eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 90/1

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2021.art03d
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2021
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Fachbeitrag: Betreuung von Kindern mit Behinderung in den Tageseinrichtungen für Kinder des Rheinlandes

11
2021
Rüdiger Kißgen
Julia Austermühle
Joachim Wöhrle
Heike Wiemert
Daniela Limburg
Der vorliegende Beitrag stellt Befunde der quantitativ-empirischen Fragebogenerhebung der Rheinland-Kita-Studie vor, in der die Umsetzung von Inklusion für Kinder mit Behinderung in den Tageseinrichtungen für Kinder des Rheinlandes in Nordrhein-Westfalen untersucht wurde. Verglichen wurde die Betreuungssituation in Einrichtungen, die bereits Kinder mit Behinderung im sozialrechtlichen Sinn betreuen, mit jenen, die sich bislang auf die Betreuung von Kindern ohne Behinderung konzentrieren. Einbezogen wurden u.a. einrichtungsbezogene Variablen (z.B. Lage, Größe, Gründe für die Aufnahme bzw. Nichtaufnahme von Kindern mit Behinderung) sowie kindbezogene Variablen (z.B. Anteil von Risikokindern, Migrationshintergrund). Die im Rahmen der Studie identifizierten Problemlagen zeigen auf, dass die inklusive Betreuung im elementarpädagogischen Bereich noch weiterer Unterstützung bedarf. Abschließend wird diskutiert, wie es um die Teilhabechancen für Kinder im elementarpädagogischen Bereich des Rheinlandes steht.
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24 VHN, 90. Jg., S. 24 -40 (2021) DOI 10.2378/ vhn2021.art03d © Ernst Reinhardt Verlag Betreuung von Kindern mit Behinderung in den Tageseinrichtungen für Kinder des Rheinlandes Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie Rüdiger Kißgen 1 , Julia Austermühle 1 , Joachim Wöhrle 1 , Heike Wiemert 2 , Daniela Limburg 1 1 Universität Siegen 2 Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Köln Zusammenfassung: Der vorliegende Beitrag stellt Befunde der quantitativ-empirischen Fragebogenerhebung der Rheinland-Kita-Studie vor, in der die Umsetzung von Inklusion für Kinder mit Behinderung in den Tageseinrichtungen für Kinder des Rheinlandes in Nordrhein-Westfalen untersucht wurde. Verglichen wurde die Betreuungssituation in Einrichtungen, die bereits Kinder mit Behinderung im sozialrechtlichen Sinn betreuen, mit jenen, die sich bislang auf die Betreuung von Kindern ohne Behinderung konzentrieren. Einbezogen wurden u. a. einrichtungsbezogene Variablen (z. B. Lage, Größe, Gründe für die Aufnahme bzw. Nichtaufnahme von Kindern mit Behinderung) sowie kindbezogene Variablen (z. B. Anteil von Risikokindern, Migrationshintergrund). Die im Rahmen der Studie identifizierten Problemlagen zeigen auf, dass die inklusive Betreuung im elementarpädagogischen Bereich noch weiterer Unterstützung bedarf. Abschließend wird diskutiert, wie es um die Teilhabechancen für Kinder im elementarpädagogischen Bereich des Rheinlandes steht. Schlüsselbegriffe: Kinder mit Behinderung, Inklusion, Kindertageseinrichtung, Teilhabe Children with Disabilities in Kindergartens of the Rhineland - Results of the Rheinland-Kita-Studie Summary: This article presents the results of the quantitative-empirical questionnaire survey of the Rheinland-Kita-Studie, examining the implementation of inclusion for children with disabilities in kindergartens in the district of Rhineland in North Rhine-Westphalia. Kindergartens already taking care of children with disabilities in the legal sense were compared to those that had so far been focusing on children without disabilities. Among other things, institution-related variables (e. g. location, size, reasons for the admission or non-admission of children with disabilities) as well as child-related variables (e. g. proportion of children at risk, migration background) were included. The results indicate that inclusive care in elementary education still requires further support. Opportunities for participation in the elementary education system of the Rhineland are discussed. Keywords: Children with disabilities, inclusion, kindergarten, participation FACH B E ITR AG VHN 1 | 2021 25 RÜDIGER KISSGEN ET AL. Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie FACH B E ITR AG 1 Inklusion von Kindern mit Behinderung in Tageseinrichtungen für Kinder des Rheinlandes 1.1 Ausgangslage Inklusion gilt als gesamtgesellschaftliche Aufgabe (Kölsch-Bunzen, 2015) und wird in verschiedenen Lebensbereichen als Paradigma diskutiert. Seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) durch Deutschland im Jahr 2009 garantiert Artikel 24 der UN-BRK auch in Deutschland das Recht eines jeden Menschen auf die Teilhabe an Bildung, unabhängig von den individuellen (Lern-)Voraussetzungen. Länderspezifische Ausführungsgesetze und -regelungen, partiell auch innerhalb eines Bundeslandes, führen bundesweit zu heterogenen Ausgangssituationen und Verfahrensweisen auch in der elementarpädagogischen Betreuung von Kindern mit Behinderung. So werden beispielsweise die Zuständigkeiten in NRW zwischen den Landschaftsverbänden Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) aufgeteilt. Zum Zeitpunkt der Rheinland-Kita-Studie (RKS) setzen diese zwei Verbände verschiedene Richtlinien zur besonderen Förderung von Kindern mit Behinderungen in Tageseinrichtungen für Kinder um (Rudolphi & Preissing, 2018). Sowohl die Finanzierung der Kindertagesbetreuung als auch die Umsetzung von Inklusion für Kinder mit Behinderung sowie der Umgang mit weiteren Heterogenitätsdimensionen (z. B. Migrationshintergrund) sind davon betroffen (ebd.). Allerdings wird die Tradition einer integrativen Pädagogik im Elementarbereich nach wie vor u. a. gesetzlich und finanziell über den Behinderungsbegriff im sozialrechtlichen Sinne aufrechterhalten (Hensen, Lohmann & Wiedebusch, 2016). Mit der Durchführung der Rheinland-Kita- Studie wurde nach einer europaweiten Ausschreibung des LVR die Professur für Entwicklungswissenschaft und Förderpädagogik (Inklusion) an der Universität Siegen beauftragt (Kißgen, 2019; Kißgen, Austermühle, Franke, Limburg & Wöhrle, 2019). Die zentralen Zielsetzungen der Studie lagen darin, bestehende Herausforderungen und Gelingensbedingungen bei der Umsetzung von Inklusion für Kinder mit Behinderung (KmB) in Tageseinrichtungen für Kinder (Kita) im Zuständigkeitsbereich des LVR zu identifizieren. Dazu sollte eine Datenbasis zum Stand der Teilhabe von KmB in den mehr als 5.500 Tageseinrichtungen des Rheinlandes erarbeitet werden (LVR, 2018). Aufgrund des klar definierten Forschungsauftrages durch den LVR, den Fokus auf die Umsetzung von Inklusion für KmB zu richten, liegt dem Beitrag ein Inklusionsbegriff zugrunde, der Behinderung in einem sozialrechtlichen Sinne begreift. Davon abzugrenzen ist ein eher weiter und allgemeiner Inklusionsbegriff, der auch andere Heterogenitätsdimensionen miteinbezieht (Werning, 2014). Dennoch enthält die hier vorgelegte Veröffentlichung Ergebnisse zu weiteren Heterogenitätsdimensionen (z. B. Migrationshintergrund, Geschlecht, Entwicklungsgefährdung), die im Rahmen der Studie erfasst werden konnten (s. Tab. 1). Im Kontext der Entwicklungsgefährdungen stellen sogenannte Risikokinder eine Besonderheit dar. Nach Mayr und Held (2010, S. 2) gelten als Risikokinder jene Kinder, „[…] die in ihrer Entwicklung oder ihrem Verhalten, ihrem Gesundheitszustand oder ihrer familiären und sozialen Situation deutlich auffällig sind, ohne dass dies als eine (drohende) Behinderung im sozialrechtlichen Sinn anzusehen ist“. Die befragten Einrichtungsleitungen wurden gebeten, den Anteil dieser Kinder in der Einrichtung einzuschätzen und in einem offenen Textfeld Angaben über deren spezifische Auffälligkeiten zu machen (Kißgen et al., 2019). VHN 1 | 2021 26 RÜDIGER KISSGEN ET AL. Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie FACH B E ITR AG 1.2 Elementarpädagogische Betreuung von Kindern mit Behinderung im Rheinland Die Zuständigkeit des LVR bezieht sich auf 13 kreisfreie Städte, zwölf Kreise sowie die Städteregion Aachen (Landschaftsverbandsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 2020). In diesem geografischen Einzugsbereich leben rund 9,7 Millionen Menschen. Im Jahr 2018 wurden im Auftrag des Landes 5.604 Kitas in den Mitgliedskörperschaften des LVR gefördert und über 300.000 Kinder in diesen Einrichtungen betreut (LVR, 2018). In seiner Funktion als Landesjugendamt hat der LVR die Aufgaben als überörtlicher Träger der Jugendhilfe für seine Mitgliedskörperschaften wahrzunehmen. Die Aufgaben und Pflichten sind im SGB VIII geregelt (§ 85 Abs. 2). In NRW sollen nach dem Kinderbildungsgesetz (KiBiz) Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam in den Kitas gefördert werden (§ 8 KiBiz). Im Sinne der Inklusion ist zudem im Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) festgelegt, dass alle Kinder den gesetzlichen Anspruch auf gemeinsame Frühe Bildung von Anfang an haben, „sofern der Hilfebedarf dies zulässt“ (SGB VIII § 22 a Abs. 4). Die gemeinsame Betreuung von Kindern mit und Kindern ohne Behinderung fand im Rheinland bis zum Jahr 2014 mehrheitlich in integrativen Kitas oder mithilfe der sogenannten Einzelintegration in Regeleinrichtungen statt. Integrative Kitas, die auch Schwerpunkteinrichtungen genannt wurden, waren durch mindestens eine Gruppe aus fünf Kindern mit und 15 Kindern (bzw. 10 Kindern) ohne Behinderung charakterisiert. Zusätzlich wurde die Arbeit in den Integrativen Kitas durch angestellte Fachtherapeutinnen und Fachtherapeuten unterstützt, die durch den LVR finanziert wurden (Kron & Papke, 2006). Bei der Einzelintegration werden zwischen einem und drei KmB in Regeleinrichtungen betreut. Im Jahr 2014 kündigte der LVR an, sich im Sinne der Umsetzung einer inklusiven Betreuung bis zum Kindergartenjahr 2016/ 2017 aus der Finanzierung der Fachtherapeutinnen und Fachtherapeuten in Integrativen Kitas zurückzuziehen und ausschließlich die Förderung der Einzelintegration fortzuführen. Im Zuge dessen wurde das Prinzip der Einzelintegration 2014 in die sogenannte FInK-Pauschale überführt (FInK = Förderung der Inklusion in Kindertageseinrichtungen) (LVR, 2015). Die damit verbundenen zusätzlichen Finanzmittel in Höhe von 5.000 Euro pro Kind und Kindergartenjahr sollen insbesondere zur Reduktion der Gruppengröße und zum Aufbau weiterer Fachkraftstunden genutzt werden. Integrative Kindertageseinrichtungen wurden zu Regeleinrichtungen umfunktioniert, die nun Kinder mit und ohne Behinderung ohne vom LVR finanziertes fachtherapeutisches Personal unter den allgemeinen Förderbedingungen des KiBiz und ggf. mit Nutzung der FInK-Pauschale betreuen. Die Einführung dieser Neuerungen soll die wohnortnahe Betreuung von KmB bzw. Kindern, die von einer wesentlichen Behinderung bedroht sind, ermöglichen. Des Weiteren können KmB nach wie vor Heilpädagogische Kitas besuchen, die das LVR-Landesjugendamt als überörtlicher Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe (EGH) nach §§ 53ff SGB XII finanziert. In diesen Kitas werden ausschließlich Kinder mit einer (drohenden) Behinderung betreut. Nach Vorgabe des LVR werden Heilpädagogische Einrichtungen jedoch bis 12/ 2026 sukzessive zu Regeleinrichtungen umgestaltet (LVR, 2019, Folie 20). 1.3 Datenlage Die Datenlage bezüglich der tatsächlichen Anzahl von KmB im sozialrechtlichen Sinne sowie ihrer elementarpädagogischen Betreuungssituation in Deutschland ist als ausbaufähig zu betrachten (Lotte, 2013; Lotte, 2014; Meiner-Teubner & Sommer, 2016). Diese Situation resultiert u. a. aus einer nicht vorgesehenen systematischen Erfassung von Personen mit VHN 1 | 2021 27 RÜDIGER KISSGEN ET AL. Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie FACH B E ITR AG Behinderung aufgrund der historischen Ereignisse Deutschlands im Dritten Reich (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2009). Seit 2006 sind Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung durch die Erfassung der Eingliederungshilfe im Rahmen der amtlichen Kinder- und Jugendhilfe-Statistik identifizierbar (Lotte, 2013). Allerdings werden nur Kinder und Jugendliche statistisch erfasst, bei denen „die Eingliederungshilfe nach SGB XII oder SGB VIII innerhalb der Einrichtung erbracht wird und somit beispielsweise mit erhöhten Personalressourcen einhergeht“ (ebd., S. 9). Erhält ein Kind beispielsweise nur Leistungen der EGH im Rahmen der Frühförderung, besucht aber dennoch eine Kita, wird es statistisch nicht als Kind mit einer Behinderung abgebildet (Lotte, 2013). Vor diesem Hintergrund werden die bestehenden Diskrepanzen zwischen der KJH-Statistik sowie der Statistik zum Kinderbildungsgesetz in NRW erklärbar. Insgesamt zeigt sich, dass die vorhandenen Daten der KJH-Statistik nur bedingt geeignet sind, ein genaues Abbild der Anzahl und der tatsächlichen Betreuungssituation von KmB im elementarpädagogischen Rahmen zur Verfügung zu stellen. Insbesondere die Inanspruchnahme der EGH im Rahmen einer drohenden oder seelischen Behinderung ist regional höchst unterschiedlich ausgeprägt (Fendrich, Pothmann & Tabel, 2018). „Diese extremen Differenzen dürften hauptsächlich auf eine unterschiedliche Definitions- und Gewährungspraxis der Jugendämter hinsichtlich des Vorliegens einer ‚seelischen Behinderung‘ oder der Bestimmung einer ‚Eingliederungshilfe‘ zurückzuführen sein“ (ebd., S. 33). Diese Praxis mache sich u. a. besonders in der Gewährung von Leistungen für unter 6-jährige Kinder bemerkbar, sodass aus methodischen Gründen die Fallzahlen für die unter 6-Jährigen in der vergleichenden Analyse auf Bundesländerebene zum Teil unberücksichtigt bleiben (Autorengruppe Kinder- und Jugendhilfestatistik, 2019). Der vorliegende Beitrag trägt dazu bei, die vorhandenen Datenlücken bezüglich der Betreuungssituation von Kindern mit und ohne Behinderung im Alter von 0 bis 6 Jahren in den Mitgliedskörperschaften des LVR zu schließen. 1.4 Fragestellungen Aus der KJH-Statistik NRW (Anfrage: 3. 9. 2019) ist zu entnehmen, dass der Anteil der „Tageseinrichtungen mit integrativer Betreuung“ in den Jugendamtsbezirken der LVR-Mitgliedskörperschaften im Jahr 2017 bei etwa 34,2 % lag. Dazu zählen Einrichtungen, in denen „[…] mindestens 1 Kind in der Einrichtung Eingliederungshilfe wegen körperlicher, geistiger oder (drohender) seelischer Behinderung erhält“ (Statistisches Bundesamt 2020, S. 83). Somit werden in etwa zwei Dritteln der Einrichtungen der LVR-Mitgliedskörperschaften bislang keine KmB betreut, was die Frage nach den Hürden für eine inklusive Betreuung aufwirft. Untersuchungsfrage 1: Wie unterscheiden sich Einrichtungen, die noch keine Kinder mit Behinderung betreuen, von Einrichtungen, die bereits Kinder mit Behinderung betreuen? Zur Beantwortung dieser Frage werden einrichtungsbezogene sowie kindbezogene Variablen in den Berechnungen berücksichtigt. Untersuchungsfrage 2: In welchen Aspekten unterscheiden sich Einrichtungen, die noch keine Kinder mit Behinderung betreuen? In Einrichtungen, die noch keine KmB betreuen, wurden zunächst die Gründe für diese Situation erfragt. Nachfolgend wurde mit Blick auf verschiedene vorgegebene Behinderungsarten erhoben, ob man sich vorstellen könne, künftig ein solches Kind zu betreuen. Auch im Kontext dieser Fragestellung wurden verschiedene einrichtungs- und kindbezogene Variablen verwendet. VHN 1 | 2021 28 RÜDIGER KISSGEN ET AL. Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie FACH B E ITR AG 2 Methode 2.1 Design Die quantitativ-empirische Erhebung im Rahmen der RKS wurde im Zeitraum von Ende Oktober bis Ende November 2017 durchgeführt. Hierfür wurden Leitungen von Kitas im Rheinland per E-Mail mit einem Link zu einer Onlineumfrage kontaktiert und um Teilnahme gebeten. Heilpädagogische Einrichtungen wurden nicht in die Studie einbezogen. In die Entwicklung des Online-Fragebogens flossen u. a. die Ergebnisse der vorgeschalteten drei Fokusgruppeninterviews mit relevanten Akteursgruppen aus dem Forschungsfeld ein. Zudem erfolgte Ende September 2017 eine Vortestung des Online-Fragebogens. Der Fragebogen umfasste für Kitas ohne KmB 82 und für Kitas mit KmB 94 Items zu den vier folgenden Themenbereichen: (1) Kinder, (2) Einrichtungsmerkmale, (3) Pädagogisches Team und (4) Kita-Leitung. Explizite Angaben zum methodischen Vorgehen und zum Aufbau des Fragebogens finden sich in Kißgen et al. (2019). 2.2 Stichprobe Von den 5.220 in der LVR-Datenbank erfassten Kitas konnten 5.065 (97 %) per E-Mail erreicht werden. In die Berechnungen der Rücklaufquote gingen nur jene Einrichtungen ein, die den Fragebogen zu mindestens 50 % bearbeitet hatten. Von den 5.065 per E-Mail kontaktierten Einrichtungen mussten 31 wegen nicht zustellbarer E-Mails aus dem Datensatz entfernt werden. Insgesamt füllten 1.681 Kita-Leitungen (33,4 %) der verbliebenen 5.034 Einrichtungen den Fragebogen mindestens zur Hälfte aus. Unter diesen machten 1.526 (30,3 %) Kita-Leitungen vollständige Angaben. Ein Fragebogen wurde als vollständig bearbeitet gewertet, wenn dieser bis zur letzten Frage beantwortet worden war. Dennoch konnten auch solche Fragebögen fehlende Werte enthalten. Ebenso wurden im Auswertungsprozess auch die Antworten jener Kita-Leitungen berücksichtigt, die weniger als 50 % der Fragen beantwortet hatten. Der Rücklauf der zur Hälfte ausgefüllten Fragebögen (33,4 %) entspricht den in Metaanalysen berichteten Rückläufen bei Internet-basierten Studien (Cook, Heath & Thompson, 2000). Die Frage, ob bereits Kinder mit (drohender) wesentlicher Behinderung in der Einrichtung betreut werden, beantworteten 1.707 Kita- Leitungen. Dies war bei 58,5 % (n = 998) der antwortenden Einrichtungen der Fall. Einer angeforderten Übersicht des Statistischen Landesamtes IT.NRW ist zu entnehmen, dass 2017 etwa 34 % aller Kitas im LVR-Gebiet KmB betreuen (Anfrage: 3. 9. 2019). Daher sind in der vorliegenden Stichprobe Einrichtungen mit KmB im Vergleich überrepräsentiert. Der durchschnittliche Anteil der KmB in jenen Kitas der RKS, die KmB betreuen, beträgt 3,5 % (n = 3.468). Dieser Anteil liegt nur leicht über jenem, der aus den vom LVR zur Verfügung gestellten Daten für das Kitajahr 2017/ 2018 für sämtliche Kitas des Rheinlandes hervorgeht (3,2 %; n = 10.329 KmB von insgesamt 322.474 Kindern). Tabelle 1 zeigt die wichtigsten deskriptiven Ergebnisse zu den Kindern der Stichprobe. 2.3 Beschreibung der Variablen Unabhängige Variablen Es wurden zwei Arten von unabhängigen Variablen berücksichtigt: (1) einrichtungsbezogene und (2) kindbezogene Variablen. Zu den einrichtungsbezogenen Variablen zählen die Größe der Einrichtung und die Lage der Einrichtung (Kleinstadt: unter 20.000 Einwohner; Mittelstadt: 20.000 bis 100.000 Einwohner; Großstadt: über 100.000 Einwohner). Die ebenfalls VHN 1 | 2021 29 RÜDIGER KISSGEN ET AL. Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie FACH B E ITR AG Sämtliche Einrichtungen der RKS Einrichtungen ohne KmB Einrichtungen mit KmB N E N K M SD Max N E N K M SD Max N E N K M SD Max Kinder n Unter 3 n Über 3 n Gesamt 1.706 1.707 1.707 20.744 82.631 103.375 12,16 48,41 60,56 8,05 21,73 24,81 62 272 272 708 709 709 8.319 30.165 38.484 11,75 42,55 54,27 7,57 20,30 23,47 62 114 150 998 998 998 12.425 52.466 64.891 12,45 52,57 65,02 8,36 21,76 24,79 62 272 272 Kinder mit Migrationshintergrund n Unter 3 n Über 3 n Gesamt 1.705 1.705 1.705 6.342 30.715 37.057 3,72 18,01 21,72 4,35 16,89 19,49 32 130 140 708 708 709 2.291 10.121 12.412 3,24 14,30 17,51 4,12 14,61 17,11 32 86 96 997 997 997 4.051 20.594 24.645 4,06 20,66 24,72 4,48 17,88 20,51 31 130 140 Risikokinder n Gesamt 1.693 7.971 4,71 6,96 77 702 1.905 2,41 4,99 77 991 6.066 6,12 7,77 75 Kinder mit (drohender) Behinderung n Unter 3 n Über 3 n Gesamt - - 1.438 3.468 - - 2,41 - - 4,15 - - 47 - - - - - - - - - - - - 690 716 730 205 3.263 3.468 0,30 4,65 4,77 0,75 4,65 4,77 12 47 47 Tab. 1 Merkmale der über die Rheinland-Kita-Studie (RKS) erfassten Kinder N E : Anzahl antwortender Einrichtungen; N K : Anzahl der Kinder in den N E VHN 1 | 2021 30 RÜDIGER KISSGEN ET AL. Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie FACH B E ITR AG Art der Behinderung Antwortkategorie eher nicht möglich (n = 198) eher möglich (n = 411) Gesamt (n = 609) n % n % n % Kinder mit reiner Körperbehinderung (z. B. Cerebralparese) n Ja n Unter bestimmten Umständen n Nein n Gesamt 3 57 138 198 2 29 70 101 95 249 67 411 23 61 16 100 98 306 205 609 16 50 34 100 Kinder mit reiner geistiger Behinderung n Ja n Unter bestimmten Umständen n Nein n Gesamt 6 52 140 198 3 26 71 100 104 258 49 411 25 63 12 100 110 310 189 609 18 51 31 100 Kinder mit seelischer Behinderung und/ oder Verhaltensstörung n Ja n Unter bestimmten Umständen n Nein n Gesamt 29 128 41 198 15 65 21 101 236 171 4 411 57 42 1 100 265 299 45 609 44 49 7 100 Kinder mit einer Mehrfachbehinderung n Ja n Unter bestimmten Umständen n Nein n Gesamt 0 7 191 198 0 4 97 101 25 223 163 411 6 54 40 100 25 230 354 609 4 38 58 100 Kinder mit reiner Sprachbehinderung n Ja n Unter bestimmten Umständen n Nein n Gesamt 93 98 7 198 47 50 4 101 380 31 0 411 93 8 0 101 473 129 7 609 78 21 1 100 Kinder mit reiner Hörbehinderung n Ja n Unter bestimmten Umständen n Nein n Gesamt 36 119 43 198 18 60 22 100 282 124 5 411 69 30 1 100 318 243 48 609 52 40 8 100 Tab. 2 Einrichtungen ohne KmB: Aussagen von Typ 1 und Typ 2 zur Aufnahme von KmB differenziert nach Art der Behinderung u VHN 1 | 2021 31 RÜDIGER KISSGEN ET AL. Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie FACH B E ITR AG in dieser Variablengruppe enthaltene Trägerzugehörigkeit wurde eingeteilt in kommunale, kirchliche, freie und sonstige Träger. Zudem wurden die Einrichtungsleitungen gefragt, ob ein Einrichtungskonzept vorliegt, in dem das Thema Inklusion berücksichtigt wird. Als letzte einrichtungsbezogene Variable wurde der Typ der Einrichtung erfasst. Hier wurde unterschieden zwischen Tageseinrichtungen für Kinder und anderen Typen von Einrichtungen (z. B. PlusKita oder Familienzentrum). Bei den kindbezogenen Variablen wurden der Anteil der U3-Kinder, der Anteil der männlichen Kinder, der Anteil der Risikokinder sowie der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund in der U3- und Ü3-Betreuung berücksichtigt. Ein Migrationshintergrund wurde als gegeben angesehen, wenn mindestens ein Elternteil ausländischer Herkunft ist. Zur Beantwortung der zweiten Untersuchungsfrage wurde auch die Frage analysiert, welche Gründe die Einrichtungsleitungen angeben, bisher noch keine KmB aufgenommen zu haben. Die ordinalskalierten Variablen (Größe der Einrichtung sowie alle auf die betreuten Kinder bezogenen Variablen) wurden in jeweils drei gleich große Gruppen für die weiteren Berechnungen umkodiert. Abhängige Variablen Die abhängige Variable bezüglich der ersten Untersuchungsfrage (s. o.) wurde definiert, indem die Kita-Leitungen gefragt wurden, ob sie bereits KmB betreuen oder bislang noch nicht. Zur näheren Betrachtung jener Einrichtungen, die bislang noch keine KmB betreuen, wurden die Kita-Leitungen befragt, ob sie die Aufnahme von Kindern mit Behinderung für möglich halten (s. Untersuchungsfrage 2). Vorgegeben waren neun verschiedene Behinderungen oder Entwicklungsbeeinträchtigungen. Die Antwortoptionen lauteten „Nein“, „Unter bestimmten Umständen“ und „Ja“. Die vollständige Auswertung zu diesen neun Varianten ist Tabelle 2 zu entnehmen. Zur Reduktion Kinder mit reiner Sehbehinderung n Ja n Unter bestimmten Umständen n Nein n Gesamt 1 100 97 198 1 51 49 101 163 231 17 411 40 56 4 100 164 331 114 609 27 54 19 100 Kinder mit chronischer Krankheit n Ja n Unter bestimmten Umständen n Nein n Gesamt 57 109 32 198 29 55 16 100 275 126 10 411 67 31 2 100 332 235 42 609 55 39 7 101 Kinder mit der Diagnose „Allgemeine Entwicklungsverzögerung“ n Ja n Unter bestimmten Umständen n Nein n Gesamt 89 100 9 198 45 50 5 100 369 42 0 411 90 10 0 100 458 142 9 609 75 23 2 100 Anmerkungen: Typ 1: Einrichtungen, die die Aufnahme von KmB für „eher nicht möglich“ halten; Typ 2: Einrichtungen, die die Aufnahme von KmB für „eher möglich“ halten. Aufgrund von Rundungsungenauigkeiten können die summierten Werte 100 % übersteigen. u VHN 1 | 2021 32 RÜDIGER KISSGEN ET AL. Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie FACH B E ITR AG der Datenmenge sind die Antworten auf diese Frage in eine Two-Step-Clusteranalyse (SPSS 25) aufgenommen worden. Das Ziel war es, zwei Gruppen zu identifizieren, wobei die eine eher die Möglichkeit sieht, KmB aufzunehmen, und die andere dies als eher nicht möglich betrachtet. Für eine solche Zwei-Cluster-Lösung lag der Silhouetten-Koeffizient im Mittel bei 0,25. Trotz dieser schwachen Strukturierung wurde die inhaltliche Aufteilung der Cluster als sinnvoll bewertet und zusätzlich durch signifikante Unterschiede aller neun Variablen (p < .001) mit Chi²-Vergleichstests bestätigt. Das erste Cluster mit der Bezeichnung „eher möglich“ beinhaltet 411 von 609 antwortenden Einrichtungen, deren Leitungen bei allen neun Behinderungsarten häufiger die Antwortoptionen „Ja“ oder „Unter bestimmten Umständen“ und seltener „Nein“ wählten als Einrichtungsleitungen des zweiten Clusters („eher nicht möglich“, n = 198). In beiden Typen entfiel die Antwort „Ja“ am häufigsten (78 %) auf Kinder mit reiner Sprachbehinderung, während die Aufnahme von Kindern mit Mehrfachbehinderung am häufigsten (58 %) verneint wurde. Einrichtungen, die diese Fragen nicht beantwortet hatten, sind nicht in die Analyse aufgenommen worden. 2.4 Datenanalyse Die Auswertung der Daten bezüglich der beiden Untersuchungsfragen erfolgt anhand von logistischen Regressionsanalysen. Der Vorteil von Regressionsanalysen gegenüber anderen Verfahren ist, dass der Zusammenhang mehrerer unabhängiger Variablen gleichzeitig überprüft werden kann. Die unabhängigen Variablen werden, wenn nötig, als sogenannte Dummyvariablen umkodiert, um sie in das Regressionsmodell aufnehmen zu können. Für die erste Untersuchungsfrage werden einrichtungs- und kindbezogene Variablen in das Modell aufgenommen. Für die zweite Untersuchungsfrage wird zusätzlich nach den Gründen gefragt, weshalb bisher noch keine KmB aufgenommen wurden. Dies erfolgt in einem zweiten Schritt durch eine schrittweise Variablenauswahl, wobei nur signifikante Variablen basierend auf der Wahrscheinlichkeit des Wald-Tests in das Modell aufgenommen werden. 3 Resultate Wie unter 2.1 berichtet wurde, entspricht die Rücklaufquote im Rahmen der RKS mit 33,4 % den in Metaanalysen berichteten Rückläufen bei internetbasierten Studien (Cook, Heath & Thompson, 2000). Zur Klärung der Gründe für die Nicht-Teilnahme sind jene Einrichtungen, die nicht an der Umfrage teilgenommen hatten, nach Abschluss der Online-Befragung mittels E-Mail nach dem primären Grund befragt worden. Der Großteil der insgesamt 433 antwortenden Einrichtungen (81 %, n = 352) gab Zeitmangel an, nur etwa ein Fünftel (19 %, n = 81) benannte andere Gründe wie z. B. technische Probleme, datenschutzrechtliche Bedenken, Teilnahmeverbot durch den Träger, Bedeutungslosigkeit der Thematik. Untersuchungsfrage 1: Wie unterscheiden sich Einrichtungen, die noch keine Kinder mit Behinderung betreuen, von Einrichtungen, die bereits Kinder mit Behinderung betreuen? Die Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse bezüglich der ersten Untersuchungsfrage sind in Tabelle 3 dargestellt. Sie zeigen, dass Einrichtungen, die noch keine KmB betreuen, im Vergleich mit jenen, die bereits von KmB besucht werden, häufiger kleine Einrichtungen sind (OR = 1,62; CI 1,17 - 2,26; p < .01), seltener in Kleinstädten liegen (OR = 0,57; CI 0,37 - 0,88; p < .05), häufiger keinen Bezug auf Inklusion im Einrichtungskonzept nehmen (OR = 4,45; CI 3,40 - 5,83; p < .001) und seltener Risikokinder betreuen (OR = 3,13; CI 2,27 - 4,33; p < .001). VHN 1 | 2021 33 RÜDIGER KISSGEN ET AL. Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie FACH B E ITR AG Variable B (SE) OR (95 % CI) p-Wert Constant 0,23 (0,26) 1,26 .38 Größe der Einrichtung (Referenz = mittel [48 -70 Kinder]) n klein (bis 47 Kinder) n groß (mehr als 70 Kinder) 0,49 (0,17) -0,27 (0,16) 1,62 (1,17 -2,26) 0,76 (0,56 -1,05) < .01 .10 Träger (Referenz = Kirchlich) n Kommunal n Frei n Sonstige -0,04 (0,18) -0,16 (0,18) -0,15 (0,26) 0,96 (0,68 -1,36) 0,85 (0,6 -1,2) 0,86 (0,52 -1,44) .80 .36 .25 Lage (Referenz = Mittelstadt) n ≤ große Kleinstadt n Großstadt -0,56 (0,22) 0,19 (0,15) 0,57 (0,37 -0,88) 1,21 (0,9 -1,62) < .05 .20 Einrichtungskonzept nicht inklusiv (Referenz = inklusiv) 1,49 (0,14) 4,45 (3,40 -5,83) < .001 Kita (Referenz = Anderer Einrichtungstyp) -0,24 (0,14) 0,79 (0,6 -1,04) .09 Verteilung Jungen (Referenz = mittel [49 -54 %]) n klein (0 -49 %) n groß (mehr als 54 %) 0,17 (0,16) 0,04 (0,16) 1,18 (0,87 -1,62) 1,04 (0,75 -1,44) .29 .81 Verteilung U3 (Referenz = mittel [13 -23 % U3]) n klein (0 -12 % U3) n groß (mehr als 23 % U3) -0,03 (0,2) 0,52 (0,15) 0,97 (0,66 -1,42) 1,68 (1,26-2,25) .86 < .001 Verteilung Risikokinder (Referenz ≥ 0 -8 %) n 0 n > 8 % 1,14 (0,16) -0,35 (0,16) 3,13 (2,27 -4,33) 0,71 (0,51 -0,98) < .001 < .05 Anteil Migrationshintergrund U3 (Referenz = 17 -38 %) n < 17 % n > 38 % 0,20 (0,18) 0,01 (0,19) 1,22 (0,87 -1,72) 1,01 (0,7 -1,46) .25 .95 Anteil Migrationshintergrund Ü3 (Referenz = 20 -44 %) n < 20 % n > 44 % -0,06 (0,18) -0,21 (0,19) 0,94 (0,66 -1,33) 0,81 (0,55 -1,18) .73 .27 Tab. 3 Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse mit der abhängigen Variable „Einrichtungstyp“ (1 = betreut noch keine KmB; 0 = betreut bereits KmB) Anmerkungen: N = 1263; N KmB = 743; N ohne KmB = 520; Cox & Snell R 2 = .23; Nagelkerke R 2 = .31 VHN 1 | 2021 34 RÜDIGER KISSGEN ET AL. Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie FACH B E ITR AG Variable B (SE) OR (95 % CI) p-Wert Constant -2,73 (0,49) 0,07 < .001 Größe der Einrichtung (Referenz = mittel [48 -70 Kinder]) n klein (bis 47 Kinder) n groß (mehr als 70 Kinder) 1,05 (0,29) 0,42 (0,32) 2,85 (1,63 -4,98) 1,52 (0,82 -2,85) < .001 .19 Träger (Referenz = Kirchlich) n Kommunal n Frei n Sonstige 0,06 (0,32) 0,13 (0,31) 0,38 (0,45) 1,06 (0,57-1,96) 1,14 (0,62 -2,08) 1,47 (0,60 -3,57) .86 .67 .40 Lage (Referenz = Mittelstadt) n ≤ große Kleinstadt n Großstadt -0,36 (0,44) 0,09 (0,27) 0,69 (0,29-1,66) 1,09 (0,65 -1,84) .41 .74 Einrichtungskonzept nicht inklusiv (Referenz = inklusiv) 1,22 (0,25) 3,38 (2,08 -5,47) < .001 Kita (Referenz = Anderer Einrichtungstyp) 0,30 (0,26) 1,35 (0,81 -2,23) .25 Verteilung Jungen (Referenz = mittel [49 -54 %]) n klein (0 -49 %) n groß (mehr als 54 %) -0,51 (0,28) -0,16 (0,29) 0,60 (0,35 -1,04) 0,85 (0,48 -1,50) .07 .58 Verteilung U3 (Referenz = mittel [13 -23 % U3]) n klein (0 -12 % U3) n groß (mehr als 23 % U3) -0,05 (0,38) -0,09 (0,26) 0,95 (0,45 -2,01) 0,91 (0,55 -1,53) .89 .73 Verteilung Risikokinder (Referenz ≥ 0 -8 %) n 0 n > 8 % -0,12 (0,27) -0,04 (0,32) 0,89 (0,52 -1,51) 0,96 (0,51 -1,81) .66 .90 Anteil Migrationshintergrund U3 (Referenz = 17 -38 %) n < 17 % n > 38 % 0,65 (0,29) -0,30 (0,36) 1,91 (1,07 -3,40) 0,74 (0,37 -1,50) .03 .41 Anteil Migrationshintergrund Ü3 (Referenz = 20 -44 %) n < 20 % n > 44 % -0,07 (0,30) 0,65 (0,37) 0,93 (0,51 -1,69) 1,91 (0,92 -3,94) .81 .08 Fehlende zeitliche Ressourcen 1,02 (0,38) 2,76 (1,31 -5,81) < .01 Fehlende räumliche Ressourcen 1,09 (0,26) 2,97 (1,79 -4,91) < .001 Tab. 4 Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse mit der abhängigen Variable „Möglichkeit, KmB zu betreuen“ (1 = eher nicht möglich; 0 = eher möglich) Anmerkungen: N = 458; N nicht möglich = 144; N möglich = 314; Cox & Snell R 2 = .21; Nagelkerke R 2 = .29 VHN 1 | 2021 35 RÜDIGER KISSGEN ET AL. Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie FACH B E ITR AG Untersuchungsfrage 2: In welchen Aspekten unterscheiden sich Einrichtungen, die noch keine Kinder mit Behinderung betreuen? Die Einrichtungen, die bisher noch keine KmB betreuen, konnten in zwei verschiedene Typen unterschieden werden: Einrichtungen, die die Aufnahme von KmB für „eher möglich“ oder für „eher nicht möglich“ halten. Die Leitungen wurden gefragt, warum bisher noch keine KmB aufgenommen wurden. Mehrfachnennungen der 13 vorgegeben Antwortoptionen waren möglich. Leitungen von Einrichtungen, die die Aufnahme von KmB für „eher nicht möglich“ halten, unterscheiden sich lediglich in vier Antwortkategorien nicht von Leitungen, die eine Aufnahme für „eher möglich“ halten. Zu diesen zählen die mit Abstand am häufigsten gewählte Antwort Keine Nachfrage (83 %) sowie Weitere Gründe oder Anmerkungen (14 %), Vorbehalte im Team (2 %) und Vorbehalte der bestehenden Elternschaft (2 %). Die restlichen neun Antwortkategorien werden signifikant häufiger (alle Chi 2 -Tests mit p < .05) von Leitungen genannt, die die Aufnahme von KmB für „eher nicht möglich“ halten: Fehlende räumliche Ressourcen, Zu wenig heilpädagogische Expertise im Team (Qualifikation), Fehlende personelle Ressourcen, Zu wenig Erfahrung im Umgang mit Kindern mit (drohender) Behinderung, Fehlende zeitliche Ressourcen, Andere Prioritäten in der Einrichtung, Fehlende Informationen (z. B. zu Beantragungsverfahren), Fehlende finanzielle Ressourcen und Nachteile für die anderen Kinder. Die Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse in Tabelle 4 zeigen, dass Einrichtungen, die eine Aufnahme eher nicht für möglich halten, eher klein sind (OR = 2,85; CI 1,63 - 4,98; p < .001), häufiger kein inklusives Einrichtungskonzept haben (OR=3,38; CI 2,08-5,47; p<.001) und einen niedrigeren Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in der U3-Betreuung aufweisen (OR = 1,91; CI 1,07 - 3,40; p < .05) als Einrichtungen, die es für möglich halten, KmB aufzunehmen. Zudem zeigen die Ergebnisse, dass fehlende zeitliche (OR = 2,76; CI 1,31 - 5,81; p < .01) und räumliche (OR = 2,97; CI 1,79 - 4,91; p < .001) Ressourcen häufiger von Einrichtungen genannt werden, die es nicht für möglich halten, KmB aufzunehmen. 4 Diskussion 4.1 Repräsentativität der Studie und Limitationen Die Ergebnisse der quantitativ-empirischen Onlinebefragung der RKS beziehen sich auf die teilnehmenden Kitas sämtlicher 26 LVR Mitgliedskörperschaften. Beurteilt nach der Lage der Kitas konnte eine repräsentative Teilnahme bezogen auf die regionale Verteilung im Einzugsgebiet des LVR erzielt werden. Für die Teilnahme hat sich sicherlich als erschwerend erwiesen, dass die Bearbeitung des Fragebogens zeitintensiv war (Median = 3,5 Stunden) und parallel zum Kita-Alltag von den Leitungen durchgeführt wurde. Die umfangreiche Gestaltung des Onlinefragebogens ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass die zunächst avisierten Grunddaten zu den Einrichtungen und den zum Zeitpunkt der Befragung in den Einrichtungen betreuten Kindern seitens des Auftraggebers aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zur Verfügung gestellt werden konnten. Kitas, die bereits KmB betreuen, sind in der vorliegenden Stichprobe überrepräsentiert. Eine naheliegende Erklärung hierfür ist, dass das Thema der Untersuchung besonders im Fokus von Einrichtungen mit KmB steht und es hier möglicherweise stärkere intrinsische Anreize gibt, durch die Teilnahme einen Beitrag zur Erforschung des Themas zu leisten. Es ist wichtig zu betonen, dass die Überrepräsentation dieser Einrichtungen in der Stichprobe Auswirkungen auf die Ergebnisinterpretation haben kann. Besonders bei der Beantwortung der ersten Untersuchungsfrage ist dies denkbar, da VHN 1 | 2021 36 RÜDIGER KISSGEN ET AL. Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie FACH B E ITR AG diese explizit auf Unterschiede zwischen den Einrichtungstypen abzielt. Aufgrund der unterschiedlichen Teilnahmebereitschaft können die Ergebnisse als eine Momentaufnahme einer sich im Wandel befindlichen strukturell diversen Einrichtungslandschaft interpretiert werden. Zukünftige Forschungsvorhaben in Zusammenarbeit mit behördlichen Instanzen sollten, unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen, bestehende relevante Datenbanken in die Analysen einbeziehen können, um weiterführende Analysen bezüglich der Repräsentativität der Stichproben zuzulassen. 4.2 Diskussion der Ergebnisse zur Untersuchungsfrage 1 Es zeigt sich, dass Einrichtungen, die noch keine KmB betreuen, eher kleinere Einrichtungen sind. Der Länderreport NRW der Bertelsmann Stiftung (2019, S. 2) dokumentiert, dass besonders in kleinen Kitas (< 45 Kinder) häufiger die Kita- Leitungen nicht für Leitungsaufgaben freigestellt sind (17,1 %). In großen Kitas (> 76 Kinder) sind es im Vergleich lediglich 4 %. Fehlende Leitungsressourcen können begünstigen, dass „[z]entrale Verantwortungsbereiche wie die Organisationsentwicklung, die Weiterentwicklung der pädagogischen Konzeption oder Kooperationen im Sozialraum“ (ebd., S. 12) nicht bzw. nur unzulänglich umgesetzt werden. In diesem Kontext könnte somit auch die Auseinandersetzung mit dem Thema Inklusion sowohl auf struktureller als auch pädagogisch-konzeptioneller Ebene zu kurz kommen. Aus Sicht der Kita-Leitungen fehlte zudem häufig für die Umsetzung von Inklusion geschultes Personal sowie eine angemessene materielle Ausstattung zur Betreuung von KmB. Ein weiterer Erklärungsansatz ist, dass eine langfristig sicherzustellende Betreuung von KmB kontinuierliche personelle und angemessene räumliche Ressourcen erfordert, die in kleineren Kitas schwieriger realisierbar sind als in großen. Zur Kompensation des mit der Betreuung von KmB verbundenen Mehraufwandes werden durch die FInK-Pauschale des LVR finanzielle Mittel zur Aufstockung von Fachkraftstunden bereitgestellt. Die Wirksamkeit dieser Finanzmittel stellt sich jedoch nur dann ein, wenn eine Kita mehrere KmB betreut. Betreut die Kita nur ein KmB, erhält sie auf Antrag die FInK-Pauschale in Höhe von 5.000 Euro pro Kindergartenjahr sowie eine höhere Kindpauschale (Anlage 1 KiBiz zu § 19). Folglich kann die Anstellung einer qualifizierten Fachkraft nur für wenige Stunden in der Woche für einen befristeten Zeitraum erfolgen, was eine solche Stelle aus Arbeitnehmersicht eher unattraktiv macht. Die FInK-Pauschale lohnt sich aus Sicht der Kita nur, wenn mindestens drei KmB regelmäßig betreut werden, da so langfristig stabile personelle Voraussetzungen für die Betreuung von KmB gewährleistet werden bzw. Gruppengrößen reduziert werden können. Des Weiteren zeigen die Befunde, dass Einrichtungen, die noch keine KmB betreuen, seltener in Kleinstädten liegen. Möglicherweise haben Einrichtungen in kleineren Städten einen größeren Einzugsbereich, sodass die Wahrscheinlichkeit, Betreuungsanfragen von Eltern mit einem KmB zu erhalten, höher sein könnte als in größeren Städten. Ebenso ist in Kleinstädten die Auswahlmöglichkeit für Eltern von KmB begrenzter als in größeren Städten. Ein weiterer Befund ist, dass Einrichtungen, die bislang keine KmB betreuen, häufiger das Thema Inklusion in ihren Einrichtungskonzepten nicht ansprechen als bereits inklusiv aufgestellte Einrichtungen. Daraus kann geschlossen werden, dass Kitas ohne KmB bislang keine konzeptionelle Auseinandersetzung zur Umsetzung von Inklusion vorgenommen haben. Auch eine niedersächsische Studie (Wiedebusch, Lohmann, Tasche, Thye & Hensen, 2015), bei der 112 Konzeptionen von Kitas in Stadt und Landkreis Osnabrück analysiert wurden, zeigt, VHN 1 | 2021 37 RÜDIGER KISSGEN ET AL. Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie FACH B E ITR AG dass Einrichtungen, die bislang keine KmB betreuen, seltener das Thema Inklusion in ihren Einrichtungskonzepten ansprechen als bereits inklusiv aufgestellte Einrichtungen. Gründe dafür könnten z. B. in bislang ausbleibenden Anfragen zur Aufnahme von KmB liegen. Eltern von KmB, die sich online über die Konzeptionen regional infrage kommender Kitas informieren, dürften sich eher von jenen Kitas angesprochen fühlen, die das Thema Inklusion in ihren Konzeptionen aufgreifen. Darüber hinaus betreuen Einrichtungen, die noch keine KmB aufgenommen haben, auch seltener Risikokinder. Hierbei stellt sich die Frage, ob sie tatsächlich weniger Risikokinder betreuen oder ob sie diese Kinder nicht bzw. weniger gut erkennen als Einrichtungen, die bereits KmB betreuen. Es gibt verschiedene Anhaltspunkte, die zur Beantwortung dieser Frage beitragen können. Zum einen könnte es sein, dass in Kitas, die noch nicht inklusiv arbeiten, noch kein angemessenes Wissen über Entwicklungsabweichungen bzw. -auffälligkeiten vorhanden ist. Ergebnisse der qualitativ-empirischen Vertiefungsstudie der RKS (Kißgen et al., 2019) zeigen zudem, dass pädagogische Fachkräfte häufig mit Widerständen seitens der Eltern- und Ärzteschaft konfrontiert sind, wenn es um das Feststellen bzw. Besprechen von Auffälligkeiten geht. Angesichts der immer vielfältigeren und umfangreicheren Anforderungen an die Fachkräfte, u. a. bedingt durch den U3-Ausbau, die heterogener werdende Zusammensetzung der Kita-Gruppen sowie den zusätzlichen Personalbedarf (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2018), fehlen beispielsweise immer öfter Zeitressourcen für Beobachtungen, Elterngespräche und Fördermaßnahmen. Vielleicht besteht aber auch in Einrichtungen, die bereits KmB betreuen, eine generell hohe Sensibilisierung gegenüber Entwicklungsabweichungen bei Kindern. Risikokinder könnten aber auch bewusst in Kitas angemeldet werden, die eine inklusive Ausrichtung besitzen, da sich die Eltern erhoffen, dass ihre Kinder dort aufgrund der vorhandenen Expertise gut betreut werden. Folglich kann dieser Befund sehr heterogen diskutiert werden und verdeutlicht, dass auch bezüglich Risikokindern mehr Forschung erforderlich ist. 4.3 Diskussion der Ergebnisse zur Untersuchungsfrage 2 Mit der zweiten Untersuchungsfrage wurden ausschließlich Einrichtungen in den Blick genommen, die bislang keine KmB betreuen. Mittels einer Clusteranalyse (s. 2.3.2) konnten unter diesen zwei Typen identifiziert werden - zum einen jene, die perspektivisch die Aufnahme von KmB als „eher möglich“ erachten, und zum anderen jene, für die dies „eher nicht möglich“ erscheint. Identisch zu den Ergebnissen der Untersuchungsfrage 1 zeigt sich auch in den Befunden zur Untersuchungsfrage 2, dass die Einrichtungen, die keine Möglichkeit für die Betreuung von KmB sehen, eher klein sind und häufiger kein inklusives Einrichtungskonzept haben. Somit kann vermutet werden, dass die bislang verfügbaren finanziellen Unterstützungsoptionen (Kindpauschale III b nach KiBiz; FInK- Pauschale), die insbesondere die flächendeckende Betreuung von KmB in Regeleinrichtungen im Wohnumfeld der Kinder und Familien begünstigen sollten, für kleinere Kitas keinen Anreiz bieten. Dies ist durchaus als problematisch zu bewerten, da Familien mit KmB durch diese Situation gezwungen sein könnten, lange Wege für die Betreuung ihrer Kinder in einer Kita in Angriff nehmen zu müssen, was diametral der Intention der zusätzlichen Finanzmittel für die Betreuung von KmB entgegensteht. Unabhängig von dieser Situation, die die eher kleinen Kitas betrifft, gibt es zudem keine gesetzliche Verpflichtung für Einrichtungsträger, Leitungen und Teams, sich mit dem Thema Inklusion auseinanderzusetzen. Die Erarbeitung einer an Inklusion orien- VHN 1 | 2021 38 RÜDIGER KISSGEN ET AL. Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie FACH B E ITR AG tierten Einrichtungskonzeption spielt bis heute bei der Prüfung, ob eine Betriebserlaubnis erteilt werden kann, keine Rolle. Des Weiteren zeigt sich, dass Einrichtungen, die bislang keine Möglichkeit der Betreuung von KmB sehen, häufig fehlende zeitliche und räumliche Ressourcen als Begründung anführen. Dieser Befund korrespondiert mit dem häufiger nicht vorhandenen Bezug zu Inklusion im Einrichtungskonzept und der Einrichtungsgröße. Falls die Kita-Leitungen unter fehlenden räumlichen Ressourcen beispielsweise auch kleinere Räume zur differenzierten bzw. individualisierten Kleingruppenarbeit verstehen, kann man nachvollziehen, dass größere Kitas mit einem besseren Raumangebot hinsichtlich der Aufnahme eines KmB bevorteilt sind. Einrichtungen, die es für eher nicht möglich halten, KmB aufzunehmen, negieren vor allem die Aufnahmeoption von Kindern mit Mehrfachbehinderung (97 %), mit rein körperlicher (70 %) oder mit rein geistiger Behinderung (71 %) (s. Tab. 2). Dieser Befund korrespondiert u. a. mit Studienergebnissen aus den USA, die aufseiten elementarpädagogischer Einrichtungen gegenüber der Betreuung von „children who may have mobility, visual, cognitive, behavioral, or other impairments“ (Mulvihill, Shearer & Van Horn, 2002, S. 212) Probleme dokumentieren. Gründe dafür könnten zum einen fehlende Ressourcen für eine fachlich fundierte professionelle Betreuungsmöglichkeit vor Ort sein. Zum anderen können auch mangelnde Vorerfahrungen sowie eine damit einhergehende skeptische Haltung gegenüber Inklusion eine Rolle spielen. Basierend auf internationalen Studienergebnissen heben Lee, Yeung, Tracey & Barker (2015) die Relevanz von Wissen gegenüber den besonderen Bedürfnissen von KmB hervor, wenn Inklusion erfolgreich umgesetzt werden soll. Erfahrungen in der Arbeit mit KmB oder spezifische Trainings können Mulvihill und Kollegen (2002) zufolge eine positive Wahrnehmung von Inklusion begünstigen. 4.4 Abschließende Betrachtung Zum Forschungsanliegen gehörte zum einen, Herausforderungen und Gelingensbedingungen für eine erfolgreich inklusiv arbeitende Kita zu identifizieren. Zum anderen sollte aus den Ergebnissen bezogen auf die Einrichtungen, die noch keine KmB betreuen, abgeleitet werden können, welche Hürden für eine Aufnahme von KmB gesehen werden und wie diese möglicherweise überwunden werden können. Im Rahmen der Online-Befragung wurden die teilnehmenden Kita-Leitungen mithilfe eines offenen Antwortformates befragt, welche zukünftige bzw. zusätzliche Unterstützung sie sich bei der Umsetzung von Inklusion wünschen (Kißgen et al., 2019). Sowohl Kita-Leitungen von Einrichtungen mit KmB als auch von Einrichtungen ohne KmB machten hierzu verschiedene Angaben, die in ihrer Häufigkeit bei beiden Gruppen sehr ähnlich waren. So wünschen sich 39 % aus beiden Gruppen mehr Personal, vor allem Fachpersonal, gefolgt von mehr Zusammenarbeit und Vernetzung mit unterstützenden Stellen, wie z. B. Fachtherapeutinnen und -therapeuten, Fachberatungen oder Frühförderstellen. Weiter besteht ein deutlicher Bedarf nach mehr Räumlichkeiten in Kitas, nach mehr Fortbildung für das Kita-Personal und nach weniger Bürokratie. Auf Grundlage der Ergebnisse erscheint es insbesondere für Einrichtungen, die noch keine KmB betreuen, ratsam, ein Netzwerk von relevanten Unterstützungsoptionen aufzubauen bzw. dieses zu verstärken. Die Träger und Fachberatungen spielen hierbei eine zentrale Rolle, auch um die Einrichtungsleitungen zu entlasten, besonders dann, wenn sie nicht für Leitungsaufgaben freigestellt sind. Die IVO-Studie des bayrischen Staatsinstituts für Frühpädagogik (Wölfl, Wertfein & Wirts, 2017) zeigt, dass je nach Umfang der Leitungsfreistellung die inklusive Gestaltung der Einrichtung mehr oder weniger vorangebracht werden kann. Aus Leitungssicht setzen sich VHN 1 | 2021 39 RÜDIGER KISSGEN ET AL. Ergebnisse der Rheinland-Kita-Studie FACH B E ITR AG integrativ arbeitende Teams zu 94 % gezielt mit dem Thema Inklusion auseinander, während dies in lediglich 60 % der nicht-integrativen Einrichtungen der Fall ist. Wie in der RKS geben auch in der IVO-Studie Kita-Leitungen an, dass für die Umsetzung von Inklusion geschultes Personal fehlt sowie eine angemessene materielle sowie bauliche Ausstattung zur Betreuung von KmB nicht im ausreichenden Maße zur Verfügung stehen. Grundsätzlich sollten Konzeptionsarbeit sowie Weiterbildungen zum Thema Inklusion frühzeitig stattfinden. Der Fokus sollte dabei stets auf die Qualifizierung und Mitarbeit des gesamten Teams gelegt werden (Kobelt-Neuhaus, 2001). Ebenso sollten inklusive Inhalte bundesweit in die Curricula der Ausbildungsinstitute und Universitäten implementiert werden, damit Inklusion in Kitas als Normalität erlebt werden kann. Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit, insbesondere diejenigen Kitas auf ihrem Weg zur Inklusion zu unterstützen, die bislang keine KmB betreuen, damit die Teilhabechancen für KmB verbessert werden können. Literatur Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.) (2018). Bildung in Deutschland 2018. 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