eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 90/2

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2021.art18d
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2021
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Fachbeitrag: „Wir sind eine normale Schule für normale Leute“

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2021
Martin Giese
Michaela Timberlake
Zusammenfassung: Die Studie verfolgt das Ziel, Exklusionserfahrungen zu rekonstruieren, die Kinder und Jugendliche mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Sehen in inklusiven Schulsettings erlebt haben, um aus dieser Perspektive abzuleiten, wie gemeinsames Lernen für Menschen mit und ohne Sehbehinderung möglichst barrierearm zu gestalten ist. An der Studie nahmen sechs Schülerinnen und vier Schüler teil, die das Ziel der allgemeinen Hochschulreife verfolgen, während der SEK I inklusiv beschult wurden und sich für die gymnasiale Oberstufe explizit für eine Beschulung an einer gymnasialen Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sehen entschieden haben. Die Ergebnisse, die in einem Zwei-Ebenen-Modell dargestellt werden, zeigen, dass alle Studienteilnehmer/innen der inklusiven Beschulung umfangreiche Exklusionserfahrungen gemacht haben. Neben schul- und unterrichtsorganisatorischen Barrieren erwiesen sich dabei vor allem die sozialen Beziehungen zu den Peers als besonders relevant.
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121 VHN, 90. Jg., S. 121 -135 (2021) DOI 10.2378/ vhn2021.art18d © Ernst Reinhardt Verlag „Wir sind eine normale Schule für normale Leute“ Exklusionserfahrungen und Ressourcen blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler in inklusiven Schulsettings Martin Giese Pädagogische Hochschule Heidelberg Michaela Timberlake Justus-Liebig-Universität Gießen Zusammenfassung: Die Studie verfolgt das Ziel, Exklusionserfahrungen zu rekonstruieren, die Kinder und Jugendliche mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Sehen in inklusiven Schulsettings erlebt haben, um aus dieser Perspektive abzuleiten, wie gemeinsames Lernen für Menschen mit und ohne Sehbehinderung möglichst barrierearm zu gestalten ist. An der Studie nahmen sechs Schülerinnen und vier Schüler teil, die das Ziel der allgemeinen Hochschulreife verfolgen, während der SEK I inklusiv beschult wurden und sich für die gymnasiale Oberstufe explizit für eine Beschulung an einer gymnasialen Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sehen entschieden haben. Die Ergebnisse, die in einem Zwei-Ebenen-Modell dargestellt werden, zeigen, dass alle Studienteilnehmer/ innen in der inklusiven Beschulung umfangreiche Exklusionserfahrungen gemacht haben. Neben schul- und unterrichtsorganisatorischen Barrieren erwiesen sich dabei vor allem die sozialen Beziehungen zu den Peers als besonders relevant. Schlüsselbegriffe: Blindheit und Sehbehinderung, Exklusionserfahrungen, Barrieren, qualitative Forschung, Bildungsentscheidungen “We Are a Normal School for Normal People” Experiences of Exclusion and Resources of High School Students with Visual Impairments in Inclusive Learning Environments Summary: The aim of the study is to reconstruct experiences of exclusion that high school students with visual impairments (VI) perceived in inclusive school settings. The results should help to understand from the perspective of students with VI how mainstream school settings for people with and without VI are to be designed as barrier-free as possible. Six female and four male students, who have been schooled inclusively during their school career and then made the decision to be educated in the upper Gymnasium (grammar school) participated in the present study. The results, which are presented in a two-level model, show that all study participants had extensive experiences of exclusion in inclusive schooling. In addition to school and teaching organizational barriers, the social relationships with peers proved to be particularly relevant. Keywords: Visual impairment, experiences of exclusion, higher education, qualitative research, educational decision-making FACH B E ITR AG VHN 2 | 2021 122 MARTIN GIESE, MICHAELA TIMBERLAKE Exklusionserfahrungen und Ressourcen blinder Schülerinnen und Schüler FACH B E ITR AG 1 Theoretischer Hintergrund Infolge der Ratifizierung der UN-Convention on the Rights of Persons with Disabilities (CRPD) durch die Bundesregierung ist auch das deutsche Bildungssystem dazu aufgerufen, einen Beitrag dazu zu leisten, die Ausgrenzung von marginalisierten und diskriminierten Gesellschaftsgruppen zu überwinden. In diesem Sinne wird der Inklusionsbegriff im internationalen Bildungsdiskurs üblicherweise verwendet, um eine Lernumgebung zu beschreiben, in der alle Lernenden unabhängig von persönlichen Lernstilen oder spezifischen Bedarfen im allgemeinen Unterricht gemeinsam unterrichtet werden (Haegele, 2019). Im Gegensatz zur deutschsprachigen Inklusionsdebatte, für die weiterhin noch nicht einmal eine „konsensfähige Definition dessen vorliegt, was denn nun unter Inklusion zu verstehen sei“ (Ahrbeck, 2014, S. 7; vgl. auch Cramer & Harant, 2014, S. 639; Musenberg & Riegert, 2015, S. 13), kann die normative Ausrichtung an diesem bildungspolitischen Paradigma im angloamerikanischen Verständnis als weitestgehend unhinterfragt bezeichnet werden, was Yell (1995) bereits vor geraumer Zeit feststellt. Atkins (2016) weist allerdings darauf hin, dass bildungspolitische Rahmenvorgaben, die Teilhabe fördern sollen, auf einer individuellen Ebene negative Inklusionserfahrungen provozieren können, die wir in diesem Beitrag als Exklusionserfahrungen bezeichnen, wenn Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SmF) ihre individuellen Erfahrungen im allgemeinen Unterricht anders subjektiv konstruieren und bewerten, als es die bildungspolitischen Rahmenvorgaben intendieren. Da weltweit immer mehr SmF in inklusiven Kontexten unterrichtet werden, ist es nach unserer Ansicht von zentraler Bedeutung, diese individuellen „Bruchlinien der Inklusion“ (Haegele, Giese, Wilson & Oldörp, 2020) unter empirischen Gesichtspunkten und explizit aus der Perspektive von SmF möglichst präzise zu bestimmen, um in einem späteren Schritt Gelingensbedingungen herauszuarbeiten, die dazu beitragen, dass inklusiver Unterricht gerade auch aus der Perspektive der sog. Betroffenen als inklusiv erlebt wird (Giese 2019 a, S. 3). Inklusion wird in diesem Zugriff nicht auf eine Reihe von äußerlich beobachtbaren Organisations- und Verlaufsmerkmalen reduziert, die - häufig in der wirkungsmächtigen Tradition des Index für Inklusion (Booth & Ainscow, 2011) - oberflächlich mithilfe von Checklisten (Hessisches Kultusministerium, 2016) oder in Form von Ratingskalen (Lieberman, Brian & Grenier, 2019) erfasst werden. Inklusion bezieht sich hier vielmehr auf subjektive Erfahrungen, die explizit aus der Perspektive der sog. Betroffenen mit qualitativen Forschungsmethoden von innen heraus freigelegt werden, um potenzielle Inklusionshemmnisse zu dekonstruieren (Giese, 2019 b, S. 97). Dieses Inklusionsverständnis ist an die Interpretation von Stainback und Stainback (1996) angelehnt, die Inklusion als Zugehörigkeit, Akzeptanz und Wertschätzung aus der Perspektive der marginalisierten Person modellieren. Der Frage nach Exklusionserfahrungen wird in diesem Beitrag am Beispiel von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt Sehen (FSS) nachgegangen, dem in absoluten und in prozentualen Zahlen kleinsten Förderschwerpunkt mit einer Förderquote von 0.13 % (Kultusministerkonferenz, 2020, XV) 1 . Besuchten 2018 insgesamt 42.3 % aller SmF allgemeine Schulen, waren es im FSS bundesweit 51,1 %. Eine weitere Besonderheit des FSS ist, dass der Inklusionsanteil 2 je nach Bundesland stark variiert: So beträgt er in Schleswig-Holstein 100 %, während er in Hessen 2018 bei 17.5 % liegt 3 . Die geringen Schülerzahlen, die großen regionalen Unterschiede sowie die Problematik, dass die Zahl an qualifizierten Lehrkräften im FSS deutlich zu gering ist (Ravenscroft & Giese, 2020), lassen vermuten, dass die sonderpädagogische Expertise nicht flächendeckend VHN 2 | 2021 123 MARTIN GIESE, MICHAELA TIMBERLAKE Exklusionserfahrungen und Ressourcen blinder Schülerinnen und Schüler FACH B E ITR AG in gleicher Qualität zur Verfügung steht. Wird vor diesem Hintergrund eine Beschulung in einer Spezialeinrichtung angestrebt, muss diese in der Regel in einem Internat erfolgen, was auch bei allen Probanden in der Studie der Fall ist. Strategien zu entwickeln, wie die Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit dem FSS (KJ-FSS) an der allgemeinen Schule besser als bisher gelingen kann, erscheint angesichts der referierten Besonderheiten von großer Relevanz. Zielperspektive des Beitrags ist vor diesem Hintergrund, individuell wahrgenommene Exklusionserfahrungen im inklusiven Schulsystem zu identifizieren, um gemäß Artikel 8 der CRPD (awareness raising) dafür zu sensibilisieren, wie gemeinsame Schulsettings für Schülerinnen und Schüler mit und ohne Förderschwerpunkt Sehen möglichst barrierearm gestaltet werden können. 2 Forschungsstand In der internationalen Forschungsliteratur zeigt sich bei Bishop und Rhind (2011), dass Exklusionserfahrungen bei KJ-FSS - unabhängig von der Institution sowie dem Besuchsjahr der (Hoch-)Schule - häufig durch einen Mangel an qualifizierten Lehrkräften entstehen. Im schulischen Alltag erweist es sich zudem als problematisch, wenn barrierearme Lernmaterialien aufgrund kurzfristiger Unterrichtsplanung nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden können. Auch weite Wege in den Bildungseinrichtungen werden problematisiert sowie nicht funktionierende Absprachen mit den Lehrkräften (Hewett, Douglas, McLinden & Keil, 2017; McCarthy & Shevlin, 2017; Whitburn, 2014). Obwohl die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften grundsätzlich als hilfreich angesehen wird, verbleibt ein Großteil der Verantwortung für den eigenen Lernprozess bei den KJ-FSS selbst. Dieser Befund wird auch von Jessup, Bundy, Broom und Hancock (2018), von Verdier (2016) sowie von Whitburn (2014) betont. KJ-FSS agieren häufig als einzige Fürsprecher in der eigenen Sache (Hewett et al., 2017). Außerdem wird die mangelhafte technische Ausstattung beklagt (Simui, Kasonde- Ngandu, Cheyeka, Simwinga & Ndhlovu, 2018): „A lot of Maths teaching is visual“; „I did not know of programs which would allow me to write the proper [mathematics] notations […] nor was my screen reader capable of reading these back at the time“ (McCarthy & Shevlin, 2017, S. 1017). Insgesamt benötigen KJ-FSS durch eine unzureichende technische Ausstattung, unzugängliche Lernmaterialien und eine fehlende langfristige Unterrichtsplanung mehr Zeit für das Lernen als sehende Peers (Jessup, Bundy, Hancock & Broom, 2018), was bisweilen auch zum Verlust von Peer-Kontakten führt (Hewett et al., 2017), wobei die benannten Probleme im Laufe der Schulbesuchsjahre in der Regel zunehmen (Verdier & Ek, 2014). Verdier (2016) sowie Jessup, Bundy, Hancock und Broom (2018) betonen in Ergänzung dazu die Wichtigkeit sozialer Beziehungen. Als gut inkludiert gelten Schülerinnen und Schüler, die ein hohes Maß an Durchhaltevermögen, sozialer Kompetenz und überdurchschnittliche kognitive Fähigkeiten aufweisen. Darüber hinaus konnten Jessup, Bundy, Broom und Hancock (2018) zeigen, dass viele KJ-FSS Erfahrungen mit Mobbing durch Peers und/ oder Lehrkräfte machen und es ihnen an individuellen Strategien mangelt, angemessen damit umzugehen. Zudem wird der Umgang mit sonderpädagogischen Diensten wie beispielsweise ambulanten sonderpädagogischen Fachkräften oder persönlichen Assistenzen überaus ambivalent sowohl als Ressource (Manitsa & Doikou, 2020) als auch als Barriere erlebt, was Böing (2014) auch für deutschsprachige Schüler/ innen mit dem FSS zeigen konnte. In der Langzeitstudie (1. bis 9. Klasse) von Verdier (2016) zeigte sich, dass die pädagogischen Maßnahmen der Lehrkräfte zur VHN 2 | 2021 124 MARTIN GIESE, MICHAELA TIMBERLAKE Exklusionserfahrungen und Ressourcen blinder Schülerinnen und Schüler FACH B E ITR AG sozialen Inklusion von KJ-FSS mit steigender Klassenstufe kontinuierlich schlechter funktionieren. Als schulisch besonders problematisch werden dabei vielfach naturwissenschaftliche Fächer sowie der Sportunterricht beschrieben (Bödicker, 2020; Lang & Heyl, 2012, S. 110). Insgesamt ist zu erwähnen, dass viele dieser Kinder und Jugendlichen in der inklusiven Beschulung Gefühle des Allein- und Andersseins erleben (Bödicker & Akbaba, 2021; Ruin, Giese & Haegele, 2021) und von psychosomatischen Beschwerden berichten, die durch die Nacharbeit von Unterrichtsinhalten sowie das als problematisch erlebte soziale Verhältnis zu Peers entstehen (Wong, Machin, Tan, Wong & Saw, 2009). Zu den subjektiven Konstruktionen von Exklusionserfahrungen von KJ-FSS am Übergang zur SEK II liegen bisher keine Studien vor. 3 Studiendesign Vor diesem Hintergrund strebt das Forschungsprojekt an, subjektive Konstruktionen von Exklusionserfahrungen von Kindern und Jugendlichen mit dem FSS in der inklusiven Beschulung zu rekonstruieren. Mit Blick auf die skizzierten Vorüberlegungen stellen sich zwei übergeordnete Forschungsfragen: a) Wie konstruieren KJ-FSS ihre inklusiven Schulerfahrungen? b) Mit welchen Exklusionserfahrungen gehen diese Konstruktionen einher? Methodologischer Ausgangspunkt der explorativen Studie war das Bemühen um eine Forschungsperspektive, die in detaillierten Beschreibungen dem „Alltagshandeln der Gesellschaftsmitglieder in unterschiedlichen Situationen“ (Flick, Kardorff & Steineke, 2015, S. 106), hier dem Unterricht in der allgemeinen Schule bis zum mittleren Schulabschluss (Mittlere Reife, Realschulabschluss), nachspürt. Bei diesen Beschreibungen geht es „nicht um eine Verdoppelung oder um ein ‚Abbild‘ der Wirklichkeit“ (ebd.), sondern um die Re-Konstruktion sozialer Wirklichkeit(en) anhand der Analyse der gewonnenen Daten mit qualitativen Erhebungs- und Analyseverfahren (vgl. Kap 3.2). 3.1 Stichprobe Die Daten wurden im April 2019 an einer staatlich anerkannten Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sehen in privater Trägerschaft in Hessen erhoben. Die Schule folgt einem zielgleichen Schulkonzept mit dem Ziel der allgemeinen Hochschulreife. Es handelt sich um das einzige grundständige Gymnasium (ab Jahrgangsstufe 5) für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler im deutschsprachigen Raum. Aufgrund des großen Einzugsgebiets verfügt die Schule über ein Internat, das bis auf wenige Ausnahmen von allen Schülerinnen und Schülern besucht wird. Insgesamt nahmen an der Studie sechs Schülerinnen und vier Schüler im Alter zwischen 17 und 19 Jahren (Durchschnitt: 18; 5 Jahre) der gymnasialen Oberstufe (Jahrgangsstufe 12) teil. Alle Probanden bzw. ihre Sorgeberechtigten gaben ihr Einverständnis zur Teilnahme an der Studie auf der Grundlage einer detaillierten, schriftlichen Studieninformation. Die Namen wurden bei den wörtlichen Zitaten pseudonymisiert. Alle Proband/ innen planen, das hessische Zentralabitur abzulegen, besuchen zum Zeitpunkt der Datenerhebung das Internat und gelten gemäß der sozialrechtlichen Klassifikation mindestens als sehbehindert. Es liegen keine zusätzlichen Behinderungen vor. Da die Studie Exklusionserfahrungen in der inklusiven Beschulung identifizieren möchte, nahmen ausschließlich Personen teil, die während der gesamtem SEK I wohnortnah an allgemeinen Schulen inklusiv beschult wurden und sich am Übergang zur SEK II explizit für den Wechsel auf eine Förderschule und die damit verbundene Internatsunterbringung entschieden haben. VHN 2 | 2021 125 MARTIN GIESE, MICHAELA TIMBERLAKE Exklusionserfahrungen und Ressourcen blinder Schülerinnen und Schüler FACH B E ITR AG Bildungsentscheidungen sind zwar „seit Längerem ein zentrales Thema der Bildungsforschung“ (Rabenstein & Gerlach, 2016, S. 206), SmF wurden dabei bisher aber kaum berücksichtigt. Diese Bestandsaufnahme gilt auch am institutionellen Übergang von der SEK I zur SEK II, „obwohl gerade am Übergang in die SEK II ein erhöhtes Exklusionsrisiko aus dem Schulsystem besteht“ (Felbermayr, 2019, S. 179). 3.2 Datenerhebung und -auswertung In Anlehnung an Rabenstein und Gerlach (2016) werden Bildungsentscheidungen für oder gegen die inklusive Schule nicht als Kosten-Nutzen- Abwägungen, sondern als Optimierungsprozesse angesehen, die die gesamte Schullaufbahn durchziehen. Zur Rekonstruktion dieser Optimierungsprozesse wird das episodische Interview verwendet (Flick, 2011), das im Hinblick auf die weiter oben diskutierten inhaltlichen und methodologischen Überlegungen auf „Veränderungen aus der Sicht der Befragten abzielt, ohne jedoch einen eindeutigen und ausschließlichen Fokus auf biographische Prozesse zu legen“ (ebd., S. 278). Das episodische Interview zielt „auf Erzählungen von Situationen ab, in denen Interviewpartner bestimmte Erfahrungen gemacht haben“ (ebd., S. 274) und wurde auch deshalb gewählt, weil der Interviewer neben seiner Funktion als Forscher als Lehrkraft an der Schule arbeitet und alle Proband/ innen zum Zeitpunkt der Erhebung bereits als Klassenlehrer unterrichtet hatte. Die persönliche Beziehung soll einen tieferen Zugriff auf individuell relevante Exklusionserfahrungen im allgemeinen Schulsystem ermöglichen, die sich in den episodischen Erzählungen manifestieren. Alle Interviews wurden digital aufgezeichnet und transkribiert. Die Auswertung erfolgte mithilfe der Software MAXQDA 2020 anhand der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse, was für die Auswertung episodischer Interviews explizit empfohlen wird (Kuckartz, 2016, S. 98). In der Oberkategorie Allgemeine Aussagen wurden Ressourcen und Barrieren zum gemeinsamen Unterricht erfasst, die sich in den subjektiven Rekonstruktionen der Schülerinnen und Schüler zeigen. Die weiteren Oberkategorien Soziale Beziehungen, Unterrichtsorganisation sowie Sonderpädagogische Dienste wurden in Anlehnung an den Forschungsstand sowie das Vorwissen der Forscher/ innen gebildet. Die Ausdifferenzierung des Kategoriensystems mit den Subkategorien erfolgte in einem mehrstufigen Prozess (vgl. Abb. 1), indem das Vorwissen sowie situative Charakteristika der Interviewsituation in abduktiver Forschungshaltung, in direktem Bezug zum Interviewmaterial und zum Forschungsstand herausgearbeitet wurden (vgl. hierzu Ruin, 2019). In den Codierprozess waren zwei unabhängige Codierer involviert, wobei zu Beginn des Prozesses Teile des Materials mehrfach codiert wurden. Zur Herstellung einer Übereinstimmung der Codings wurde ein „prozedurales Vorgehen“ im Sinne eines konsensuellen Codierens gewählt (Kuckartz, 2016, S. 44). Abb. 1 Codesystem Codesystem Ressourcen Barrieren Mobbing durch Peers Mobbing durch Lehrkräfte Unterstützung Arbeitstechniken Räume & Wege Gruppengröße & Nachteilsausgleich Assistive Technologien Persönliche Assistenz Ambulanter sonderpädagogischer Dienst Allgemeine Aussagen Soziale Beziehungen Unterrichtsorganisation Sonderpädagogische Dienste VHN 2 | 2021 126 MARTIN GIESE, MICHAELA TIMBERLAKE Exklusionserfahrungen und Ressourcen blinder Schülerinnen und Schüler FACH B E ITR AG 4 Ergebnisse und Diskussion Die nachfolgende Darstellung der Ergebnisse sowie deren Diskussion orientieren sich an den formulierten Oberkategorien. 4.1 Allgemeine Aussagen zur inklusiven Beschulung Bei der allgemeinen Frage nach Ressourcen und Barrieren in der inklusiven Beschulung berichten sieben Studienteilnehmer/ innen, dass die individuellen Exklusionserfahrungen im Laufe der Schulzeit und insbesondere im Kontext von Bildungsübergängen zunehmen. „Ja. Also, früher in der Grundschule war ja noch alles normal. Da war ja noch alles gut. Da habe ich mich mit jedem wirklich gut verstanden, bin mit jedem gut ausgekommen. Und umgekehrt war es genauso. Und in der Realschule wendete sich dann das Blatt“ (Tim #81). Während die inklusive Beschulung teilweise auch in den Jahrgangsstufen 5 und 6 noch als unproblematisch beschrieben wird, nimmt die Wahrnehmung von Barrieren spätestens ab der 7. Jahrgangsstufe sukzessive zu, um im Hinblick auf Abschlussprüfungen zu eskalieren. „Also Schlüsselerlebnis war auch einfach, dass das Prüfungsjahr an der Realschule sehr, sehr stressig war. Also wirklich richtig stressig war. Wo ich dann wirklich um fünf Uhr morgens aufgestanden bin, um die Hausaufgaben zu machen und abends bis um zehn gelernt habe, dass ich irgendwie alles hinkriege. Das war dann wirklich viel, viel stressiger“ (Franziska #148). Wie Jessup, Bundy, Broom und Hancock (2018) zeigen, erweist sich privates Zusatzengagement - teilweise mit Unterstützung durch Eltern oder Freunde - dabei als die wichtigste Ressource, um diese Barrieren zu überwinden. Kian berichtet beispielsweise, dass, wenn er etwas im Unterricht nicht gesehen hat, „mein Kumpel es mir gegeben [hat], der neben mir saß, und ich habe sozusagen das abgeschrieben, was ich nicht gesehen habe, ich habe zugehört, und zusätzlich noch mal zu Hause alles nachgearbeitet“ (Kian #37). In diesem Sinne berichten fast alle Befragten von einem enormen Zeitaufwand, der - über die Hausaufgaben hinaus - für die Nachbereitung des Unterrichts erforderlich war. „Aber wenn du neun Stunden Schule am Tag hast und lernen musst und Hausaufgaben hast, dann geht das irgendwann einfach nicht mehr. Und dann hat mir auch ziemlich viel Stoff gefehlt, vor allem in Mathe und so“ (Anna #27). Das private Unterstützungssystem kommt im Laufe der Zeit allerdings an seine Grenzen, was sich in einem exponenziellen Stresserleben äußert. Kian (#135) berichtet davon, dass der Druck so weit zunahm, dass „ich dann irgendwann wirklich zusammengebrochen bin, und ich war fix und fertig mit den Nerven, gerade wegen der Sehbehinderung, mit der ganzen Situation umzugehen, und dann noch den ganzen Schulstress“. In vier Interviews wird von einem Zusammenhang zwischen dem Grad der Sehbehinderung sowie dem empfundenen Leidensdruck berichtet bzw. davon, dass der Leidendruck zunimmt, wenn es zu einer Sehverschlechterung kommt. „Wo es dann halt auch einfach schwieriger wurde, wo man auch sagen muss, dass dieses ganze Hin und Her eben mit der Sehverschlechterung […] mich halt einfach ziemlich runtergezogen hat. Und wenn ich dann im Unterricht saß und zum Beispiel was nicht an der Tafel lesen konnte, ich habe teilweise einfach losgeweint. […] Und ja, wie gesagt, wo man einfach, wo man ganz klar sagen muss, dass diese Belastung dadurch, dass eben das Ganze unklar war und dadurch, dass halt diese Sehverschlechterung da war, dass die halt einfach da auch nochmal eher negativ gewirkt hat“ (Susanne #141). VHN 2 | 2021 127 MARTIN GIESE, MICHAELA TIMBERLAKE Exklusionserfahrungen und Ressourcen blinder Schülerinnen und Schüler FACH B E ITR AG In allen Interviews wird die Unterrichtsorganisation direkt oder indirekt als eine zentrale Barriere benannt (vgl. Kap. 4.3). Zudem erscheint der Sportunterricht als eine Art Katalysator, weil sich die Probleme in ihm auf einer Art und Weise leiblich bündeln, wie es in anderen Schulfächern nicht der Fall ist (Giese, 2021; Lang & Heyl, 2012): „Also, ich fand die Hauptbarrieren waren die Struktur des Unterrichts. Und der Sportunterricht. Und das Vorlesen. Also, das waren so drei Sachen, die mir halt extrem aufgefallen sind“ (Anna #23). Zu erwähnen ist auch der ambivalente Befund, dass alle Befragten die Zeit an der allgemeinen Schule trotz überwiegend negativer Erfahrungen als eine wichtige Lebens- und Lernerfahrung beschreiben, „weil gerade an der Uni oder im späteren Job gibt es vielleicht auch nicht so viele Leute, die sich jetzt explizit auf einen konzentrieren oder gucken, dass der irgendwie die Sachen so mundgerecht serviert bekommt, wie er sie braucht. Deswegen war das - es war keine schöne Erfahrung, aber es war dennoch eine Erfahrung, aus der man lernen konnte, sage ich mal, für das spätere Leben“ (Max #133). 4.2 Soziale Beziehungen Die Interviews zeigen aber auch deutlich, dass die individuellen Exklusionserfahrungen primär über die sozialen Beziehungen zu den Mitschüler/ innen und den Lehrkräften konstruiert werden und zu Barrieren auf einer sozial-emotionalen Beziehungsebene führen können. Im Hinblick auf die Lehrkräfte ist auffällig, dass zwei Drittel aller Befragten den Eindruck gewonnen haben, dass ihre Lehrkräfte über keine bzw. eine unzureichende sonderpädagogische Expertise verfügen, „weil nur, weil du alleine weißt, wie es funktioniert, heißt das ja nicht, dass deine Klasse oder dein Lehrer weiß, wie er damit umgehen kann“ (Anna #89). In Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Lang und Heyl (2012, S. 113) berichtet die Hälfte der Befragten aber auch davon, dass die Lehrkräfte an der allgemeinen Schule nicht bereit dazu waren, sich auf die Situation einzustellen, und zu einer Belastung werden, „wenn sie sich auf die Sehbehinderung nicht einlassen und sich damit, denke ich, auch überfordert fühlen“ (Franziska #162). So war das Handeln der Lehrkräfte neben der fehlenden Expertise auch von Intoleranz, Gleichgültigkeit oder aktiver Ausgrenzung geprägt, wenn Katharina im Sportunterricht „meistens irgendwie nie mitgemacht [hat]. Weil die Lehrerin meinte, ja, siehst du ja eh nicht, dann mach lieber nicht mit“ (Katharina #25). Die aktive Behinderung durch die Lehrkraft ging in der Wahrnehmung von sechs Interviewten so weit, dass die Anfertigung von Material explizit verweigert wurde. Sogar das Benutzen von sonderpädagogischen Hilfsmitteln wurde ausdrücklich verboten, „weil die Lehrer nicht wollten, dass ich das System benutze. Vor allen Dingen grade das mit dem Laptop, dass ich da ja was anderes machen könnte oder irgendwelche Spiele drauf spielen könnte. Ja, ich könnte ja Aufnahmen machen oder wie auch immer“ (Susanne #65). Die Verantwortung für die teilweise dramatische Unterversorgung der KJ-FSS mit adäquaten Unterrichtsmaterialien wird - in einer geradezu zynischen Umkehr der Verantwortlichkeiten - den Schülerinnen und Schülern zugewiesen, wenn beispielsweise bei Kian Arbeitsblätter in einer zu kleinen Schrift ausgeteilt werden: „Ich habe gesagt: ‚Was soll ich jetzt machen? Ich kann das gar nicht lesen. Soll ich jetzt irgendwie rausgehen? Soll ich zuhören? Was soll ich machen? ‘ Und er: ‚Ja, da kann ich ja nichts dafür, wenn du nicht, wenn du schlecht siehst.‘ Meinte ich: ‚Ja, aber Sie sind Lehrer, Sie sollen mich fördern. Ich will hier was lernen‘“ (Kian #45). VHN 2 | 2021 128 MARTIN GIESE, MICHAELA TIMBERLAKE Exklusionserfahrungen und Ressourcen blinder Schülerinnen und Schüler FACH B E ITR AG Sowohl für die erste als auch für die zweite Phase der Lehrkräfteausbildung zeigen sich hier vielfältige Forschungsdesiderate (Ahrbeck & Giese, 2020), um zu klären, wie eine diversitätssensible „Veränderung im Selbstverständnis von Lehrkräften“ gelingen kann, die nach Lang und Heyl (2012, S. 114) „bereits in der Lehrer/ innenausbildung ansetzen“ muss. Neben den Beziehungen zu den Lehrkräften konstruieren die Proband/ innen ihre Exklusionserfahrungen allerdings in erster Linie über ihre Peerkontakte. So wird in beinahe allen Interviews von Ablehnung durch die Peers sowie von aktiven Mobbinghandlungen berichtet, wenn beispielsweise Sarah „beim Sport dann halt öfters abgeworfen wurde, einfach weil es so witzig ist, einfach die Blinde abzuwerfen, die sich halt eh nicht wehren kann, die halt auch keine Freunde mehr hatte. Genau“ (Sarah #123). In drei Fällen wussten die Lehrkräfte vom Mobbing der Peers, haben aber nichts unternommen oder wurden sogar als Verstärker der Situation wahrgenommen: „In Mathe, zum Beispiel: ‚Ja, das sieht ja ein Blinder mit einem Krückstock.‘ Und das natürlich vor meinen Mitschülern. Da haben sie dann direkt schon wieder gemerkt: ‚Aha, jetzt haben wir da einen Lehrer, der das Ganze auch so sieht, wie wir! Kann man mit diesem irgendwie zusammenkommen oder, ja, irgendwie kooperieren‘“ (Tim #97). Gleichzeitig zeigt sich aber auch bei den Peerbeziehungen ein ambivalentes Bild. Wo von funktionierenden Freundschaften berichtet wird, werden gerade diese als eine besonders wichtige Ressource beschrieben: „Aber dadurch, dass meine Freundin mich so gut unterstützt hat, war das halt echt super. Also ohne sie hätte ich das nie im Leben so geschafft. So, sie hat viel vorgelesen von der Tafel, wenn ich es mal nicht mitgekriegt habe. […] Ich habe von ihr sämtliche Sachen kopiert bekommen, die ich dann nachholen konnte. Das war halt schon echt genial“ (Franziska #126). 4.3 Unterrichtsorganisation Im Hinblick auf die Subkategorien Arbeitstechniken, Räume & Wege, Gruppengröße und Nachteilsausgleich berichten alle Befragten von Exklusionserfahrungen, die vorrangig im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich sowie im Sportunterricht wahrgenommen wurden (Lang & Heyl, 2012, S. 110). So beschreibt Anna, dass es schwierig sei, „wenn du in Mathe dann, unter dem Lesegerät auf dickem Papier irgendwie Parabeln zeichnen musst“ (Anna #77), und Franziska schildert, dass sie keine Pastellfarben sehen könne, in „Klausuren aber ganz viel mit Farben markiert [war]. Und die Aufgaben hatte ich alle immer komplett falsch“ (Franziska #42). Auch berichten alle Befragten von einer unzugänglichen Präsentation von Unterrichtsinhalten und einem kaum möglichen Anfertigen von Mitschriften. Auch extra erstellte DIN-A3- Kopien waren teilweise nicht zu gebrauchen, weil der „Tisch war ungefähr, was weiß ich, so lang wie ein DIN-A4-Blatt. Wie soll ich da mit einem A3-Blatt und einem Heft und noch irgendwas arbeiten? “ (Julius #103) oder „die Lehrer haben oft vergessen, was groß zu kopieren“ (Max #33). Zudem war das „An-die- Tafel-Gucken, also der Frontalunterricht jetzt in Form von Tafel abschreiben […] halt immer schon ziemlich schwierig“ (Susanne #25), was von den Befragten auch für den Unterricht mit Overheadprojektor oder Beamer beklagt wurde. Von problematischen Situationen berichten die Befragten auch im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Hilfsmitteln, die die Unzulänglichkeiten des primär visuell orientierten Frontalunterrichts nicht ausgleichen können. „Ja also, Barriere war auf jeden Fall auch. Die hatten einen Beamer. Und ich hatte zwar die Tafelkamera. Aber die hatte halt nicht so eine tolle Auflösung, dass man das damit richtig sieht“ (Franziska #126). VHN 2 | 2021 129 MARTIN GIESE, MICHAELA TIMBERLAKE Exklusionserfahrungen und Ressourcen blinder Schülerinnen und Schüler FACH B E ITR AG Auch der Wechsel der Lehrkräfte, der bisweilen aufwendige Transport von Hilfsmitteln, das Fachraumprinzip und die damit verbundenen Raumwechsel werden als problematisch beschrieben, „weil ich nie wusste, wo ich hinmusste. Und ich war immer richtig gestresst. […] Du musstest irgendwie immer dich beeilen, damit du den Anschluss nicht verlierst, weil du sonst einfach nicht mehr zurechtkommst“ (Katharina #65). „Klar, dieses ganze Rumschleppen und Aufbauen, Abbauen kostet halt einen auch immer Zeit. Man kann nicht immer gleich sofort in die Pause mit den anderen spielen gehen, sondern muss noch die wieder in einem extra Raum abschließen gehen und so. Das ist halt schon aufwendig“ (Max #91). In diesem Zusammenhang werden auch abschließbare Schränke ambivalent bewertet. Einerseits wurde positiv erwähnt, dass sich der Klassenlehrer dafür eingesetzt hat, „dass ich einen Schrank bekomme, […] weil die ganze Zeit hin und her, hin und her, das ist irgendwann ätzend“ (Kian #87), andererseits musste der Laptop aber auch „eingeschlossen werden […]. Und das hat auch immer alle abgefuckt, weil die Lehrer kommen ja später und normalerweise bleibt man ja drin. Und das hat auch irgendwie immer zu Komplikationen geführt“ (Katharina #57). Zudem thematisiert Susanne (#189), „dass einfach die Klassen zu groß sind“ und „dass eben, wenn man so eine große Klasse ist, dass man sich eben nicht so auf einen Schüler konzentrieren konnte“ (Max #33). Darüber hinaus berichten viele Befragte von Barrieren bei der Gewährung des Nachteilsausgleichs, der bei Arbeiten entweder verweigert oder zu niedrig angesetzt wurde: „[…] also ich hatte keine Zeitverlängerung bei den Klausuren, ich habe alles in der Regelzeit mitgeschrieben, hatte aber natürlich viel weniger Bearbeitungszeit, weil ich einfach für das Lesen viel länger gebraucht habe“ (Anna #23). Die Erfahrungen von Larissa deuten darauf hin, dass auch schulorganisatorische Barrieren bei der Gewährung des Nachteilsausgleichs bestehen und Lehrkräfte sich daraufhin aktiv dagegen sperren, den Nachteilsausgleich zu gewähren: „Also ich hatte meinen Klassenlehrer, der war eigentlich der Schlimmste, der hat dann am Schluss halt - wollte Nachteilsausgleich irgendwie bei den Arbeiten nicht mehr, das war dem irgendwie zu anstrengend. Also ich habe ja eigentlich immer länger gekriegt. Und einmal war das so, die hatten 60 Minuten Zeit, dann hätte ich 90 gekriegt. Und er hat dann alle 90 schreiben lassen“ (Larissa #63). Die Interviews zeigen, dass alle Befragten teilweise massive schul- und unterrichtsorganisatorische Exklusionserfahrungen erlebt haben. Gleichzeitig zeigen sich allerdings auch hier ambivalente Momente, wenn die Einschätzung, wie stark diese Barrieren tatsächlich als Behinderung wahrgenommen werden, sehr davon abzuhängen scheint, welche informellen (Peers und Eltern) bzw. schulischen (Lehrkräfte, ambulanter sonderpädagogischer Dienst, persönliche Assistenz) Ressourcen zur Verfügung stehen, um diese Barrieren zu überwinden. Unberührt davon bleibt die individuelle Wahrnehmung, dass die Überwindung der Barrieren - wie vorne diskutiert wurde - an enorme zusätzliche Belastungen gebunden ist. 4.4 Sonderpädagogische Dienste Als problematisch bzw. ambivalent werden in den Interviews auch sonderpädagogische Dienste wie ambulante sonderpädagogische Beratungslehrkräfte oder persönliche Assistenzen beschrieben, deren Aufgabe es u. a. ist, bei dem Überwinden schulischer Teilhabebarrieren aktiv und zielgerichtet zu unterstützen. Die Befragten beschreiben, dass diese Dienste nicht immer in der Lage waren, die VHN 2 | 2021 130 MARTIN GIESE, MICHAELA TIMBERLAKE Exklusionserfahrungen und Ressourcen blinder Schülerinnen und Schüler FACH B E ITR AG Belastungen aufzufangen, und bisweilen sogar selbst als Barriere wahrgenommen wurden. „Naja, erstmal hat die irgendwie dreimal gewechselt und die kam auch dann am Schluss nur noch so einmal in drei Monaten oder so, weil die einfach keine Zeit hatten oder die Anfahrt zu lang war oder so. […] Ja und wenn die da war, hat die sich da hingesetzt, hat sich das angeguckt und mehr war das auch nicht. Also die hat mir wirklich nicht so viel geholfen“ (Larissa #122). Insgesamt wird der Nutzen der ambulanten sonderpädagogischen Beratungslehrkräfte auch von Max widersprüchlich betrachtet: „Ja, es war schon einerseits eine Hilfe, aber andererseits vielleicht auch nochmal eine Extra-Behandlung […] Das ist nochmal so, dass man so ein bisschen ausgegrenzt wurde so. Dass man halt, ja der, ich sage mal jetzt wieder, der mit der Behinderung, der da immer so jemanden dabei hat manchmal“ (Max #75). Zudem waren die inhaltlichen Hilfestellungen üblicherweise auf die Hauptfächer begrenzt, „weil Kunst und auch Musik und Sport sind ja so ganz Spezialfächer“ (Julius #93), in denen eine Unterstützung durch den ambulanten Dienst in der Regel nicht erfolgte. Ähnlich wie die ambulanten Beratungslehrkräfte wird auch die persönliche Assistenz - in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Böing (2013, S. 18) - vielfach ambivalent beschrieben, da sie den Kontakt zu den Peers einerseits erschwert, weil sie „halt trotzdem kein Ersatz zu funktionierenden Sozialstrukturen“ (Sarah #139) sei, andererseits aber auch als Hilfe empfunden wird, „weil da ist halt sonst immer der Raum gewesen für die anderen, mich halt anzugreifen“ (Sarah #139). So berichtet auch Larissa, dass die persönliche Assistenz im Unterricht einerseits zwar hilfreiche Zusatzdienste erledigen konnte, wie „von der Tafel diktieren oder so, weil das halt sonst zu lange dauert, wenn man immer mit der Kamera umschwenken muss“ (Larissa #45). Bilanzierend bewertet Larissa die persönliche Assistenz allerdings eher als problematisch: „Also ich fand es eher unnötig und durch die bin ich meiner Meinung nach auch unselbstständiger geworden, weil ich dann halt Sachen, also Probleme, also dass ich die nicht angesprochen habe, sondern halt sie. […] Ja, also, eigentlich war es doof “ (Larissa #45). Festzuhalten bleibt, dass insbesondere die sonderpädagogischen Dienste überaus ambivalent wahrgenommen werden. Aus der Perspektive der KJ-FSS scheint ihre positive Wirksamkeit neben einer organisatorischen Verlässlichkeit stark von der inneren Akzeptanz durch die Schülerinnen und Schüler selbst sowie von dem komplexen Sozialgefüge zwischen KJ-FSS, Peers und Lehrkräften abhängig zu sein. Vor dem Hintergrund, dass die sonderpädagogischen Dienste zudem je nach Bundesland differieren (Lang & Heyl, 2012, S. 114), werden an dieser Stelle umfangreiche Forschungsdesiderate deutlich, um diese Bedingungsgefüge weiter zu analysieren. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass sonderpädagogische Dienste im individuellen Abwägungsprozess für oder wider die inklusive Beschulung eine wichtige Rolle spielen und ihrer bedarfsgerechten Ausgestaltung eine hohe Priorität zuzusprechen ist (Breyer, Lederer & Gasteiger- Klicpera, 2020). 5 Fazit Im Hinblick auf die in Kap. 3 formulierten Forschungsfragen zeigt sich in den Interviews, dass alle interviewten KJ-FSS bis zum Ende der SEK I umfangreiche Exklusionserfahrungen gemacht haben. Neben schul- und unterrichtsorganisatorischen Barrieren scheint dabei insbesondere den sozialen Kontakten zu den Peers eine Schlüsselrolle zuzukommen. Bei allen Befrag- VHN 2 | 2021 131 MARTIN GIESE, MICHAELA TIMBERLAKE Exklusionserfahrungen und Ressourcen blinder Schülerinnen und Schüler FACH B E ITR AG ten stand am Ende eines langjährigen, differenzierten und ambivalenten Abwägungsprozesses die Befürchtung, den angestrebten Bildungsabschluss in der inklusiven Beschulung nicht erzielen zu können. Zentrale Befunde aus (inter-)nationalen Studien zeigen sich damit auch in der vorliegenden Untersuchung, obwohl das deutsche Schulsystem im internationalen Vergleich einen Sonderweg beschreitet und die bisher vorliegenden Studien in anderen Ländern und mit anderen Alterskohorten durchgeführt wurden. Fundamental erscheint, dass die Wahrnehmung von Exklusionserfahrungen im Laufe der Schulbesuchsjahre zunimmt und die spezifischen Bedarfe der Befragten gleichzeitig immer weniger Beachtung finden. Als wichtigste Ressource fungiert ein häufig ruinöses privates Zusatzengagement. Infolge einer zunehmenden Überlastung sowie durch persönliche Abwertungen durch Peers und/ oder Lehrkräfte kommt es zu psychosozialen Problemen und einem erodierenden Selbstwertgefühl. Versagen zudem sonderpädagogische Unterstützungsmaßnahmen oder wirken sie sogar kontraproduktiv, kommt es zu einem multikausalen Systemversagen. Gleichzeitig ist zu beachten, dass diesen Exklusionserfahrungen paradoxerweise aber auch ein Lernpotenzial attestiert wird, weil sie, wie Anna (#85) es ausdrückt, helfen, „das reale Leben so irgendwie durchzustehen“. Da KJ-FSS eine sehr heterogene Gruppe darstellen, muss ein inklusives Bildungssystem sicherstellen, dass nicht nur die kognitiv und sozial kompetentesten Schülerinnen und Schüler diese Barrieren überwinden können (Verdier, 2016). Die Ergebnisse zeigen, dass dazu ein multidimensionales Erklärungsmodell notwendig ist, das die vielfältigen Exklusionserfahrungen von KJ-FSS abbilden kann. Dazu wird ein Zwei-Ebenen-Modell zur Diskussion gestellt, das als zwei sich überschneidende Ellipsen dargestellt ist (vgl. Abb. 2). Schul- und unterrichtsorganisatorische Barrieren Barrieren auf der sozialemotionalen Beziehungsebene Assistive Technologien Ambulanter sonderpädagogischer Dienst Persönliche Assistenz Räume Langfristige Unterrichtsplanung Barrierearme Lernmaterialien Gruppengröße Arbeitstechniken Wege Nachteilsausgleich Mitschüler/ innen Lehrkräfte Abb. 2 Zwei-Ebenen-Modell schulischer Exklusionserfahrungen von Kindern und Jugendlichen mit dem FSS VHN 2 | 2021 132 MARTIN GIESE, MICHAELA TIMBERLAKE Exklusionserfahrungen und Ressourcen blinder Schülerinnen und Schüler FACH B E ITR AG Auf der Ebene der schul- und unterrichtsorganisatorischen Barrieren geht es um die angemessene Auswahl der Unterrichtsräume, die Klassengröße, die Wege innerhalb der Bildungsinstitutionen, die Gewährung von Nachteilsausgleichen, eine langfristige Unterrichtsplanung sowie die Beachtung der Arbeitstechniken der jeweiligen Schülerinnen und Schüler. Bei den Barrieren auf der sozial-emotionalen Beziehungsebene geht es um die Sensibilisierung für Exklusionserfahrungen, die insbesondere mit den Peers sowie den Lehrkräften erlebt werden. Da die Ergebnisse zeigen, dass gerade die sonderpädagogischen Unterstützungsmaßnahmen von den KJ-FSS überaus ambivalent bewertet werden, finden sich diese an der Schnittstelle der beiden Kreise. Einerseits sind sie zwar schulisch zu organisieren, andererseits scheint ihre positive Wirksamkeit von einem komplexen sozial-emotionalen Bedingungsgefüge abhängig zu sein, das sich in den Interviews darin äußert, mit welcher inneren Haltung die KJ-FSS, die Lehrkräfte und die Klassenkameraden diesen Diensten gegenüberstehen. Die beiden Ebenen sind nicht hierarchisch, sondern interdependent gedacht. Einzelne Aspekte können sich gegenseitig negativ verstärken, bis zu einem gewissen Punkt aber auch ausgleichen. In diesem Modell scheitert die inklusive Beschulung, wenn auf beiden Ebenen dauerhaft Barrieren wahrgenommen werden, die wechselseitig nicht kompensiert werden können. Im Sinne einer Optimierung inklusiver Bildungsangebote für KJ-FSS ließe sich dieses Modell verwenden, um systematisch einzelne Aspekte der inklusiven Beschulung in den Blick zu nehmen und für potenzielle Barrieren in der inklusiven Beschulung zu sensibilisieren, sodass es nicht mehr zu Aussagen wie der folgenden kommt, wenn Susanne (#173) den Direktor ihrer Schule mit den Worten zitiert: „Wir sind eine normale Schule für normale Leute. Und für dich ist kein Platz hier.“ Gerade weil die kritischen Ergebnisse der Studie in der Ergebnisdarstellung durchaus konsistent erscheinen, sei abschließend nochmals explizit erwähnt, dass aufgrund der Konzeption dieser Studie ausschließlich Proband/ innen befragt wurden, die die inklusive Beschulung verlassen und den Wechsel auf eine Spezialeinrichtung mit Internatsunterbringung auf sich genommen haben. Durch diese Vorauswahl gibt es keine Stimmen von Schülerinnen und Schülern, die ihre inklusive Beschulung primär als positiv erlebt haben. Andererseits lässt dieses Studiendesign aber auch vermuten, dass die Ergebnisse hier besonders verdichtet vorliegen. Daraus ergeben sich weitere Forschungsdesiderate. So sollen in weiteren Studien KJ-FSS befragt werden, die die inklusive Beschulung nicht verlassen haben, und es sollen auch Kinder mit anderen (Sinnes-)Behinderungen interviewt werden, um zu klären, ob über einzelne Behinderungsformen hinaus so etwas wie kollektive Exklusionserfahrungen existieren, die im Sinne der Weiterentwicklung eines inklusiven Schulsystems aufzudecken und zu überwinden wären. Anmerkungen 1 Die Förderquote beschreibt die Anteile der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die in Förderschulen und in allgemeinen Schulen unterrichtet werden, in Bezug auf die Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler im schulpflichtigen Alter. 2 Inklusionsanteile geben den Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf, die inklusiv unterrichtet werden, an allen Schülerinnen und Schülern mit dem jeweiligen Förderbedarf an. 3 In diesem Kontext ist auch zu erwähnen, dass sich die ambulanten sonderpädagogischen Dienste in ihrer Struktur und ihrem Umfang je nach Bundesland erheblich voneinander unterscheiden. So existiert in Schleswig-Holstein kein ambulanter sonderpädagogischer Dienst, da Schülerinnen und Schüler mit dem FSS dort in sog. Schülerkursen unterstützt werden. VHN 2 | 2021 133 MARTIN GIESE, MICHAELA TIMBERLAKE Exklusionserfahrungen und Ressourcen blinder Schülerinnen und Schüler FACH B E ITR AG Literatur Ahrbeck, B. (2014). Inklusion. 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(978-3-497-02983-9) kt Der Erwerb grammatischer, narrativer und schriftsprachlicher Fähigkeiten, stellt viele Kinder im Kontext von Mehrsprachigkeit oder Sprachentwicklungsstörungen vor eine große Herausforderung. Die strategieorientierte Förderung der Genuskompetenz im Schulalter (StrateGe) zielt auf die Aktivierung eines selbstregulierten Lernprozesses. In Fördereinheiten entdecken, erforschen und erproben die Kinder in einer Kleingruppe unterschiedliche Tricks, die ihnen beim Lernen der Grammatik helfen können. Das Baum, die Hase, der Auto? a www.reinhardt-verlag.de