eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 91/4

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2022.art37d
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2022
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Fachbeitrag: Gruppendiskussionen mit Kindern in der Inklusionsforschung

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2022
Carolin Gravel
Das Erhebungsverfahren der Gruppendiskussion ist in der qualitativen Forschung eine verbreitete Methode, um Perspektiven mehrerer Personen zu beleuchten sowie ihr gemeinsam geteiltes Wissen zu erheben. Anfang der 2000er Jahre wurde in der Kindheitsforschung diskutiert, ob und wie das Verfahren auf Kindergruppen übertragen werden kann. Mittlerweile stellt es eine etablierte Forschungsmethode dar, um kindliche Perspektiven auf verschiedene Themen zu erfassen. In der schulischen Inklusionsforschung wurden Gruppendiskussionen bislang vor allem zur Erhebung der Sichtweisen von erwachsenen Akteur/innen eingesetzt. Viel seltener wird das Verfahren angewendet, um Erfahrungen von Schüler/innen in inklusiven Settings zu sammeln. Dieser in erster Linie methodische Beitrag geht anhand eigener Forschungserfahrungen der Frage nach, auf welche Weise Gruppendiskussionen mit Kindern in inklusiven Settings eingesetzt werden können, um ihre gemeinsam geteilten Erfahrungen zu erheben. Darüber hinaus wird erörtert, welche forschungspraktischen Herausforderungen bei der Planung und Durchführung zu erwarten sind und welche Potenziale der Erhebungsmethode für die Inklusionsforschung innewohnen.
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317 VHN, 91. Jg., S. 317 -329 (2022) DOI 10.2378/ vhn2022.art37d © Ernst Reinhardt Verlag Gruppendiskussionen mit Kindern in der Inklusionsforschung Methodische und forschungspraktische Überlegungen zur Erhebung kindlicher Perspektiven auf inklusiven Unterricht 1 Carolin Gravel Universität zu Köln Zusammenfassung: Das Erhebungsverfahren der Gruppendiskussion ist in der qualitativen Forschung eine verbreitete Methode, um Perspektiven mehrerer Personen zu beleuchten sowie ihr gemeinsam geteiltes Wissen zu erheben. Anfang der 2000er Jahre wurde in der Kindheitsforschung diskutiert, ob und wie das Verfahren auf Kindergruppen übertragen werden kann. Mittlerweile stellt es eine etablierte Forschungsmethode dar, um kindliche Perspektiven auf verschiedene Themen zu erfassen. In der schulischen Inklusionsforschung wurden Gruppendiskussionen bislang vor allem zur Erhebung der Sichtweisen von erwachsenen Akteur/ innen eingesetzt. Viel seltener wird das Verfahren angewendet, um Erfahrungen von Schüler/ innen in inklusiven Settings zu sammeln. Dieser in erster Linie methodische Beitrag geht anhand eigener Forschungserfahrungen der Frage nach, auf welche Weise Gruppendiskussionen mit Kindern in inklusiven Settings eingesetzt werden können, um ihre gemeinsam geteilten Erfahrungen zu erheben. Darüber hinaus wird erörtert, welche forschungspraktischen Herausforderungen bei der Planung und Durchführung zu erwarten sind und welche Potenziale der Erhebungsmethode für die Inklusionsforschung innewohnen. Schlüsselbegriffe: Inklusion, Gruppendiskussion, Methode, Schule, Schüler/ innen Group Discussions with Children in Inclusion Research. Methodical and Practical Research Considerations on the Collection of Children’s Perspectives on Inclusive Education Summary: The survey procedure of the group discussion is an established method in qualitative research to shed light on the perspectives of several people as well as to collect their jointly shared knowledge. At the beginning of the 2000s, it was discussed in childhood research whether and how the method could be transferred to groups of children. In the meantime, it has become an established research method to capture children’s perspectives on various topics. In school inclusion research, group discussions have so far been used mainly to capture the perspectives of adults. Much less frequently, the method is used to collect students’ experiences in inclusive settings. This primarily methodical contribution uses own research experiences to explore the question of how group discussions with children in inclusive settings can be used to collect their shared experiences. In addition, it discusses the practical research challenges that can be expected during planning and implementation, as well as the inherent potential of the survey method for inclusion research. Keywords: Inclusion, group discussion, method, school teaching, pupils FACH B E ITR AG VHN 4 | 2022 318 CAROLIN GRAVEL Gruppendiskussionen mit Kindern in der Inklusionsforschung FACH B E ITR AG 1 Gruppendiskussionen mit Kindern in Kindheits- und Inklusionsforschung Die Entwicklung des Gruppendiskussionsverfahrens in Deutschland wurde in den 1950er- Jahren primär vom Frankfurter Institut für Sozialforschung vorangetrieben und in den folgenden Jahrzehnten maßgeblich durch die Arbeiten von Werner Mangold, Karl Mannheim sowie Ralf Bohnsack beeinflusst (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014). Ihren Annahmen zufolge repräsentieren Äußerungen in Gruppendiskussionen „kollektive Wissensbestände“, die die Teilnehmenden in sogenannten „konjunktiven Erfahrungsräumen“ entwickelt haben (ebd.). Letztere sind als geteilte Lebenszusammenhänge und Sinnstrukturen zu verstehen, wie sie zum Beispiel in einer bestimmten Generation, in einem bestimmten Milieu oder einer Gruppe vorherrschen. Zunächst beschränkte sich die Forschung vor allem auf Erwachsenen- und Jugendgruppen. Im Hinblick auf die Kindheitsforschung wurde anfänglich diskutiert, ob sich Gruppendiskussionen als Erhebungsmethode für kindliche Eindrücke eignen und welche Anpassungen im Falle einer Anwendung erforderlich seien (Heinzel, 2012; Vogl, 2005). Im Folgenden soll diese Auseinandersetzung näher beleuchtet werden. 1.1 Gruppendiskussionen mit Kindern in der Kindheitsforschung „Kinder machen - insbesondere in institutionellen Zusammenhängen - gemeinsame Lebenserfahrungen. Sie sind so durch eine fundamentale Sinnschicht verbunden“ (Michalek & Schönknecht, 2008, S. 198). Geteilte Lebensräume gehören zum Alltag von Erwachsenen genauso wie von Kindern. Wenn Kinder in einer Gemeinschaft womöglich über eine längere Zeit zusammen lernen, spielen, Sport machen o. Ä., erwächst eine Zusammengehörigkeit, zu der auch gemeinsam geteiltes Wissen gehört. Damit teilen sie einen konjunktiven Erfahrungsraum, der für Gruppendiskussionen die entscheidende Grundlage bildet. Anfang der 2000er-Jahre hielt das Gruppendiskussionsverfahren Einzug in die Kindheitsforschung (Heinzel, 2012). In den Folgejahren wurde es von Wissenschaftler/ innen zu unterschiedlichen Themen und Forschungsfragen eingesetzt: Unter anderem zur Erforschung der Spielpraxis von Kindern (Nentwig-Gesemann, 2002), Geschlechtervorstellungen (Michalek, 2006) und kindlicher Lebenswelt (Bock, 2010). Einen guten Einblick in die Forschungspraxis geben die Artikel von Friederike Heinzel (2012) sowie von Bettina Brenneke und Anja Tervooren (2019). Auch wenn „sich der Diskussionsstil von Kindern und Erwachsenen teilweise unterscheidet und spielerisches Handeln sowie szenische Darstellungen ein konstitutiver Bestandteil der Gruppendiskussionen mit Kindern sind“ (Heinzel, 2012, S. 113), stimmen die Forscher/ innen überein, dass kindliche Äußerungen ernst zu nehmen sind und der Diskurs in Gruppendiskussionen wertvolle Hinweise auf Erfahrungen von Kindern geben kann. In Gruppendiskussionen können das geteilte Wissen und die gemeinsamen Erfahrungen von Kindern versprachlicht werden: „Finden sie [die Kinder] sich in Gruppen zusammen und reden miteinander, dann können diese Gespräche als Dokumente ihrer kollektiven Erfahrungen verstanden werden“ (ebd., S. 107). Darüber hinaus ist es in Gruppendiskussionen möglich „die Kommunikationsformen sowie Handlungs- und das Denken leitende Orientierungen der Kinder aufzurufen und schließlich rekonstruieren zu können“ (Brenneke & Tervooren, 2019, S. 231f.). Als weiterer Vorteil der Methode z. B. gegenüber Interviews mit einzelnen Kindern ist unter anderem zu nennen, dass Gruppendiskussionen „einen vertiefenden Einblick in die Mikroprozesse sozialer Aushandlungen [erlauben] (…), weil sich die Kinder bei dieser Erhebungsform in ihren Beiträgen vorwiegend aufeinan- VHN 4 | 2022 319 CAROLIN GRAVEL Gruppendiskussionen mit Kindern in der Inklusionsforschung FACH B E ITR AG der beziehen und sich weniger am Gesprächsleiter orientieren“ (Billmann-Mahecha, 2001, S. 12). Hinzu kommt, dass in einer Gruppendiskussion, anders als z. B. im Interview, die Kinder in der Mehrzahl gegenüber der erwachsenen forschenden Person sind. Karin Kämpfe leitet daraus ab, dass dadurch „Hemmnisse aufgrund generationaler Ordnungsverhältnisse und der fremden Forschungssituation minimiert werden“ (Kämpfe, 2019, S. 115). Forschungsprojekte aus den letzten Jahren haben gezeigt, dass Gruppendiskussionen mit Kindern nicht nur möglich sind, sondern darüber hinaus ein großes Potenzial in dieser Art der Erhebung liegt, da die Äußerungen in Gruppendiskussionen „Einblick in einen Teil der ‚Kinderkultur‘“ (Billmann-Mahecha, 2001, S. 14) geben können, welcher allein durch Beobachtungen oder Einzelinterviews nicht zu erreichen ist. 1.2 Gruppendiskussionen mit Kindern in der Inklusionsforschung Auch in der schulischen Inklusionsforschung wurde bereits auf Gruppendiskussionen zurückgegriffen, um Sichtweisen von Lehrpersonal, Eltern oder anderen erwachsenen Akteur/ innen im Feld in Bezug auf verschiedene Themen, u. a. Bedingungen des Gelingens und Umsetzung von Inklusion in der Schule, Kooperation zwischen verschiedenen Beteiligten sowie Differenzkonstruktionen im inklusiven Unterricht, zu erfassen (Merl & Winter, 2014; Böhm, Felbermayr & Biewer, 2018). In Studien zu Perspektiven von Kindern auf ihren inklusiven bzw. integrativen Unterricht griffen viele Forscher/ innen bisher auf Einzel- und Kleingruppeninterviews zurück. Andreas Hinz untersuchte Anfang der 2000er Jahre mit einer Pilotstudie die Perspektiven von Viertklässler/ innen in Bezug auf ihre Erfahrungen in einer Integrationsklasse (Hinz, 2003). Während der Freiarbeitsphasen interviewte er jeweils zwei Schüler/ innen gemeinsam. Die Befragungen dauerten 15 bis 30 Minuten und die leitende Fragestellung lautete, „wie die Kinder ihre Grundschulzeit in einer Integrationsklasse im Rückblick wahrnehmen und welche Themen unter dem Aspekt des Gemeinsamen Unterrichts dabei für sie bedeutsam sind“ (ebd., S. 50). Die Gespräche wurden transkribiert und laut Hinz „interpretativ-reduktiv“ analysiert. Mithilfe einer teilnehmenden Beobachtung sowie Interviews mit insgesamt vier Schüler/ innen, darunter auch eine Schülerin mit Behinderung, untersuchte Sandra Pohl die kindlichen Perspektiven auf das Thema Behinderung im schulischen Kontext einer Kooperationsklasse (Pohl, 2011; 2013). Drei der befragten Kinder besuchten die 2. Grundschulklasse, ein weiteres ging in die daran angeschlossene Kooperationsklasse. Die Interviews waren halb-strukturiert und offen mit Leitfragen angelegt (Pohl, 2013). Im Anschluss wurden sie transkribiert und orientiert an der Grounded Theory ausgewertet (Pohl, 2011). In der Interviewstudie von David Brehme, Anita Gerullis und Christian Huber (2020) wurden insgesamt 28 Grundschulkinder an vier inklusiven Schulen zu ihren Konstruktionen von Normalität und Behinderung befragt. Die Schüler/ innen aus der 4. bis 6. Klasse wurden von ihren Lehrkräften in Gruppen von zwei bis fünf Kindern eingeteilt. Die sieben halb-strukturierten Interviews dauerten zwischen 30 und 44 Minuten und wurden nach der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Gruppendiskussionen mit Kindern werden in der Inklusionsforschung hingegen nur spärlich eingesetzt. Ein Beispiel für den Einsatz liefert die Fallstudie INTEGRU (Integration in die Grundstufe) von Monika Wagner-Willi und Patrik Widmer-Wolf (2009). Als Ziele der Studie werden „die Rekonstruktion der Entwicklung und Integration von Kindern mit besonderem Förderbedarf in der alltäglichen Schulpraxis der Grundstufe sowie […] VHN 4 | 2022 320 CAROLIN GRAVEL Gruppendiskussionen mit Kindern in der Inklusionsforschung FACH B E ITR AG die Rekonstruktion der sozialen Erfahrungen der verschiedenen Akteurgruppen“ (Wagner- Willi & Widmer-Wolf, 2009, S. 10; Herv. i. Orig.) benannt. Neben teilnehmenden Beobachtungen wurden Gruppendiskussionen mit Erwachsenen (Klassenteams) und Schüler/ innen durchgeführt. Die Gruppenzusammenstellung erfolgte auf Grundlage bestehender Peerbeziehungen durch eine spielerische Selbstaufteilung der Kinder. Unter anderem wird von einer Zusammenstellung von drei bis fünf Schüler/ innen gesprochen. Die Gruppen waren dabei vorwiegend geschlechts-homogen aufgeteilt. Aus den sechs untersuchten Grundstufenklassen sollten jeweils mindestens zwei Gruppendiskussionen mit Schüler/ innen, unter denen auch Kinder „mit besonderem Förderbedarf “ (ebd., S. 24) waren, durchgeführt werden. Des Weiteren „wurde darauf geachtet, die Gespräche mit den Kindern in ihren Grundstufenresp. Unterstufenzimmern selbst durchzuführen, damit eine thematische Fokussierung auf das alltägliche Geschehen im Klassenraum für sie gut erinner- und demonstrierbar wurde“ (ebd., S. 24). Bei der Aufnahme der Gespräche orientierte sich das Forschungsteam an der videogestützten Gruppendiskussion nach Iris Nentwig-Gesemann. Die Aufnahme der Gespräche erfolgte zum einen durch eine reine Tonaufnahme, zum anderen durch eine digitale Videokamera. Als zu thematisierende Themenkomplexe wurden u. a. Freundschaftsbeziehungen, Zusammenarbeit des Grundstufenteams sowie Umgang mit Heterogenität herausgestellt. Die Themen wurden in einem Leitfaden mit entsprechenden Fragen festgehalten. Die Gruppendiskussionen wurden nach den Leitlinien der Dokumentarischen Methode analysiert und ausgewertet. Ein weiteres Beispiel stellt die Untersuchung von Bettina Lindmeier und Katrin Ehrenberg (2019) dar. In den von ihnen durchgeführten Gruppendiskussionen sprachen Schüler/ innen aus einer 2. und einer 4. Klasse über ihre Erfahrungen bzgl. des Einsatzes von Schulassistenz und ihre Peerbeziehungen. An den Gesprächen nahmen keine Kinder teil, die von einer Schulassistenz unterstützt wurden. Die Daten wurden mithilfe der Dokumentarischen Methode ausgewertet. Die Ausführungen zeigen, dass die Methode der Gruppendiskussionen mit Kindern in der Inklusionsforschung weitestgehend unterrepräsentiert ist. Insbesondere die Teilnahme von Kindern mit Behinderung bzw. zugeschriebenem sonderpädagogischem Förderbedarf scheint noch nicht verbreitet zu sein. Die nun folgenden Überlegungen leisten somit einen wichtigen Beitrag, um die Methode im Forschungsfeld zu etablieren und im gleichen Zuge Reflexionsansätze bezüglich der Durchführung anzubringen. 2 Methodische und forschungspraktische Überlegungen zu Gruppendiskussionen mit Kindern in inklusiven Settings Die im Folgenden dargestellten methodischen und forschungspraktischen Überlegungen zu Gruppendiskussionen mit Kindern in inklusiven Settings beruhen auf den Erfahrungen aus dem Forschungsprojekt Kulturelle Bildung und Inklusion (KuBIn). Das Verbundvorhaben der Leuphana Universität Lüneburg und der Universität zu Köln wurde von März 2017 bis Dezember 2019 umgesetzt. Das Erkenntnisinteresse des interdisziplinären Projektes lag darauf, „inwiefern in inklusiven Schulklassen Differenzen zwischen den Kindern thematisch, und wie diese im unterrichtlichen Geschehen (re-)produziert werden“ (Dederich & Nitschmann, 2019, S. 89). Im Teilprojekt Köln wurde über insgesamt sieben Monate in drei inklusiven Grundschulklassen fächerübergreifend teilnehmend beobachtet und videografiert, um schwerpunktmäßig non-verbale Interaktionen zwischen den Beteiligten und insbesondere VHN 4 | 2022 321 CAROLIN GRAVEL Gruppendiskussionen mit Kindern in der Inklusionsforschung FACH B E ITR AG den Schüler/ innen zu untersuchen. Um die gewonnenen Erkenntnisse zu ergänzen und eine Mehrperspektivität auf das Feld zu erreichen, wurden darüber hinaus nach dem Feldaufenthalt qualitative Interviews mit Lehrer/ innen und Schulbegleitungen sowie Gruppendiskussionen mit Schüler/ innen der drei Klassen durchgeführt. Als wissenschaftliche Hilfskraft in dem Projekt übernahm ich die Organisation, Planung und Durchführung der Gruppendiskussionen. Im Folgenden werden vier methodische und forschungspraktische Aspekte des Verfahrens anhand der eigenen Erfahrungen näher betrachtet, im fachlichen Diskurs verortet sowie im Hinblick auf die Inklusionsforschung diskutiert. 2.1 Forschungsmethoden Eng verknüpft mit dem Gruppendiskussionsverfahren ist die Dokumentarische Methode, die in Deutschland vorrangig durch Ralf Bohnsack entwickelt wurde (Bohnsack, 2014). So ist es nicht verwunderlich, dass auch in der Kindheitsforschung an diese Methodentradition angeknüpft wurde (Nentwig-Gesemann, 2002; Wagner-Willi & Widmer-Wolf, 2009). In der weiteren Anwendung des Gruppendiskussionsverfahrens wurden jedoch auch andere Auswertungsmethoden genutzt. Unter anderem arbeiteten Arndt und Werning (2013) sowie Michalek und Schönknecht (2008) in ihren Forschungsprojekten mit der Grounded Theory. Gruppendiskussionen sind also nicht prinzipiell an die Dokumentarische Methode gebunden. In meinem Fall bildeten die Leitlinien der Konstruktivistischen Grounded Theory (KGT) nach Kathy Charmaz (2006; 2011) das Grundgerüst des methodologischen Vorgehens. In den Analysephasen habe ich mich an den Kodierstrategien der KGT orientiert, um das Material zu sichten und erste Kodes herauszuarbeiten. In einem weiteren Schritt wurden sogenannte Fallanalysen nach Breidenstein, Hirschauer, Kalthoff und Nieswand (2015) erarbeitet. Sequenzen, die aufgrund der vorherigen Kodierung als besonders interessant bzw. ertragreich für das Thema erschienen, wurden in diesen Fallanalysen genauer untersucht. Vom groben Aufbrechen des Materials gelangte ich nun zur feineren Analyse des Exemplarischen, um mir danach wieder den Gesamtkontext anzuschauen. Durch die Analysen wurden zum Teil neue Kodes erarbeitet oder andere zusammengeführt. Mit diesen neuen Perspektiven habe ich das Material erneut gesichtet und versucht, kontrastierende Sequenzen herauszustellen sowie sogenannte Schlüsselthemen herauszuarbeiten. Breidenstein et al. (2015) erläutern, dass durch die Erarbeitung von Schlüsselthemen „thematische und theoretische Anschlüsse der ethnografischen Forschung an sozialwissenschaftliche Diskurse“ vorgenommen und somit die Arbeit am empirischen Material auf „eine andere Ebene der analytischen Durchdringung“ (ebd., S. 157) gebracht werden kann. Die Kombination der verschiedenen Zugänge zum Material ermöglichte eine fortwährende Offenheit in der Erhebungsphase, Flexibilität im Hinblick auf Veränderungen, eine Durchdringung der erhobenen Daten sowie letztendlich die Herstellung von Zusammenhängen zwischen den Einzelfällen. Im Falle des KuBIn-Projektes konnten durch diese Methodenwahl datenübergreifende Analysen und Auswertungseinheiten stattfinden. 2.2 Aufzeichnung Wie die Fachliteratur zeigt, ist die konkrete Vorbereitung und Organisation einer Gruppendiskussion mit Kindern abhängig vom jeweiligen Forschungsvorhaben. So hat sich Friederike Heinzel in ihrer Arbeit an einem aus der Schule bekannten Format (Kreisgespräch) orientiert, während Iris Nentwig-Gesemann in ihrem Forschungsvorhaben Spiel-Interaktionen und die dort stattfindende Kommunikation videografierte (Heinzel, 2012; Nentwig- VHN 4 | 2022 322 CAROLIN GRAVEL Gruppendiskussionen mit Kindern in der Inklusionsforschung FACH B E ITR AG Gesemann, 2002). Aufgrund des Forschungsvorhabens des gesamten KuBIn-Projektes entschied ich mich zusätzlich zur Aufnahme der Diskussion mit einem Diktiergerät für eine Videoaufnahme. Auf diese Weise konnten auch nonverbale Interaktionen erfasst werden, die im Nachgang ansonsten vermutlich nicht mehr zu rekonstruieren wären. Auch wenn die Methode der Gruppendiskussion originär sprachbasiert ist, sollte der Vorteil der zusätzlichen Videoaufzeichnung beachtet und für das eigene Forschungsvorhaben geprüft werden. In den von mir durchgeführten Gruppendiskussionen haben die Schüler/ innen teilweise durch szenische Darstellungen von ihrem Alltag und ihren Erfahrungen berichtet. Unter anderem wurde die Hilfestellung einer Schulbegleitung nachgestellt: CG: Und was is zum Beispiel was sind die Aufgaben von den Schulbetreuern Mr: Frau wer? CG: Betreuerinnen Sy: Dass sie Mr: Christina wird gehn | Sy: Über Behinderte (.) ähm sich sorgen müssen also sie müssen sich Mr: Sie müssen nich Mv: Zum Beispiel wenn die auf ’s Klo | Sy: Mareike stell dich mal hin ((Mareike und Sylvia stehen auf, Mareike stellt sich vor Sylvia)) also wenn die auf ’s Klo müssen miham die ja n Schlüssel und die muss La- Larissa irgendwie so halten ((Sylvia hält Mareike an den Oberarmen fest und schiebt sie vor sich her)) dass sie gehn kann ohne den Rolli Die Schüler/ innen teilen ihr Wissen also nicht nur auf verbaler Ebene, sondern ebenso auf non-verbaler. Die Erfahrungen, die die Schüler/ innen im inklusiven Unterricht machen, sind nicht nur sprachbasiert, sondern sie scheinen sie auch körperlich-leiblich zu verinnerlichen. Somit entsteht ein inkorporiertes Wissen, welches sie wiederum darstellerisch nach außen tragen können. Oder wie Nentwig-Gesemann und Gerstenberg (2014) formulieren: „Demgemäß zielt das Verfahren der Gruppendiskussion nicht ausschließlich auf die Erfassung expliziter Wissensbestände, d. h. auf die Rekonstruktion von sprachlich (begrifflichtheoretisch) explizierbarem Wissen über etwas, sondern vor allem auch auf die Ebene des impliziten und praktischen (Erfahrungs-)Wissens, welches innerhalb von Handlungs- und Kommunikationszusammenhängen von den GruppendiskussionsteilnehmerInnen performativ aufgeführt und/ oder sprachlich aktualisiert wird“ (S. 275, Herv. i. O.). Ein weiterer Vorteil des Kameraeinsatzes ist es, dass visuelle Sprachen und Kommunikationsformen aufgezeichnet werden können. Für Schüler/ innen, die z. B. Gebärdensprache oder Unterstützte Kommunikation nutzen, kann durch eine Videoaufnahme eine Teilnahme an der Gruppendiskussion ermöglicht werden. Durch diese Erweiterung kann die Inklusivität der Methode auf leichtem Weg gesteigert werden. 2.3 Gruppengröße und -zusammenstellung In den bisher publizierten Beiträgen zu Gruppendiskussionen mit Kindern im Kitabzw. Grundschulalter schwankt die Gruppengröße zwischen zwei und acht Teilnehmenden (Michalek & Schönknecht, 2008; Nentwig-Gesemann, 2002; Vogl, 2005). Dabei sind die Gruppen meist kleiner, wenn die Kinder sehr jung sind (Brenneke & Tervooren, 2019; Michalek & Schönknecht, 2008; Vogl, 2005). An den ersten beiden Gruppendiskussionen meiner Erhebung nahmen jeweils sechs Kinder teil. Im Nachgang erwies sich die Anzahl als zu groß. VHN 4 | 2022 323 CAROLIN GRAVEL Gruppendiskussionen mit Kindern in der Inklusionsforschung FACH B E ITR AG Es gab sehr viele Nebengespräche und -schauplätze, welche eine Transkription und Rekonstruktion erschwerten. Für die folgenden Gruppendiskussionen wurde die Anzahl auf vier Kinder verringert. Diese Maßnahme erwies sich als sinnvoll, weil sich die Schüler/ innen dadurch eher gleichberechtigt beteiligen konnten und damit die Herstellung von Selbstläufigkeit (siehe Kap. 2.3) leichter fiel. Aber nicht nur die Anzahl, sondern auch die Zusammensetzung der Teilnehmenden stellt einen wichtigen Punkt dar. Während es bei Erwachsenen zum Teil möglich ist, Ad-Hoc-Gruppen zu bilden und somit unbekannte Menschen aufeinandertreffen, wird in der Fachliteratur von einer derartigen Gruppenzusammenstellung bei Kindern abgeraten. Es wird empfohlen, natürliche bzw. Realgruppen zu bilden, damit unter den Kindern ein Gespräch entsteht und dieses durch gemeinsame Erfahrungen auch in Gang gehalten wird (Heinzel, 2012; Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014). In meiner Arbeit definiere ich die Klassengemeinschaft als eine natürliche Gesamtgruppe. Die Schüler/ innen treffen tagtäglich aufeinander und verbringen mehrere Stunden zusammen. Auch wenn sich bestimmte freundschaftliche Konstellationen ergeben, interagieren die Schüler/ innen insbesondere im Unterricht mit einem großen Teil ihrer Klassenkamerad/ innen - egal ob Freund/ in oder nicht. In der Planungsphase fand ein reger Austausch im Projektteam und in Forschungsseminaren über die Gruppenzusammenstellung statt. Es wurden mehrere Möglichkeiten der Zusammenstellung besprochen und abgewogen. Letztendlich fiel die Entscheidung auf ein Losverfahren und gegen eine Gruppenfindung, die auf Freundschaftsbeziehungen basiert. Damit sollte die vorhandene Heterogenität der Klassen auch in den Gruppendiskussionen widergespiegelt werden. Die Teilnahme der Schüler/ innen basierte auf Freiwilligkeit. Wenn ein Kind nicht mitmachen wollte, sollte es aus dem Losverfahren herausgenommen werden. Für die Gruppen wurden Kinder mit und ohne zugeschriebenen sonderpädagogischen Förderbedarf ausgelost, damit die Verteilung in der Klasse repräsentativ aufgegriffen werden konnte. Mir war es wichtig, dass Kinder mit zugeschriebenem sonderpädagogischem Förderbedarf nicht ausgeschlossen werden, da es in den Gruppendiskussionen teilweise auch um pädagogische Praktiken gehen sollte, die sie direkt betreffen. Der folgende Ausschnitt zeigt, dass die Teilnahme von Schüler/ innen mit Behinderung bzw. zugeschriebenem sonderpädagogischem Förderbedarf von großer Bedeutung sein kann. Die Schüler/ innen Larissa, Matteo, Mike und Milena besuchen zum Aufnahmezeitpunkt eine inklusive, jahrgangsgemischte 2./ 3. Klasse. Im letzten Drittel des Gesprächs komme ich auf die Aufgaben der Erwachsenen zu sprechen. Auf den Frageimpuls nach „unterschiedlichen Erwachsenen“ in der Klasse gehen die Schüler/ innen zunächst auf die Sonderpädagogin und deren Aufgabe ein. Im Anschluss weist Matteo auf die sogenannten „Stammbetreuer“ hin. Nachdem die Kinder geklärt haben, wer zu den „Stammbetreuern“ gehört, frage ich nach deren Aufgaben. Im Anschluss daran entspinnt sich ein Differenzierungsprozess einer bestimmten Schüler/ innen-Gruppe, die als „Behinderte“ bezeichnet werden. Die Schülerin Larissa (La) stellt sich in dieser Sequenz vehement gegen diese Fremdzuschreibung. Sie positioniert sich gegen die Ausführungen ihres Mitschülers Matteo (Ma), der durch Mike (Mk) und Milena (Mi) teilweise unterstützt wird: CG: Und äh deren Aufgabe (2) ist dann | Ma: Welchen CG: Von Mi: Von Christina Eva und so ((Larissa tippt sich mit ihrer rechten Hand auf die Brust)) | CG: Genau Ma: Achso (.) für Behinderte und für Larissa halt VHN 4 | 2022 324 CAROLIN GRAVEL Gruppendiskussionen mit Kindern in der Inklusionsforschung FACH B E ITR AG Mk: Und Frau Moore is auch da | La: Ich bin nicht behindert Mi: @ (.) @ Ma: Ja: wie man das auch immer nennt oder Einschränkungen oder so Mk: Oder Lähmungen (.) Lähmung | La: Ja das das das klingt schon besser (.) und ich hab auch keine Lähmung ((zu Mike)) Ma: Ja keine Ahnung woher soll ich das denn wissen | | La: Ich hab ne Gehirnblutung Mk: Achso Ma: Ja keine Ahnung ähm | La: Zum hundertsten Mal Im Ausschnitt wird sehr deutlich, dass Larissa eine Expertin in eigener Sache ist und diese Rolle auch gegenüber den anderen Teilnehmer/ innen beansprucht. Anfangs wird über sie geredet, doch schnell schaltet sie sich ein und gestaltet das Gespräch über das sie betreffende Thema aktiv mit. Dennoch ist sie in der Gruppenzusammenstellung in der Unterzahl. An den Gruppendiskussionen nahmen jeweils zwei Kinder bzw. ein Kind mit und vier bzw. drei Kinder ohne zugeschriebenen sonderpädagogischen Förderbedarf teil. Damit waren die Kinder mit zugeschriebenem sonderpädagogischem Förderbedarf in der Unterzahl, was die Aufteilung in der gesamten Klasse widerspiegelt. Dennoch ist m. M. n. zu überlegen, ob eine ausgewogenere Zusammensetzung sinnvoller ist, um ein mögliches Alleinsein oder ggf. sogar Beschämungspotenzial zu verringern. Weil sich Kinder, die an einer Gruppendiskussion teilnehmen, womöglich eine längere Zeit kennen, haben sich eventuell schon spezifische Rollenverhältnisse und Kommunikationsstrukturen gefestigt, wie z. B. Meinungsführende oder sehr zurückhaltende Kinder (Heinzel, 2012, S. 108). Eingefahrene Kommunikationsmuster können den Verlauf der Diskussion beeinflussen. Mit wenigen Ausnahmen spiegelten sich in den meisten Fällen die schon in den Feldaufenthalten beobachteten Interaktionsmuster der Schüler/ innen in den Gesprächen wider. Dies sehe ich jedoch nicht unbedingt als Nachteil der Methode, sondern eher als einen genau zu reflektierenden Teil, um keine voreiligen Schlüsse in der Interpretation zu ziehen. In einer Gruppendiskussion war die Schülerin Nele (Ne) die Wortführerin. Dennoch schalteten sich die Mitschüler/ innen immer wieder dazu und brachten neue Punkte in die Diskussion ein, wie das folgende Beispiel zeigt. Zunächst geht allein Nele auf meine Frage nach „anderen Erwachsenen“ in der Klasse ein. Sie erzählt von sogenannten „Integrativkindern“, benennt diese und berichtet, dass sie teilweise von der Sonderpädagogin getrennt vom laufenden Unterricht unterstützt werden. Die anderen Schüler/ innen, Gustav (Gu), Marco (Ma), Theo (Th) und Merle (Me) sind währenddessen in Nebengespräche und -schauplätze verwickelt. An einer Stelle bringt sich Gustav in Neles Erzählung ein, und daraufhin entsteht ein Wechsel vom Monolog einer Schülerin zu einer gemeinsamen Diskussion: Ne: Und Herrn Lothes der macht was | Gu: Macht mit Erik weil der Erik Ne: Mit Erik der ist eigentlich kein Integrativkind aber macht nur die ganze Zeit Quatsch und möchte nicht den Unterricht mitmachen (.) ja | Ma: Erster und dritter Platz ((sitzt neben Gustav vor der Pinnwand)) Th: ((steht auf und rennt im Raum herum; nicht mehr auf der Kamera zu sehen)) Gu: Und der hat keine Eltern Ne: Doch hat er | Ch: Doch der Erik der hat Eltern VHN 4 | 2022 325 CAROLIN GRAVEL Gruppendiskussionen mit Kindern in der Inklusionsforschung FACH B E ITR AG Gu: Nein Ma: Ja Pflegeeltern Gu: Nein (.) das sind nicht echte Eltern CG: Oke? Gu: °Ich hab gefragt° Th: Ich weiß auch wieso der das hat ((ruft zu den anderen)) Me: Wieso? Ch: Jetzt seid mal alle ganz leise CG: Und ähm Me: Ja Das Thema Eltern-Haben scheint in dieser Gruppe eine besondere Aufmerksamkeit zu erregen. Während Nele weitestgehend ohne Unterbrechung von dem vermutlich allen Beteiligten bekannten Umgang mit den sogenannten „Integrativkindern“ sprechen kann, mischen sich ab diesem Zeitpunkt wieder fast alle Schüler/ innen in das Gespräch ein und es entsteht ein kurzer, aber lebhafter Wortwechsel, der letztendlich von einem Schüler beendet wird. Auch wenn es über weite Strecken so scheint, als würde sich nur eine Schülerin beteiligen, zeigt der Ausschnitt, dass die anderen sehr wohl beim Thema waren, obwohl sie sich zunächst nicht aktiv eingebracht haben. Die Diskussionen in kleineren Gruppen geben den Schüler/ innen die Gelegenheit, aus ihren gewohnten Sprecher/ innenrollen auszubrechen. Dies erfordert jedoch auch Zurückhaltung der Moderation und ein Vertrauen auf die Entwicklung einer Selbstläufigkeit, worauf im Folgenden näher eingegangen werden soll. 2.4 Rolle der Moderation und Herstellung von Selbstläufigkeit Wie in der Fachliteratur geraten wird, konnte durch den längeren Feldaufenthalt im Vorhinein schon ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen den Schüler/ innen und mir aufgebaut werden (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014). Sie waren zum größten Teil interessiert und neugierig, an der Gruppendiskussion teilzunehmen. Von der stillen Beobachterin während des Feldaufenthalts änderte sich nun aber die Rolle zur Gesprächsleiterin. Oberstes Ziel für die Moderation der Gruppendiskussion stellt die sogenannte Selbstläufigkeit dar (Bohnsack, 2013; Heinzel, 2012; Przyborski & Wohlrab- Sahr, 2014). Die Leitung gibt einen Impuls, auf den im Anschluss mehrere Teilnehmer/ innen reagieren und sich ein Gespräch unter ihnen entwickelt. Es geht also nicht um eine Frage- Antwort-Runde, in der die moderierende Person möglichst schnell von jedem/ r Einzelnen eine prägnante Rückmeldung erhält. Vielmehr sollen durch Fragen bzw. das Anreißen von Themen Gesprächsimpulse gesetzt werden, die die Gruppe dann ausführlich bespricht. Die gestellten Fragen sollten dabei möglichst offen sein, an die Lebenserfahrung der Beteiligten anknüpfen und keine impliziten oder expliziten Bewertungen bzw. Richtungen vorgeben (Bohnsack, 2013; Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014). Einige Forscher/ innen erläutern, dass auch in Gruppendiskussionen mit Kindern eine hohe Selbstläufigkeit des Gesprächs angestrebt und möglichst offene Themenbereiche als Impulse angeboten werden sollten (Michalek & Schönknecht, 2008; Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014). Während hierbei in der Regel für eine eher zurückhaltende Moderation plädiert wird, beschreibt Susanne Vogl eine aktivere Moderation, die für Struktur sorgt (Vogl, 2005). Es besteht also keine eindeutige Vorlage für die Moderation von Gruppendiskussionen mit Kindern. Bei der Leitung meiner Gruppendiskussionen spürte ich immer wieder einen Wechsel zwischen mehreren Rollen. Ich moderierte die Runde, gab aber auch Regeln vor und hielt die Schüler/ innen zur Einhaltung dieser Regeln an. In manchen Fällen habe ich Schüler/ innen ermahnt und sie gebeten, wieder am Gespräch teilzunehmen. Diese Eingriffe in den Verlauf der Diskussion kamen mir zwar notwendig vor, dennoch verließ ich dabei die Rolle einer möglichst neutralen Moderation. Für die Schüler/ innen ist es nach meinen Erfahrungen VHN 4 | 2022 326 CAROLIN GRAVEL Gruppendiskussionen mit Kindern in der Inklusionsforschung FACH B E ITR AG eine aufregende und nicht alltägliche Situation. Sie dürfen dem parallel weiterlaufenden Unterricht fernbleiben, es gibt technische Geräte, die sie spannend finden, und mehr Freiheiten als sonst (bspw. müssen sie sich nicht melden, sie dürfen auch mal aufstehen und etwas vormachen usw.). Auch die vorherige Vereinbarung, dass nichts an die Lehrer/ innen weitergetragen würde, hat sicherlich dazu beigetragen, dass eine aufgeweckte Stimmung herrschte. Ich möchte unterstreichen, dass eine Wahrung der Anonymität gegenüber dem pädagogischen Personal oder anderen Dritten unbedingt notwendig ist und die Kinder sich sicher sein müssen, dass ihre Aussagen keine Konsequenzen für sie haben werden. Sie sollen frei sprechen und auch Dinge tun dürfen, die nicht mit den sonst herrschenden unterrichtlichen Normen und Klassenregeln übereinstimmen. In einer Gruppendiskussion zählen die teilnehmenden Kinder Moritz (Mo), Valerie (Va), Sarah (Sa) und Luise (Lu) Lehrer/ innen und Schulbegleiter/ innen auf, die neben den Klassenlehrerinnen im Unterricht sind bzw. waren. Unter anderem wird der Schulbegleiter Herr Lothes genannt, der hauptsächlich den Schüler Erik unterstützt. Erik (Er) nimmt auch an der Gruppendiskussion teil und hat seine ganz eigene Meinung zum Schulbegleiter. Bevor er mit seiner lauten Aussage die Aufzählung der anderen unterbricht, fragt er mich, ob Herr Lothes die Aufnahme hören kann, woraufhin ich verneine. Er: Oke Herr Lothes ist scheiße: : Mo: Hä nein der is voll lieb Lu: Herrn Be- Sa: Herrn Lothes Lu/ Va: Herrn Bertels: : Lu: Bertels Er: Ja ja ja zu dir vielleicht Im Anschluss zählen die Schüler/ innen weitere Personen auf. Erik wird dann scheinbar doch unsicher und wendet sich in einem besorgten, aber auch mahnenden Ton mehrmals an mich: Er: ((an CG gewandt)) Wehe du zeigst denen das CG: Ihr braucht gar nicht so schreien Er: Wehe du zeigst denen das ne Va: Aber ähm es sind nicht nur Lehrer sondern auch CG: ((zu Erik gewandt)) Hm? Er: Wehe du zeigst denen das Va: Mitarbeiter also Helfer CG: Nein das weiß niemand Er: (Kriegen dann) Ärger In den Diskussionen muss eine grundlegende Vertrautheit herrschen, damit sich die Schüler/ innen wohlfühlen und Raum für unangenehme bzw. nicht sozial erwünschte Antworten vorhanden ist. Erik nutzt diese Gelegenheit, wird jedoch weitestgehend von seinen Mitschüler/ innen ignoriert. Auf der anderen Seite komme ich als Moderatorin an Grenzen, wenn Kinder gegen ausgemachte Regeln verstoßen und den Verlauf des Gesprächs damit stark beeinträchtigen. In den von mir durchgeführten Gruppendiskussionen ist es zum Beispiel vorgekommen, dass Kinder das Diktiergerät genommen haben und damit durch den Raum gelaufen sind. Es kam auch dazu, dass sich Kinder aus der Diskussion „ausgeklinkt“ haben und beispielsweise mit Gegenständen im Raum spielten, die laut Schulregeln nicht zum Spielen gedacht sind. In einer Diskussion hat ein Schüler solange mit der Kamera rumgespielt bis er sie aus Versehen ausgestellt hat. Diese Handlungen haben den Ablauf der verschiedenen Diskussionen beeinflusst und auch mich als Moderatorin herausgefordert. Gerade an diesem Punkt entsteht ein Spannungsfeld bei der Ausübung der Rolle der Moderation. Je nach Forschungsfrage können natürlich genau diese Aspekte einer Gruppendiskussion interessant und aufschlussreich sein. Indem ich einschreite und eventuell bestimmte Adressierungen nutze, kann es jedoch sein, dass ich vor- VHN 4 | 2022 327 CAROLIN GRAVEL Gruppendiskussionen mit Kindern in der Inklusionsforschung FACH B E ITR AG herrschende Etikettierungen und Differenzen reproduziere. Darüber hinaus könnte dadurch unter Umständen die Offenheit der Kinder gehemmt werden. Bei den meisten von mir durchgeführten Gruppendiskussionen ergaben sich immer wieder Passagen mit einer hohen Selbstläufigkeit, an denen sich ein Großteil der Schüler/ innen beteiligte. Es ist festzuhalten, dass die Selbstläufigkeit durch viele Aspekte beeinflusst werden kann. Nicht alle sind im Voraus genau zu planen. Vieles ergibt sich erst vor Ort und während der Diskussion an sich. Eine detaillierte Reflexion im Nachhinein ist daher unerlässlich, um die Erfahrungen in die nächste Erhebung einfließen lassen zu können. Das heißt insbesondere auch, dass die Moderation ihre eigenen Handlungen und Adressierungen hinterfragt. Es wäre sicherlich sinnvoll, dass künftig ein fachwissenschaftlicher Austausch über die angesprochenen möglichen Rollenkonflikte stattfindet, um Forscher/ innen in diesem Bereich zu unterstützen. Ein sensibler und reflektierter Umgang mit Differenzreproduktionen im eigenen Sprechen sollte unbedingt stattfinden und in die Analyse der Daten miteinfließen. 3 Ausblick: Deutungshorizonte erweitern Das Gruppendiskussionsverfahren als Erhebungsmethode in der Inklusionsforschung steht immer noch ziemlich am Anfang. Die bisher veröffentlichten Studien und auch die hier beschriebenen Beispiele sprechen jedoch ganz klar für einen weiteren Einsatz der Methode, um kindliche Perspektiven auf verschiedene Themen einzufangen. Die Beispiele zeigen eindeutig, dass die Grundschüler/ innen in der Lage sind, über sie betreffende Themen zu diskutieren. Sie lassen sich auf die Frageimpulse ein und tauschen sich untereinander aus, wodurch auch Uneinigkeiten und Ambivalenzen sichtbar werden. Die Gespräche ermöglichen die Hintergründe von Selbstverständlichkeiten, Routinen, Bezeichnungspraxen u. a. zu beleuchten und damit den Gesamtkontext des spezifischen Feldes besser zu verstehen. Die Schüler/ innen müssen dabei als aktive Akteur/ innen verstanden und ernst genommen werden, deren Erfahrungen genauso wichtig sind wie die der Erwachsenen. Dies gilt auch und insbesondere für die Inklusionsforschung, in der bislang vordergründig erwachsene Perspektiven berücksichtigt werden. Das gemeinsam geteilte Wissen, welches im Unterricht immerzu mitläuft und nicht mehr ausgesprochen werden muss, wird in den Gruppendiskussionen thematisiert und teilweise sogar neu verhandelt. Kindliche Perspektiven können Deutungshorizonte, die durch die Erhebung erwachsener Meinungen vorliegen, im Forschungsfeld der Inklusion erweitern. Die Sichtweisen und Erfahrungen von Schüler/ innen können und sollten m. M. n. für die Weiterentwicklung eines inklusiven Unterrichts genutzt werden. Je nach Forschungsvorhaben ist darauf zu achten, auch die Gruppendiskussion als solche möglichst inklusiv zu gestalten. Dies kann z. B. bedeuten, dass man die Diskussion zusätzlich mit einer Videokamera festhält, damit visuelle und nonverbale Kommunikation aufgenommen werden kann. Außerdem ist zu reflektieren, wie die Moderation in den Gruppendiskussionen agiert, welche Adressierungen und Gesprächsimpulse genutzt werden und ob dadurch eine Beeinflussung stattfindet. Wichtig ist, dass in Gruppendiskussionen oder anderen Formaten vermehrt Schüler/ innen mit zugeschriebenem sonderpädagogischem Förderbedarf teilnehmen, damit ein Austausch über Fremd- und Selbstzuschreibung stattfinden kann. Nur auf diese Weise kann der Übergang von einem „Sprechen über“ zu einem „Sprechen mit“ gestaltet und die Weiterentwicklung inklusiver Strukturen unterstützt werden. Insbesondere in einem mixed-data-Ansatz können Ergebnisse aus Gruppendiskussionen mit Kindern die weiteren Datensorten und Analysen ergänzen. Trotz der beschriebenen forschungspraktischen Herausforderungen sollte das herausgestellte Potenzial von Gruppendiskussionen mit Kindern in der zukünftigen Inklusionsforschung genutzt werden. VHN 4 | 2022 328 CAROLIN GRAVEL Gruppendiskussionen mit Kindern in der Inklusionsforschung FACH B E ITR AG Anmerkung 1 Dieser Artikel basiert auf der unveröffentlichten Masterarbeit der Autorin: Gravel, C. (2019). „Ich bin nicht behindert”. Sprechen über Differenz in Gruppendiskussionen mit Grundschüler_innen aus ‚inklusiven‘ Klassen. Universität zu Köln. Literatur Arndt, A.-K. & Werning, R. (2013). Unterrichtsbezogene Kooperation von Regelschullehrkräften für Sonderpädagogik. Ergebnisse eines qualitativen Forschungsprojektes. In R. Werning & A.-K. Arndt (Hrsg.), Inklusion. Kooperation und Unterricht entwickeln, 12 -40. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. 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