisch 372 Menschen mit einer Sinnesbehinderung in einer geschützten Werkstätte für Menschen mit Behinderungen tätig gewesen. Damit macht diese Gruppe allerdings nur 1.8 % der in solchen Werkstätten tätigen Personen aus. Ende des Jahres 2015 beziehen gesamtschweizerisch 2’744 Personen mit „Einschränkung der Sehfähigkeit“ eine Invaliditätsrente 11 . Die 2’744 ausgewiesenen Renten machen nur einen Anteil von 1.2 % aller gesprochenen Renten aus (eigene Berechnungen auf der Grundlage von Daten des BFS 2016). Für die EU versuchten Reid und Simkiss (2013) in einem Ländervergleich die „economic inactivity“ von Menschen mit einer Sehbehinderung anhand vorliegender Länderstatistiken zu vergleichen. Bei diesem Unterfangen wurde die schlechte und unterschiedliche Datenlage in den verschiedenen Ländern sichtbar. In anderen Ländern liegen teilweise umfangreichere Statistiken vor, z. B. in den USA. Eine „visual disability“ hat jemand, der entweder blind ist oder angibt, mit einer Brille „serious difficulty seeing“ zu haben (Cornell University 2015, 63). Die Daten aus den USA beziehen sich auf Personen außerhalb von Kollektivhaushalten. 2.3 % gaben an, eine visuelle Behinderung zu haben. 42 % der Personen mit einer visual disability im Alter von 21 - 64 sind erwerbstätig, bei Personen ohne Behinderung sind es 78 % (ebd., 32). 8.9 % der Personen mit Sehbehinderung arbeiten nicht, suchen aber aktiv nach Arbeit. 28 % arbeiten Vollzeit, was in den USA eine Arbeitszeit von 35 oder mehr Stunden pro Woche bedeutet. Bei Personen ohne Behinderung sind es 59 %, die Vollzeit arbeiten. 3 Berufliche Diversität am Beispiel von SAMS 3.1 Überblick SAMS Im Zentrum der Studie zum Arbeitsleben von Menschen mit Sehbehinderung SAMS (Johner- Kobi u. a. 2015) stand die berufliche Situation von Menschen in der Schweiz, die blind oder sehbehindert sind und im ersten Arbeitsmarkt arbeiten oder gearbeitet haben. Die Erkenntnisse aus SAMS zeigen somit die Situation von Personen auf, die den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt bereits geschafft haben, geben aber keine Auskunft zu Barrieren, denen Menschen mit einer Sehbehinderung beim Eintritt in den ersten Arbeitsmarkt gegenüberstehen und die eine Tätigkeit im ersten Arbeitsmarkt verhindern können. SAMS untersuchte zum einen, inwieweit im ersten Arbeitsmarkt stehende Menschen mit Sehbehinderung im Vergleich zu Personen ohne Sehbehinderung gleichgestellt sind. Zum anderen wurde nach umwelt- und personenbezogenen Faktoren gefragt, die den beruflichen Werdegang positiv oder negativ beeinflussen. Ziel der Studie war es, „Faktoren zu identifizieren, die sehbehinderten und blinden Menschen Chancen für ein dauerhaftes und möglichst gleichgestelltes Berufsleben eröffnen“ (Johner-Kobi u. a. 2015, 5). Forschungsteilnehmende waren sowohl betroffene Arbeitnehmende wie auch Arbeitgebende. Die Forschungsdaten wurden im Rahmen einer Vorstudie sowie von fünf Teilprojekten (Betroffene und Arbeitgebende) und in zwei Workshops mit Betroffenen in einem mixed-methods-Verfahren erhoben. Insgesamt wurden 58 qualitative Interviews, 282 telefonische standardisierte Befragungen von Menschen mit Sehbehinderung und zwei Gruppendiskussionen mit Arbeitgebenden durchgeführt. Die Befunde zeigen, dass betroffene Arbeitnehmende in vielen berufsbezogenen Aspekten ähnliche und zum Teil bessere Werte aufwei- VHN 2 | 2018 145 SYLVIE JOHNER-KOBI, ANNA MARIA RIEDI Berufsdiversität für Menschen mit Sehbehinderung in der Schweiz FACH B E ITR AG sen als die Gesamtarbeitnehmenden. Sie zeigen jedoch auch, dass beim Beschäftigungsgrad, bei der beruflichen Weiterbildung und der Arbeitszufriedenheit die Werte deutlich tiefer liegen als bei den Gesamtarbeitnehmenden. Die proaktive Kommunikation der Beeinträchtigung seitens der Arbeitnehmenden und die Akzeptanz der assistierenden Technologien seitens der Arbeitgebenden und der Arbeitnehmenden sind nur zwei von verschiedenen Faktoren, die zu einer erfolgreichen beruflichen Laufbahn beitragen. 3.2 Berufsdiversität im Fokus Eine detaillierte Auswertung der standardisierten telefonischen Befragung (N = 282) in Bezug auf die berufliche Vielfalt zeigt, dass die interviewten 273 Personen, bei welchen Angaben zum letzten bzw. aktuellen Beruf vorhanden sind, in 84 verschiedenen Berufen 12 arbeiten. Am häufigsten ist der Beruf der Kaufmännischen Angestellten (60 Personen). Am zweithäufigsten kommen Informatikerinnen (11) und Sozialarbeitende (11), Arbeitskräfte mit nicht bestimmbarer Kader- oder Expertenfunktion (11) und Buchhalterinnen (11) vor. Mehr als fünfmal werden folgende Berufe angegeben: Masseure, übrige Berufe des Rechtswesens, Journalistinnen, Physiotherapeuten, Telefonistinnen, Sonderschullehrerinnen sowie Heilpädagogen (6) und verschiedene Fachlehrerinnen. Im Vergleich zu den früheren Studien von Flückiger (1969), Bernasconi (1981) 13 , und Franzke (1987) zeigt sich in SAMS eine deutlich größere Berufsdiversität. Zu bemerken ist allerdings, dass die Untersuchungen von Flückiger (1969) und Bernasconi (1981) mit einem spezifischen Sample arbeiteten. Beide Studien befragten ausschließlich Abgängerinnen und Abgänger von Schulen und Heimen für blinde und sehbehinderte Personen. Franzke (1981) untersuchte die Arbeitstätigkeit von Blindengeldempfängerinnen und -empfängern. Um die berufliche Diversität nach verschiedenen Variablen genauer analysieren zu können, wurde ein sogenannter „Berufsdiversitätsquotient SAMS“ (Johner-Kobi u. a. 2015, 35) entwickelt. Der Quotient wird berechnet, indem die Anzahl der von den Befragten genannten Berufe durch die Anzahl der befragten Personen geteilt wird. Er kann Werte größer 0 (keine berufliche Variation) bis 1 (höchste berufliche Variation) annehmen. Für die 273 Befragten beträgt dieser Quotient 0.31 (84 Berufe/ 273 Befragte). Interessant ist insbesondere der Vergleich zwischen verschiedenen Teilgruppen (z. B. Geschlecht, Schweregrad der Sehbehinderung, Zeitpunkt der Sehbehinderung u. a.). Allerdings ist bei solchen Vergleichen zu berücksichtigen, dass die Werte von der Größe der jeweiligen (Teil-)Stichprobe abhängen. Um einschätzen zu können, ob die beobachteten Berufsdiversitäts-Unterschiede zwischen einzelnen Gruppen statistisch signifikant oder eher auf unterschiedliche Gruppengrößen zurückzuführen sind, wurde eine Simulation durchgeführt. Bei der Betrachtung des Geschlechts wurden die 273 Beobachtungen in zwei Gruppen zu 115 und 158 Personen eingeteilt (Anzahlen Frauen bzw. Männer in der Gesamtstichprobe) und die jeweiligen Diversitätsquotienten berechnet. Dies wurde 1000 mal wiederholt. Liegt nun ein Unterschied vor, der klar nicht nur auf die unterschiedlichen Gruppengrößen zurückzuführen ist, so sollten die tatsächlich beobachteten Diversitätsquotienten im Vergleich zu den 1000 simulierten Werten besonders groß bzw. besonders klein sein. Beim Geschlecht waren für die Frauen nur 0.8 % der simulierten Werte kleiner als der tatsächlich beobachtete Wert 0.37 (43 Berufe/ 115 Personen), für die Männer waren nur 6.4 % der Werte größer als der beobachtete Wert von 0.43 (68 Berufe/ 158 Personen). Da sich bei der Einteilung nach Geschlecht also extremere Werte ergeben, als man bei der rein zufälligen Zuweisung zu Gruppen mit denselben Größen erhalten würde, gibt dies deutliche Hinweise auf einen Unterschied in der Diversität, d. h. VHN 2 | 2018 146 SYLVIE JOHNER-KOBI, ANNA MARIA RIEDI Berufsdiversität für Menschen mit Sehbehinderung in der Schweiz FACH B E ITR AG Männer mit einer Sehbehinderung arbeiten in deutlich mehr verschiedenen Berufen als Frauen mit einer Sehbehinderung. Die Grafik zeigt die Verteilung der simulierten Werte. Die tatsächlich beobachteten Werte sind als Dreiecke eingezeichnet. Bei den anderen Variablen (Schweregrad der Sehbehinderung, Zeitpunkt der Sehbehinderung: bis 25-jährig, nach 25-jährig) ergibt sich ein weniger eindeutiges Bild, weshalb die beobachteten Unterschiede auch auf den Effekt der Stichprobengröße zurückzuführen sein könnten. Die bisherigen Auswertungen aus SAMS haben gezeigt, dass für Menschen mit Sehbehinderung heute tatsächlich mehr Berufe möglich sind als früher. Während Bernasconi (1981, 97f.) für das Ende der 1970er Jahre noch von ca. 20 Berufen ausging, in welchen stark sehbehinderte oder blinde Menschen vorwiegend tätig sind, zeigt SAMS im Jahre 2016 bereits ein Spektrum von 84 Berufen bei 273 interviewten Personen. 4 Berufliche Diversität: eine kleine „Diskursanalyse“ 4.1 Fast alles ist möglich: die Sicht der Blinden- und Sehbehindertenverbände Blinden- und Sehbehindertenverbände machen auf ihren Homepages in der Regel deutlich, dass für Menschen mit einer Sehbehinderung fast jeder Beruf möglich ist, z. B. die American Foundation for the Blind: „People who are blind or visually impaired can perform almost any job you can imagine … The possibilities are tremendous.“ (American Foundation for the Blind Berufsdiversitätsquotient 0,6 0,5 0,4 0,3 ▲ ▲ Frauen Männer Abb. 1 Simulation berufliche Diversität nach Geschlecht VHN 2 | 2018 147 SYLVIE JOHNER-KOBI, ANNA MARIA RIEDI Berufsdiversität für Menschen mit Sehbehinderung in der Schweiz FACH B E ITR AG 2017) The Foundation Fighting Blindness (2000, 22) weist in ihrem „careerbook“ darauf hin, dass die Möglichkeiten für Menschen mit einer Sehbehinderung „endless“ seien. Auch in der Schweiz bestehen Bestrebungen von Blinden- und Sehbehindertenorganisationen, der Öffentlichkeit die berufliche Vielfalt für Menschen mit einer Sehbehinderung aufzuzeigen, z. B. sichtbar in einem Interview mit dem Forschungsbeauftragten des Schweizerischen Zentralvereins für das Blindenwesen mit dem Titel „Viele Arbeitsplätze für Sehbehinderte. Auch ein Blinder kann Radiomoderator werden“ (Zenklusen o. J.). 4.2 Fast nichts ist möglich: Berufsvielfalt aus Sicht von potenziellen Arbeitgebenden Die im Rahmen von SAMS geführten qualitativen Interviews 14 zeigen, dass Menschen mit einer Sehbehinderung im Bewerbungsverfahren für eine neue Stelle mit Vorstellungen von Arbeitgebenden konfrontiert sind, was eine Person mit einer Sehbehinderung kann bzw. nicht kann. Häufig unterschätzen Arbeitgebende die beruflichen Möglichkeiten von Menschen mit einer Sehbehinderung. Eine Interviewpartnerin führt dies folgendermaßen aus: Ich habe dann auch Situationen erlebt, zum Beispiel auf einem Jugendamt, wo jemand nicht gesehen hat in der Bewerbung, dass ich blind bin (…). bin auch schon eingeladen worden und wieder ausgeladen. Also, da haben sie gefunden, ja, ist ein gutes Dossier, und dann haben sie gefunden, nein, das geht doch nicht als Blinde. (Interviewpartnerin SAMS) Für die befragten Personen mit Sehbehinderung führt diese Haltung von Arbeitgebenden dazu, dass der Stellenbewerbungsprozess oft viel Zeit in Anspruch nimmt und ein Umgang mit den zahlreichen Absagen gefunden werden muss. Doch es gibt vereinzelt auch Arbeitgebende, die eher die Haltung „es geht schon“ vertreten und Arbeitnehmende mit Sehbehinderung einstellen, dies manchmal entgegen mancher Warnungen von außen. Eine Interviewpartnerin beschreibt ihre eigene Erfahrung folgendermaßen: Meine Chefin (…) hat von Anfang an gesagt, ja, dass müsse gehen und ich habe dann natürlich von Anfang an beschrieben, wie ich arbeite, mit dem Computer und sie war einfach offen und nicht irgendwie verschlossen (…) bei den anderen Sozialdiensten hätten sie zu ihr gesagt, was? ! du nimmst eine Blinde auf ? Jesses nein, das ist ja ein Risiko du, da musst du aufpassen, dass nicht alles auseinanderfliegt. (Interviewpartnerin SAMS) In SAMS zeigte sich, dass es für potenzielle Arbeitgebende hilfreich ist, wenn der Bewerber oder die Bewerberin erklärt, wie bestimmte Tätigkeiten mit Hilfsmitteln trotz Sehbehinderung möglich sind und dass viele unterstützende Maßnahmen nicht auf Kosten der Arbeitgebenden gehen, sondern über die IV finanziert werden. Es gibt aber auch Personen mit Sehbehinderung, die sich entscheiden, ihre Sehbehinderung im Bewerbungsschreiben nicht zu kommunizieren, weil sie befürchten, sonst gar nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden: Ich schreibe es nicht im Bewerbungsschreiben, weil dann kann ich es gleich vergessen. (Interviewpartner SAMS) Dieses letzte Zitat veranschaulicht eine verständliche Strategie im Umgang mit Vorstellungen und Vorurteilen. In SAMS konnte allerdings gezeigt werden, dass in der Regel eher proaktive Kommunikationsstrategien zu empfehlen sind. VHN 2 | 2018 148 SYLVIE JOHNER-KOBI, ANNA MARIA RIEDI Berufsdiversität für Menschen mit Sehbehinderung in der Schweiz FACH B E ITR AG 5 Diskussion Die Ausführungen im vorliegenden Artikel zeigen, dass berufliche Integration von Menschen mit Behinderung generell und somit auch von Menschen mit Sehbehinderung ein wichtiges politisches Thema ist. Die begrifflich-theoretische wie auch die gesetzliche Entwicklung verweisen auf Fortschritte im Diskurs. Die „Qualität der Auseinandersetzung“ kann im Sinne von Schäper (2007, 185) für die vergangenen fünfzig Jahre generell als zunehmend inkludierend gewertet werden. Die Suche nach einer stillen Befriedigung für Infirme (Villard-Traber 1945) ist dem Anspruch auf gleiches Recht auf frei gewählte Arbeit für Menschen mit einer Behinderung (Art. 27 BRK) gewichen. Allerdings erweist sich dieser Fortschritt in Zeiten wirtschaftlicher Krisen als wenig robust, wie Germann u. a. (o. J.) und Bernasconi (1981) zeigen. Auch der SAMS Berufsdiversitätsquotient verweist auf Problemstellen in der „Praxis der Auseinandersetzung“ nach Schäper (2007) und damit auf Fragen des inkludierenden Miteinanders unterschiedlicher Mehr- und Minderheiten gemäß Hinz (2002). So ergab der SAMS-Quotient eine deutliche Zunahme der Berufsdiversität in den letzten 50 Jahren und einen signifikanten Unterschied zwischen Mann und Frau in der heutigen Zeit. Im Titel des Artikels wird die Frage aufgeworfen, ob Berufsdiversität ganz allgemein ein Indikator für berufliche Inklusion im Sinne der Gleichstellung sein könnte. Drei Gründe sprechen dafür: n SAMS hat gezeigt, dass berufliche Diversität ein Indikator sein könnte, um Benachteiligungen bei der beruflichen Integration sichtbar zu machen. n Durch die Erfassung der beruflichen Diversität werden Veränderungen über die Zeit sichtbar. n Bestehende Indikatoren der Gleichstellung (z. B. Erwerbsquoten, Beschäftigungsgrad, Arbeitszufriedenheit, Vitalitätsgrad am Feierabend usw.) von Menschen mit Behinderung könnten durch den Blick auf berufliche Diversität erweitert werden. In dieser Hinsicht ist das Instrument zur Erfassung von Berufsdiversität weiterzuentwickeln. So können womöglich über die Zeit Rückschritte wie auch Fortschritte von der beruflichen Integration hin auf eine tatsächliche berufliche Inklusion von Menschen mit Behinderung sichtbar gemacht werden. Berufliche Diversität wäre in diesem Sinne ein Indikator oder eine Art Wegweiser von der beruflichen Integration hin zu beruflicher Inklusion. Anmerkungen 1 Das Prinzip von Eingliederung und Rente bei der Invalidenversicherung galt seit Beginn der Vorbereitungen zum IVG auch als „Kombinationslösung“ (Germann 2008, 184; 2010, 157). 2 Unter anderem als Gründungsmitglied der Schweizerische Zentralverein für das Blindenwesen (gegründet 1903) und etwas später der Schweizerische Blindenverband (gegründet 1911) (Zangger 1967, 12). 3 Äußerst befremdlich und kritisch zu werten ist hingegen die von Kull (1949, 279) geforderte „qualitative Bevölkerungspolitik“, welche im Sinne der Eugenik eine „Erbgesundheitspflege“ anstrebt. 4 Dies sind Berufe, die hauptsächlich in geschützten Werkstätten ausgeübt wurden (Bernasconi 1981, 164). 5 Z. B. ab 1953: Telefonistenkurs für Menschen mit Sehbehinderung; kaufmännische Ausbildungen; 1996: Anerkennung des Berufs des medizinischen Masseurs durch das Schweizerische Rote Kreuz. 6 Z. B. 1980er-Jahre bis 1999: Möglichkeiten zur Ausbildung an der Physiotherapieschule in Zürich; ab 2006: Möglichkeiten zur Ausbildung am Institut für Physiotherapie der ZHAW. 7 Sandmeier (1960) bezieht sich generell auf Menschen mit Behinderung, geht aber an einzelnen Stellen spezifisch auf Menschen mit Sehbehinderung ein, zum Beispiel mit Hinweisen auf die Vielfalt von Berufen (Sandmeier 1960, 69). VHN 2 | 2018 149 SYLVIE JOHNER-KOBI, ANNA MARIA RIEDI Berufsdiversität für Menschen mit Sehbehinderung in der Schweiz FACH B E ITR AG 8 Der Zusammenhang zwischen Wirtschaftslage und beruflicher Integration zeigt sich in Deutschland auch während der Zeit des Nationalsozialismus. Während dieser Zeit verbesserte sich die berufliche Situation für blinde Menschen deutlich. Sie wurden in der Industrie, als Maschinenschreiberinnen, Stenotypisten, Telefonistinnen und Sachbearbeiter sowie als Akademiker eingesetzt, obschon insbesondere „Kriegsblinde“ bei der beruflichen Integration bessere Chancen hatten als „Zivilblinde“ (Demmel 2001, 122). 9 Drei Teil-Konferenzen (26. Januar, 18. Mai und 21. Dezember 2017) wurden durchgeführt. 10 Inclusion Handicap kritisiert insbesondere die „Zersplitterung“ der Daten und die teilweise Orientierung an „medizinisch-basierten Kategorien von Behinderung“ (Inclusion Handicap 2017, 145). 11 68 % davon sind volle Renten (Invaliditätsgrad 70 -100 %). 12 Die Berufe wurden den Berufsbezeichnungen der Schweizerischen Berufsnomenklatur 2000 (BFS 2012) zugeordnet. Ausgangspunkt waren 383 Berufskategorien (Spalte 4 der Schweizerischen Berufsnomenklatur 2000). 13 Bei Bernasconi (1981) waren 105 von 179 Befragten erwerbstätig. Insgesamt kamen „weniger als 20 Berufe“ (ebd., 97f.) vor. 14 In den Modulen 2, als Ergänzung zu Modul 4 und in Modul 5. Literatur AHV/ IV (2015): Merkblatt 4.09. Berufliche Eingliederungsmassnahmen der IV. Informationsstelle AHV/ IV. Bern: BSV American Foundation for the Blind (2017): Careers for Blind and Visually Impaired Individuals. Online: http: / / www.afb.org/ info/ living-with-visionloss/ for-job-seekers/ for-family-and-friends/ careers-for-blind-and-visually-impaired-indivi duals/ 1235, 7. 4. 2017 Bernasconi, R. (1981): Blinde in der Wirtschaft der Schweiz. Eine Analyse einiger Aspekte ihrer beruflichen Eingliederung. Rheinstetten: Schindele-Verlag BFS (2009): Behinderung hat viele Gesichter. Definitionen und Statistiken zum Thema Menschen mit Behinderungen. Online: https: / / www.bfs. admin.ch/ bfs/ de/ home/ statistiken/ kataloge-da tenbanken/ publikationen.assetdetail.347248. html, 19. 8. 2015 BFS (2012): Schweizerische Berufsnomenklatur SNB (do-d-00-sbn2000-2012-01). 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