eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 88/3

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2019
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Rezension: Schildmann, Ulrike/ Schramme, Sabrina/ Libuda-Köster, Astrid (2018): Die Kategorie Behinderung in der Intersektionalitätsforschung. Theoretische Grundlagen und empirische Befunde

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2019
Chantal Hinni
Schildmann, Ulrike; Schramme, Sabrina; Libuda-Köster, Astrid (2018): Die Kategorie Behinderung in der Intersektionalitätsforschung. Theoretische Grundlagen und empirische Befunde Bochum, Freiburg: projekt-verlag. 157 S., € 17,80 Ulrike Schildmann, emeritierte Professorin für Frauenforschung in der Behindertenpädagogik an der Universität Dortmund, und ihre Mitautorinnen beschäftigen sich mit den Wechselwirkungen der Kategorie Behinderung und der Intersektionalitätsforschung. Da Behinderung als soziale Konstruktion gesehen wird und als Sozialstrukturkategorie diskriminierungsrelevant sein kann, soll analysiert werden, inwiefern der aus der feministischen Forschung erwachsene Ansatz der Intersektionalität zur Analyse von Behinderung geeignet ist. Es soll weiter geklärt werden, ob sich Behinderung überhaupt als relevant für die Intersektionalitätsforschung erweist.
5_088_2019_003_0253
VHN 3 | 2019 253 REZE NSION E N Schildmann, Ulrike; Schramme, Sabrina; Libuda-Köster, Astrid (2018): Die Kategorie Behinderung in der Intersektionalitätsforschung. Theoretische Grundlagen und empirische Befunde Bochum, Freiburg: projektverlag. 157 S., € 17,80 Ulrike Schildmann, emeritierte Professorin für Frauenforschung in der Behindertenpädagogik an der Universität Dortmund, und ihre Mitautorinnen beschäftigen sich mit den Wechselwirkungen der Kategorie Behinderung und der Intersektionalitätsforschung. Da Behinderung als soziale Konstruktion gesehen wird und als Sozialstrukturkategorie diskriminierungsrelevant sein kann, soll analysiert werden, inwiefern der aus der feministischen Forschung erwachsene Ansatz der Intersektionalität zur Analyse von Behinderung geeignet ist. Es soll weiter geklärt werden, ob sich Behinderung überhaupt als relevant für die Intersektionalitätsforschung erweist. Das Buch beginnt mit einer zeitgeschichtlichen Einordung des Diskurses über Verhältnisse zwischen Geschlecht und Behinderung. Schildmann beschreibt die Anfänge der feministischen Forschung in den 1970er Jahren und deren Bezugnahme auf die Behindertenbewegung. Das Kapitel ist sowohl historisch, theoretisch wie auch empirisch ausdifferenziert und liefert einen nahezu kompletten Überblick. Für einen explizit zeitgeschichtlichen Überblick wäre es wünschenswert gewesen, wenn dieser etwas weiter zurückgegriffen hätte. Auch bei der Darstellung der empirischen Forschungsprojekte hätten vorgängige Arbeiten, wie beispielsweise Untersuchungen aus den 1990er Jahren zu Entwicklungsbedingungen von behinderten Schülerinnen und Schülern, Erwähnung finden dürfen. Im zweiten Beitrag widmen sich Schildmann und Schramme der Theoriebildung im Rahmen der Intersektionalitätsforschung. Sie besprechen die Verortung kritisch, indem sie mit der Darstellung von Behinderung als Sozialstrukturkategorie einsteigen und darauf aufbauend andere Kategorien wie Geschlecht, aber auch Alter und Körper abgrenzen beziehungsweise mögliche Wechselwirkungen aufzeigen. Die Autorinnen sprechen dabei durchwegs von Intersektionalitätsforschung, was sinnvoll erscheint, da die Diskussion, was Intersektionalität ist, nach wie vor in vollem Gange ist. Anschließend wird das mehrebenenanalytische Modell von Winker und Degele vorgestellt und besprochen. Die Autorinnen legen eine kritische Haltung gegenüber der Subsumierung von Behinderung und anderen Kategorien in die Strukturkategorie Körper dar und begründen dies argumentativ. Sie halten dabei klar fest, dass Behinderung nie unabhängig von anderen Strukturkategorien existiert und immer in Wechselwirkung zu diesen steht. Diese Erkenntnis wird durch die Darstellung von empirischen Forschungsfeldern, auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen, getragen. Das dritte Kapitel von Schildmann und Libuda- Köster befasst sich ausschließlich mit der empirischen Intersektionalitätsforschung. Anhand der statistischen Analyse von Mikrozensus-Daten aus verschiedenen Jahren arbeiten die Autorinnen theoretische und methodologische Grundlagen rigoros auf und können so bezüglich der Prämisse des vorhergehenden Kapitels Wechselwirkungen zwischen Behinderung, Geschlecht und Alter aufzeigen. In einem abschließenden Exkurs werden methodische und inhaltliche Erkenntnisse einer erweiterten Analyse zur Einkommens- und Versorgungssituation von behinderten Frauen in Deutschland kritisch reflektiert. Die Stärken der Arbeit von Schildmann, Schramme und Libuda-Köster liegen darin, dass alle Kapitel voneinander unabhängig gelesen werden können und einzeln, in ihrer spezifischen Bezugnahme, einen wichtigen Beitrag leisten. Dabei muss aber beachtet werden, dass sich die Autorinnen immer wieder stark auf ihre eigenen theoretischen und empirischen Abhandlungen beziehen, was durchaus erlaubt und sinnvoll ist, da diese in jeder Weise wissenschaftlichen Standards folgen. Abschließend kann gesagt werden, dass es den Autorinnen gelingt, eine stringente Argumentation für die Strukturkategorie Behinderung als eigenständige Analysekategorie der Intersektionalitätsforschung herzustellen. Chantal Hinni, MA CH-1700 Freiburg DOI 10.2378/ vhn2019.art34d