eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 91/4

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2022.art36d
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2022
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Fachbeitrag: Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen auf die Förderquoten im Rahmen verstärkter sonderpädagogischer Maßnahmen

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Monika T. Wicki
Katharina Antognini
Zur Steuerung sonderpädagogischer Angebote in der Volksschule wurden in den Schweizer Kantonen unterschiedliche regulatorische Rahmenbedingungen geschaffen. Ob regulatorische Rahmenbedingungen einen Einfluss auf die Förderung von Lernenden mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen haben, ist bislang kaum untersucht. Die Angebotsstruktur, Finanzierungs- und Entscheidungsmechanismen der Volksschule wurden systematisch erfasst. Es wurden clusteranalytisch zwei Gruppen von Kantonen mit ähnlichen regulatorischen Rahmenbedingungen gebildet. Kantone, die einzig verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen definieren und in denen die Gemeinden über die Verfügung zu verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen direkt entscheiden, weisen eine signifikant höhere Förderquote im Rahmen verstärkter sonderpädagogischer Maßnahmen aus als Kantone, die sowohl einfache als auch verstärkte Maßnahmen definieren und über die Verfügung verstärkter Maßnahmen zentral entscheiden. Es zeigte sich, dass dabei die Angebotsstruktur eine entscheidende Rolle spielt. Die Gruppen unterschieden sich nicht bezüglich der Separationsquote. Die Studie gibt Hinweise zur Wirkung regulatorischer Rahmenbedingungen auf die sonderpädagogische Förderung und verdeutlicht die Notwendigkeit einer klaren Definition sonderpädagogischer Maßnahmen zwecks statistischer Erhebungen.
5_091_2022_4_0005
300 VHN, 91. Jg., S. 300 -316 (2022) DOI 10.2378/ vhn2022.art36d © Ernst Reinhardt Verlag Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen auf die Förderquoten im Rahmen verstärkter sonderpädagogischer Maßnahmen Monika T. Wicki, Katharina Antognini Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik, Zürich Zusammenfassung: Zur Steuerung sonderpädagogischer Angebote in der Volksschule wurden in den Schweizer Kantonen unterschiedliche regulatorische Rahmenbedingungen geschaffen. Ob regulatorische Rahmenbedingungen einen Einfluss auf die Förderung von Lernenden mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen haben, ist bislang kaum untersucht. Die Angebotsstruktur, Finanzierungs- und Entscheidungsmechanismen der Volksschule wurden systematisch erfasst. Es wurden clusteranalytisch zwei Gruppen von Kantonen mit ähnlichen regulatorischen Rahmenbedingungen gebildet. Kantone, die einzig verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen definieren und in denen die Gemeinden über die Verfügung zu verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen direkt entscheiden, weisen eine signifikant höhere Förderquote im Rahmen verstärkter sonderpädagogischer Maßnahmen aus als Kantone, die sowohl einfache als auch verstärkte Maßnahmen definieren und über die Verfügung verstärkter Maßnahmen zentral entscheiden. Es zeigte sich, dass dabei die Angebotsstruktur eine entscheidende Rolle spielt. Die Gruppen unterschieden sich nicht bezüglich der Separationsquote. Die Studie gibt Hinweise zur Wirkung regulatorischer Rahmenbedingungen auf die sonderpädagogische Förderung und verdeutlicht die Notwendigkeit einer klaren Definition sonderpädagogischer Maßnahmen zwecks statistischer Erhebungen. Schlüsselbegriffe: Sonderpädagogik, Volksschule, Bildungspolitik, Bildungsstatistik, Inklusion Effects of the Regulatory Framework on the Promotion Rates in the Context of Intensified Special Needs Education Measures Summary: Different regulatory frameworks have been created in the Swiss cantons to manage special needs education provision in the primary school. Whether regulatory frameworks have an influence on the promotion of learners with special educational needs has hardly been investigated so far. The structure of provision, funding and decision-making mechanisms in the primary school were systematically recorded. Two groups of cantons with similar regulatory frameworks were defined via cluster analysis. Cantons that only define enhanced special needs education measures and in which the municipalities decide directly on the disposition of enhanced special needs education measures show a significantly higher rate of support with enhanced special needs education measures than cantons that define both simple and enhanced measures and decide centrally on the disposition of enhanced measures. It was found that the structure of provision plays a decisive role. The groups did not differ with regard to the rate of separation. The study provides information on the effect of regulatory frameworks on special needs education and highlights the need for a clear definition of special needs education measures for statistical purposes. Keywords: Education policy, obligatory school, special needs education, inclusion FACH B E ITR AG VHN 4 | 2022 301 MONIKA T. WICKI, KATHARINA ANTOGNINI Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen FACH B E ITR AG 1 Ausgangslage Am 3. Mai 2008 trat das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) in Kraft. Die UN-BRK wurde durch Österreich 2008, Deutschland 2009 und die Schweiz 2014 ratifiziert. Die Konvention konkretisiert die universellen Menschenrechte für Menschen mit Behinderungen und stellt klar, dass diese ein uneingeschränktes und selbstverständliches Recht auf Teilhabe und Inklusion besitzen. In der Schweiz fielen die internationalen und nationalen Bestrebungen zu mehr Inklusion mit einer Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) zusammen. Seit 2008 sind gemäß Bundesverfassung (Art. 62 Abs. 3 BV) die Kantone für eine ausreichende Sonderschulung aller Kinder und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen bis längstens zum vollendeten 20. Altersjahr zuständig. Die Kantone tragen seither die gesamte fachliche, rechtliche und finanzielle Verantwortung für sonderpädagogische Maßnahmen, einschließlich der heilpädagogischen Früherziehung. Im Zuge dieser Neugestaltung waren die Akteure in den Kantonen gefordert, die regulatorischen Rahmenbedingungen, die Finanzierungsmechanismen sowie die Mechanismen der Qualitätssicherung anzupassen. Bei der Erarbeitung der regulatorischen Rahmenbedingungen hatten die Kantone die Vorgabe des Bundesgesetzes über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2002 aufzunehmen: Integrative Formen bei der Schulung von Schülerinnen und Schülern mit einer Behinderung sollen nach Möglichkeit bevorzugt werden (Art. 20 Abs. 2 BehiG). 2007 wurde die interkantonale Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der Sonderpädagogik (Sonderpädagogik‐Konkordat) verabschiedet. Darin wird das Grundangebot für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Bildungsbedarf im Rahmen der obligatorischen Schulbildung definiert (vgl. Art. 4). Zudem wurden eine einheitliche Terminologie, einheitliche Qualitätsstandards für die Anerkennung der Leistungsanbieter und ein standardisiertes Abklärungsverfahren (SAV) zur Ermittlung des individuellen Bedarfs gemäß Art. 6 Abs. 3 definiert (Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren [EDK], 2007). Dem Sonderpädagogik-Konkordat sind mittlerweile 16 Kantone beigetreten 1 . Die Kantone haben ähnliche und doch unterschiedliche regulatorische Rahmenbedingungen, Finanzierungsmechanismen und Entscheidungsprozesse definiert. Wicki (2020) und Sahli Lozano, Crameri und Gosteli (2021) haben die gesetzlichen Grundlagen von 24 Kantonen 2 hinsichtlich Organisation, Finanzierung und Entscheidungsprozessen bei den sonderpädagogischen Maßnahmen in der Volksschule im föderalistisch organisierten Bildungssystem der Schweiz systematisch beschrieben. Die Wirkung dieser regulatorischen Rahmenbedingungen bezüglich Förderung und Inklusion wurde aufgrund fehlender Daten bislang in der Schweiz nur ansatzweise von Mejeh und Powell (2018) und von Lanners (2020) untersucht. Mejeh und Powell (2018) stellten für die Jahre 1999 bis 2016 eine paradoxale Zunahme der Aussonderung in manchen Kantonen fest. Das bedeutet, dass keine Konvergenz hin zur inklusiven Bildung in allen Schweizer Regionen besteht. Lanners (2020) stellt bezüglich des Anteils Lernender an Sonderschulen fest, dass geografische Unterschiede eine Rolle spielen. In Kantonen mit großen unproduktiven Flächen (z. B. Bergkantone) oder weit entlegenen Sonderschulen ist die Separationsquote deutlich tiefer. Bevölkerungsvariablen wie die Einwohnerzahl, der Anteil der ausländischen Bevölkerung oder die Sozialhilfequote scheinen demgegenüber keine Rolle zu spielen (ebd.). VHN 4 | 2022 302 MONIKA T. WICKI, KATHARINA ANTOGNINI Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen FACH B E ITR AG Bis 2017 wurden auf Bundesebene nur die Anzahl Schülerinnen und Schüler erhoben, die in Sonderschulen separativ unterrichtet wurden (Separationsquote), sowie die Anzahl Schülerinnen und Schüler, die von den Lernzielen des Lehrplans teilweise oder ganz befreit waren. Seit 2017 werden nun auch alle Schülerinnen und Schüler mit verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen, die in Regelschulen integrativ unterrichtet werden, statistisch erfasst. Die Auswertungen der neuen Statistik der Sonderpädagogik werden seit 2019 vom Bundesamt für Statistik veröffentlicht. Sie zeigen, dass der Anteil der Lernenden, die in einer Regelklasse der obligatorischen Schule verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen erhalten, je nach Schulkanton stark variiert. Der Anteil integriert beschulter Lernenden mit verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen (Förderquote) liegt zwischen 0.4 % in Schaffhausen und 6.6 % in St. Gallen. Durchschnittlich besuchen 1.8 % der Lernenden, d. h. gut 17.000 Personen, eine Sonderschule. Auch dieser Anteil variiert stark nach Wohnkanton. Der Anteil Lernender, die in Sonderschulen separiert unterrichtet werden (Separationsquote), schwankt zwischen 0.8 % im Kanton Wallis und 2.5 % in den Kantonen Schaffhausen, Solothurn und St. Gallen (Bundesamt für Statistik, 2020). Solche Unterschiede zeigen sich auch innerhalb anderer Länder (Klemm, 2014) und auf internationaler Ebene zwischen Ländern (European Agency for Special Needs and Inclusive Education, 2020), und es stellt sich die Frage, welche Faktoren zu diesen Unterschieden führen. 2 Fragestellung und methodisches Vorgehen Im vorliegenden Beitrag wird die Frage untersucht, inwiefern die regulatorischen Rahmenbedingungen die Förderquoten und die Separationsquoten mitbestimmen. Berücksichtigt werden die regulatorischen Rahmenbedingungen, welche die Ausgestaltung des Angebots an sonderpädagogischen Maßnahmen, die unterschiedlichen Finanzierungsmechanismen und, damit verbunden, die unterschiedlichen Entscheidungsstrukturen definieren. Die Förderquoten geben den Anteil der Schüler und Schülerinnen mit einem besonderen Bildungsbedarf an der Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler mit Vollzeitschulpflicht an - unabhängig davon, ob sie in Regelklassen, Sonderklassen oder Sonderschulen unterrichtet werden (Klemm, 2014). Die Förderquoten, die vom Bundesamt für Statistik genannt werden, umfassen die Schülerinnen und Schüler, welche verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen nutzen. Die Separationsquoten geben die Anzahl Schülerinnen und Schüler an, die in separativen Sonderschulen unterrichtet werden (Kronenberg, 2021). Für die Analysen wurden auf der Basis der Vorarbeiten von Wicki (2020) und Sahli Lozano et al. (2021) von 24 Kantonen die gesetzlichen Grundlagen systematisiert. Dabei wurden vier Variablen gebildet: Konkordatsbeitritt (Ja/ Nein), Finanzierung mehrheitlich durch Kanton (Ja/ Nein), Entscheid über verstärkte Maßnahmen durch Kanton (Ja/ Nein) sowie „sowohl einfache als auch verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen in den regulatorischen Rahmenbedingungen festgehalten“ (Ja/ Nein). Um datenbasiert eine Struktur in den regulatorischen Rahmenbedingungen der Kantone zu entdecken und Gruppen von Kantonen mit ähnlichen Rahmenbedingungen zu bilden, wurden explorative Clusteranalysen mit der K-Means-Methode durchgeführt. Bei der K- Means-Methode lassen sich nominale Variablen als (0,1)-Regressoren in die Analyse integrieren (Stein & Vollnhals, 2011, S. 44). Anschließend wurde mittels des Mann-Whitney-U-Tests geprüft, ob sich die Förder- und Separationsquoten der Kantone für die durch die Clusteranalysen gebildeten Gruppen von Kantonen signifikant unterscheiden. Zudem wurde posthoc regressionsanalytisch überprüft, welche Zusammenhänge sich zwischen den Clustervariablen und der Förderquote ergeben. VHN 4 | 2022 303 MONIKA T. WICKI, KATHARINA ANTOGNINI Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen FACH B E ITR AG 3 Ergebnisse Im Folgenden werden die regulatorischen Rahmenbedingungen für sonderpädagogische Angebote in den Kantonen systematisch beschrieben, um die Variablen zu bilden. Danach werden die Ergebnisse der empirischen Analysen dargelegt und diskutiert. 3.1 Systematisierung der regulatorischen Rahmenbedingungen Die regulatorischen Rahmenbedingungen umfassen die Definition des Grundangebotes sowie der verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen in den Kantonen, die Finanzierungsmechanismen sowie die Entscheidungsprozesse. 3.1.1 Die sonderpädagogischen Angebote in den Kantonen Mit Inkrafttreten der NFA und der damit verbundenen Kantonalisierung der Sonderpädagogik wurde in der Schweiz ein dual-inklusives Schulsystem (Speck, 2016) bzw. ein Kombinationssystem (Europäische Agentur für Entwicklungen in der Sonderpädagogischen Förderung, 2003) umgesetzt, bei dem sowohl integrative sonderpädagogische Angebote geschaffen, aber auch separative Angebote weitergeführt wurden. Das Grundangebot sowie die verstärkten Maßnahmen für Kinder und Jugendliche mit besonderem Bildungsbedarf im Rahmen der obligatorischen Schulbildung werden in der interkantonalen Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der Sonderpädagogik vom 25. Oktober 2007 (Sonderpädagogik‐Konkordat) beschrieben. Das sonderpädagogische Grundangebot umfasst Beratung und Unterstützung, heilpädagogische Früherziehung, Logopädie und Psychomotorik, sonderpädagogische Maßnahmen in einer Regelschule oder in einer Sonderschule sowie Betreuung in Tagesstrukturen oder stationäre Unterbringung in einer sonderpädagogischen Einrichtung. Die Kantone sorgen zudem für die Organisation notwendiger Transporte für Schülerinnen und Schüler, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung den Weg zwischen Wohnort, Schule und/ oder Therapiestelle nicht selbstständig bewältigen können (Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren [EDK], 2007). Erweisen sich die vor der Einschulung oder die in der Regelschule getroffenen einfachen sonderpädagogischen Maßnahmen als ungenügend, ist aufgrund der Ermittlung des individuellen Bedarfs über die Anordnung verstärkter Maßnahmen zu entscheiden. Verstärkte Maßnahmen zeichnen sich durch eine lange Dauer, eine hohe Intensität, einen hohen Spezialisierungsgrad der Fachpersonen sowie einschneidende Konsequenzen auf den Alltag, das soziale Umfeld und/ oder den Lebenslauf des Kindes aus (ebd.). Werden verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen in Betracht gezogen, kann das Standardisierte Abklärungsverfahren (SAV) den Entscheidungsinstanzen in den Kantonen als Grundlage dienen (Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren [EDK], 2014). Sonderpädagogik ist ein sehr vielschichtiger Bereich: die leistungsbeziehenden Schülerinnen und Schüler haben körperliche oder kognitive Beeinträchtigungen, Schwierigkeiten in Sprache und Kommunikation oder im Verhalten. Es bestehen in der Schweiz einfache und verstärkte Maßnahmen sowie integrative und separative, stationäre und externe Angebote mit jeweils fließenden Übergängen (Luder et al., 2016). Die Kantone haben in Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien die Vorgaben des Sonderpädagogik-Konkordates weitgehend übernommen, dennoch gibt es vor allem im Bereich der Regelschule vielfältige Bezeichnungen und Einteilungen sowohl bei den einfachen als auch bei den verstärkten Maßnahmen. Da sich die Angebote in den Kantonen in VHN 4 | 2022 304 MONIKA T. WICKI, KATHARINA ANTOGNINI Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen FACH B E ITR AG den Bereichen Beratung und Unterstützung, Heilpädagogische Früherziehung, Logopädie und Psychomotorik-Therapie sowie externe Sonderschulung sehr ähnlich sind, wird im Folgenden nur auf die unterschiedlichen Angebote der Kantone im Rahmen der integrativen Schulung eingegangen. Die separativen sonderpädagogischen Angebote gelten in allen Kantonen als verstärkte Maßnahmen. In einigen Kantonen werden zu den verstärkten Maßnahmen aber auch spezifische sonderpädagogische Maßnahmen in einer Regelschule gezählt. Diese sind in Tabelle 1 kursiv gesetzt. Tab. 1 Sonderpädagogische Maßnahmen in der Regelschule Konkordat Sonderpädagogische Maßnahmen in einer Regelschule (integrative Förderung) Kanton Appenzell Ausserrhoden n Fördermaßnahmen in einer Regelschule (integrativ oder in Lerngruppen) n Integrative Sonderschulung (= Integrative verstärkte Maßnahmen IVM)* Kanton Basel-Stadt Integrative Schulung n Integrationsklassen n Schulische Heilpädagogik als verstärkte Maßnahme ( Einzelintegrationen [EI]) n Spezifische Sprachförderung an der Regelschule (SSR) n Assistenz n Audiopädagogische Unterstützung durch den Audiopädagogischen Dienst (Fachzentrum APD) n Körper- und Sehbehindertenspezifische Unterstützung (Low Vision, Fachzentrum TSM) n Bimodale Schulung (Förderung von Laut- und Gebärdensprache) Kanton Basel-Land Spezielle Förderung n Förderunterricht, integrative Schulungsform (ISF): Einführungsklassen, Kleinklassen, DaZ, Fremdsprachenintegrationsklassen und Logopädie Sonderschulung n Integrative Sonderschulung ( InSo) Kanton Bern Heilpädagogische Unterstützung/ Besondere Maßnahmen n Spezialunterricht (Förderung, Prävention, Beratung, Kurzintervention, integrative Förderung, Psychomotorik, Logopädie) n Besondere Klassen (Klassen zur besonderen Förderung, Einschulungsklassen) n Maßnahmen zur besonderen Förderung (Lernzielanpassung, Unterstützung, 2-jährige Einschulung, Begabtenförderung, Rhythmik) n Co-Teaching n Integrative Sonderschulbildung Kanton Freiburg n Grundangebot n Spezialisierte Unterstützungsmaßnahmen bei Seh- und Hörbeeinträchtigung (VM) n Begleitung durch Assistenzperson für nichtpädagogische Aktivitäten (VM) n Unterstützung für Schulen in der Betreuung verhaltensauffälliger Schülerinnen und Schüler (SED-Maßnahmen) Kanton Genf n Maßnahmen der Sonderschulbildung in einer regulären Bildungseinrichtung Kanton Glarus Schulische Heilpädagogik n Heilpädagogische Schülerhilfe, Einführungs- und Kleinklassen, DaZ, Therapien, Begabtenförderung n Integrative Sonderschulung u VHN 4 | 2022 305 MONIKA T. WICKI, KATHARINA ANTOGNINI Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen FACH B E ITR AG * kursiv = verstärkte Maßnahmen Konkordat Sonderpädagogische Maßnahmen in einer Regelschule (integrative Förderung) Kanton Graubünden n Integrative Förderung (Prävention, Förderung ohne und mit Lernzielanpassung) n Integrative Sonderschulung Kanton Jura n Ambulante sonderpädagogische Förderung n Verstärkte individuelle pädagogische Förderung Kanton Luzern n Integrative Förderung n Integrative Sonderschulung Kanton Neuenburg n Soutien pédagogique n Integrative Förderung Kanton Nidwalden n Integrative Förderung n Integrative Sonderschulung Kanton Obwalden n Sonderpädagogische Maßnahmen in einer Regelschule: integrative Förderung n Sonderpädagogische Maßnahmen in einer Regelschule: integrative Sonderschulung Kanton Schaffhausen n Integrative Schulform (IS, Schulische Heilpädagogik) (Sonderklassen, besonderer Unterricht, Orientierungsschulen) n Integrative Sonderschulung Kanton Schwyz n Integrative Förderung: a) heilpädagogischer Unterricht in Schulklassen, b) heilpädagogischer Lerngruppenunterricht, c) Einzelförderung sowie ambulante logopädische Therapie n Sonderschulung: integrierte Sonderschulung im Rahmen der Volksschule Kanton St. Gallen n Integrierte schulische Förderung ( ISF) in der Regelschule inkl. Heilpädagogische Früherziehung im Kindergarten Kanton Solothurn n Integrative sonderpädagogische Maßnahmen ( ISM): fachliche Beratung, Unterstützung der Lehrperson, Begleitung der Regelklasse, sonderpädagogischer oder therapeutischer Einzel- oder Kleingruppenunterricht, individuelle Förderplanung Kanton Tessin n Misure di base di pedagogia speciale n Misure supplementari di pedagogia speciale Kanton Thurgau n Niederschwellige sonderpädagogische Maßnahme n Integrative Sonderschulung Kanton Uri n Ergänzende individuelle Maßnahmen bei der Schulung in der Regelklasse: integrative Förderung n Ergänzende individuelle Maßnahmen bei der Schulung in der Regelklasse: integrative Sonderschulung Kanton Waadt n Allgemeine sonderpädagogische Maßnahmen n Verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen Kanton Wallis n Allgemeine Sonderschulmaßnahme n Verstärkter Stützunterricht Kanton Zug n Besondere Förderung n Sonderpädagogische Maßnahmen in einer Regelschule Kanton Zürich n Integrative Förderung (IF) n Integrierte Sonderschulung in der Verantwortung der Regelschule ( ISR) n Integrierte Sonderschulung in der Verantwortung der Sonderschule ( ISS) u VHN 4 | 2022 306 MONIKA T. WICKI, KATHARINA ANTOGNINI Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen FACH B E ITR AG Die Kantone Genf, Solothurn und St. Gallen haben in der Regelschule eine einzige Kategorie an sonderpädagogischen Maßnahmen. Diese wird bspw. „Maßnahmen der Sonderschulbildung in einer regulären Bildungseinrichtung“ (Kanton Genf), „Integrative sonderpädagogische Maßnahmen (ISM)“ (Kanton Solothurn) oder „Integrierte schulische Förderung (ISF) in der Regelschule“ (Kanton St. Gallen) genannt. In anderen Kantonen werden einfache und verstärkte Maßnahmen unterschieden. So finden wir im Kanton Appenzell Ausserrhoden sowohl „Fördermaßnahmen in einer Regelschule (integrativ oder in Lerngruppen)“ als auch „Integrative Sonderschulung (= Integrative verstärkte Maßnahmen IVM)“. Oder im Kanton Basel- Land wird zwischen „Spezieller Förderung“ und „Sonderschulung“ unterschieden. Unter spezieller Förderung wird Förderunterricht, integrative Schulungsform (ISF) aufgeführt und unter Sonderschulung integrative Sonderschulung (InSo). Im Kanton Zürich werden drei Stufen unterschieden: die „Integrative Förderung (IF)“, die „Integrierte Sonderschulung in der Verantwortung der Regelschule (ISR)“ und die „Integrierte Sonderschulung in der Verantwortung der Sonderschule (ISS)“ (s. Tab. 1). Im Sonderpädagogik-Konkordat werden nicht nur verstärkte, sondern auch einfache sonderpädagogische Maßnahmen definiert. Dies wurde von den Kantonen jedoch unterschiedlich ausgestaltet. Die Kantone werden daher wie folgt systematisiert: Kantone, in denen sowohl einfache als auch verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen als sonderpädagogische Maßnahmen in den regulatorischen Rahmenbedingungen definiert wurden sowie Kantone, in denen nur verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen definiert wurden. 3.1.2 Finanzierungsmechanismen Ressourcen können einerseits pauschal oder individuell bereitgestellt werden (Banks, Frawley & McCoy, 2015), andererseits können sie durch die Gemeinden oder die Kantone alleine oder durch beide Ebenen gemeinsam getragen werden. Individuelle Ressourcen werden den Lernenden oder deren Eltern aufgrund der Ermittlung des individuellen Bedarfs der Schülerinnen und Schüler direkt zugeteilt. Da durch die Kategorisierung Behinderung ausgewiesen wird, werden die betroffenen Personen jedoch stigmatisiert (Topping & Maloney, 2005). Diesem Modell wird vorgeworfen, inklusive Praktiken zu behindern und separierende Formen zu stärken, da es oft in Systemen zu finden ist, in denen ein hoher Anteil von Schülerinnen und Schülern in separierenden Formen unterrichtet wird. Auch wird befürchtet, dass aufgrund der Tatsache, dass die Schülerinnen und Schüler individuell abgeklärt werden, ein Prozess in die Wege geleitet wird, den Winter, Fletcher-Campbell, Connolly und Lynch (2006) als „diagnosis for dollars“ bezeichnet hatten. Ein spezifischer Bedarf wird ausgewiesen, um mehr Ressourcen für den Unterricht zu bekommen (ebd.). International betrachtet werden Ressourcen jedoch häufiger den Gemeinden, Regionen oder Schulen direkt pauschal zugesprochen. Diese Form ist stärker auf die Institutionen gerichtet als auf das individuelle Kind (Ferrier, Long, Moore, Sharpley & Sigafooos, 2007) und gibt den Schulen mehr Flexibilität. Gleichzeitig kann sie zu Trägheit im System führen: Die Schule erhält die Ressourcen ja so oder so, unabhängig davon, was genau damit gemacht wird (Meijer, 1999). Auch ist es schwierig, die Wirkung festzustellen, ob die Gelder letztlich tatsächlich bei den Schülerinnen und Schülern mit spezifischem Bildungsbedarf ankommen und diese ausreichend unterstützt werden (Riddell, Tisdal & Kane, 2006). Des Weiteren besteht die Gefahr, dass Schulen, die fixe Pauschalen erhalten, dazu tendieren, Kinder mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen gar nicht aufzunehmen, da diese das Budget stärker belasten könnten als die anderen Schülerinnen und Schüler (Crawford, Sibieta & Vignoles, 2011). VHN 4 | 2022 307 MONIKA T. WICKI, KATHARINA ANTOGNINI Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen FACH B E ITR AG In der Schweiz werden Maßnahmen im Frühbereich wie heilpädagogische Früherziehung, Logopädie und Psychomotorik in allen Kantonen bedarfsgesteuert, also individuell finanziert. Auch verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen in einer Sonderschule, Betreuung in Tagesstrukturen oder stationäre Unterbringung in einer sonderpädagogischen Einrichtung werden nach einem standardisierten Abklärungsverfahren individuell verfügt. Die einfachen sonderpädagogischen Maßnahmen im Rahmen der Regelschule werden oft pauschal finanziert, wobei die Höhe der Pauschalen unterschiedlich ist. Im Kanton Zürich stehen 0.4 bis 0.5 Pensen pro 100 Schülerinnen und Schüler für integrierte Förderung pauschal zur Verfügung, in den Kantonen Luzern und Schaffhausen mehr als 0.8. Anteil Kanton Anteil Gemeinde Kanton Aargau 65 % 35 % Kanton Appenzell Ausserrhoden 50 % 50 % Kanton Basel-Stadt 100 % Kanton Basel-Land 100 % Kanton Bern (Sonderpädagogische Maßnahmen in der Regelschule) 70 % 30 % Kanton Bern (Sonderpädagogische Maßnahmen in der Sonderschule) 50 % 50 % Kanton Freiburg 50 % 50 % Kanton Genf 100 % Kanton Glarus 100 % Kanton Graubünden 100 % minus Fr. 21.- Fr. 21.- Kanton Jura 33 % 66 % Kanton Luzern 50 % 50 % Kanton Neuenburg 100 % Kanton Nidwalden 100 % Kanton Obwalden rund 75 % rund 25 % Kanton Schaffhausen 100 % minus übliches Schulgeld übliches Schulgeld Kanton Solothurn 100 % Kanton St. Gallen 100 % Kanton Schwyz 50 % 50 % Kanton Tessin 100 % Kanton Thurgau 100 % Kanton Uri 30 % 70 % Kanton Waadt 100 % Kanton Wallis 70 % 30 % Kanton Zug 50 % 50 % Kanton Zürich (ISR) 100 % minus Fr. 45’000.- Maximal Fr. 45’000.- Kanton Zürich (ISS) 35 % minus Fr. 45’000.- 35 % plus Fr. 45’000.- Tab. 2 Finanzierungsschlüssel bei den verstärkten Maßnahmen VHN 4 | 2022 308 MONIKA T. WICKI, KATHARINA ANTOGNINI Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen FACH B E ITR AG Sind Logopädie und Psychomotoriktherapie in diesen Pauschalen einbezogen, variiert die durchschnittliche Pauschale von 0.99 Pensen pro 100 Schülerinnen und Schüler im Kanton Schaffhausen und 1.1 Pensen im Kanton St. Gallen. In den meisten Kantonen werden sonderpädagogische Maßnahmen im Vorschulalter (Heilpädagogische Früherziehung, Logopädie, Psychomotorik) vorwiegend durch den Kanton finanziert. Die Kosten für die verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen werden sowohl im Rahmen der Regelschule als auch im separativen Bereich in dreizehn Kantonen gänzlich, bzw. abzüglich des üblichen Schulgeldes, durch die Kantone finanziert. In den Kantonen Zug, Schwyz, Luzern, Freiburg und Appenzell-Ausserrhoden finanzieren Kanton und Gemeinden je zur Hälfte die verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen. Im Kanton Zürich finanzieren die Gemeinden bei den verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen im Rahmen der Regelschule maximal Fr. 45’000.- (vgl. Tabelle 2). Da die pauschale Finanzierung insbesondere für einfache sonderpädagogische Maßnahmen im Rahmen der Regelschule verwendet wird und die individuelle Finanzierung vor allem für sonderpädagogische Maßnahmen im Frühbereich und für die verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen in der Regel- und Sonderschule, sind die beiden Finanzierungsformen deckungsgleich mit den einfachen und verstärkten Angeboten. Somit wird lediglich bezüglich der Aufteilung der Finanzierung der sonderpädagogischen Maßnahmen zwischen Kanton und Gemeinden eine weitere Variable gebildet. Bezüglich der Finanzierungsmechanismen für sonderpädagogische Angebote können Kantone unterschieden werden, in denen der Kanton mehr als die Hälfte der Finanzierung der verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen übernimmt, und solche, in denen die Gemeinden mehrheitlich oder zur Hälfte diese Kosten tragen. 3.1.3 Entscheidungsprozesse In Bezug auf die sonderpädagogischen Angebote wird auf Bundesebene der Grundsatz der „Integration vor Separation“ vorgegeben. Da die schweizerische Volksschule als eine gemeinsame Aufgabe des Kantons und der Gemeinden organisiert ist, sind es die Kantone, welche die Rahmenbedingungen für die Volksschule vorgeben. Darunter sind auch die Förderangebote und die sonderpädagogischen Angebote, die Anstellungsbedingungen der Lehrpersonen und die Finanzierung der Schulen geregelt. Die Gemeinden sind zwar den Kantonen untergeordnet, sie sind jedoch für viele Aspekte der Führung und Organisation der Volksschulen vor Ort innerhalb des kantonal vorgegebenen Rahmens selbst zuständig (Heinzer & Hangartner, 2016). Bezüglich der Gewährung sonderpädagogischer Maßnahmen müssen Entscheide beim Übergang vom Regelunterricht zu einer Unterstützung mit sonderpädagogischen Maßnahmen im niederschwelligen Bereich sowie von einer Unterstützung im niederschwelligen Bereich zu verstärkten Maßnahmen getroffen werden. Wie es zur Entscheidung kommt und wer entscheidet, ist in den kantonalen Rahmenbedingungen festgehalten. Beim Übergang vom regulären Unterricht zu zusätzlicher Unterstützung und Hilfe aufgrund leichterer schulischer Lernschwierigkeiten, also zu einfachen sonderpädagogischen Maßnahmen, sind in allen Kantonen die Gemeinden für die Entscheidung der Gewährung sonderpädagogischer Maßnahmen zuständig. Dies, sofern einfache Maßnahmen auch als sonderpädagogische Maßnahmen regulatorisch definiert wurden (Tab. 3). Oft entscheiden die Schulleitungen über die Zuteilung der (pauschal) gewährten Ressourcen autonom, und es wird meistens auch kein Abklärungsverfahren beim schulpsychologischen Dienst oder einer externen Fachstelle durchgeführt. VHN 4 | 2022 309 MONIKA T. WICKI, KATHARINA ANTOGNINI Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen FACH B E ITR AG Kantone Konkordatsbeitritt Finanzierung_ VM_mehrh_ Kanton Angebot_ Mehrstufig Entscheid_ VM_Kanton Cluster Total SuS Maßnahme unbekannt Förderquote Separationsquote Appenzell Ausserrhoden Ja Nein Ja Ja 1 5937 0 3.77 % 3.00 % Basel-Landschaft Ja Ja Ja Ja 1 32056 0 3.21 % 1.84 % Basel-Stadt Ja Ja Ja Nein 2 18747 0 3.89 % 0.59 % Bern Nein Ja Ja Ja 1 110523 0 7.97 % 2.04 % Freiburg Ja Nein Ja Ja 1 40469 0 3.67 % 2.03 % Genf Ja Ja Nein Ja 2 59868 0 7.31 % 1.46 % Glarus Nein Ja Ja Ja 1 4321 0 3.45 % 2.31 % Graubünden Nein Ja Ja Ja 1 19162 0 2.86 % 1.37 % Jura Ja Ja Ja Ja 1 8474 8341 n. a. 1.59 % Luzern Ja Nein Ja Nein 1 43919 0 3.04 % 1.72 % Neuenburg Ja Ja Ja Ja 1 20698 681 3.11 % 2.15 % Nidwalden Nein Ja Ja Ja 1 4183 0 4.33 % 0.81 % Obwalden Ja Ja Ja Ja 1 4101 9 2.61 % 1.27 % Schaffhausen Ja Ja Ja Nein 2 8697 0 2.84 % 2.48 % Schwyz Nein Nein Ja Ja 1 16880 0 1.85 % 1.33 % Solothurn Ja Ja Nein Ja 2 28221 0 4.00 % 2.87 % St. Gallen Ja Ja Nein Nein 2 57966 0 11.33 % 2.48 % Tessin Ja Ja Ja Ja 1 37528 0 2.21 % 1.16 % Thurgau Nein Ja ja Ja 1 30728 0 2.54 % 1.91 % Uri Ja Nein Ja Nein 1 3946 3946 n. a. 1.63 % Waadt Ja Ja Ja Ja 1 99495 0 2.63 % 1.86 % Wallis Ja Ja Ja Ja 1 37655 37153 n. a. 0.84 % Zug Nein Nein Ja Ja 1 14473 0 3.61 % 2.88 % Zürich Ja Nein Ja Nein 1 167744 130 3.67 % 1.63 % Tab. 3 Übersicht VHN 4 | 2022 310 MONIKA T. WICKI, KATHARINA ANTOGNINI Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen FACH B E ITR AG Bei der zweiten Schwelle, beim Übergang zum Bereich der verstärkten Maßnahmen, die in vielen Kantonen des Sonderpädagogik-Konkordats mit dem Verfahren des standardisierten Abklärungsverfahrens (SAV) zugewiesen werden, insbesondere beim Entscheid, eine Schülerin oder einen Schüler in einer Sonderschule zu unterrichten, sei es als Tagessschule oder als Internat, entscheiden in 18 der 24 untersuchten Kantone die Kantone (Tab. 3). Im Kanton Solothurn können die Schulleitungen die spezielle Förderung selbstständig anordnen, diese wird aber nicht zu den sonderpädagogischen Maßnahmen gezählt. Dauern die Fördermaßnahmen insgesamt länger als zwei Jahre, muss vor einer Verlängerung, bei der durch die kantonale Aufsichtsbehörde bezeichneten Fachstelle ein Abklärungsbericht eingeholt werden. Die fallbezogenen Einzelmaßnahmen werden dann durch die Schulleitungen bei der kantonalen Aufsichtsbehörde beantragt. Die von der kantonalen Aufsichtsbehörde bestimmte Fachstelle klärt den Anspruch auf die Sonderschulung ab, und die kantonale Aufsichtsbehörde verfügt namens des Departements die Sonderschulung auf Antrag dieser kantonalen Fachstelle. In Kantonen, in denen nicht der Kanton über die verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen entscheidet, sind spezifische Entscheidungsprozesse etabliert. Im Kanton St. Gallen beispielweise entscheidet die lokale Schulbehörde (Schulrat) über sämtliche sonderpädagogischen Maßnahmen im Rahmen der obligatorischen Schule, während die zuständige Stelle des Kantons über die sonderpädagogischen Maßnahmen sowohl im Frühbereich als auch im nachobligatorischen Bereich entscheidet. Im Kanton Zürich sind die Entscheidungsprozesse wie folgt geregelt: Die Entscheidung über sonderpädagogische Maßnahmen wird von den Eltern, der Lehrperson und der Schulleitung gemeinsam getroffen. Fällt eine Sonderschulung in Betracht, ist die Mitwirkung und die Zustimmung der Schulpflege erforderlich. Im Kanton Schaffhausen wiederum wird Sonderschulung in der Regel auf Antrag der Eltern, der Klassenlehrperson oder der Abteilung Schulische Abklärung und Beratung durch die Schulbehörde bzw. Schulleitung angeordnet. Die Anordnung von Sonderschulung ist dem Erziehungsdepartement zur Genehmigung (fachliche und formale Prüfung) zu unterbreiten. 3.2 Der Einfluss der regulatorischen Rahmenbedingungen auf Förderung und Inklusion Inwiefern beeinflussen die Angebotsstrukturen, die Finanzierungsmechanismen oder die Entscheidungsstrukturen die Förder- und Separationsquoten? Dieser Frage wird im Folgenden nachgegangen. In Tabelle 3 ist eine Übersicht über die beiden Quoten im Schuljahr 2018/ 19 auf der Basis der Daten des Bundesamtes für Statistik (2020), Statistik der Sonderpädagogik, aufgeführt, daneben sind die regulatorischen Rahmenbedingungen der Kantone bezüglich Konkordatsbeitritt, Angebotsstruktur, Finanzierungsmechanismen und Entscheidungsprozesse zusammenfassend dargestellt. Für die explorativen Clusteranalysen mit der K-Means- Methode wurde „Ja“ jeweils mit 1 und „Nein“ mit 0 codiert. Mit der Cluster-Analyse konnten zwei Cluster identifiziert werden. Das kleinere Cluster setzt sich aus insgesamt fünf Kantonen zusammen. Drei davon definieren in den regulatorischen Rahmenbedingungen nur verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen (Genf, Solothurn, St. Gallen), und in zwei Kantonen entscheiden die Gemeinden, nicht die Kantone, über die Verfügung für verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen, obwohl die Kantone mehrheitlich für deren Finanzierung zuständig sind (Basel-Stadt und Schaffhausen). Das größere Cluster setzte sich aus den restlichen 19 Kantonen zusammen. Darin sind diejenigen Kantone VHN 4 | 2022 311 MONIKA T. WICKI, KATHARINA ANTOGNINI Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen FACH B E ITR AG enthalten, für die alle vier Variablen mit Ja beantwortet werden konnten (7 Kantone), Kantone, die nicht dem Sonderpädagogik-Konkordat beigetreten sind (7 Kantone), und Kantone, in denen die Finanzierung der verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen mehrheitlich durch die Gemeinden getragen wird (7 Kantone) (zwei dieser Kriterien treffen bei den Kantonen Schwyz und Zug gleichzeitig zu). Die Distanz zwischen den Clusterzentren der definitiven Lösung ist .909. Zudem lässt sich über den F-Test der Clusteranalyse beschreiben, dass die Variablen Entscheidungsprozess (F = 4.57, p<.05) und Angebotsstruktur (F=26.13, p<.001) maßgeblich für die Clusterlösung verantwortlich sind. In einem zweiten Schritt wurde geprüft, ob sich die beiden Cluster hinsichtlich der Förder- und der Separationsquoten unterscheiden. Dazu ist der Mann-Whitney-U-Test als nonparametrischer Test geeignet. Die durchschnittliche Quote aller Kantone für verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen in der Schweiz liegt bei 4.8 %. Diese Quote wird als Förderquote bezeichnet. In die Analyse werden 21 Kantone einbezogen, da die Förderquoten der Kantone Jura, Uri und Waadt aufgrund fehlender Daten des Bundesamtes für Statistik nicht bekannt sind. Der Mann-Whitney-U-Test zeigt, dass Kantone des Cluster 2, also Kantone, die nur die verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen im Rahmen der Regelschule in den Gesetzen und Verordnungen nennen und in denen die Gemeinden für den Entscheid zur Verfügung verstärkter sonderpädagogischer Maßnahmen zuständig sind, obwohl der Kanton mehrheitlich für deren Finanzierung aufkommt, eine signifikant höhere Förderquote aufweisen (Mdn = 4.0) als die Kantone, die auch einfache Maßnahmen (bspw. integrative Förderung) im Rahmen der Regelschule als sonderpädagogische Maßnahmen zählen (Mdn = 3.2) und in denen sowohl der Entscheid für verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen als auch deren mehrheitliche Finanzierung durch die Kantone erfolgt. Exakter Mann-Whitney-U-Test: U = 16.0, p = .048. Die Effektstärke wird nach Lenhard und Lenhard (2016) berechnet. Die Effektstärke Cohen’s d liegt bei .959 und entspricht einem starken Effekt. Gemäß dem Mann-Whitney-U-Test haben die unterschiedlichen regulatorischen Rahmenbedingungen der Kantone, die mit den Clustern definiert wurden, jedoch keinen signifikanten Effekt auf die Höhe der Separationsquoten (U = 38.0, p = .499). Cluster 1: Kantone, die auch einfache Maßnahmen (bspw. integrative Förderung) im Rahmen der Regelschule als sonderpädagogische Maßnahmen zählen und in denen sowohl der Entscheid für verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen als auch deren mehrheitliche Finanzierung durch die Kantone erfolgt (Mdn = 1.72). Cluster 2: Kantone, die nur die verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen im Rahmen der Regelschule in den Gesetzen und Verordnungen nennen und in denen die Gemeinden für den Entscheid zur Verfügung verstärkter sonderpädagogischer Maßnahmen zuständig sind (Mdn = 2.48). Für die Clusterlösung haben sich zwei Variablen als maßgeblich erwiesen, nämlich die Angebotsstruktur und die Entscheidungsprozesse. Zudem zeigten die Analysen, dass sich die beiden Cluster hinsichtlich der Förderquote unterscheiden. Um diesen Unterschied etwas genauer zu untersuchen, wurde posthoc analysiert, in welchem Zusammenhang Angebotsstruktur und Entscheidungsprozesse mit der Förderquote stehen. Dazu wurde eine nicht-parametrische Regression mit robusten rangbasierten Schätzern verwendet (Kloke & McKean, 2012). Als unabhängige Variablen wurden die Angebotsstruktur und die Entscheidungsprozesse eingeschlossen und auf die Förderquote regressiert. Es zeigte sich, VHN 4 | 2022 312 MONIKA T. WICKI, KATHARINA ANTOGNINI Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen FACH B E ITR AG dass dieses Modell einen signifikanten Beitrag zur Aufklärung des Zusammenhangs leistet (F (2, 18) = 7,17, p < .01) und ein multiples R 2 von 0.44 aufweist. Darüber hinaus zeigte sich, dass die Angebotsstruktur, das heißt, ob nur verstärkte oder auch einfache Maßnahmen definiert werden, einen signifikanten Einfluss auf die Förderquote hat (t = -5.88, p < .001). Kantone, welche eine mehrstufige Angebotsstruktur definieren (einfache und verstärkte Maßnahmen) haben demnach eine um 4.1 % niedrigere Förderquote als Kantone mit einstufiger Angebotsstruktur (nur verstärkte Maßnahmen). 4 Diskussion Ziel der Untersuchung war es zu prüfen, inwiefern die regulatorischen Rahmenbedingungen für sonderpädagogische Angebote die Förderquoten und die Separationsquoten mitbestimmen. Dazu wurden die regulatorischen Rahmenbedingungen in dichotomen Kategorien systematisiert. Es wurden Kantone, die dem Sonderpädagogik-Konkordat beigetreten sind, von Kantonen unterschieden, die dem Konkordat nicht beigetreten sind. Es wurden Kantone, die in ihren Gesetzen und Verordnungen sowohl einfache als auch verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen definiert haben, von Kantonen unterschieden, die nur verstärkte Maßnahmen nennen. Zudem wurden die Kantone, in denen die Gemeinden die Hälfte oder mehr der Kosten für verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen übernehmen, von Kantonen unterschieden, in denen die Kantone den Großteil der Kosten für diese Maßnahmen tragen. Letztlich wurden auch Kantone, in denen die Kantone über die Verfügung von verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen entscheiden, von solchen Kantonen unterschieden, in denen die Gemeinden selbst über solche Verfügungen entscheiden. Mittels Clusteranalysen konnte eine Struktur in den regulatorischen Rahmenbedingungen der Kantone aufgezeigt werden, und es konnten Gruppen von Kantonen mit ähnlichen Rahmenbedingungen gebildet werden. Anschließend wurde mittels des Mann-Whitney-U-Tests geprüft, ob sich die Förder- und Separationsquoten der Kantone für die durch die Clusteranalysen gebildeten Gruppen von Kantonen signifikant unterscheiden. Zudem wurde post-hoc regressionsanalytisch überprüft, welche Zusammenhänge sich zwischen den Clustervariablen und der Förderquote ergeben. Die Ergebnisse zeigen, dass die regulatorischen Rahmenbedingungen einen Einfluss auf die Förderquoten haben. Höhere Förderquoten sind zu finden in Kantonen, die in den regulatorischen Rahmenbedingungen nur die verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen als sonderpädagogische Maßnahmen definiert haben und in denen die Entscheidungskompetenz für die verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen bei den Gemeinden liegen, während für die Finanzierung mehrheitlich die Kantone aufkommen. Dabei scheint der Aspekt der definierten Angebote einen wesentlich bedeutenderen Einfluss auf die Höhe der Förderquote zu haben als die Entscheidungsmacht der Gemeinden bei gleichzeitiger Finanzierung der Maßnahmen durch den Kanton. Für Kantone, die im Vergleich mit den anderen Kantonen eine außergewöhnlich hohe Förderquote aufweisen und nur verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen in den Gesetzen definiert haben, könnte es eine Möglichkeit sein, die Quote zu senken, indem die Gesetze und Verordnungen derart angepasst werden, dass auch einfache sonderpädagogische Maßnahmen definiert werden. Allerdings müsste geklärt werden, was genau einfache sonderpädagogische Maßnahmen sind und ob und wie sie statistisch erfasst werden können. VHN 4 | 2022 313 MONIKA T. WICKI, KATHARINA ANTOGNINI Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen FACH B E ITR AG Im Rahmen der Bildungsstatistik erheben Bund und Kantone gemeinsam jährlich verschiedene Merkmale der Lernenden in der Schweiz. Bezüglich der Sonderpädagogik werden der Lehrplanstatus und die sonderpädagogischen Maßnahmen eines Schülers oder einer Schülerin erhoben. Dabei wird erfasst, ob ein Kind keine sonderpädagogische Maßnahme, einfache sonderpädagogische Maßnahmen oder verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen hat oder ein Sonderschulprogramm besucht, also in einer Sonderschule unterrichtet wird. Die Erhebung der Daten zu den verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen ist obligatorisch, diejenige zu den einfachen sonderpädagogischen Maßnahmen hingegen fakultativ. Die Freiwilligkeit wird damit begründet, dass die einfachen Maßnahmen variieren können und manchmal bei einzelnen Lernenden, einer Kleingruppe oder auch klassenbezogen eingesetzt werden (Bundesamt für Statistik, 2021). Die verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen werden im technischen Handbuch der Statistik der Lernenden wie folgt definiert: „Eine verstärkte Maßnahme bezieht sich individuell auf eine/ n bestimmte/ n Schüler/ in. Sie besteht nur, wenn ein standardisiertes Abklärungsverfahren (SAV) oder ein ähnliches Verfahren für die Festlegung der individuellen Bedürfnisse durchgeführt wurde und die zuständige Behörde eine anfechtbare Verfügung über die Verordnung von Maßnahmen erlassen hat“ (ebd., S. 23). Die Definition der einfachen sonderpädagogischen Maßnahmen ist im technischen Handbuch zur Statistik der Lernenden weniger präzise als die Definition der verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen: „Gemäß dem Sonderpädagogik-Konkordat setzen die Kantone noch andere Maßnahmen um, um Lernenden mit besonderen Bedürfnissen zu helfen, aber ohne umständliche und langfristige Prozedur. Das sonderpädagogische Grundangebot umfasst u. a. Beratung und Unterstützung, heilpädagogische Früherziehung, Logopädie und Psychomotorik sowie die notwendige Unterstützung beim Transport zwischen Schule und Elternhaus und/ oder Ort der Therapie. (Art. 4)“ (ebd.). Bei dieser Definition fehlen die im Sonderpädagogik-Konkordat genannten sonderpädagogischen Maßnahmen in einer Regelschule oder in einer Sonderschule. Auch sie wären, gemäß Sonderpädagogik-Konkordat, als einfache sonderpädagogische Maßnahmen zu berücksichtigen. Somit zeigt sich, wie auch Mejeh (2021) ausführt, dass die an die Akteure im Schulsystem gestellten Anforderungen nicht immer einheitlich sind. Dies erschwert eine konsistente Umsetzung in der Praxis erheblich. Die in den letzten Jahren vorgenommenen Verbesserungen der Statistik der Sonderpädagogik im Rahmen der Modernisierung der Bildungsstatistik sind erfreulich. Dennoch zeigen sich Lücken, wenn es das Ziel ist, die sonderpädagogischen Angebote und die Nutzung der Angebote durch Schülerinnen und Schüler in der Schweizer Volksschule zu erfassen. Indem einfache als auch verstärkte sonderpädagogische Maßnahmen im Sonderpädagogik- Konkordat beschrieben sind und dies in den kantonalen Gesetzen höchst unterschiedlich aufgenommen und umgesetzt wurde, registrieren die Lehrpersonen heute in einigen Kantonen viel mehr Schülerinnen und Schüler mit verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen als in anderen Kantonen. Hohe Förderquoten sind aber nicht unbedingt als Fortschritt einer inklusiven Schule zu deuten. Im Hinblick auf die Ratifizierung der UN-BRK und die Verpflichtung zur Umsetzung eines inklusiven Bildungssystems stellen sich auch bezüglich der Bildungsstatistik weitere Fragen. Denn geht man von einem breiten Verständnis von Inklusion aus und pflegt ein integratives Verständnis von Begabungsförderung, wie es Bianca Preuss (2018) als Gelingensbedingung inklusiver Bildung im Mehrebenensystem beschreibt, so sind sonderpädagogische Maßnah- VHN 4 | 2022 314 MONIKA T. WICKI, KATHARINA ANTOGNINI Effekte der regulatorischen Rahmenbedingungen FACH B E ITR AG men eher auf der Ebene der Lehrperson und der Klasse angesiedelt als beim einzelnen Kind. Das bedeutet auch, dass auf einem Index beruhende pauschale Ressourcierungsformen vermehrt geprüft werden müssen, um Etikettierungen zu vermeiden. Gleichzeitig gilt es, mit einem sehr individuellen, differenzierten pädagogischen Unterrichtsansatz zu sichern, dass jedes Kind Lernfortschritte machen kann (ebd.). Die Kantone und Gemeinden haben im Rahmen der Regelschule höchst unterschiedliche Förderangebote geschaffen. Nebst zahlreichen unterschiedlichen einfachen und verstärkten sonderpädagogischen Maßnahmen wird auch Begabtenförderung und Schulsozialarbeit geleistet, es wurden Schulinseln eingeführt und nicht pädagogisch ausgebildete Assistenzpersonen angestellt und vieles mehr. Diese Vielfalt ist statistisch schwer zu erfassen, sowohl auf der Angebotsals auch der Seite der begünstigten Schülerinnen und Schüler, sowohl beim Input als auch beim Output (Irniger, 2020; Wolter, Lüthi & Zumbühl, 2020). Sinnvollerweise sollte ein Erhebungsinstrument geschaffen werden, das erstens die unterschiedlichen ins System gegebenen Ressourcen erfasst, zweitens Auskunft über deren Nutzung geben kann und drittens den Schulen und Gemeinden zur Qualitätsentwicklung und zur Sicherung der Lernfortschritte aller Schülerinnen und Schüler dient. Anmerkungen 1 Kantone Wallis, Schaffhausen Obwalden und Genf 2008, Luzern, Waadt, Freiburg, Tessin 2009, Appenzell Ausserrhoden, Basel-Stadt, Basel- Land und Uri 2010, Glarus 2012, Neuenburg und Jura 2013 sowie Zürich 2014. 2 Während der Arbeiten an diesem Projekt wurden im Kanton Aargau die regulatorischen Rahmenbedingen neu formuliert. Die Daten, welche die Bildungsstatistiken bis dahin führten, basieren jedoch auf den ursprünglichen gesetzlichen Grundlagen. Daher können die Daten aus dem Kanton Aargau nicht in die Analysen einbezogen werden. Aus dem Kanton Appenzell Innerhoden sind weder auf den Webseiten des Kantons noch im Projekt InSeMa oder in den Analysen der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik Angaben zu den regulatorischen Rahmenbedingungen der sonderpädagogischen Angebote zu finden. Die Anfragen bei den lokalen Behörden wurden nicht beantwortet. Daher wird auch dieser Kanton nicht in die Analysen einbezogen. Literatur Banks, J., Frawley, D. & McCoy, S. (2015). Achieving inclusion? Effective resourcing of students with special educational needs. International Journal of Inclusive Education Leadership Review, 19 (9), 926 -943. https: / / doi.org/ 10.1080/ 13603116.2015.1018344 Bundesamt für Statistik (2020). Statistik der Sonderpädagogik. Schuljahr 2018/ 19. 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Katharina Antognini Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich Institut für Professionalisierung und Systementwicklung Schaffhauserstr. 239 Postfach 5850 CH-8050 Zürich E-Mail: monika.wicki@hfh.ch Was ist über die Entwicklung von Kindern mit Beeinträchtigungen in den unterschiedlichen Entwicklungsbereichen bekannt? Wie wirken sich biologische und soziale Risiken auf die Entwicklung aus? Welche Methoden stehen zur Förderung zur Verfügung und was lässt sich aus der Entwicklungsforschung über die Wirksamkeit dieser Methoden sagen? Das Handbuch gibt Antwort auf all diese Fragen und bietet so eine Grundlage für alle, die in der Frühförderung von Kindern mit einer kognitiven, sprachlichen oder motorischen Beeinträchtigung, einer Hör- oder Sehschädigung, einer sozial-emotionalen Entwicklungsstörung oder einer schweren Mehrfachbehinderung tätig sind. PraktikerInnen erhalten so einen umfassenden Überblick über das Arbeitsfeld und Leitlinien für die Praxis der Frühförderung. a www.reinhardt-verlag.de Früh fördern 2., aktualisierte Auflage 2022. 481 Seiten. 22 Abb. 10 Tab. (978-3-497-03157-3) kt