eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 87/4

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2018.art41d
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2018
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Rezension: Grunick, Gerhard / Maier-Michalitsch, Nicola (Hrsg.) (2017): Herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Komplexer Behinderung

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2018
Eva Büschi
Grunick, Gerhard; Maier-Michalitsch, Nicola (Hrsg.) (2017): Herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Komplexer Behinderung Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben. 174 S., € 17,40 Gerhard Grunick und Nicola Maier-Michalitsch als Herausgebende fokussieren herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Komplexer Behinderung. Damit greifen sie in ihrem Werk, in dem sich 18 Autorinnen und Autoren in 14 Artikeln äußern, ein hochaktuelles und praxisrelevantes Thema auf. [...]
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VHN 4 | 2018 344 REZE NSION E N Grunick, Gerhard; Maier-Michalitsch, Nicola (Hrsg.) (2017): Herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Komplexer Behinderung Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben. 174 S., € 17,40 Gerhard Grunick und Nicola Maier-Michalitsch als Herausgebende fokussieren herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Komplexer Behinderung. Damit greifen sie in ihrem Werk, in dem sich 18 Autorinnen und Autoren in 14 Artikeln äußern, ein hochaktuelles und praxisrelevantes Thema auf. Zunächst liefert Theunissen eine fundierte Basis, klärt zentrale Begriffe und erläutert das Konzept der Positiven Verhaltensunterstützung (PVU), das sich eignet, um professionell mit herausfordernden Verhaltensweisen umzugehen. Kirch und Engelfried legen die rechtlichen Grundlagen bei herausforderndem Verhalten dar. Nach diesen Grundlagenartikeln folgen Beiträge zu medizinischen, psychologischen, therapeutischen und pädagogischen Aspekten. Panfilova erörtert die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen herausforderndem Verhalten und psychischen Auffälligkeiten aus medizinischer Sicht und plädiert zu Recht für eine enge Kooperation zwischen pädagogischen und psychiatrischen Fachpersonen. In seinem Beitrag zeigt Sager die Vorteile einer Psychotherapie bei Menschen mit Komplexer Behinderung am Beispiel einer Angstreduktion vor Spritzen auf. Büker betrachtet herausforderndes Verhalten als Kommunikationsversuch und richtet den Fokus auf die Bedeutung der nonverbalen Kommunikation, den Zugang über den Körper und damit auf das Konzept der Basalen Stimulation. An einem Beispiel erläutert Luxen das Konzept der Entwicklungsfreundlichen Beziehung (EfB) und zeigt die Bedeutung einer differenzierten Einschätzung des Entwicklungsstands in allen relevanten Dimensionen auf. Rass geht auf die bei Menschen mit komplexen Behinderungen oft erschwerte Entwicklung der Affektregulation ein und stellt dar, wie sich dies auf die Bewältigung von Stress auswirkt. Den Somatischen Dialog als zentrales Kommunikationsmittel stellt Georgi-Tscherry vor und betont die Wichtigkeit nonverbaler Zeichen und körperlicher Reaktionen bei Begegnungen. Seuser zeigt die Relevanz von qualifiziertem Personal für die Wohnumgebung auf und nimmt die strukturellen Voraussetzungen in den Blick, die eine professionelle Begleitung im Wohnbereich erst ermöglichen. Um das fundierte Verstehen von herausfordernden Situationen geht es bei Calabrese. Sie benennt sechs zentrale Aspekte, die diese ausmachen und auf den Ebenen Klientel, Mitarbeitende und Angebote angesiedelt sind. Sie verdeutlicht, dass herausfordernde Situationen stark kontextuell und situativ gebunden und entsprechend gestaltbar sind. Das Projekt ‚Auf Achse‘, das Arbeitsangebote und Teilhabe an Orten des allgemeinen Arbeitslebens entwickelt, wird von Juterczenka erläutert. Specht und Walter fokussieren auf die emotionale Begleitung und den Wert von Aggressionen als Ausdruck an sich. Konkrete Hinweise für den Umgang mit Krisen bieten Schanze et al. Sie zeigen, dass Deeskalation und die individuelle Erarbeitung von Krisenplänen zentral sind, um Krisen adäquat zu begegnen. Adler rundet das Werk ab durch einen sehr reflektierten Bericht, der die Bedeutung einer fundierten Analyse (nach SEO) für adäquate Umgangsweisen aus Elternperspektive darlegt. Alle Texte sind relativ kurz, verständlich verfasst und mit Praxisbeispielen versehen. Damit sind sie für die Lesenden gut nachvollziehbar. Die Autorinnen und Autoren vertreten in ihren Artikeln die Haltung, wonach ein koordiniertes, interdisziplinäres Handeln auf unterschiedlichen Ebenen (Person, Begleitperson, Institution) notwendig ist, um agogisch adäquate Angebote zu gestalten, mit denen herausfordernde Verhaltensweisen sich erübrigen. Sie plädieren für einen verstehenden Zugang, durch eine system-ökologische und ressourcenorientierte Sicht, wie sie unentbehrlich ist, soll das Ziel erreicht werden, nämlich Situationen zu schaffen, in denen Menschen mit Komplexer Behinderung ihren Lebensstil und ihre Persönlichkeit entwickeln und „sich sozial positiv einbringen und soziale Bestätigung und Wertschätzung erfahren können“ (Theunissen, S. 10). Prof. Dr. Eva Büschi CH-4600 Olten DOI 10.2378/ vhn2018.art41d