Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2020
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Fachbeitrag: Chancen und Risiken der Maßnahmen Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich aus Sicht von Schulleitenden der Primarschulstufe
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2020
Caroline Sahli Lozano
Liana Joëlle Simovic
Kathrin Brandenberg
Um im Rahmen einer integrativen Schule die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Lernenden zu berücksichtigen, werden in allen Schweizer Kantonen verschiedene integrative schulische Maßnahmen umgesetzt. Der vorliegende Beitrag fokussiert auf die Maßnahmen Reduzierte individuelle Lernziele (RILZ) und Nachteilsausgleich (NAG) und deren Umsetzung im Kanton Bern. Während RILZ im Bereich der Lernziele und Lerninhalte differenzieren, werden beim NAG die Methoden und Medien zum Erreichen der regulären Lernziele und -inhalte angepasst. Die von 232 Berner Schulleitenden der Primarschulstufe eingeschätzten Chancen und Risiken der beiden Maßnahmen werden mittels qualitativer Inhaltsanalyse erörtert. Die Analysen zeigen, dass der NAG generell positiver bewertet wird als RILZ. Ihm wird unter Bezugnahme auf die Schaffung von Chancengleichheit ein deutlich höheres Potenzial zugesprochen, während RILZ stärker mit Stigmatisierungspotenzial und negativen Auswirkungen auf Motivation und Selbstwert der betroffenen Lernenden assoziiert werden.
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251 VHN, 89. Jg., S. 251 -265 (2020) DOI 10.2378/ vhn2020.art35d © Ernst Reinhardt Verlag Chancen und Risiken der Maßnahmen Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich aus Sicht von Schulleitenden der Primarschulstufe Caroline Sahli Lozano, Liana Joëlle Simovic, Kathrin Brandenberg Pädagogische Hochschule Bern, Schweiz Zusammenfassung: Um im Rahmen einer integrativen Schule die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Lernenden zu berücksichtigen, werden in allen Schweizer Kantonen verschiedene integrative schulische Maßnahmen umgesetzt. Der vorliegende Beitrag fokussiert auf die Maßnahmen Reduzierte individuelle Lernziele (RILZ) und Nachteilsausgleich (NAG) und deren Umsetzung im Kanton Bern. Während RILZ im Bereich der Lernziele und Lerninhalte differenzieren, werden beim NAG die Methoden und Medien zum Erreichen der regulären Lernziele und -inhalte angepasst. Die von 232 Berner Schulleitenden der Primarschulstufe eingeschätzten Chancen und Risiken der beiden Maßnahmen werden mittels qualitativer Inhaltsanalyse erörtert. Die Analysen zeigen, dass der NAG generell positiver bewertet wird als RILZ. Ihm wird unter Bezugnahme auf die Schaffung von Chancengleichheit ein deutlich höheres Potenzial zugesprochen, während RILZ stärker mit Stigmatisierungspotenzial und negativen Auswirkungen auf Motivation und Selbstwert der betroffenen Lernenden assoziiert werden. Schlüsselbegriffe: Integrative Maßnahmen, Schulleitung, Einstellung, Nachteilsausgleich, reduzierte individuelle Lernziele Opportunities and Risks of the Measures Compensation for Disadvantages and Reduced Individual Learning Objectives from the Point of View of School Principals at Primary School Level Summary: In order to meet the different needs of all pupils within an integrative school, various integrative school measures are applied in Switzerland. This article focuses on the two different integrative measures “compensation for disadvantages” (CFD) and “reduced individual learning objectives” (RILO) and their implementation in the canton of Berne. While RILO focus mainly on learning objectives and learning content, the measure CFD adapts teaching methods and media. In this study, the statements of 232 primary school principals were analysed and the opportunities and risks of the two measures were identified. CFD is generally rated more positively than RILO. For example, CFD is considered to have a much higher potential in terms of equality of opportunities, while RILO is more strongly associated with stigmatization potential and negative effects on the motivation and self-esteem of the affected learners. Keywords: Integrative school measures, school principals, attitude, compensation for disadvantages, reduced individual learning objectives FACH B E ITR AG VHN 4 | 2020 252 CAROLINE SAHLI LOZANO, LIANA JOËLLE SIMOVIC, KATHRIN BRANDENBERG Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich FACH B E ITR AG 1 Ausgangslage und Fragestellung In der Schweiz wurde im April 2014 die UN- Behindertenrechtskonvention (UN-BRK, 2014) ratifiziert. In dieser wird gefordert, ein inklusives Bildungssystem zu etablieren, und sie verpflichtet die Schweiz unter anderem dazu, alle nötigen Anstrengungen zu unternehmen, um Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen und Benachteiligungen die gleichen Chancen auf Bildung zu ermöglichen (Art. 24, UN-BRK). Damit konkretisiert sie die im Schweizerischen Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) formulierte Forderung, „Benachteiligungen zu verhindern, zu verringern oder zu beseitigen, denen Menschen mit Behinderung ausgesetzt sind“ (Art. 1, Abs. 1, BehiG). Obwohl unterdessen in allen Kantonen integrative Maßnahmen existieren, bestehen aufgrund der föderalen Organisation des schweizerischen Bildungssystems bei der Bezeichnung und Umsetzung der Maßnahmen kantonale Unterschiede (Luder, 2016). Im vorliegenden Beitrag werden die beiden integrativen schulischen Maßnahmen Reduzierte individuelle Lernziele (RILZ) und Nachteilsausgleich (NAG) und deren Umsetzung im Kanton Bern in den Fokus gerückt. Diese beiden Maßnahmen bieten nebst Chancen auch Risiken für die betroffenen Schülerinnen und Schüler. So zeigt beispielsweise eine umfangreiche quantitative Studie, dass sich Primarschulkinder mit RILZ schlechter sozial integriert fühlen als vergleichbare (in Bezug auf IQ, Schulleistungen, Geschlecht, Herkunft) Lernende ohne diese Maßnahme (Sahli Lozano, Greber & Wüthrich, 2017) und dass sie von Lehrpersonen in Bezug auf ihre kognitiven Grundfähigkeiten unterschätzt werden (Greber, Sahli Lozano & Steiner, 2017). Weiter konnte gezeigt werden, dass die Vergabe des NAG im Kanton Bern starken regionalen Schwankungen unterliegt. Diese Unterschiede sind unter anderem auf unterschiedliche Haltungen der Schulleitenden gegenüber dieser Maßnahme zurückzuführen. Schulleitungen, die an ihren Schulen die relativ neue Maßnahme NAG bereits anwenden, sind dieser gegenüber positiver eingestellt als Schulleitende, die keine Lernenden mit NAG an ihrer Schule haben (Sahli Lozano, Greber & Steiner, 2016). Dies ist insofern relevant, da Schulleitungen eine Schlüsselrolle einnehmen, wenn es darum geht, integrative schulische Maßnahmen zu vergeben und umzusetzen. Im Rahmen ihres Berufsauftrages (Art. 89, Abs. 1, Verordnung über die Anstellung der Lehrkräfte [LAV]) sind Schulleitungen im Kanton Bern für den Einsatz und die Steuerung vorhandener Ressourcen und für die konkrete Ausgestaltung der integrativen Maßnahmen vor Ort zuständig. Vor diesem Hintergrund soll im vorliegenden Beitrag der Frage nachgegangen werden, worin Schulleitende Chancen und Risiken der beiden Maßnahmen RILZ und NAG sehen. Hierbei liegt der Fokus auf der Analyse von qualitativen Aussagen von Schulleitenden zu RILZ und NAG. Weiter interessiert, inwiefern sich die Aussagen der Schulleitenden mit entsprechenden theoretischen Erkenntnissen und empirischen Befunden decken. Einführend werden in Kapitel zwei die Maßnahmen RILZ und NAG vorgestellt. Danach folgen einige theoretische Vorannahmen und Erkenntnisse aus der Empirie, die in Bezug auf Chancen und Risiken der beiden Maßnahmen relevant sind. Kapitel drei umfasst eine Beschreibung des methodischen Vorgehens. In den Kapiteln vier und fünf werden die Ergebnisse der Schulleitungsbefragung dargestellt und unter Bezugnahme auf die Theorie sowie den Forschungsstand diskutiert. Abschließend wird beschrieben, was die Ergebnisse für die Praxis bedeuten und wie sie für weiterführende Forschung genutzt werden könnten. VHN 4 | 2020 253 CAROLINE SAHLI LOZANO, LIANA JOËLLE SIMOVIC, KATHRIN BRANDENBERG Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich FACH B E ITR AG 2 Reduzierte individuelle Lernziele (RILZ) und Nachteilsausgleich (NAG) Für die Volksschule sind spezifische Bestimmungen zur Beseitigung von behinderungsbedingten oder anderen Benachteiligungen in den kantonalen Bildungsgesetzen enthalten. Auf der Basis der nationalen sowie der kantonalen Gesetzgebung verfassen die zuständigen Bildungsdirektionen der Kantone ihre eigenen Richtlinien zur konkreten Umsetzung und Ausgestaltung integrativer schulischer Maßnahmen für Kinder mit besonderem Bildungsbedarf (Schnyder & Jost, 2013). Die nachfolgende Darstellung der Maßnahmen basiert auf den Richtlinien zur Umsetzung von RILZ und NAG im Kanton Bern, da im Rahmen des Projektes ausschließlich Berner Schulleitende befragt wurden. Daran anschließend erfolgt eine theoretische und empirische Herleitung möglicher Chancen und Risiken dieser Maßnahmen. Sie sind in vielerlei Hinsicht konträr, was eine Gegenüberstellung der Aussagen von Schulleitungen zu Chancen und Risiken von RILZ und NAG besonders interessant macht. 2.1 Darstellung der beiden Maßnahmen Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich Während RILZ im Bereich der Lernziele und Lerninhalte differenzieren, werden beim NAG die Methoden und Medien angepasst (Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern [BKD], 2020). Bei Letzterem handelt es sich somit um Anpassungen des Unterrichts oder der Prüfungen, die notwendig sind, um behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen (Glockengiesser, 2014). Solche Anpassungen umfassen beispielsweise eine Prüfungszeitverlängerung, mehr oder längere Pausen, eine stärkere Gliederung oder das Aufteilen von Prüfungen, den Beizug von Assistenz (z. B. einer heilpädagogischen Fachperson), Anpassungen des Raumes oder die Verwendung eines Computers. RILZ werden vor allem bei Kindern eingesetzt, bei welchen eine erheblich beeinträchtigte Leistungsfähigkeit vermutet wird. Der NAG hingegen richtet sich an Lernende, die die erforderlichen kognitiven Fähigkeiten zwar mitbringen, ihr Potenzial jedoch aufgrund einer spezifischen Beeinträchtigung oder fehlender Sprachkompetenzen nicht vollständig ausschöpfen können (BKD, 2020). Auf Antrag der Lehrpersonen und mit Einverständnis der Eltern kann die Schulleitung RILZ in bis zu zwei Fächern ohne Attest vergeben (Erziehungsdirektion des Kantons Bern [ERZ], 2019). RILZ werden periodisch auf ihren Bedarf überprüft und im Zeugnis vermerkt. Für die Vergabe eines NAG ist eine „fachliche Beurteilung der Beeinträchtigung“ durch eine Fachinstanz grundsätzlich verpflichtend, im Zeugnis jedoch gibt es keinen Vermerk dazu (BKD, 2020). Tabelle 1 fasst - in Anlehnung an die Richtlinien des Kantons Bern (ERZ, 2019) - die genannten Hauptmerkmale der beiden Maßnahmen zusammen. 2.2 Theoretische Überlegungen und empirische Grundlagen zu den Chancen und Risiken der Maßnahmen Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich Die beiden Maßnahmen können als institutionalisierte Formen der inneren Differenzierung gewertet werden. Allgemeine theoretische Überlegungen und Ergebnisse aus der Forschung zur inneren Differenzierung werden im Folgenden präsentiert und auf die Maßnahmen RILZ und NAG übertragen. Darüber hinaus werden Labeling- und Stigmatisierungsprozesse theoretisch erläutert, da sie ebenfalls einen wichtigen Beitrag für die Einordung und Interpretation der Argumentationslinien der befragten Schulleitenden liefern können. VHN 4 | 2020 254 CAROLINE SAHLI LOZANO, LIANA JOËLLE SIMOVIC, KATHRIN BRANDENBERG Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich FACH B E ITR AG Maßnahme Zielgruppe Voraussetzungen Zuständige Instanz Ziel Koppelung mit Integrativer Förderung Vermerk Zeugnis Reduzierte individuelle Lernziele (RILZ) Kinder mit niedrig eingeschätztem Leistungspotenzial Angenommene kognitive Beeinträchtigung bzw. ständiges Nichterreichen der Lernziele Schulleitung ohne Attest mit Attest ab 3 Fächern Lernziele werden durch Lehrperson angepasst und reduziert Es erfolgt eine formal bzw. inhaltlich angepasste Förderung. Im Idealfall wird die Lehrperson hierbei von einer schulischheilpädagogischen Fachkraft unterstützt (ERZ, 2019). nicht zwingend Ja Nachteilsausgleich (NAG) Kinder mit regulär bis hoch eingeschätztem Leistungspotenzial aber mit explizit angenommener und begründeter Benachteiligung Benachteiligung vorhanden aufgrund von Behinderung, Lernschwäche, Krankheit oder Neuzuzug bzw. Nichtbeherrschung der Unterrichtssprache Schulleitung mit Attest Rahmenbedingungen werden durch Lehrperson angepasst Im Gegensatz zu RILZ werden nicht die Lernziele und der formale Schultyp angepasst (BKD, 2020), sondern die Rahmenbedingungen von Schule und Unterricht. Beispiele: n mehr Zeit bei Prüfungen; n mündliche anstatt schriftliche Prüfungen; n Nutzen eines Schreibprogramms (Schnyder & Jost, 2013) nicht zwingend Nein Tab. 1 Gegenüberstellung der Maßnahmen reduzierte individuelle Lernziele (RILZ) und Nachteilsausgleich (NAG) VHN 4 | 2020 255 CAROLINE SAHLI LOZANO, LIANA JOËLLE SIMOVIC, KATHRIN BRANDENBERG Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich FACH B E ITR AG 2.2.1 RILZ: Differenzierung im Bereich der Lernziele Das Differenzieren der Lernziele, wie es im Rahmen der Maßnahme RILZ umgesetzt wird, kann positive Wirkungen haben, insbesondere auf die Motivation, die Selbstwirksamkeit und die Leistung von Schülerinnen und Schülern (Linnenbrink, 2005; Rheinberg, 2002). Entscheidend dabei ist, dass die Lernenden einen gewissen Grad an Selbstbestimmung haben und die Lernziele herausfordernd sowie realistisch zugleich sind (Zimmerman, Bandura & Martinez-Pons, 1992). Lernziele sollen so gesetzt werden, dass alle Schülerinnen und Schüler ihren Fähigkeiten entsprechend und somit individuell gefördert werden, um das bestmögliche Lernergebnis zu erzielen. Ein verminderter Leistungsdruck kann zudem positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden haben (Hascher, 2017). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine individuelle Bezugsnormorientierung gewählt wird, also die Leistung der Kinder nicht direkt mit der Klassennorm verglichen wird (Gläser-Zikuda & Fuss, 2004). Das Reduzieren von Lernzielen kann aber auch negative Wirkungen haben. RILZ orientieren sich oft primär an den Defiziten eines Kindes, indem davon ausgegangen wird, dass es die erforderlichen kognitiven Fähigkeiten nicht mitbringt (BKD, 2020). Im Vergleich zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern sind die betroffenen Kinder dadurch einem reduzierten Lernmilieu ausgesetzt und erhalten nicht dieselbe Chance, dem üblichen Lehrplanstoff zu folgen (Neumann, Milek, Maaz & Gresch, 2010; Pfost, Karing, Lorenz & Artelt, 2010). Das mangelnde Verfolgen gemeinsamer Ziele stellt zudem ein Risiko für die Entwicklung sozialer Kompetenzen dar und kann die soziale Integration von Kindern mit RILZ gefährden (Eckhart, 2010). In Bezug auf die Maßnahme RILZ konnten diese Annahmen bereits teilweise bestätigt werden. Kinder mit RILZ fühlen sich signifikant schlechter sozial integriert als vergleichbare Kinder ohne RILZ, dies auch unter Kontrolle der Leistung, der kognitiven Grundfähigkeiten, des Geschlechts und der Herkunft (Sahli Lozano, Greber et al., 2017). Zudem werden sie von ihren Lehrpersonen als leistungsschwächer eingeschätzt als vergleichbare Kinder ohne RILZ (Greber et al., 2017). 2.2.2 NAG: Differenzierung im Bereich der Methoden und Medien Der NAG ist insofern individualisierend, als dass Methoden und Medien zur Erreichung der Lernziele und -inhalte jeweils an die Beeinträchtigungen des Kindes angepasst werden und diese ausgleichen. Ziel ist es, den betroffenen Kindern dieselben Lernziele und -inhalte wie dem Rest der Klasse zugänglich zu machen. Dies und die Tatsache, dass die Maßnahme NAG nicht im Zeugnis vermerkt wird, bietet den Betroffenen die Chance, ihr Potenzial mittels angepasster Unterstützung und Hilfsmittel zu entfalten, ohne in Bezug auf ihre formalen Bildungsabschlüsse benachteiligt zu werden. In ihren kognitiven Fähigkeiten scheinen Lernende mit NAG, im Gegensatz zu Lernenden mit RILZ, von Lehrpersonen „adäquat eingeschätzt“ zu werden (Greber et al., 2017, S. 319). Der NAG ist per Definition an das Prinzip der Chancengleichheit gebunden (Glockengiesser, 2014) und sollte allen Lernenden, die Anspruch auf Ausgleichsmaßnahmen haben, zugutekommen. Aus konflikttheoretischer Perspektive (Bourdieu & Passeron, 1971; Collins, 1971; Lareau, 1987) kann jedoch angenommen werden, dass Kinder aus Familien mit höherem sozioökonomischem Status bei der Vergabe der Maßnahme bevorteilt werden, da deren Eltern bei unerwartetem Misserfolg ihrer Kinder verschiedene Strategien nutzen, um die Leistungsbeurteilung im Sinne ihres Statuserhaltmotivs zu beeinflussen (Becker, 2003; Ditton & Krüsken, 2009; Stocké, 2010). Auch verfügen Eltern mit hohem Bildungsabschluss im Gegensatz zu schlecht ausgebildeten Eltern VHN 4 | 2020 256 CAROLINE SAHLI LOZANO, LIANA JOËLLE SIMOVIC, KATHRIN BRANDENBERG Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich FACH B E ITR AG meistens eher über das erforderliche Wissen (Bourdieu, 1983), um beispielsweise eine Abklärung zu initiieren, die zur nötigen Diagnose für die Vergabe einer Ausgleichsmaßnahme führt. Ein weiterer kritischer Aspekt hinsichtlich der Chancengleichheit ist, dass sich die heterogene Zielgruppe des NAG nur schwer eingrenzen lässt. Störungsbzw. Behinderungsbegriffe sind oft mehrdimensional, unterliegen einer vorherrschenden gesellschaftlichen Norm und sind damit einem stetigen Wandel ausgesetzt (Schnyder & Jost, 2013, S. 11). Bei der Vergabe eines NAG handelt es sich zudem immer auch um eine Gratwanderung zwischen Ungleichbehandlung und Bevorzugung (Glockengiesser, Henrich, Lienhard, Scheuner & Schriber, 2012). Um Chancengleichheit zu erreichen, ist faktisch eine Ungleichbehandlung der betroffenen Schülerinnen und Schüler notwendig. Diese Ungleichbehandlung entspricht gleichzeitig auch dem Prinzip der inneren Differenzierung, welches die ungleiche Behandlung als Konsequenz der Heterogenität einer Klasse fordert (Vock & Gronostaj, 2017). Aufgrund der hier aufgeführten bisherigen Erkenntnisse wird deutlich, dass ein Differenzieren im Bereich der Lernziele (RILZ) sowie der Methoden und Medien (NAG) hohe Anforderung an das Fachwissen der Lehrpersonen - bspw. bezüglich spezifischer Lern- und Entwicklungsstörungen - stellt und ihnen zusätzliche zeitliche Ressourcen abverlangt. Die professionelle Gestaltung einer integrativen Lernumgebung erfordert in der Regel eine Zusammenarbeit unterschiedlicher pädagogischer Fachpersonen (Lehrpersonen, heilpädagogische Fachpersonen, Logopädinnen und Logopäden usw.) und ist von einer einzelnen Lehrperson nur schwer umsetzbar (Sahli Lozano, Vetterli & Wyss, 2017). Die Berner Richtlinien (ERZ, 2019; BKD, 2020) sehen bei der Umsetzung von NAG und RILZ nicht per se vor, eine heilpädagogische Fachperson zu involvieren, die die Lehrpersonen bei der Vergabe und Umsetzung der Maßnahmen unterstützt. 2.2.3 Gefahr von Labeling- und Stigmatisierungsprozessen Ungleiche Behandlung hat oft zur Folge, dass Differenzen stärker sichtbar werden, was im Fall der beiden Maßnahmen RILZ und NAG zu Labeling- und Stigmatisierungsprozessen führen kann (Fox & Stinnett, 1996). Integrative Maßnahmen können insofern als Stigma wirken (Goffman, 2009), als dass Kinder mit einem diagnostischen Label negativer wahrgenommen und in ihren Leistungen entsprechend tiefer eingeschätzt werden als Kinder ohne Label (Fox & Stinnett, 1996; Koonce et al., 2004; Ohan, Visser, Strain & Allen, 2011). Greber et al., (2017) konnten bspw. nachweisen, dass Kinder mit der Maßnahme RILZ von Lehrpersonen signifikant unterschätzt werden, selbst unter Kontrolle der gemessenen kognitiven Grundfähigkeiten und der Schulleistungen. Solche Unterschätzungen können im Sinne einer sogenannten Selbstprophezeiung zu tatsächlich schlechteren Leistungen führen (Gomolla & Radtke, 2009; Jungbluth, 1994; Lanfranchi, 2007). Negative Labels sind während der Schullaufbahn schwierig loszuwerden (Ercole, 2009). RILZ werden denn auch im Zeugnis vermerkt und sind dementsprechend sichtbar. Die daraus entstehenden Stigmatisierungsprozesse haben nicht zuletzt auch negative Auswirkungen auf das Selbstkonzept der betroffenen Schülerinnen und Schüler, auf deren Integration in der Klasse sowie auf ihre Motivation und Leistung (Bakker, Denessen, Bosman, Krijger & Bouts, 2007; Sahli Lozano, Greber, et al., 2017). Der NAG dient, anders als RILZ, der Korrektur einer unausgeglichenen Situation, um so einer Diskriminierung aufgrund einer Behinderung entgegenzuwirken (Glockengiesser et al., 2012). Er entspricht insofern eher einem positiven Label VHN 4 | 2020 257 CAROLINE SAHLI LOZANO, LIANA JOËLLE SIMOVIC, KATHRIN BRANDENBERG Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich FACH B E ITR AG bzw. einer sogenannten positiven Diskriminierung, welche zur Kompensation von Nachteilen oder zur Wiederherstellung von Chancengleichheit beitragen soll (Gomolla & Radtke, 2009). Im Zeugnis wird die Maßnahme NAG explizit nicht erwähnt, was dem Schutz der betroffenen Schülerinnen und Schüler dienen soll. 3 Befragung von Berner Schulleitungen zu Chancen und Risiken der Maßnahmen Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich 3.1 Design und Stichprobe Im Rahmen des Forschungsprojektes „Selektivität und Effektivität des Chancenausgleichs an Berner Schulen“ (SECABS) wurden im Jahr 2015 Primarschülerinnen und Primarschüler, deren Eltern, Lehrpersonen und Schulleitungen der Primarschulstufe zu integrativen Maßnahmen, wie RILZ und NAG, befragt. Im vorliegenden Artikel wird die Schulleitungsbefragung fokussiert. Von den brieflich angefragten 359 Schulleitenden haben 232 an der gesamten (quantitativen und qualitativen) Befragung teilgenommen, was einer Rücklaufquote von 64 Prozent entspricht. Die Schulleitenden füllten einen anonymisierten Online-Fragebogen aus. Nebst geschlossenen Fragen beantworteten die Teilnehmenden offene Fragen zu subjektiv eingeschätzten Chancen und Risiken der beiden Maßnahmen NAG und RILZ. Die Auswertung und Interpretation der Antworten auf die offenen Fragen bilden die Grundlage dieses Beitrags. 3.2 Befragungsinstrument und Auswertung der Daten Zur Erhebung der Einstellung gegenüber NAG und RILZ wurden den Schulleitenden im Rahmen des Online-Fragebogens vier offene Fragen gestellt: „Wo liegen Ihrer Meinung nach die Chancen bzw. die Risiken von reduzierten individuellen Lernzielen (RILZ) bzw. vom Nachteilsausgleich (NAG)? “. Die offenen Antworten wurden anschließend mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) codiert und ausgewertet. Die Analyse erfolgte mit der Software MAXQDA 2018 (VERBI Software, 2017). Die Kategorien wurden schrittweise und induktiv erstellt. Auf eine vorgängige deduktive Kategorienbildung wurde bewusst verzichtet, da interessierte, ob sich die abgebildeten Einschätzungen der Schulleitungen mit theoretischen Annahmen und empirischen Befunden decken. Bei der Kodierung der offenen Aussagen zu Chancen und Risiken von NAG und RILZ wurde mit demselben Kategoriensystem gearbeitet und die Oberkategorien wurden identisch benannt und fortlaufend ergänzt. Dies dient der übersichtlichen Gegenüberstellung der Aussagen zu den beiden Maßnahmen. Alle Kategorien wurden genau definiert und mit Ankerbeispielen beschrieben. Es entstanden insgesamt je zwölf Kategorien zu den Chancen und zehn Kategorien zu den Risiken. Die Aussagen der Schulleitungen wurden von zwei Personen unabhängig voneinander kodiert. Die Übereinstimmung lag zunächst bei r = .77. Nach gemeinsamer Überarbeitung unstimmiger Kodierungen lag die abschließende Intercoder-Reliabilität bei r = .92, was als sehr hoch einzustufen ist (Gläser-Zikuda, 2013). 4 Ergebnisse Im Folgenden werden Ergebnisse zur Einschätzung von Chancen und Risiken bezüglich NAG und RILZ durch Schulleitende präsentiert. Die Balken der Diagramme (vgl. Abbildung 1 und 2) stellen den prozentualen Anteil der Nennungen pro Kategorie (z. B. Nennung ‚Herstellung Chancengleichheit‘ als Chance von NAG) dar, gemessen an allen Nennungen innerhalb dieser Analyseeinheit (z. B. alle Nen- VHN 4 | 2020 258 CAROLINE SAHLI LOZANO, LIANA JOËLLE SIMOVIC, KATHRIN BRANDENBERG Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich FACH B E ITR AG nungen zu Chancen von NAG). Insgesamt kam es zu 755 Kodierungen, wovon 389 Aussagen den Chancen und 366 Aussagen den Risiken zugeordnet werden konnten. Die Schulleitungen äußerten sich fast doppelt so häufig zur Maßnahme RILZ (total 484 Aussagen) wie zur Maßnahme NAG (total 271 Aussagen). 4.1 Chancen der Maßnahmen RILZ und NAG In Abbildung 1 wird deutlich, dass die befragten Schulleitenden die Chancen für die beiden Maßnahmen unterschiedlich einschätzen. Den NAG betreffend gehören die meisten Nennungen der Kategorie Chancengleichheit an (28 %, n = 40). Eine Beispielaussage hierfür ist: „Kind wird gerechter behandelt“ (Aussage Chancen [AC] 319). Auffallend ist, dass keine der Aussagen zur Maßnahme RILZ in diese Kategorie fällt. Die meistgenannte Chance von RILZ ist die Entlastung der betroffenen Schülerinnen und Schüler (29 %, n = 71). RILZ soll helfen, Kinder, welche die Lernziele nicht erreichen, vom Leistungs- und Notendruck zu befreien: „Die Kinder werden vom Druck der Eltern oder Lehrkräfte entlastet, Gleiches wie andere leisten zu müssen“ (AC 13). Auch der NAG soll entlastend wirken. Diese Chance wird mit 15 Prozent (n = 21) jedoch deutlich weniger häufig genannt. Die individuelle Förderung wird für beide Maßnahmen häufig als Chance gesehen (RILZ: 23 %, n = 56; NAG: 20 %, n = 28). Viele Schulleitende erklären diesbezüglich ihre Einschätzung damit, dass die Kinder ihren Fähigkeiten und Leistungsniveaus entsprechend gefördert werden und das Prinzip der inneren Differenzierung besser umgesetzt werden kann. Inhaltlich eng mit der individuellen Förderung verbunden ist die Kategorie Leistungen/ Lernfortschritte. So wird davon ausgegangen, dass durch die Maßnahmen RILZ (8 %, n = 19) und NAG (12 %, n = 17) bessere Leistungen und größere Lernfortschritte erzielt werden können. Relativ unterschiedlich fallen die Ergebnisse für die Kategorie Motivation/ Selbstwert aus. 24 Prozent (n = 58) der Nennungen zur Maßnahme RILZ konnten der Kategorie Motivation/ Selbstwert zugeteilt werden. Die Herabsetzung von Lernzielen im Rahmen der Maßnahme RILZ wird mit neuem Ansporn und der Möglichkeit auf mehr Erfolgserlebnisse verbunden. So wird beispielsweise geschrieben: „Dass Kinder dadurch Ziele haben, die sie auch erreichen können und so Erfolgserlebnisse haben und motiviert sind“ (AC 149). Bei der Maßnahme NAG wird diese Chance bei zehn Prozent (n = 14) der Nennungen erwähnt. Dass Kinder dank den Maßnahmen in den Regelklassen, also integrativ statt separativ, unterrichtet werden können, machen Schulleitende sowohl für RILZ (6 %, n = 15) wie auch für den NAG (6 %, n = 9) geltend. RILZ (4 %, n = 11) und NAG (3 %, n = 6) werden in wenigen Fällen auch als Entlastung für Lehrpersonen und Eltern wahrgenommen. Ebenso wenige erwähnen, dass RILZ nur zeitlich begrenzt zur Anwendung kommen: „Sie können situativ und vorübergehend eingesetzt werden. Hat sich der Schüler wieder gefangen, können sie problemlos aufgehoben werden“ (AC 121). 4.2 Risiken der Maßnahmen RILZ und NAG Wie in Abbildung 2 ersichtlich ist, variieren die Einschätzungen der Risiken zwischen den beiden Maßnahmen deutlich stärker als diejenigen der Chancen. Die meisten Nennungen zu den Risiken lassen sich den Kategorien „Ressourcen/ Aufwand“ und „Schwierige/ schlechte Umsetzung“ zuteilen. Die Schulleitenden kritisierten bei beiden Maßnahmen den hohen Aufwand und die fehlenden Ressourcen (RILZ: 22 %, n = 51; NAG: 22 %, n = 28). Ein Beispiel bietet die folgende Aussage: „Uns fehlen die Ressourcen, dass die Schülerinnen und Schüler umfassend durch IF gefördert werden können“ (Aussage Risiken [AR] 254). Außerdem VHN 4 | 2020 259 CAROLINE SAHLI LOZANO, LIANA JOËLLE SIMOVIC, KATHRIN BRANDENBERG Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich FACH B E ITR AG wird die Umsetzung beider Maßnahmen als schwierig beurteilt (RILZ: 11 %, n = 25; NAG: 22 %, n = 28). Eine schlechte Umsetzung von RILZ zeigt sich laut einiger Schulleitenden vor allem dann, wenn keine angepassten individuellen Lernziele gesetzt werden, sondern lediglich die Anzahl der Aufträge und Aufgaben reduziert wird. In Bezug auf NAG wurden vor allem fehlende Rahmenbedingungen und Ressourcen genannt, die eine professionelle Umsetzung der Maßnahme verhindern. Ein weiteres häufig genanntes Risiko von RILZ wird in der Gefahr der Stigmatisierung gesehen (15 %, n = 36). Der Vermerk im Zeugnis oder der soziale Ausschluss in der Klasse werden in diesem Zusammenhang besonders betont. Im Vergleich dazu können lediglich fünf Prozent (n = 6) der Aussagen zu Risiken der Maßnahme NAG dieser Kategorie zugeordnet werden. Wurde bei der Maßnahme RILZ noch die Chance darin gesehen, dass sie zeitlich begrenzt einsetzbar ist, sehen andere Schulleitende hier ein großes Problem in der Praxis: „Einmal eingeführte/ angewendete RILZ sind fast nicht mehr aufzuheben, da diese Kinder den entstandenen Rückstand wohl nur in sehr wenigen Fällen aufholen können. Die Lücken zu den Lernzielen der Regelklasse werden immer grösser“ (AR 27). Als Konsequenz davon sehen die Schulleitenden Anschlussprobleme in der Schule (RILZ: 9 %, n = 22; NAG: 5 %, n = 6) und im späteren Berufsleben (RILZ: 14 %, n = 36; NAG: 6 %, n = 8). Weitere neun Prozent der Nennungen (n = 22) bei RILZ fallen unter die Kategorie „verminderte Anstrengung“. Die Schulleitungen kritisieren vor allem, dass sich die Kinder durch RILZ nicht mehr gleich anstrengen: „Es gibt Kinder, die mit der Einsetzung von RILZ ihren Ehrgeiz ablegen, in eine Trägheit geraten“ (AR 203). Diese Kategorie 30 % 25 % 20 % 15 % 10 % 5 % 0 % Anzahl Nennungen in Prozent Chancen von RILZ und NAG RILZ NAG Herstellung Chancengleichheit Entlastung Schülerin/ Schüler Motivation/ Selbstwert Individuelle Förderung Leistung/ Lernfortschritt Integration Maßnahme auf Zeit Entlastung LP/ Eltern Abb. 1 Genannte Chancen der Maßnahmen RILZ und NAG in Prozent durch Schulleitungen der Primarschulstufe im Kanton Bern (N Nennungen Total = 389 / n Nennungen RILZ = 246 / n Nennungen NAG = 143) VHN 4 | 2020 260 CAROLINE SAHLI LOZANO, LIANA JOËLLE SIMOVIC, KATHRIN BRANDENBERG Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich FACH B E ITR AG fand bei Risiken zur Maßnahme NAG kaum Verwendung (2 %, n = 2). Ein oft genanntes Risiko hinsichtlich der Maßnahme NAG wird in deren möglichem Missbrauch gesehen. 12 Prozent (n = 15) aller Nennungen beziehen sich darauf, dass es Kinder oder Eltern gibt, die diese Maßnahme zum Vorteil des Kindes ausnutzen. Als Beispiele dienen folgende Nennungen: „Eltern von leistungsschwachen Kindern wünschen sich immer öfters NAG.“ (AR 102) oder „Gewisse Eltern machen bei Fachinstanz Druck, wenn ihr Kind eine Schwäche hat, bis sie eine Diagnose erhalten. Sie erhoffen sich einen Vorteil für ihr Kind.“ (AR 301) oder „Der NAG könnte von den Eltern für die Selektion auf der Sekundarstufe I missbraucht werden.“ (AR 213). Bezüglich der Maßnahme RILZ wird dieses Risiko kaum gesehen. Die Schulleitungen befürchten außerdem, dass die Maßnahme NAG auf andere als „ungerecht wirken“ könnte (12 %, n = 15). Des Weiteren wurde geäußert, dass die Leistungsbeurteilung von Kindern mit einer Maßnahme schwierig sei (RILZ: 3 %, n = 6; NAG: 8 %, n = 10). Schliesslich erwähnten einige Schulleitende, dass es sich gerade bei RILZ um gar keine oder um eine schlechte Förderung handle (RILZ: 5 %, n = 12; NAG: 2 %, n = 2). Diesbezüglich wird Folgendes erwähnt: „Die umfassenden Möglichkeiten des Lehrplans 95 zur inneren Differenzierung werden übersprungen. Kinder mit ungenügenden Leistungen werden ‚gerilzt‘ und trotzdem nicht gefördert“ (AR 185). 5 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse Im vorliegenden Beitrag wurde der Frage nachgegangen, welche Chancen und Risiken Berner Schulleitungen in Bezug auf die beiden Maßnahmen RILZ und NAG sehen und wie 25 % 20 % 15 % 10 % 5 % 0 % Anzahl Nennungen in Prozent Risiken von RILZ und NAG RILZ NAG Schwierige/ schlechte Umsetzung Stigmatisierung Anschlussprobleme Beruf Missbrauch ungerecht Verminderte Anstrengung Anschlussprobleme Schule Leistungsbeurteilung Aufhebung keine/ schlechte Förderung Ressourcen/ Aufwand Abb. 2 Genannte Risiken der Maßnahmen RILZ und NAG in Prozent durch Schulleitungen der Primarschulstufe im Kanton Bern (N Nennungen Total = 366 / n Nennungen RILZ = 238 / n Nennungen NAG = 128) VHN 4 | 2020 261 CAROLINE SAHLI LOZANO, LIANA JOËLLE SIMOVIC, KATHRIN BRANDENBERG Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich FACH B E ITR AG gut diese mit bestehenden theoretischen Ansätzen und empirischen Grundlagen übereinstimmen. Durch die offene Fragestellung sind die generierten Antworten vielseitig und beziehen sich auf unterschiedliche Aspekte. Insbesondere werden Chancen und Risiken in Bezug auf unterschiedliche Personen oder Gruppen (Kind, Eltern, Lehrpersonen, Klasse) genannt. Im Folgenden werden jene Chancen und Risiken der Maßnahmen diskutiert, welche von den Schulleitenden besonders häufig erwähnt wurden. 5.1 Chancen und Risiken von reduzierten individuellen Lernzielen (RILZ) Die meistgenannte Chance der Maßnahme RILZ sehen die Schulleitungen in der Entlastung der Lernenden. Als Konsequenz der Entlastung erwarten viele Schulleitende eine Steigerung der Motivation und des Selbstwertes. Dass das Differenzieren der Lernziele durchaus positive Wirkungen auf die Motivation, Selbstwirksamkeit und Leistung von Schülerinnen und Schülern haben kann, wurde bisher mehrfach nachgewiesen (Linnenbrink, 2005; Rheinberg, 2002; Zimmerman et al., 1992). Der daraus resultierende verminderte Leistungsdruck kann wiederum positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden haben (Hascher, 2017). Andererseits konnte in anderen Studien nachgewiesen werden, dass diagnostische Labels generell eine negative Auswirkung auf die Motivation und den Selbstwert der betroffenen Schülerinnen und Schüler haben (Bakker et al., 2007). Es stellt sich daher berechtigterweise die Frage, ob reduzierte Lernziele und die dadurch entstehende Entlastung tatsächlich einen positiven Effekt auf die Motivation und den Selbstwert haben und ob diesem positiven Effekt nicht durch Stigmatisierungsprozesse entgegengewirkt wird (Bakker et al., 2007; Sahli Lozano, Greber et al., 2017). Diese Frage stellen sich auch einige Schulleitende, die äußern, dass sich Kinder mit RILZ weniger anstrengen, was schließlich eine Folge mangelnder Motivation sein könnte. Diese Befürchtungen sind insofern heikel, als dass sie sich im Sinne einer Selbstprophezeiung schließlich bewahrheiten können (Gomolla & Radtke, 2009; Jungbluth, 1994; Lanfranchi, 2007). Dass sich die Schülerinnen und Schüler mit RILZ tatsächlich weniger anstrengen oder weniger leisten, könnte daher auch eine Folge einer tieferen Leistungserwartung sowie einer durch die Maßnahmen bedingten veränderten Lernumgebung sein. Der Rückschluss der Schulleitenden, dass die Maßnahme RILZ eine Form der individuellen Förderung ist, kann kritisch betrachtet werden. So werden Kinder mit RILZ in einen direkten Vergleich zur Klasse und deren Lernzielen gesetzt. Anstatt die Lernziele an die individuellen Fähigkeiten der Betroffenen anzupassen, werden diese gemäß Befürchtungen der Schulleitenden oftmals nur gekürzt. Die Orientierung an der Klassennorm beschränkt daher die Fördermöglichkeiten. Eine individuell angepasste Förderung sollte außerdem nicht nur den Schwächeren oder den besonders Begabten zukommen, sondern allen Lernenden (Fischer & Rott, 2015; Helmke & Schrader, 2010). Der Maßnahme RILZ hingegen liegt eher ein defizitorientiertes Förderkonzept zugrunde, das die besonders Schwachen vom allgemeinen Lernprozess der Klasse ausschließen kann. Die Chancen im Hinblick auf RILZ, die von den Schulleitungen am meisten genannt wurden, können demzufolge auch kritisch betrachtet werden. Im Kanton Bern ist die Maßnahme RILZ nicht explizit an eine Förderung durch eine heilpädagogische Fachperson gekoppelt. Dies könnte erklären, weshalb die Schulleitungen Risiken im Bereich der Umsetzung oder der Ressourcen bzgl. RILZ wahrnehmen. Weiter sagten Schulleitende, dass sich die Leistungsdefizite VHN 4 | 2020 262 CAROLINE SAHLI LOZANO, LIANA JOËLLE SIMOVIC, KATHRIN BRANDENBERG Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich FACH B E ITR AG bei Kindern mit RILZ vergrößern und sie dadurch Anschlussprobleme in der Schule, in weiterführenden Schulen sowie schließlich im Beruf haben werden. Dieser Vermutung müsste empirisch nachgegangen werden. 5.2 Chancen und Risiken des Nachteilsausgleichs (NAG) Der NAG wird von den Schulleitungen, den kantonalen Richtlinien entsprechend, in erster Linie als Instrument zur Herstellung von mehr Chancengleichheit gesehen (BKD, 2020). Dies trifft zu, da mit dem NAG behinderungsbedingte Nachteile durch geeignete Medien und Hilfsmittel ausgeglichen werden sollen (Neumann et al., 2010; Pfost et al., 2010). Dass Kinder mit spezifischen Beeinträchtigungen mit NAG bessere Lernergebnisse erzielen als ohne die Maßnahme, wird von den Schulleitenden als realistische Chance beurteilt, muss jedoch noch empirisch bestätigt werden. Ein weiterer Indikator für Chancengleichheit ist die Entbindung der Leistung vom Sozialstatus (Lischer & Hollenweger, 2003). Aus konflikttheoretischer Perspektive könnte in diesem Zusammenhang die Befürchtung formuliert werden, dass die Maßnahme NAG vor allem Kindern mit höherem Sozialstatus zugesprochen wird (Bourdieu & Passeron, 1971; Collins, 1971; Lareau, 1987), weil deren Eltern über mehr Wissen zu den entsprechenden Maßnahmen verfügen. Sie könnten die Maßnahme NAG als Strategie nutzen, um den hohen Status zu halten, wenn die Kinder unter regulären Umständen nicht die gleichen Lernziele erreichen würden. Manche Aussagen von Schulleitenden weisen in diese Richtung, indem geäußert wird, dass einige Eltern Druck ausüben, um die Maßnahme NAG für ihr Kind einzufordern. Während viele Schulleitende sagen, dass die Maßnahme NAG dem Chancenausgleich dient, wird dennoch mehrfach die Befürchtung geäußert, dass die Maßnahme zu Missbrauch verleiten oder auf die Mitschülerinnen und Mitschüler als unfair wirken könnte. Diese Befürchtungen decken sich mit der Aussage von Glockengiesser et al. (2012), dass ein NAG immer eine Gratwanderung zwischen Ungleichbehandlung und Bevorzugung bedeutet. Es liegt auf der Hand, weshalb diese Befürchtungen im Zusammenhang mit der Maßnahme RILZ nicht erwähnt werden. Während die eine Maßnahme (NAG) offenbar fairere Bedingungen für die Betroffenen schafft, wirkt die andere (RILZ) eher negativ und stigmatisierend. 6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Da Schulleitende bei der Implementierung integrativer Prozesse und der Umsetzung integrativer schulischer Maßnahmen eine Schlüsselrolle einnehmen, ist es bedeutsam zu erfahren, wie sie integrative schulische Maßnahmen einschätzen. Die Zielgruppen, die Ziele sowie die Hinweise zur Umsetzung der beiden Maßnahmen RILZ und NAG unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. Entsprechend unterschiedlich fallen die Aussagen zu Chancen und Risiken der beiden Maßnahmen aus Sicht der Schulleitenden aus. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Schulleitende in der Maßnahme NAG mehr Vorteile und weniger Nachteile für die betroffenen Schülerinnen und Schüler sehen als in der Maßnahme RILZ. Die eingangs gemachten theoretischen Vorannahmen konnten gut mit den Aussagen der Schulleitenden verknüpft werden: Während dem NAG eher ein chancenausgleichendes Potenzial zugeschrieben wird, so werden im Falle von RILZ eher negative stigmatisierende Labelingeffekte als Folge befürchtet. Es ist unumstritten, dass in einer heterogenen Schulklasse individuelle Anpassungen in den Bereichen Lernziele und Methoden gemacht werden müssen, da nicht alle Lernenden dasselbe Leistungspotenzial und dieselben Be- VHN 4 | 2020 263 CAROLINE SAHLI LOZANO, LIANA JOËLLE SIMOVIC, KATHRIN BRANDENBERG Reduzierte individuelle Lernziele und Nachteilsausgleich FACH B E ITR AG dürfnisse haben. Insbesondere die Maßnahme NAG ist rechtlich gut verankert und bietet die Möglichkeit, behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen. Dies wird von den befragten Schulleitungen offensichtlich auch so wahrgenommen. Es stellt sich insbesondere bei RILZ die Frage, wie diese Maßnahme ausgestaltet sein müsste, damit möglichen zusätzlichen Diskriminierungs- und Stigmatisierungsprozessen entgegengewirkt werden kann. So könnte beispielsweise eine integrative Begleitung durch eine heilpädagogische Fachperson hilfreich sein, welche die Lehrperson bei der Begleitung der Lernenden mit RILZ unterstützt und den Bedarf und die Qualität der reduzierten Lernziele fortlaufend sicherstellt. Dies wird in manchen Kantonen bereits so gehandhabt. Der formale Vermerk des RILZ im Zeugnis könnte überdies, wie beim NAG, weniger stark diskriminierenden Charakter haben. Kompetenzorientierte Portfolios für alle Lernenden anstelle von Zeugnissen mit Noten könnten hierbei förderlich sein. Ein weiteres, bei beiden Maßnahmen häufig genanntes Risiko betrifft deren praktische Umsetzung, die gemäß Aussagen der Schulleitenden organisatorisch herausfordernd zu sein scheint. Ob der Einsatz von integrativen schulischen Maßnahmen für Schulleitungen und Lehrpersonen tatsächlich mehr Belastung als Entlastung bedeutet, müsste weiterführend geprüft werden. Die hier vorliegenden Ergebnisse sowie die Auseinandersetzung mit Theorie und Empirie rund um integrative schulische Maßnahmen geben Anlass dazu, die Maßnahmen RILZ und NAG weiterführend zu untersuchen und auf ihr tatsächliches Integrationspotenzial hin zu prüfen. Interessant wäre zudem ein Vergleich der Einschätzungen von Chancen und Risiken integrativer Maßnahmen durch Schulleitende und Lehrpersonen, die an Schulorten mit unterschiedlichen Vergabe- und Umsetzungspraktiken arbeiten. Literatur Bakker, J. T. A., Denessen, E., Bosman, A. M. T., Krijger, E.-M. & Bouts, L. (2007). Sociometric status and self-image of children with specific and general learning disabilities in Dutch general and special education classes. Learning Disability Quarterly, 30 (1), 47-62. https: / / doi.org/ 10.2307/ 30035515 Becker, R. (2003). 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