eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 88/2

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2019.art19d
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2019
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Fachbeitrag: Zum Einfluss des Klassenzusammenhalts auf Unterrichtsstörungen

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2019
Thomas Begert
Christoph Michael Müller
Als „schwierig“ wahrgenommene Schulklassen sind oft von problematischen sozialen Dynamiken und Unterrichtsstörungen geprägt. In der vorliegenden Längsschnittstudie wurde überprüft, inwiefern Unterrichtsstörungen vom Ausmaß des Klassenzusammenhalts zwischen den Schülerinnen und Schülern abhängen. An der Studie nahmen 879 Jugendliche einer 7. Jahrgangsstufe teil (M=13.24 Jahre [SD=0.7]; 47.3% Mädchen), die über vier Messzeitpunkte anonym Auskunft zu unterrichtsstörendem Verhalten und sozialen Netzwerken in ihrer Klasse gaben. Netzwerk- und mehrebenenanalytische Auswertungen zeigten, dass je höher der Klassenzusammenhalt in Schulklassen war, umso seltener individuelle Unterrichtsstörungen berichtet wurden. Der Effekt des Klassenzusammenhalts auf Unterrichtsstörungen wurde über die vorherrschenden Klassennormen vermittelt. Das heißt, je höher der soziale Zusammenhalt, desto weniger ausgeprägt waren Unterrichtsstörungen befürwortende Klassennormen und desto seltener traten Unterrichtsstörungen auf.
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100 100 VHN, 88. Jg., S. 100 -113 (2019) DOI 10.2378/ vhn2019.art19d © Ernst Reinhardt Verlag < RUBRIK > < RUBRIK > Zum Einfluss des Klassenzusammenhalts auf Unterrichtsstörungen Eine netzwerkanalytische Längsschnittstudie auf der Sekundarstufe I Thomas Begert, Christoph M. Müller Universität Freiburg/ Schweiz Zusammenfassung: Als „schwierig“ wahrgenommene Schulklassen sind oft von problematischen sozialen Dynamiken und Unterrichtsstörungen geprägt. In der vorliegenden Längsschnittstudie wurde überprüft, inwiefern Unterrichtsstörungen vom Ausmaß des Klassenzusammenhalts zwischen den Schülerinnen und Schülern abhängen. An der Studie nahmen 879 Jugendliche einer 7. Jahrgangsstufe teil (M = 13.24 Jahre [SD = 0.7]; 47.3 % Mädchen), die über vier Messzeitpunkte anonym Auskunft zu unterrichtsstörendem Verhalten und sozialen Netzwerken in ihrer Klasse gaben. Netzwerk- und mehrebenenanalytische Auswertungen zeigten, dass je höher der Klassenzusammenhalt in Schulklassen war, umso seltener individuelle Unterrichtsstörungen berichtet wurden. Der Effekt des Klassenzusammenhalts auf Unterrichtsstörungen wurde über die vorherrschenden Klassennormen vermittelt. Das heißt, je höher der soziale Zusammenhalt, desto weniger ausgeprägt waren Unterrichtsstörungen befürwortende Klassennormen und desto seltener traten Unterrichtsstörungen auf. Schlüsselbegriffe: Unterrichtsstörungen, Gruppendynamik, Klassenkohäsion, soziale Netzwerke, Klassennormen The Influence of Classroom Social Cohesion on Disruptive Classroom Behavior - A Social Networks Study in Lower Secondary School Summary: Classrooms perceived as “difficult” are often characterized by disruptive classroom behaviors and problematic social dynamics between students. The current study examined how the extent of disruptive classroom behavior is influenced by students’ social relationships in the classroom (i. e., social cohesion). The survey included 879 students (M = 13.24 years [SD = 0.7]; 47.3 % girls) attending 7 th grade who anonymously reported their behaviors and social networks in classroom across four measurement points. Social network and multi-level analyses showed that the higher the classroom cohesion, the less classroom disruptive behavior was reported. The effect of classroom cohesion on classroom disruptive behavior was mediated by classroom norms. This means that the higher classroom cohesion, the less favorable classroom norms were towards disruptive behaviors, and the less frequent students exhibited disruptive behaviors. Keywords: Disruptive classroom behavior, group dynamics, social networks, group cohesiveness, classroom norms FACH B E ITR AG TH EME NSTR ANG Die Klassenkameraden - Freunde, Feinde, Sozialisationsinstanz VHN 2 | 2019 101 THOMAS BEGERT, CHRISTOPH M. MÜLLER Der Einfluss des Klassenzusammenhalts auf Unterrichtsstörungen FACH B E ITR AG 1 Hintergrund Lehrpersonen und Eltern benutzen im Alltag manchmal den Begriff der „schwierigen Schulklasse“. Häufig bezieht sich dieser darauf, dass der Unterricht von vielen Störungen geprägt ist (Tiedemann & Billmann-Mahecha, 2002). Nicht selten wird dann auf einzelne Schülerinnen und Schüler mit besonders auffälligem Verhalten oder auf eine mangelnde Klassenführung der Lehrperson verwiesen (s. a. Schönbächler, Herzog & Makarova, 2011). Möglicherweise spielen hier aber auch soziale Dynamiken zwischen den Schülerinnen und Schülern eine Rolle. So spricht Bartnitzky (2015) im Zusammenhang mit „schwierigen Klassen“ metaphorisch von „Wer-im-Unterricht-mitmacht-ist-ein- Streber-Dynamiken“, „Alles-ist-doof-und-langweilig-Dynamiken“ oder „Jeder-gegen-jeden- Dynamiken“. Vor diesem Hintergrund wurde in der vorliegenden Studie untersucht, inwiefern soziale Dynamiken, spezifisch der Klassenzusammenhalt zwischen Schülerinnen und Schülern, mit der Entwicklung von Unterrichtsstörungen zusammenhängen und welche Prozesse einem solchen Effekt zugrunde liegen. 1.1 Unterrichtsstörungen Unterrichtsstörendes Verhalten von Schülerinnen und Schülern gilt als einer der bedeutendsten Faktoren für die Berufsbelastung von Lehrpersonen (Baeriswyl, Krause & Kunz Heim, 2014). Dieser Befund ist wenig erstaunlich, da Unterrichtstörungen zwar eher milde Formen abweichenden Verhaltens darstellen, jedoch im Vergleich zu schwerwiegenderen dissozialen Verhaltensweisen (z. B. einander schlagen) relativ häufig vorkommen (Beaman, Wheldall & Kemp, 2007). Neben der Belastung von Lehrpersonen gilt das ausdauernde und intensive Stören von Unterricht als Risikofaktor für gravierendes dissoziales Verhalten und für Schulleistungsprobleme der betreffenden Kinder und Jugendlichen (Loeber, White & Burke, 2012). Während über die Risiken von Unterrichtsstörungen weitgehend Einigkeit herrscht, bestehen unterschiedliche Ansichten darüber, wie das Konstrukt konzeptuell genau zu fassen sei. Das Verständnis, was eine Unterrichtsstörung ist und als wie ausgeprägt eine solche Störung wahrgenommen wird, kann sich dabei je nach Befragungsgruppe (z. B. Lehrpersonen oder Schülerschaft), Fokus (z. B. Häufigkeits-, Schweregrad- oder Belastungseinschätzungen) oder Unterrichtskontext unterscheiden (Wettstein, Ramseier, Scherzinger & Gasser, 2016; Wicki & Kappeler, 2007; Pfitzner & Schoppek, 2000; Infantino & Little, 2005; Begert, 2018). Vor diesem Hintergrund wird Unterrichtsstörungen in der Literatur ein breites Spektrum an Verhaltensweisen zugeordnet und der Terminus wird unter Nutzung verschiedener Begrifflichkeiten diskutiert und systematisiert (s. Übersicht bei Wilkens, 2010). In der vorliegenden Arbeit werden Unterrichtsstörungen zunächst an die Systematisierung von Havers (1978) angelehnt, der Unterrichtsstörungen als Verstöße gegen schulische Regeln und Normen, gegen Lern- und Arbeitsanforderungen, gegen Interaktionsregeln zwischen Lehrpersonen und Schülerschaft sowie gegen Interaktionsregeln innerhalb der Schülerschaft selbst versteht. Gemeinsam ist den genannten Verstößen, dass sie sich auf Regeln beziehen, die im Klassenzimmer durch die „Norminstanz Lehrperson“ vorgegeben sind. Das der vorliegenden Studie zugrundeliegende Verständnis von Unterrichtsstörungen bezieht sich deshalb vor allem auf das Interaktionsfeld zwischen der Lehrperson und den Schülerinnen und Schülern im Unterricht (s. a. Müller, Begert, Huber & Gmünder, 2012). So eingegrenzte Unterrichtsstörungen können sich auf die direkte Interaktion mit der Lehrperson beziehen (z. B. Reinrufen in den Unterricht), aber auch auf das Verhalten zwischen Schülerinnen und Schülern (z. B. Schwatzen). Verhalten, das sich explizit gegen andere Peers richtet (z. B. jemanden schlagen) wird hier nicht einbezogen und primär aggressivem Verhalten gegen die Peers zugeordnet (s. a. Trautwein, Köller & Baumert, 2004). VHN 2 | 2019 102 THOMAS BEGERT, CHRISTOPH M. MÜLLER Der Einfluss des Klassenzusammenhalts auf Unterrichtsstörungen FACH B E ITR AG Im Hinblick auf Erklärungsfaktoren für Unterrichtsstörungen dominieren gemäß Wettstein und Thommen (2007) einerseits persönlichkeitsbezogene Sichtweisen, welche individuelle Dispositionen der Schülerinnen und Schüler betonen (z. B. Aufmerksamkeits-Hyperaktivitäts-Störungen; Lauth, Heubeck & Mackowiak, 2006). Andererseits werden oft Perspektiven gewählt, welche das Handeln und die Unterrichtskompetenz der Lehrperson hervorheben (z. B. Classroommanagement; Clunies-Ross, Little & Kienhuis, 2008). Es gibt jedoch auch Hinweise darauf, dass Unterrichtsstörungen durch das soziale Miteinander unter den Peers beeinflusst werden können. Beispielsweise zeigen Studien, dass unterrichtsstörendes Verhalten oft auf eine Verbesserung des sozialen Status in der Klasse abzielt und sozialen Lernprozessen zwischen den Peers unterliegt (z. B. Bru, 2006; Müller, Begert, Hofmann & Studer, 2013). Unterrichtsstörungen könnten somit auch eng verknüpft sein mit den sozialen Dynamiken unter den Schülerinnen und Schülern. 1.2 Soziale Dynamiken und Klassenzusammenhalt Petillon (1980) unterscheidet innerhalb von Schulklassen verschiedene soziale Dynamiken wie Klassennormen, das Klassenklima und soziale Beziehungsstrukturen. Letztere versteht er als Kommunikations-, Interaktions-, Entscheidungs-, Macht- oder Sympathiegefüge zwischen den Klassenkameradinnen und -kameraden. Diese können als Eigenschaft der ganzen Klasse die einzelnen Klassenmitglieder in ihrem Verhalten beeinflussen. Als eine solche kollektive Kraft kann der Klassenzusammenhalt gelten, welcher im Folgenden unter dem Fachbegriff der Klassenkohäsion geführt wird. Die Kohäsion in einer Gruppe wird dabei als soziale Anziehungskraft der Gruppenmitglieder untereinander bzw. als Zugehörigkeitsgefühl zur Gruppe als Ganzes verstanden (Forsyth, 2013). Als ein zentraler Indikator der Klassenkohäsion gilt das Ausmaß der Interaktionen zwischen den Schülerinnen und Schülern einer Klasse (s. a. Shaw, 1981). Die Klassenkohäsion kann deshalb mittels Messung der sozialen Beziehungsstruktur, z. B. anhand der Muster, Stärke oder Anzahl von interpersonalen Beziehungen zwischen den Peers, erfasst werden (Borgatti, Everett & Johnson, 2013). 1.3 Wirkprozesse der Klassenkohäsion auf Unterrichtsstörungen Die Klassenkohäsion könnte auf unterschiedliche Weise Einfluss auf Unterrichtsstörungen nehmen. Einer sozialökologischen Betrachtung folgend kann eine hohe Klassenkohäsion als Prädiktor einer entwicklungsförderlichen Lernumgebung und Peerumwelt verstanden werden (Gest & Rodkin, 2011). So kann eine hohe Gruppenkohäsion etwa mit Wohlbefinden, positiver Leistungsmotivation oder sozial unterstützendem Verhalten in der Gruppe einhergehen (z. B. Levine & Moreland, 1990). Ein soziales Netzwerk einer Schulklasse mit einer hohen Anzahl und Dichte positiver sozialer Beziehungen kann so dazu beitragen, dass sich die Schülerinnen und Schüler sozial in die Klassengemeinschaft einbezogen fühlen. Ein Mangel an sozialer Integration in die Klassengemeinschaft kann demgegenüber mit unerwünschten Reaktionen, wie z. B. Unterrichtsstörungen, einhergehen (z. B. Baumeister & Leary, 1995). Einen anderen Verständniszugang bietet der Einbezug der in Klassen vorherrschenden Normen (Hayne & Osgood, 2005). Hier wird davon ausgegangen, dass in Gruppen mit einer hohen Kohäsion ähnliche Verhaltensweisen und Einstellungen dominieren, sodass ein sozialer Druck entsteht, nicht von diesen Gruppeneigenschaften abzuweichen (z. B. Festinger, Schachter & Back, 1967). Deshalb könnte die Richtung der Normen, die in einer Klasse vorherrschen, eine wichtige Rolle einnehmen. Normen repräsentieren regulative Verhaltensstandards und Erwartungen von Gruppenmitgliedern (Feldman, 1984). Dabei wird meist zwischen deskriptiven und injunktiven (prä- VHN 2 | 2019 103 THOMAS BEGERT, CHRISTOPH M. MÜLLER Der Einfluss des Klassenzusammenhalts auf Unterrichtsstörungen FACH B E ITR AG skriptiven) Gruppennormen unterschieden (z. B. Cialdini, Reno & Kallgren, 1990; Berkowitz, 2004; Lapinski & Rimal, 2005). Deskriptive Normen beziehen sich auf saliente, in einer Gruppe vorherrschende Verhaltensweisen, die eine zentrale Verhaltenstendenz der Gesamtgruppe aufzeigen. Sie werden üblicherweise durch die mittlere Häufigkeit des Auftretens bestimmter Verhaltensweisen in einer Gruppe operationalisiert (z. B. mittleres Niveau an Verhaltensproblemen in einer Klasse; vgl. Henry & Chang, 2010; Boor-Klip, Segers, Hendrickx & Cillessen, 2017). Injunktive Normen dagegen beziehen sich auf gruppenspezifische Überzeugungen und Einstellungen zur Legitimität spezifischen Verhaltens. Zahlreiche Studien zeigen, dass beide Normkonzepte bedeutsam für die individuelle Verhaltensentwicklung sind (z. B. Chang, 2004; Almeida, Correira & Marinho, 2009). Bei den folgenden Überlegungen wird auf die deskriptiven Verhaltensnormen fokussiert, welche unter den Peers direkter wahrnehmbar sind als deren Einstellungen oder moralische Erwartungen. Eine Studie von Meisel und Goodie (2014) deutet darauf hin, dass deskriptive Normen in eher losen Peergruppen, wie sie beispielsweise ein Klassenverband repräsentiert, eine besondere Verhaltensorientierung bieten. Injunktiven Normen scheint hingegen besonders innerhalb naher Beziehungen (z. B. zwischen Familienmitgliedern oder engen Freunden) eine orientierende Funktion für individuelles Verhalten zuzukommen. Deskriptive Verhaltensnormen in Bezug auf Unterrichtsstörungen könnten auf verschiedene Weise mit dem Effekt der Klassenkohäsion auf individuelles unterrichtsstörendes Verhalten zusammenhängen. Einerseits könnten Normen, je nach ihrer Ausprägung, die Richtung des Effekts der Kohäsion auf individuelles Verhalten bestimmen (s. a. Langfred, 1998). Weisen die Klassennormen also in Richtung einer Ablehnung von Unterrichtsstörungen (d. h. geringes mittleres Niveau an Unterrichtsstörungen), ist zu erwarten, dass eine hohe Kohäsion zu einer individuellen Verringerung von unterrichtsstörendem Verhalten beiträgt. Unterrichtsstörendes Verhalten begünstigende Normen würden in Klassen mit hoher Kohäsion hingegen eine Erhöhung individueller Unterrichtsstörungen erwarten lassen. Statistisch betrachtet würden die Klassennormen den Effekt der Klassenkohäsion auf individuelles Verhalten moderieren. Andererseits wäre auch möglich, dass die Klassenkohäsion die Entstehung spezifischer Klassennormen bedingt, die dann wiederum das individuelle Verhalten beeinflussen. Konkret könnte eine hohe Klassenkohäsion eine positive soziale Lernumgebung mit hohem Gruppendruck entgegen unterrichtsstörendem Verhalten begünstigen. Diese Annahme wird durch Befunde von Specht und Fend (1979) unterstützt, die in kohäsiven Schulklassen schulfreundlichere Normen vorfanden als in weniger kohäsiven Klassen. Die in der Klasse vorherrschenden Verhaltensnormen würden dann wiederum das individuelle Verhalten beeinflussen, sodass den Normen statistisch gesehen ein Mediationseffekt zukäme (Xie & Johns, 2000). Aus den dargelegten theoretischen Überlegungen lassen sich folgende drei Forschungshypothesen ableiten: 1. Je höher die Klassenkohäsion ist, desto seltener treten individuelle Unterrichtsstörungen auf (Pfad 1, s. Abb. 1). 2. Der Effekt der Klassenkohäsion auf Unterrichtsstörungen wird von den deskriptiven Klassennormen moderiert (Pfad 2, s. Abb. 1). Je mehr die Klassennormen in Richtung von unterrichtsstörendem Verhalten weisen, desto mehr trägt eine hohe Klassenkohäsion zu individuellen Unterrichtsstörungen bei. 3. Der Effekt der Klassenkohäsion auf Unterrichtsstörungen wird durch die deskriptiven Klassennormen mediiert (Pfad 3 und 4, s. Abb. 1). Je höher die Klassenkohäsion, desto weniger weisen die Klassennormen in Richtung unterrichtsstörenden Verhaltens, was wiederum mit weniger individuellen Unterrichtsstörungen einhergeht. VHN 2 | 2019 104 THOMAS BEGERT, CHRISTOPH M. MÜLLER Der Einfluss des Klassenzusammenhalts auf Unterrichtsstörungen FACH B E ITR AG 2 Methoden Die Überprüfung der Hypothesen erfolgte im Rahmen der längsschnittlichen Freiburger Studie zum Peereinfluss in Schulen („FRI- PEERS“, Müller & Bless, 2017 1 ; für Details zu den hier vorgenommenen Analysen s. a. Begert, 2018). Dabei wurde auf Daten aus vier im Abstand von je ca. 3 Monaten erfolgten Messzeitpunkten in der 7. Schulklasse zurückgegriffen. Die Analyse der Entwicklung im 7. Schuljahr eignet sich besonders gut zur Beantwortung der Fragestellungen, da im lokalen Schulsystem der Übertritt von der Primarstufe (1. - 6. Klasse) auf die Sekundarstufe I (7. - 9. Klasse) erfolgte und die Schulklassen dann neu zusammengesetzt wurden. Nur 14.7 % (SD = 11.56) der Teilnehmenden berichteten, dass sie ihre neuen Klassenkameradinnen und -kameraden aus der Primarschule kannten. 2.1 Stichprobe Die Stichprobe umfasste im Rahmen einer Kompletterhebung alle 879 Jugendliche aus 55 Schulklassen aller Oberstufenzentren des deutschsprachigen Teils des Schweizer Kantons Freiburg. Die Schülerinnen und Schüler besuchten Klassen der Bildungsgänge Realschule, Sekundarschule, Progymnasium oder sonderpädagogische Werkklassen (Förderklassen für Schülerinnen und Schüler mit Lernproblemen), welche in ihrer Klassenzusammensetzung über fast alle Fächer gleich blieben. In den Analysen wurden alle Jugendlichen berücksichtigt, welche mindestens zu einem Messzeitpunkt an der Erhebung teilgenommen hatten (n = 879). Die Anzahl der Nicht- Teilnehmenden (z. B. aufgrund von Krankheit) war gering (T1: 3 %, T2: 2.7 %, T3: 5.2 %, T4: 4.6 %). 2.2 Messinstrumente Im Rahmen dieser Studie wurde mit Schülerauskünften gearbeitet, um einen Einblick in die Perspektive der Jugendlichen selbst zu erhalten. Um Probleme sozial erwünschter Antworten möglichst zu reduzieren, wurde auf das Erfassen von Schülernamen verzichtet (stattdessen wurden anonyme Codes verwendet), und bei den Erhebungen wurde ein Sichtschutz zwischen allen Teilnehmenden aufgestellt. Die Erhebung von Unterrichtsstörungen erfolgte mittels der Selbstauskunftsskala der „Freiburger Selbst- und Peerauskunftsskalen - Schulisches Problemverhalten (FSP-S)“ (Müller et al., Klassenkohäsion Klassennormen Unterrichtsstörungen (3) (4) (2) (1) Abb. 1: Direkter Effekt ( 1 ), Interaktionseffekt ( 2 ) sowie indirekter Effekt ( 3 und 4 ) der Klassenkohäsion VHN 2 | 2019 105 THOMAS BEGERT, CHRISTOPH M. MÜLLER Der Einfluss des Klassenzusammenhalts auf Unterrichtsstörungen FACH B E ITR AG 2012). Diese Skala umfasst 8 Items (α = .83) zu einem breiten Spektrum an Unterrichtsstörungen (z. B. Schwatzen, Reinrufen ohne Handaufzeigen, unerledigte Hausaufgaben, unerlaubtes Umhergehen, der Lehrperson freche Antworten geben, Dinge umherwerfen, Schummeln bei Lernkontrollen oder Beschäftigung mit anderen Dingen als dem Schulstoff). Um verzerrende Bezugsnormeffekte zu verhindern und eine zeitliche Referenz zu schaffen, wird in der FSP-S kriterial danach gefragt, an wie vielen der letzten 10 Schultage dieses Verhalten von den Teilnehmenden gezeigt wurde. Zur Erfassung der Klassenkohäsion wurden zunächst unbegrenzte Peernominationen zu den Interaktionspräferenzen der Schülerinnen und Schüler innerhalb ihrer Klasse durchgeführt („Mit wem aus deiner Klasse verbringst du in der Schule am meisten Zeit? “). Das Erfassen von Interaktionshäufigkeiten bot sich hier an, weil sie für die Befragten relativ konkret beobachtbar und unabhängig von subjektiv variierenden Freundschaftskonzepten sind (s. a. Pappi & Wolf, 1984). Basierend auf den Nominationen wurden anschließend mithilfe des Netzwerkanalyseprogramms UCI- NET über alle vier Messzeitpunkte insgesamt 220 Klassennetzwerke modelliert und in Bezug auf ihre Kohäsionsstruktur auf Klassenebene analysiert. Die Klassenkohäsion wurde dabei als sogenannter Clustering Koeffizient über die triadischen Beziehungen innerhalb der Klasse operationalisiert. Dieser Koeffizient stellt ein aggregiertes Maß für die Geschlossenheit von Dreierbeziehungen auf Ebene des Gesamtnetzwerks dar. Je größer der Clustering Koeffizient, desto mehr geschlossene Beziehungsdreiecke liegen innerhalb eines Klassennetzwerks vor (Newman, 2003; Borgatti et al., 2013). Die Messeinheit der Beziehungstriaden bietet den Vorteil, dass nicht nur Beziehungen ersten Grades (z. B. dyadische Freundschaften), sondern auch Beziehungen zweiten Grades miteinbezogen werden können (z. B. „Der Freund meines Freundes ist auch mein Freund“; Hummell & Sodeur, 2010). Die Klassennormen wurden als deskriptive Verhaltensnormen in Bezug auf Unterrichtsstörungen definiert. Sie wurden in Form eines individuellen Peerumgebungswerts des Verhaltens der Mitschülerinnen und Mitschüler berechnet, d. h. für jede Person wurde der Mittelwert der von den Klassenkameradinnen und Klassenkameraden selbst berichteten Unterrichtsstörungen ermittelt (s. a. Vorgehen bei Henry et al., 2000). Um eine Konfundierung von Effekten zu verhindern, galt es zentrale Kontrollvariablen zu berücksichtigen. Zu diesen zählten grundlegend das Geschlecht der Teilnehmenden und der besuchte Bildungsgang. Zudem ist zu beachten, dass ein Kohäsionseffekt durch den Einfluss anderer struktureller Klassenmerkmale konfundiert werden könnte (z. B. hohes Clustering bei gleichzeitiger Subgruppenbildung, s. McFarland, Moody, Diehl, Smith & Thomas, 2014). Aus diesem Grund wurden in den statistischen Analysen weitere Strukturvariablen mit Bezug zur Anzahl (Average Degree: Mittelwert der Beziehungen pro Akteur), der Distanz (Reziprozität: Ausmaß der gegenseitigen Beziehungen unter Akteuren, die mindestens eine Beziehung aufweisen), der Verbundenheit (Connectedness: Verhältnis der Anzahl verbundener zu den maximalen verbundenen Akteurspaaren; Inklusivität: Anzahl verbundener Akteure im Verhältnis zu allen Akteuren), der Homogenität (Zentralisierung: Maß, das angibt, inwiefern das Netzwerk auf den zentralsten Akteur ausgerichtet ist) und der Komponentenbildung (Cliquenanzahl) der sozialen Beziehungen in der Klasse kontrolliert (Borgatti et al., 2013). Weiter wurden Kohäsionsmaße auf Individualebene statistisch berücksichtigt (Individuelle Zentralität: Anzahl der gesendeten und erhaltenen Beziehungen pro Akteur; Soziale Isolierung: Akteure ohne soziale Beziehungen). VHN 2 | 2019 106 THOMAS BEGERT, CHRISTOPH M. MÜLLER Der Einfluss des Klassenzusammenhalts auf Unterrichtsstörungen FACH B E ITR AG 2.3 Statistische Analyse Zur Hypothesenprüfung wurden mehrebenenanalytische Längsschnittmodelle nach Singer und Willett (2003) mit dem Programm MLwiN 3.00 berechnet. Es wurden 3-Ebenen-Random- Intercept-Modelle bestimmt, mit denen die geschachtelte Datenstruktur berücksichtigt werden konnte (Ebene 1: Zeit; Ebene 2: Individuen; Ebene 3: Schulklassen). Unter der Nutzung der „iterative generalised least squares“-Prozedur können innerhalb von längsschnittlichen Mehrebenenanalysen Effekte trotz unausbalancierter Daten effizient geschätzt werden (Rasbash, Steele, Browne & Goldstein, 2014). In Bezug auf Hypothese 1 wurde der direkte Effekt der Klassenkohäsion auf Unterrichtsstörungen überprüft (Pfad 1, s. Abb. 1). Hypothese 2 verlangte die Prüfung des Interaktionseffekts zwischen der Klassenkohäsion und den Klassennormen. Für das Testen von Hypothese 3 wurde eine Mediationsanalyse nach dem Vorgehen von Baron und Kenny (1986) durchgeführt. Hierbei wurde mithilfe einzelner Regressionsanalysen nach dem Bestimmen des Effekts von Pfad 1 schrittweise der Effekt von Pfad 3 (Klassenkohäsion auf Klassennormen) sowie der Effekt von Pfad 4 (Klassennormen auf Unterrichtsstörungen) bestimmt (s. Abb. 1). Letzterer Effekt wurde unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Prädiktoren Klassennormen und Klassenkohäsion geschätzt. Mittels Sobel Test konnte schließlich die Signifikanz des indirekten Effekts (Effekt Pfad 3 × Pfad 4) überprüft werden. 3 Ergebnisse Das Nullmodell in Tabelle 1 zeigt eine signifikante Varianz unterrichtsstörenden Verhaltens auf allen berücksichtigten Ebenen. Die Betrachtung der „Variance Partition Coefficients“ (VPC) weist darauf hin, dass die Unterschiede in der Gesamtvarianz zu 44 % auf der Zeitebene, zu 51 % auf der Individualebene und zu 5 % auf der Klassenebene liegen. Hypothese 1 ließ erwarten, dass sich ein direkter, reduzierender Effekt der Klassenkohäsion auf individuelle Unterrichtsstörungen zeigt (Pfad 1, s. Abb. 1). Die Überprüfung der Hypothese in Modell 1 ergab einen Effekt der Klassenkohäsion auf individuelle Unterrichtsstörungen, der auch unter Berücksichtigung der Kontrollvariablen in Modell 2 höchstsignifikant blieb (b = -0.764; p < .001). Das negative Vorzeichen des Regressionskoeffizienten verweist auf die erwartete Richtung: Je höher die Klassenkohäsion, desto niedriger fallen die individuellen Unterrichtsstörungen aus. Der positive Effekt des Zeitpunkts weist auf eine Zunahme unterrichtsstörenden Verhaltens über das 7. Schuljahr hin. In Bezug auf die Kontrollvariablen zeigte sich, dass Jungen mehr Unterrichtsstörungen als Mädchen berichteten und diese in Schulklassen mit einem höheren Anteil an Jungen vermehrt auftraten. Die erklärte Gesamtvarianz des Modells lag bei R 2 = .04. Devianzvergleiche anhand von Maximum-Likelihood-Schätzungen bzw. der sogenannten „likelihood ratio“ ergaben eine signifikante Verbesserung des Fits von Modell 1 zum Nullmodell (Chi-Quadrat = 35.083; p < .001) sowie von Modell 2 zu Modell 1 durch den Einbezug der Kontrollvariablen (Chi-Quadrat = 60.941; p < .001). In Hypothese 2 wurde erwartet, dass der Effekt der Klassenkohäsion von den Klassennormen moderiert wird. In Modell 3 wird der höchstsignifikante Haupteffekt ersichtlich, der zeigt, dass höhere Klassennormen in Richtung unterrichtsstörenden Verhaltens mit mehr individuellen Unterrichtsstörungen einhergehen. Modell 3 wies gegenüber Modell 2 eine signifikante Verbesserung des Modelfits durch den Einbezug der Klassennormen auf (Chi-Quadrat = 7.41; p < .01). In Modell 4 zeigte sich dann, gegenläufig zu Hypothese 2, kein signifikanter Moderationseffekt der Klassennormen (b = .209; p = .71) und der Fit von Modell 4 unterschied sich nicht von Modell 3 (Chi-Quadrat = 0.004; p = .95). VHN 2 | 2019 107 THOMAS BEGERT, CHRISTOPH M. MÜLLER Der Einfluss des Klassenzusammenhalts auf Unterrichtsstörungen FACH B E ITR AG Parameter Modell 0 B ( SE) Modell 1 B ( SE) Modell 2 B ( SE) Modell 3 B ( SE) Modell 4 B ( SE) Konstante 1.38*** (0.064) 1.57*** (0.25) -0.16 (0.56) -0.25 (0.52) -0.14 (0.55) Zeitpunkt Geschlecht a Individuelle Zentralität Soz. Isolation Klassengröße Klassennormen Klassenkohäsion × Klassennormen Bildungsgang Real b Bildungsgang Sekundar b Bildungsgang Progymn. b Anteil Jungen Klassenkohäsion Average Degree Cliquenanzahl Reziprozität Zentralisierung Connectedness Inklusivität Average Path Length 0.90*** (0.02) -0.01 (0.01) -0.55** (0.23) 0.09** (0.02) 0.31*** (0.08) 0.5** (0.17) -0.04 (0.2) -0.03 (0.02) 0.48** (0.22) 0.66** (0.3) 0.31 (0.26) 0.01* (0.01) -0.76*** (0.3) 0.00 (0.04) -0.02 (0.02) 0.1 (0.16) 0.59* (0.21) -0.7*** (0.2) 0.96* (0.46) 0.12 (0.07) 0.07*** (0.02) 0.31*** (0.08) 0.49** (0.17) -0.05 (0,2) -0.02 (0.02) 0.23*** (0.05) 0.35* (0.19) 0.5* (0.27) 0.23 (0.22) 0.01* (0.00) -0.55** (0.23) -0.00 (0.04) -0.01 (0.02) 0.12 (0.16) 0.43* (0.21) -0.55** (0.2) 0.77 (0.46) 0.06 (0.07) 0.07*** (0.02) 0.31*** (0.08) 0.49** (0.17) -0.05 (0.2) -0.02 (0.02) 0.15 (0.15) 0.21 (0.37) 0.35* (0.19) 0.49** (0.27) 0.23 (0.22) 0.01* (0.00) -0.84 (0.48) -0.01 (0.04) -0.01 (0.02) 0.11 (0.16) 0.42* (0.21) -0.53** (0.2) 0.77 (0.46) 0.01 (0.04) Varianzkomponenten Ebene 3 c Ebene 2 d Ebene 1 e VPC Ebene 3 VPC Ebene 2 VPC Ebene 1 0.13* (0.04) 1.17*** (0.07) 1.05*** (0.03) 0.05 0.51 0.4 0.13** (0.04) 1.18*** (0.07) 0.99*** (0.03) 0.05 0.51 0.43 0.09* (0.04) 1.14*** (0.07) 0.98*** (0.03) 0.04 0.51 0.44 0.03 (0.02) 1.18*** (0.08) 1.0*** (0.03) 0.01 0.53 0.45 0.03 (0.02) 1.18*** (0.08) 0.98*** (0.03) 0.01 0.54 0.44 Tab. 1: Mehrebenenanalytisches Längsschnittmodell (Messzeitpunkte 1 bis 4) zur Vorhersage von Unterrichtsstörungen durch die Klassenkohäsion und den Interaktionseffekt zwischen Klassenkohäsion und Klassennormen Anmerkung: a Referenzkategorie weiblich. b Referenzkategorie Werkklassen. c Varianz zwischen den Klassen. d Varianz innerhalb der Klassen. e Varianz zwischen den Messzeitpunkten. * p < .05; ** p < .01; *** p < .001 VHN 2 | 2019 108 THOMAS BEGERT, CHRISTOPH M. MÜLLER Der Einfluss des Klassenzusammenhalts auf Unterrichtsstörungen FACH B E ITR AG In Bezug auf Hypothese 3 wurde ein mediierender Einfluss der Klassenkohäsion geprüft. Der erste Schritt der Mediationsanalyse wurde bereits in Modell 2 in Tabelle 1 geprüft, was in einem höchstsignifikanten Effekt der Klassenkohäsion resultierte. Die Vorhersage der Klassennormen durch die Klassenkohäsion (Pfad 2, Abb. 1) fiel höchstsignifikant aus (b = -0.538; p < .001; R 2 = .2) und zeigte erwartungsgemäß, dass eine höhere Klassenkohäsion mit weniger ausgeprägten Normen, welche unterrichtsstörendes Verhalten befürworten, einhergeht. Ebenfalls fiel der Regressionspfad der Klassennormen auf individuelle Unterrichtsstörungen (unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Klassenkohäsion) in die erwartete Richtung höchstsignifikant aus (b = 0.232; p < .001; R 2 = .04). Schlussendlich war auch der indirekte Effekt mit b = -0.124 in der Sobel-Testung höchstsignifikant (SE = 0.035; Z = -3.54; p < .001). Da innerhalb der Mediationsanalyse die Klassenkohäsion unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Klassennormen weiterhin hochsignifikant blieb (b = -0.545; p < .01), ist von einer partiellen Mediation durch die Klassennormen auszugehen. Eine geringere Klassenkohäsion scheint also partiell sowohl einen direkten als auch einen indirekten Einfluss über unterrichtsstörendes Verhalten begünstigende Klassennormen auf mehr individuelle Unterrichtsstörungen auszuüben. 4 Diskussion Die vorliegenden Befunde deuten darauf hin, dass ein Zusammenhang zwischen sozialen Dynamiken unter den Peers in der Klasse und der Ausprägung von Unterrichtsstörungen besteht. So zeigte sich, dass je höher die Klassenkohäsion ist, desto seltener individuelle Unterrichtsstörungen in Schulklassen auftreten. Interpretiert man dieses Ergebnis vor dem Hintergrund eines sozialökologischen Verständnisses, könnte eine hohe Klassenkohäsion aufgrund der sozialen Nähe zwischen den Schülerinnen und Schülern eine unterstützende Lernumgebung darstellen, in welcher die Schülerinnen und Schüler beispielsweise weniger Bedarf sehen, sich durch Unterrichtsstörungen voreinander profilieren zu müssen (s. a. Bru, 2006). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die durch die Klassenkohäsion aufgeklärte Varianz relativ klein war und individuelle Unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern deutlich mehr ins Gewicht fielen. Der kleine Effekt der Klassenkohäsion ist dabei nicht überraschend, da es sich hierbei um eine distale Kontextvariable handelt. Dennoch gelten solche Kontextvariablen im Alltagsgeschehen als bedeutsam, da sie als konstante Hintergrundfaktoren oftmals ein Bedingungsfeld für vielfältige Verhaltensweisen darstellen (De Castro, Thomaes & Reijntjes, 2015). So scheint beispielsweise die Klassenkohäsion im Schulkontext auch mit Aggression und Schulleistung assoziiert zu sein (Van den Oord & Rispens, 1999; Clément, Dornyei & Noels, 1994). Bei der Interpretation der Befunde ist weiter zu berücksichtigen, dass, in Übereinstimmung mit anderen Studienbefunden (Tillmann, Holler-Nowitzki, Holtappels, Meier & Popp, 1999; Arbuckle & Little, 2004), Unterrichtsstörungen im Übergang auf Sekundarstufe I zunahmen. Dies bedeutet, dass bei einer generellen Zunahme von Unterrichtsstörungen eine hohe Klassenkohäsion diese Zunahme abmilderte. Der allgemeine Anstieg von Unterrichtsstörungen in der frühen Jugend und spezifisch zu Beginn der Sekundarstufe I lässt sich durch verschiedene Faktoren erklären. Einer dieser Faktoren ist der Schulübertritt von der Primarin die Sekundarstufe, der für Jugendliche eine sensible Entwicklungsphase darstellt. Im Zusammenspiel mit den körperlichen und sozialen Veränderungen der frühen Adoleszenz kann es hier zu einer Vielzahl von Stresssituationen kommen, die sich in problematischen Verhaltensweisen in der Schule äußern können (z. B. Bronfenbrenner, 1989; Pierangelo & Giuliani, 2000). VHN 2 | 2019 109 THOMAS BEGERT, CHRISTOPH M. MÜLLER Der Einfluss des Klassenzusammenhalts auf Unterrichtsstörungen FACH B E ITR AG In der vorliegenden Studie wurde davon ausgegangen, dass den deskriptiven Verhaltensnormen in der Klasse beim Zusammenspiel zwischen Klassenkohäsion und Unterrichtsstörungen eine wichtige Bedeutung zukommt. Die Daten bestätigten jedoch nicht den erwarteten moderierenden Effekt der deskriptiven Klassennormen. Möglicherweise spielen an dieser Stelle weniger die in der Gesamtklasse vorherrschenden Verhaltensweisen eine Rolle als das spezifische Verhalten z. B. populärer Meinungsführer/ innen in der Klasse. Für zukünftige Forschung wäre es deshalb interessant, sogenannte gewichtete Klassennormen zu erheben, bei denen der soziale Status der einzelnen Schülerinnen und Schüler als Maß der Beeinflussung der Klasse bei der Operationalisierung partieller Normkonstrukte mitberücksichtigt wird (Jackson, Cappella & Neal, 2015). Die hier betrachteten klassenweiten deskriptiven Verhaltensnormen übernahmen jedoch eine mediierende Rolle innerhalb der Beziehung zwischen Klassenkohäsion und Unterrichtsstörungen, d. h. je höher die Klassenkohäsion ausfiel, desto geringer waren die Klassennormen in Richtung von Unterrichtsstörungen ausgeprägt und desto seltener traten Unterrichtsstörungen in der Schulklasse auf. Die Ergebnisse unterstützen daher die Annahme, dass soziale Kohäsion einen vorstrukturierenden Faktor von deskriptiven Normen darstellt (s. a. Opp, 1983). Klassenkohäsion könnte so als positive Lernumgebung zu einer Vermeidung von Klassennormen in Richtung unterrichtsstörenden Verhaltens beitragen. Die Klassennormen stellen dann wiederum einen kollektiven Verhaltensstandard dar, der das Individualverhalten beeinflusst. Die hier gefundenen Zusammenhänge bieten Perspektiven zum Umgang mit Unterrichtsstörungen, die bestehende individuumszentrierte und auf Classroommanagement fokussierte Ansätze ergänzen könnten. So erscheint es sinnvoll, dass Lehrpersonen versuchen, soziale Dynamiken in ihrer Schulklasse (z. B. Klassenkohäsion und -normen) gezielt in ihre Unterrichtssteuerung und -gestaltung einzubeziehen (Übersicht s. Farmer, Lines & Hamm, 2011). Bedingung hierfür ist, soziale Dynamiken zwischen den Peers gezielt zu beobachten. Dies fällt Lehrpersonen im Unterrichtsalltag nicht immer leicht (Pearl, Leung, van Acker, Farmer & Rodkin, 2007). Spezifische Instrumentarien zur Analyse der sozialen Einbettung von Schülerinnen und Schülern können hierbei vermutlich hilfreich sein (z. B. der „Scouting report“, beschrieben in Farmer et al., 2016). Studien legen nahe, dass anschließende, am Peerkontext ansetzende Unterrichtsmaßnahmen, wie die bewusste Gestaltung von Arbeitsgruppen oder Sitzpositionen im Klassenzimmer, die Beziehungsstrukturen in der Klasse (z. B. soziale Distanzen) oder das Sozialverhalten (z. B. prosoziales Verhalten) von Schülerinnen und Schülern verbessern können (z. B. Van den Berg & Cillessen, 2015). Die vorliegende Studie konnte die Bedeutung von Klassenkohäsion und deskriptiven Klassennormen für die Ausprägung von Unterrichtsstörungen aufzeigen. Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass Unterrichtsstörungen multikausal bedingt sind und in erheblichem Maße durch Schüler- und Lehrpersonenmerkmale beeinflusst werden (z. B. Tillmann et al., 1999). Diesbezüglich muss auch auf Limitationen dieser Studie im Bereich der Erhebung von Unterrichtsstörungen hingewiesen werden. In dem vorgestellten Forschungsprojekt wurden Unterrichtsstörungen mithilfe anonymer Schülerselbstauskünfte erfasst, die eine wissenschaftlich etablierte und häufig eingesetzte Methode zur Erfassung abweichenden Verhaltens darstellen (Thornberry & Krohn, 2000). Sie bieten den Vorteil, dass Jugendliche ihre eigene Wahrnehmung des Unterrichtsverhaltens beschreiben, welche für ihr Handeln unter Umständen relevanter ist als die Einschätzungen anderer Personen (z. B. De Jong & Westerhof, 2001). Bei niedriginferenten Urteilen, wie etwa den in dieser Studie eingesetzten VHN 2 | 2019 110 THOMAS BEGERT, CHRISTOPH M. MÜLLER Der Einfluss des Klassenzusammenhalts auf Unterrichtsstörungen FACH B E ITR AG Fragen zur konkreten Häufigkeit spezifisch beschriebener Unterrichtsstörungen, scheinen Urteile der Schülerschaft mit jenen aus Lehrpersonenperspektive relativ hoch zu korrelieren (Kunter & Baumert, 2007; Wettstein et al., 2016) und gemäß Wettstein, Scherzinger, Wyler und Ramseier (2015) noch deutlicher mit Beobachtereinschätzungen übereinzustimmen. Dennoch muss festgehalten werden, dass sowohl Lehrpersonen wie auch Einschätzungen von Schülerinnen und Schülern immer subjektiv wahrgenommene Häufigkeiten abbilden und damit auch Urteilstendenzen unterliegen. Es ist deshalb zentral, die berichteten Studienergebnisse mithilfe anderer Maße, etwa über systematisch-direkte Verhaltensbeobachtungen, zu replizieren. Insgesamt betrachtet ermutigen die vorliegenden Ergebnisse, den sozialen Einfluss der Mesostruktur der Schulklasse auf die Mikroebene des Schülerverhaltens vertiefend zu untersuchen. Dabei bietet es sich beispielsweise an, das gewählte Vorgehen durch detaillierte Analysen zur Netzwerkevolution und -dynamik in Schulklassen zu erweitern (s. Weyer, 2014; Heidler, 2008). Besonders gewinnbringend könnte hierbei die nähere Untersuchung der Entstehung des Klassenzusammenhalts in seinen Wechselwirkungsprozessen zwischen Eigenschaften der Lehrpersonen sowie der sozialen Rollen und Verhaltensmerkmale der Schülerinnen und Schüler sein. Von solcher Forschung wäre zu erwarten, dass die sozialen Prozesse, die sich in als „schwierig“ wahrgenommenen Schulklassen vollziehen, besser verstanden werden und aufbauend darauf spezifische Interventionen entwickelt werden können. Anmerkung 1 Die Freiburger Studie zum Peereinfluss in Schulen (FRI-PEERS) wurde durch den Schweizerischen Nationalfonds finanziert (SNF-132210 und SNF-143459). Literatur Almeida, A., Correira, I. & Marinho, S. (2009). Moral disengagement, normative beliefs of peer group, and attitudes regarding roles in bullying. 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Müller Universität Freiburg/ Schweiz Departement für Sonderpädagogik Petrus-Kanisius-Gasse 21 CH-1700 Freiburg E-Mail: thomas.begert@unifr.ch christoph.mueller2@unifr.ch