Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2021
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Rezension: Neuropsychologische Therapie mit Kindern und Jugendlichen
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2021
Angelika Rother
Pletschko, Thomas; Leiss, Ulrike; Pal-Handl, Katharina; Proksch, Karoline; Weiler-Wichtl, Liesa J. (Hrsg.) (2020): Neuropsychologische Therapie mit Kindern und Jugendlichen. Praktische Behandlungskonzepte bei neurokognitiven Funktionsstörungen Berlin: Springer. 313 S., € 49,99
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VHN 1 | 2021 78 REZE NSION E N und -standards. Diese Vielfalt führt dazu, dass der „rote Faden“ nicht an allen Stellen einfach zu finden ist. Das Buch ist insbesondere für Lehrkräfte geeignet, die sich erst wenig mit Mathematikdidaktik auseinandergesetzt haben und sich einen Überblick über die mathematische Förderung von Lernenden mit geistiger Behinderung verschaffen wollen. Leserinnen und Leser, die ihr Wissen zu einzelnen Bereichen vertiefen möchten oder sich für Forschungsergebnisse interessieren, finden zahlreiche Verweise auf weiterführende Literatur. Dr. phil. Susanne Schnepel CH-8032 Zürich DOI 10.2378/ vhn2021.art08d Pletschko, Thomas; Leiss, Ulrike; Pal-Handl, Katharina; Proksch, Karoline; Weiler- Wichtl, Liesa J. (Hrsg.) (2020): Neuropsychologische Therapie mit Kindern und Jugendlichen. Praktische Behandlungskonzepte bei neurokognitiven Funktionsstörungen Berlin: Springer. 313 S., € 49,99 Neuropsychologische Therapie mit Kindern und Jugendlichen ist im Springer-Verlag erschienen. Das Herausgeberwerk hat den Untertitel Praktische Behandlungskonzepte bei neurokognitiven Funktionsstörungen. Somit löst es hohe Erwartungen der Leserinnen und Leser aus, da hierzu für diese Altersgruppe keine systematische Darstellung auf dem deutschsprachigen Markt erhältlich ist. Dem Buch wird eine Struktur in zwei Hauptteile gegeben. Der erste allgemeine Teil behandelt die Einsatzgebiete und Fragestellungen, Grundprinzipien sowie die Relevanz der Diagnostik. Natürlich fehlt ein Kapitel zur Teilhabe nicht und ICF-CY wird beleuchtet. Nachdem auf die Therapie bei Kindergartenkindern und Jugendlichen gesondert eingegangen wird, endet der erste Teil mit einem interessanten Exkurs zur Psychopharmakologie. Im zweiten Teil des Buches werden die Behandlungen der einzelnen neuropsychologischen Funktionen bearbeitet, wobei gleich mehrere Kapitel Themen der Logopädie aufgreifen: auditive Wahrnehmung, Sprache sowie schulische Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Im ersten Kapitel des Buches wird darauf hingewiesen, dass Kinder nicht einfach nur kleine Erwachsene sind und Konzepte aus der Erwachsenenneuropsychologie nicht ohne Weiteres zu übernehmen sind. Das wird an mehreren Stellen des Buches gerne wiederholt. Es wird richtig gefordert, dass die „Entwicklung und Etablierung von Forschungs- und Therapieansätzen“ wichtig ist, da es im Gegensatz zur Diagnostik kaum Studien zur Therapie gibt. In Zukunft sei Methodenentwicklung für diagnostische Verfahren wie auch für Therapieprogramme vonnöten. Das Kapitel über das Konzept der Teilhabe geht gelungen auf die verschiedenen Bildungssysteme der DACH-Region ein. Dabei werden auch die rechtlichen Grundlagen von Deutschland, Österreich und der Schweiz erwähnt, sodass der Aspekt der Teilhabe in Kindergarten und Schule angemessen besprochen wird. Der Bedeutung der digitalen Medien und Technologie ist ein eigenes Kapitel gewidmet, was sicher nicht nur in Zeiten von Corona seine Berechtigung hat. Den beiden Altersgruppen 3 -6-Jährige und Jugendliche wird mit jeweils einem extra Kapitel Aufmerksamkeit geschenkt. Für die Kleinkinder wird der multimodale Ansatz hervorgestrichen sowie die Sinnhaftigkeit der Kombination von Interventionen. Eine ausführliche Tabelle zeigt Entwicklungsförderprogramme, deren Wirksamkeit überprüft wurde, übersichtlich auf. Drei Autorinnen und ein Autor verfassen im zweiten Teil ein Kapitel zur Sprache, das ich aus dem Blickwinkel einer Logopädin lese. Die Autor/ innen bemühen sich, die aktuelle Terminologie- Diskussion zu besprechen. Ganz richtig fordern sie die Aufnahme von erworbenen Sprach- und Kommunikationsstörungen und gehen auf die Aphasie ein. VHN 1 | 2021 79 REZE NSION E N Immer wieder werden die Interdisziplinarität und die Grenzen der Neuropsychologie betont und die Sprachtherapie wird extra erwähnt. Der Begriff Logopädie wird nicht verwendet. Es wäre sinnvoll gewesen, wenn eine Vertretung dieser Profession daran mitgewirkt hätte. Die Diagnostik von Sprachstörungen gehört in die Hände von Logopädinnen und Logopäden. Auch wenn immer wieder von den Grenzen der Neuropsychologie gesprochen und auf die Bedeutung der Vernetzung hingewiesen wird, ist hier eine klare Einordnung zu den dafür zuständigen Professionen nicht vorgenommen worden. Die Autorinnen und der Autor schreiben, dass es zu bedenken gilt, dass eine direkte Übernahme anhand neurofunktioneller Erwachsenenmodelle auf den Kinderbereich nicht sinnvoll erscheint. Das Kapitel widmet sich jedoch dem Logogenmodell. Eine Trennung bei Aphasie in die Bereiche Kinder und Jugendliche wäre wünschenswert gewesen. In der verwendeten Literatur gibt es keine Angaben zu Kindern und Jugendlichen mit Aphasie, die angegebenen Standardlehrbücher zur Aphasie sind für den Erwachsenenbereich verfasst. Das ist nachvollziehbar, da es zu Kindern so gut wie keine (neuere) Literatur gibt und auch zu Jugendlichen nur sehr wenige Studien. Ein Hinweis auf diese enorme Lücke wäre hilfreich gewesen. Insgesamt handelt es sich um ein qualitativ heterogenes Buch. Das verwundert nicht, da doch unterschiedliche Autorinnen und Autoren aus der gesamten DACH-Region mitgearbeitet haben. Das Buch ist für den Praktiker anschaulich gestaltet und im zweiten Teil mit Fallbeispielen untermauert. Definitionen und Wichtiges wird in Schaukästen hervorgehoben. In diesem Werk ist es gelungen, zusammenfassend die wichtigsten Bereiche der neuropsychologischen Therapie mit Kindern und Jugendlichen zu besprechen. Es ist der erwähnten Tatsache geschuldet, dass es zu bestimmten Themen keine oder kaum Studien gibt. Daher muss lobend hervorgehoben werden, dass sich die Herausgeber/ innen die Aufgabe gestellt haben, eine Lücke in der deutschsprachigen Literatur zu schließen. Angelika Rother CH-1700 Freiburg DOI 10.2378/ vhn2021.art09d Prölß, Alexander (2020): Aggressive Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen. Grundlagen, Diagnostik und gezielte Interventionen Idstein: Schulz-Kirchner. 148 S., € 22,- Aggressives Verhalten ist für die pädagogische Praxis ein hochrelevantes Thema. Werke, die zu diesem Fachgebiet in fundierter und doch verständlicher Art beitragen, sind deshalb sehr zu begrüßen. Gleichzeitig steht jede Autorin und jeder Autor, die/ der sich mit dem Thema beschäftigt, vor zwei beträchtlichen Herausforderungen. Zum einen muss eine mittlerweile kaum noch überschaubare Menge an wissenschaftlichen Publikationen aus verschiedensten Disziplinen aufgearbeitet werden. Zum anderen müssen diese Erkenntnisse für die pädagogische Praxis in gut verständlicher Sprache auf den Punkt gebracht und Praxisbezüge hergestellt werden. Die eine Aufgabe meistert der Autor souverän: Die Form seines Werkes zeugt von sprachlichem Können und Praxiserfahrung. Die andere Aufgabe, die Aufarbeitung des aktuellen Standes der Aggressionsforschung, bewältigt der Autor nach Einschätzung des Rezensenten jedoch weniger gut. Beginnen wir mit der Form. Alexander Prölß promovierte ursprünglich im Bereich der Lese- und Rechtschreibstörung und publiziert sein Werk zu aggressivem Verhalten im auf Ergotherapie und Logopädie spezialisierten Schulz-Kirchner Verlag. Er nähert sich dem Thema aggressiven Verhaltens nicht aus eigener Forschungserfahrung, sondern vielmehr im Rahmen seiner breit abgestützten Vortrags- und Therapietätigkeit. Alexander Prölß versteht sich darauf, klar und gut lesbar zu schreiben. Er weiß aufgrund seiner Vortrags- und Beratungstätigkeit genau, wie er komplexe Sachverhalte auf den Punkt bringen und pädagogische Bezüge durch meist hilfreiche Exkurse herstellen kann. Hier schreibt also jemand, der die Praxis kennt und das Schreibhandwerk beherrscht. Kommen wir nun zum Inhalt. Das Buch umfasst zehn Kapitel und setzt sich mit der Definition aggressiven Verhaltens, ihren Ausdrucksformen, theoretischen Konzepten, Diagnostik und Inter-
