eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 91/1

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2022.art10d
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Rezension: Bonfranchi, Riccardo / Perret, Eliane (2021): Heilpädagogik im Dialog. Praktische Erfahrungen, theoretische Grundlagen und aktuelle Diskurse

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2022
Hedwig Schär
Die Neuerscheinung im Athena-Verlag entwickelt sich aus dem angeregten Dialog einer Heilpädagogin und eines Heilpädagogen. Eliane Perret und Riccardo Bonfranchi können auf die herausfordernde Tätigkeit als Schulleiterin/Schulleiter und Heilpädagogin/Heilpädagoge einer Sonderschule zurückgreifen. Während Perrets Berufsfeld bei Kindern und Jugendlichen mit Verhaltens- und Lernproblemen lag, war Bonfranchi im Bereich von kognitiv beeinträchtigten Menschen tätig.
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VHN1 | 2022 83 REZE NSION E N Bonfranchi, Riccardo; Perret, Eliane (2021): Heilpädagogik im Dialog. Praktische Erfahrungen, theoretische Grundlagen und aktuelle Diskurse Oberhausen: Athena Verlag. 252 S., € 29,90 Die Neuerscheinung im Athena-Verlag entwickelt sich aus dem angeregten Dialog einer Heilpädagogin und eines Heilpädagogen. Eliane Perret und Riccardo Bonfranchi können auf die herausfordernde Tätigkeit als Schulleiterin / Schulleiter und Heilpädagogin/ Heilpädagoge einer Sonderschule zurückgreifen. Während Perrets Berufsfeld bei Kindern und Jugendlichen mit Verhaltens- und Lernproblemen lag, war Bonfranchi im Bereich von kognitiv beeinträchtigten Menschen tätig. Sie können damit einerseits auf die Praxis eines intensiven Berufslebens und auf breites Fachwissen zurückgreifen. Andererseits blicken sie als Wissenschaftler stets über die Fachgrenzen hinaus und reflektieren gesellschaftliche, philosophische oder psychologische Fragen und auch historische Entwicklungen. Ein besonderer Reiz des Buches liegt in seiner Dialogform, in der sich Autorin und Autor austauschen. Aus der Antike sind Dialoge bekannt, die grundlegende philosophische Fragen behandelten. Auch der Dialog der Autoren dient dem Gewinn von Erkenntnis, aber keineswegs auf eine trockene Art. Ihr Zwiegespräch ist stets auch persönlich gefärbt und in einer gut verständlichen Sprache formuliert. Die Beiden tragen ihre Gedanken oft zugespitzt vor, das ergibt sich schon aus der gewählten Kürze ihrer Ausführungen. Doch gerade bei den historischen Herleitungen findet man eine konzentrierte fundierte Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema. Sie kommen dabei u. a. auf Paradigmenwechsel ihres Fachbereichs zu sprechen, denen man eine breite öffentliche Diskussion wünschen würde. Als wichtige Ergänzung zu einer solchen Auseinandersetzung enthält das Buch eine Literaturliste mit Leckerbissen für interessierte Leserinnen und Leser. Die Themen der Dialoge sind vielfältig: Ausgehend von Gedanken zum Menschenbild und damit von der Sicht und wissenschaftlichen Einordnung ihres Faches kommen sie auf verschiedene Themen, die locker um pädagogische Fragen gruppiert sind. Dabei geht es um Ethik, Diagnostik, Resilienz, Kreativität, Behinderung, Familie eines behinderten Kindes usw. Jeder der Dialoge spricht für sich, daraus ergibt sich insgesamt ein facettenreiches Bild der heutigen Heilpädagogik, der Schule und nicht zuletzt der Kinder. Sind die beiden Gesprächspartner immer einer Meinung? Nein, öfters nicht, sie haben nicht nur unterschiedliche berufliche Schwerpunkte. Perret ergänzt ihren heilpädagogischen Standpunkt durch psychologische Erkenntnisse, Bonfranchi vertritt seine Position zusätzlich als Ethiker. Aber sie stimmen immer wieder überein, denn beide sehen ihre engagierte Arbeit (und auch ihre Kritik) stets vom Prinzip Hoffnung getragen - sonst hätten sie nicht so lange in ihrem Beruf gearbeitet und nun zusammen ein Buch geschrieben. Und beide haben Mut: Sie scheuen sich nicht, sich auch einmal gegen den Mainstream zu stellen und auf Fehlentwicklungen hinzuweisen. Immer treten sie für die Kinder und Jugendlichen, die ihnen anvertraut sind, und deren Bedürfnisse und Rechte ein. Dies nicht ideologisch-kämpferisch, sondern sie sind, weil sie aus der Praxis kommen, stets an der Realität orientiert, können ihre Meinung aber durch wissenschaftliche Erkenntnisse belegen. So finden sich in dem Buch viele Praxisbeispiele, die für sich sprechen und die Schlussfolgerungen der Autoren untermauern. Das ist gewollt. Denn sie fordern entschieden die Übereinstimmung von Theorie und Praxis. Daran messen sie jede Forschung und auch jeden pädagogischen Trend. Das Buch ist ein Fundus von konkret belegten eigenständigen Gedanken, die immer wieder herausfordern - eine Bereicherung nicht nur für Fachleute und Bildungpolitiker, sondern auch für interessierte Laien, für Eltern oder Großeltern. Vor allem Berufsanfängern kann diese kecke, frische Neuerscheinung als Anregung zu einem neugierigen und offenen Blick auf ihren Beruf dienen. Lic. phil Hedwig Schär CH-8370 Sirnach DOI 10.2378/ vhn2022.art10d