eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 92/2

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2023
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Rezension: Bonfranchi, Riccardo, Dünki, Renate, Perret, Eliane (2022): Integration Separation Kooperation. Ein heilpädagogischer Blick auf die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen mit Behinder

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2023
Martha Buchli
Eltern fragen sich bei Schulschwierigkeiten immer: Ist dies eine gute Schule für mein Kind? Umso mehr stellt sich diese Frage für Eltern eines Kindes mit einer Behinderung! Die Neuerscheinung von Bonfranchi, Dünki und Perret, „Integration, Separation, Kooperation. Ein heilpädagogischer Blick auf Bildungschancen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen“, nimmt sich der Thematik an und geht nachvollziehbar und fundiert auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit einer kognitiven oder sozial-emotionalen Einschränkung ein. Das Buch bietet Grundlagen, diskutiert Alternativen und regt zu gründlichem Nachdenken an. Die Autoren wollen den Lesern ermöglichen, sich durch Beispiele aus der Praxis einen faktenbasierten Standpunkt anzueignen. Es sei vorausgeschickt, dass sich die Publikation auf Schweizer Verhältnisse bezieht, die Übertragung auf ähnliche Schulsysteme ist aber jederzeit möglich und gewollt.
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VHN 2 | 2023 168 REZE NSION E N Bonfranchi, Riccardo; Dünki, Renate; Perret, Eliane (2022): Integration Separation Kooperation. Ein heilpädagogischer Blick auf die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen Bielefeld: Athena / wbv. 104 S., € 24,90 Eltern fragen sich bei Schulschwierigkeiten immer: Ist dies eine gute Schule für mein Kind? Umso mehr stellt sich diese Frage für Eltern eines Kindes mit einer Behinderung! Die Neuerscheinung von Bonfranchi, Dünki und Perret, „Integration, Separation, Kooperation. Ein heilpädagogischer Blick auf Bildungschancen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen“, nimmt sich der Thematik an und geht nachvollziehbar und fundiert auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit einer kognitiven oder sozial-emotionalen Einschränkung ein. Das Buch bietet Grundlagen, diskutiert Alternativen und regt zu gründlichem Nachdenken an. Die Autoren wollen den Lesern ermöglichen, sich durch Beispiele aus der Praxis einen faktenbasierten Standpunkt anzueignen. Es sei vorausgeschickt, dass sich die Publikation auf Schweizer Verhältnisse bezieht; die Übertragung auf ähnliche Schulsysteme ist aber jederzeit möglich und gewollt. Nach einer geschichtlichen Rückschau auf heilpädagogische Pioniere, die deren personales Menschenbild und ethisches Anliegen würdigt, folgt ein abwägender Blick auf die heutige heilpädagogische Theorie und Praxis. Die Autor/ innen wenden sich der Thematik im engeren Sinne zu, indem sie die Kontroverse Integration/ Separation wiederum historisch einordnen und den Einfluss internationaler Abkommen, deren Auslegung und Umsetzung in die Gesetzgebung beleuchten. Die Behindertenrechtskonvention BRK der UNO fordert die Gleichstellung aller Lernenden und ihre Aufnahme in die Volksschule. Dieses Anliegen greift das Buch auf. Es bietet eine Reihe von Beispielen, die ermöglichen zu untersuchen, was im Einzelfall Recht auf Bildung und Gleichstellung heißt. Die verschiedenen Problemkreise werden auf wissenschaftlicher Grundlage ausgewertet. Das Buch vergleicht Theorie und Praxis und will so zur Versachlichung von Diskussionen beitragen. Immer wieder werden Grenzen der integrativen Schulungsform sichtbar. Diese wird in den kantonalen Richtlinien der Schweiz zwar empfohlen, andere Lösungen wie etwa Kleinklassen für den Anfangsunterricht sind jedoch nach wie vor möglich. Ausführlich gibt das Autorenteam Einblick in die Förderung kognitiv beeinträchtigter Kinder und Jugendlicher in Heilpädagogischen Schulen. Es lässt uns teilnehmen an der Komplexität dieser Arbeit und an den Chancen, die eine sachgemäße Förderung eröffnet - Bedingung für den Erwerb von Kompetenzen und größtmöglicher Eigenständigkeit. Ausschlaggebend ist stets die verlässliche Beziehung zur Lehrerin/ zum Lehrer im kleinschrittig aufgebauten Lernprozess. Dies entspricht moderner Forschung. Hieraus ergibt sich der Maßstab für die Beurteilung jedes Bildungsweges. Aus der Kenntnis der heilpädagogischen Praxis lässt sich ableiten, dass eine flächendeckende Integration bei aller Bemühung der Regelschulen diese anspruchsvolle Förderung nicht bieten kann - zeitliche und personelle Ressourcen sind begrenzt, und das geeignete soziale Umfeld, das Freundschaften ermöglichen würde, fehlt. Die Forderung nach einer angemessenen Bildung und Erziehung gilt grundsätzlich für alle Kinder und Jugendlichen. Im Buch werden auch die anspruchsvollen Fragestellungen zur Schulung von Schülerinnen und Schülern mit sozial-emotionalen Problematiken beleuchtet. Dies an Praxisbeispielen aus einem innovativen Schulmodell, das inzwischen auf eine jahrzehntelange Tradition zurückblicken kann. Dort haben sich Kooperation und sog. „Integration light“ bewährt. Die Ergebnisse der stets nachvollziehbaren Analysen des Buches werden in einem Schlusskapitel als Thesen zusammengefasst. Auch die Alternative „Kooperation“ ist Thema; sie zeigt, wie Kinder mit und ohne Behinderungen zusammengeführt werden konnten und welche Bedingungen zum Gelingen beitrugen. Um dieses (heil-)pädagogische und psychologische Wissen zu nutzen, braucht es Information und Diskussion mit allen an unserer Volksschule VHN 2 | 2023 169 REZE NSION E N Interessierten und Beteiligten. „Nur dann ist eine unbeeinflusste, sachbezogene Meinungsbildung möglich, die einer Demokratie würdig ist, und nur dann kann die Frage beantwortet werden, wie wir Menschen mit besonderen Bedürfnissen das ihnen zustehende Recht auf Bildung und Gleichberechtigung zugestehen können“ (S. 9). Kurz: ein Buch, das in jeder Schule, in jeder Gemeinde, von interessierten Eltern gelesen und im Interesse aller Kinder und Jugendlichen diskutiert werden sollte. Die Neuerscheinung trägt zu einem differenzierten Verständnis von Lernen bei, wie es dem Thema angemessen ist. Es ist ein Wegweiser bei schulischen Entscheidungen und eine Argumentationshilfe für das Recht jedes Kindes/ Jugendlichen auf die ihm gemäße Bildung. Und obendrein: spannend und gut lesbar! Lic. phil. Martha Buchli CH-7306 Fläsch DOI 10.2378/ vhn2023.art17d Rexilius, Anna Lena (2022): Pferdegestützt und spielerisch Lesen und Schreiben fördern München: Ernst Reinhardt Verlag. 109 S. € 33,-/ CHF 38,80 Das Buch „Pferdegestützt und spielerisch Lesen und Schreiben fördern“ von Anna-Lena Rexilius ist im Mai 2022 im Reinhardt Verlag erschienen. Es handelt sich dabei um ein Praxis-Handbuch im A4-Format, welches sich in erster Linie an Reitpädagoginnen und Reitpädagogen beziehungsweise an Reittherapeutinnen und Reittherapeuten richtet. Die Autorin ist selber als Fachkraft für die heilpädagogische Förderung mit Pferden tätig. Das Buch ist in zwei Teile gegliedert, wobei im ersten Teil theoretische und fachliche Grundlagen zum Thema Lese-Rechtschreib-Störung (LRS) und Reittherapie aufgezeigt werden. Im zweiten Teil werden vielfältige Übungen für die Reittherapie vorgestellt, welche Kinder mit einer LRS unterstützend fördern sollen. Nach einer Einleitung wird in Kapitel 2 auf die verschiedenen Fähigkeiten (im Buch auch als Teilleistungen beschrieben) eingegangen, die für einen gelingenden Schriftspracherwerb von großer Wichtigkeit sind. Dabei erhalten die Lesenden einen Einblick in die Vielfalt von grundlegenden Fähigkeiten, die Auswirkungen auf den Erwerb der Schriftsprache haben. Es handelt sich jedoch nur um einen kurzen Überblick, da die Autorin nicht vertiefend auf die verschiedenen Teilleistungen eingeht. Als Beispiel einer solchen Teilleistung kann die Sprachwahrnehmung genannt werden. Die Autorin fasst unter der Sprachwahrnehmung verschiedene Bereiche der rezeptiven und produktiven Sprache zusammen, welche für den Schriftspracherwerb von hoher Wichtigkeit sind. Störungen der Sprachwahrnehmung können sich negativ auf das Lesen- und Schreibenlernen auswirken. So führen expressive Störungen zu einem verspäteten Spracherwerb, was wiederum zu Schwierigkeiten in der Lautsynthese und dem Zählen von Silben führt. Im Anschluss an das zweite Kapitel wird von Rexilius der Bogen zur Reittherapie gespannt. Die Autorin führt aus, wie sich eine Reittherapie unterstützend auf den Erwerb solcher Teilleistungen auswirken kann. So kann das Reiten auf dem Pferderücken Kinder, welche Probleme bei der Silbenverteilung zeigen, unterstützen. So schreibt die Autorin: „Die Gangarten des Pferdes sprechen die Rhythmusfähigkeit eines Kindes an und schulen das Taktgefühl“ (S. 21). Anna-Lena Rexilius geht dabei auf das gesamte Setting der Reittherapie und den Nutzen des Therapiemediums Pferd ein. Somit handelt es sich bei Kapitel 3 um einen Überblick in Bezug auf das Pferd als Motivator beim Lesen- und Schreibenlernen. Im Unterkapitel 3.6 wird außerdem aufgegriffen, inwiefern der „Lernort draußen“ motivierend für Kinder mit einer Lese-Rechtschreib-Störung sein kann. Bevor die Autorin konkrete Vorschläge für die Praxis gibt, erhalten die Lesenden noch einige Hinweise zur Umsetzung der verschiedenen Spiele. Wie bereits erwähnt, handelt es sich beim zweiten Teil um eine Sammlung aus vielfältigen Übungen, die von Reittherapeutinnen und -therapeuten angewendet werden können, um das Kind zu fördern.