Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2019.art35d
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Rezension: Grohnfeldt, Manfred (2018): Sprachheilpädagogik. Biografie eines Faches. Protagonisten, Stationen, Perspektiven
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Jürgen Steiner
Grohnfeldt, Manfred (2018): Sprachheilpädagogik. Biografie eines Faches. Protagonisten, Stationen, Perspektiven Stuttgart: Kohlhammer. 139 Seiten, € 29,– Manfred Grohnfeldt betont in der Fülle seiner Werke unter anderem das Menschenbild in der Sprachheilpädagogik. Nun erhält die Leserin und der Leser ein Bild vom Menschen Manfred Grohnfeldt. Was wir erfahren, ist beruflich und persönlich, nie im Blick nur zurück, sondern immer mit Blick nach vorn. Das Grundmotiv des Autors ist, „…?bestimmte Strukturen in ihren Zusammenhängen zu erkennen und so die aktuelle Situation besser einzuschätzen“ (S. 105). Strukturen entstehen aus Weichenstellungen, die von politischen Strömungen, Interessen, Personen, teils aber auch von Zufällen vorgenommen werden.
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VHN 3 | 2019 254 REZE NSION E N Grohnfeldt, Manfred (2018): Sprachheilpädagogik. Biografie eines Faches. Protagonisten, Stationen, Perspektiven Stuttgart: Kohlhammer. 139 Seiten, € 29,- Manfred Grohnfeldt betont in der Fülle seiner Werke unter anderem das Menschenbild in der Sprachheilpädagogik. Nun erhält die Leserin und der Leser ein Bild vom Menschen Manfred Grohnfeldt. Was wir erfahren, ist beruflich und persönlich, nie im Blick nur zurück, sondern immer mit Blick nach vorn. Das Grundmotiv des Autors ist, „… bestimmte Strukturen in ihren Zusammenhängen zu erkennen und so die aktuelle Situation besser einzuschätzen“ (S. 105). Strukturen entstehen aus Weichenstellungen, die von politischen Strömungen, Interessen, Personen, teils aber auch von Zufällen vorgenommen werden. Eine wesentliche Weichenstellung, die der Autor für die Entwicklung in Deutschland herausstellt, ist das Auseinanderdriften der Sprachförderung im Rahmen des Bildungsauftrages und der Sprachtherapie im Kontext der Gesundheit. Wobei wichtig ist anzumerken, dass schulische Fragen von Kindern mit Sprachbeeinträchtigungen zunächst das Fach Sprachheilpädagogik begründen und lange begleiten, während außerschulische oder klinische Fragen erst sehr spät aufkommen und erst mit dem Logopädengesetz verankert werden. Heute haben wir paradoxerweise eine Umkehrung: Logopädie ist der etablierte Begriff und Sprachheilpädagogik ist auf der Suche nach einer neuen Identität. Dies ist aber eine deutsche Besonderheit - in der Schweiz gibt es diesen Graben zum Beispiel nicht, Logopädie und Sprachheilpädagogik sind Synonyme. Ein solcher deutscher Graben provoziert auch Grabenkämpfe, vor allem die von Verbänden um eine Vorrangstellung, um Ressourcen und um die Richtungsgebung der Fachlichkeit. Der Diplomat und Vermittler Grohnfeldt schildert dies mit einer großen Milde. Beim Lesen möchte man zustimmen, für manche Gedächtnisauffrischung danken oder manche Personen eventuell im Text ergänzt haben. Aber genau mit dieser Intention sei das Buch der Leserschaft empfohlen: Es soll die Diskussion anregen. Eine Diskussion beispielsweise darüber, wie der Auftrag der Inklusion als Teamaufgabe zu erfüllen ist und welche Rolle und auch welches pädagogisch-therapeutische Selbstverständnis hier Sprachheillehrerinnen und Sprachtherapeuten einnehmen. Ein Diskurs darüber, wie das Fach im größten Land des deutschsprachigen Raumes voranzubringen ist, wenn über hundert Fachschulen an ihrer nicht-akademischen Ausbildung festhalten. Besondere Beachtung verdienen die Interviews, die der Autor selbst mit einigen ausgewählten Personen gemacht hat (ab S. 80). Einander zuhören, miteinander reden - das ist die wichtige Nebenbotschaft für die Leserin und den Leser. Bringen wir es mit Manfred Grohnfeldt auf den Punkt: Verantwortung erkennen, Neugier nähren, Wissen aufbauen, Wandel gestalten. Also: Regen wir uns nicht auf. Reden wir miteinander über gesellschaftlichen Wandel, über politische Rahmenbedingungen, über Inklusion, über Gestaltungsspielräume und über Kooperationen. Und über Sprachheilpädagogik und Logopädie. Prof. Dr. habil Jürgen Steiner CH-8050 Zürich DOI 10.2378/ vhn2019.art35d
