eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 92/3

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2023
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Fachbeitrag: Ethische Reflexionen im Forschungsprozess mit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen

71
2023
Nadja Moramana
Irina Bühler
Natalie Zambrino
Eva Büschi
Stefania Calabrese
Für die Schweiz kann im Bereich der Sonderpädagogik abgesehen von gesetzlichen Vorgaben für Forschende ein Mangel an ethischen Handlungsempfehlungen konstatiert werden. Solche wären generell hilfreich für Vorgehensweisen im Forschungsprozess, die einer ethischen Reflexion bedürfen. Der vorliegende Artikel zeigt anhand eines exemplarischen Forschungsprojektes mit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen konkrete ethische Spannungsfelder und die damit einhergehenden Reflexionen der Forschenden auf und hinterlegt sie mit einer theoretischen Fundierung. Damit sollen ethische Herausforderungen und der praktische Umgang damit im Forschungsprozess zugänglich gemacht werden.
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185 VHN, 92. Jg., S. 185 -197 (2023) DOI 10.2378/ vhn2023.art25d © Ernst Reinhardt Verlag Ethische Reflexionen im Forschungsprozess mit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen Nadja Moramana 1 , Irina Bühler 2 , Natalie Zambrino 3 , Eva Büschi 1 , Stefania Calabrese 3 1 Hochschule für Soziale Arbeit FHNW, Olten 2 Pädagogische Hochschule FHNW, Muttenz 3 Hochschule Luzern - Soziale Arbeit Zusammenfassung: Für die Schweiz kann im Bereich der Sonderpädagogik abgesehen von gesetzlichen Vorgaben für Forschende ein Mangel an ethischen Handlungsempfehlungen konstatiert werden. Solche wären generell hilfreich für Vorgehensweisen im Forschungsprozess, die einer ethischen Reflexion bedürfen. Der vorliegende Artikel zeigt anhand eines exemplarischen Forschungsprojektes mit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen konkrete ethische Spannungsfelder und die damit einhergehenden Reflexionen der Forschenden auf und hinterlegt sie mit einer theoretischen Fundierung. Damit sollen ethische Herausforderungen und der praktische Umgang damit im Forschungsprozess zugänglich gemacht werden. Schlüsselbegriffe: Kognitive Beeinträchtigung, qualitative Forschung, ethische Reflexion Ethical Reflection During a Research Process Involving Persons with Intellectual Disabilities Summary: Apart from basic legal principles, Switzerland lacks ethical guidelines and recommendations for researchers within the field of special education. Such guidelines would be helpful concerning the ethical conduct and reflection expected of researchers in their work. Based on an exemplary research project involving persons with intellectual disabilities, this article shows ethical reflections by way of example and backs them up with a theoretical foundation. The aim is to show the ethical challenges and their handling within the research process. Keywords: Intellectual disability, qualitative research, ethical reflection FACH B E ITR AG 1 Ausgangslage Die Einnahme einer selbstreflexiven Perspektive von Forschenden sowie die Auseinandersetzung mit forschungsethischen Aspekten ist im Wissenschaftskontext unerlässlich. Forschende werden dazu angehalten, sich nicht bloß an gesetzlichen Vorgaben zu orientieren, sondern zudem ihre ethische Verantwortung wahrzunehmen, welche ihnen aufgrund ihres spezifischen Wissens, Könnens und ihrer Freiheit zukommt (Deutsche Forschungsgemeinschaft & Leopoldina, 2014). Dies ist besonders bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Lebenswirklichkeiten und den Erlebnisweisen von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, die bis heute Abhängigkeiten, Marginalisierung und struktureller Gewalt ausgesetzt sind, unerlässlich (Fachbereichstag Heilpädagogik, 2017). Es ist zu VHN 3 | 2023 186 NADJA MORAMANA ET AL. Ethische Reflexionen im Forschungsprozess FACH B E ITR AG wünschen und davon auszugehen, dass Personen, die zu diesem Personenkreis forschen, Grundsätze, wie sie auch von der UN-Behindertenrechtskonvention [UN-BRK] (UN-BRK, 2020) gefordert werden, verinnerlicht haben und ihr Forschungshandeln nach entsprechenden ethischen Grundprinzipien ausrichten. In diesem Sinne konkret zu nennen sind die Anerkennung der Würde und des Wertes aller Mitglieder der Gesellschaft sowie die Gleichheit vor dem Gesetz und das Recht auf Diskriminierungsfreiheit sowie auf Selbstbestimmung und Teilhabe an der Gesellschaft. Entsprechend ist die stärkere Verbreitung von Teilhabeforschung im Sinne der UN-BRK erfreulich, da spezifisches Wissen und Lebenswirklichkeiten von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen einbezogen werden und sie an Forschung teilhaben (Fachbereichstag Heilpädagogik, 2017). Verschiedene deutsche Fachverbände von Bezugsdisziplinen der Sonderpädagogik haben Leitfäden veröffentlicht, die während des sozialwissenschaftlich-sonderpädagogischen Forschungsprozesses ethische Orientierung bieten und auf unterschiedliche Spannungsfelder verweisen (u. a. Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, 2016; Deutsche Gesellschaft für Soziologie, 2017; Fachbereichstag Heilpädagogik, 2017). Hingegen sind den Autorinnen für die sonderpädagogische Forschung in der Schweiz bis heute keine vergleichbaren und zugänglichen konkreten ethischen Handlungsempfehlungen bekannt. Die Kodizes und Checklisten der Ethikkommissionen verschiedener Hochschulen wie auch des Schweizerischen Nationalfonds basieren auf den gesetzlichen Grundlagen und beinhalten auch ethische Themen (u. a. Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, 2019; Schweizerischer Nationalfonds SNF, 2020). Ins Zentrum gerückt werden Datenschutzbestimmungen, die Wahrung der physischen und psychischen Integrität von Forschungsteilnehmenden sowie deren Freiwilligkeit, die transparente Information über das Forschungsprojekt und dessen Zweck sowie die Vergewisserung über die Richtigkeit der erhobenen Daten (u. a. FHNW, 2019; SNF, 2020). Die Kenntnis dieser Bestimmungen und deren Berücksichtigung kann von Forschenden in der Sonderpädagogik vorausgesetzt werden. Nachfolgend werden (in Anlehnung an Schuppener, Heusner und Müller, 2020) am Beispiel einer Studie zu herausfordernden Verhaltensweisen von Erwachsenen mit kognitiven Beeinträchtigungen exemplarisch einige ethische Spannungsfelder offengelegt und die damit einhergehenden Reflexionen der Forschenden festgehalten. Ausgewählte Spannungsfelder werden jeweils theoretisch dargelegt, bevor anschließend konkrete, im Beispielprojekt erlebte Herausforderungen beschrieben und reflektiert werden. So soll sowohl ein Forschungsprozess mitsamt seinen ethischen Herausforderungen und der praktische Umgang damit zugänglich gemacht als auch ein Beitrag zur allgemeinen forschungsethischen Auseinandersetzung im Kontext von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen geleistet werden. Die hier untersuchte Studie hatte zum Ziel, verschiedene Perspektiven auf den Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen von Erwachsenen mit kognitiven Beeinträchtigungen, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe in der Schweiz leben, zu erfassen. In der Projektphase, die exemplarisch für die vorliegenden Reflexionen dient, wurde intendiert, die Lebenswirklichkeit von Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen (annähernd) zu erfassen, um ihre Wahrnehmung auf herausfordernde Situationen und den Umgang damit zu beschreiben. Teilgenommen haben 16 Personen. Abhängig von den Möglichkeiten und Bedürfnissen der Teilnehmenden wurden qualitative Interviews geführt, Videoaufnahmen getätigt und/ oder teilnehmende Beobachtungen gemacht. Mehr Informationen zum Projekt sind unter www.heve.ch ersichtlich. VHN 3 | 2023 187 NADJA MORAMANA ET AL. Ethische Reflexionen im Forschungsprozess FACH B E ITR AG 2 Zugang zum Feld und Rekrutierung Zwei Drittel der Erwachsenen mit kognitiven Beeinträchtigungen in der Schweiz leben in Institutionen der Behindertenhilfe (Fritschi et al., 2019). Sie beziehen Dienstleistungen von unterschiedlichen Trägerorganisationen und können an verschiedenen öffentlich zugänglichen Lebensräumen nur in beschränktem Maße partizipieren (Pfister, Studer, Berger & Georgi- Tscherry, 2018). Das hat einen Einfluss auf die Gestaltung des Feldzugangs und die Rekrutierung der Stichprobe. Die Lebenswelt der fokussierten Personengruppe beschränkt sich aktuell häufig auf verschiedene Sonderwelten (Schuppener et al., 2020). Ihre Eingebundenheit in ein Netz von Angehörigen und Begleitpersonen im institutionellen Kontext kann eine Kontaktaufnahme und den Zugang zu einem Forschungsprojekt zwar ermöglichen, aber eben auch erschweren oder gar verhindern. So erfolgt der Zugang in den meisten Fällen über sogenannte Gatekeeper der dienstleistenden Institutionen. Diese Begleitpersonen sind einerseits dazu verpflichtet, der Zielgruppe das Recht auf Teilhabe zu gewährleisten, andererseits aber auch damit beauftragt, deren Wohlergehen zu schützen. Über diese Gatekeeper erhalten Forschende die Möglichkeit, Personen in ihre Untersuchung einzubeziehen, welche sonst aufgrund ihrer Lebenssituation wenig bis gar keine Chancen zu einer Teilhabe an Forschung haben. In Institutionen der Behindertenhilfe werden jedoch zwangsläufig auch asymmetrische Beziehungsstrukturen hergestellt, womit ein Machtgefälle sowie Vorannahmen wie auch Vorurteile über (antizipierte) (Un-)Fähigkeiten einhergehen können, was einen Einfluss auf die Teilnahmemöglichkeit an Forschung haben kann (Schuppener et al., 2020). So haben viele Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen sich durch ihre Sozialisation in Institutionen Verhaltensformen angeeignet, welche einer sozialen Erwünschtheit entsprechen (Buchner, 2008). Buchner (2008) betont die Möglichkeit, dass sich Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen auf Anfrage von Begleitpersonen aufgrund sozialer Erwünschtheit zur Teilnahme an einer Studie bereit erklären, sogar dann, wenn ihnen das persönlich widerstrebt. Dies ist unter ethischen Gesichtspunkten betrachtet, aber auch im Kontext der Datenvalidität als problematisch zu betrachten. „Bei der Anfrage bezüglich InterviewpartnerInnen an Organisationen der ‚Behindertenhilfe‘ ist also stets der institutionelle Kontext mit all seinen Dynamiken und sozialen Auswirkungen kritisch zu reflektieren“ (ebd., S. 519). Das Bewusstsein über den Einfluss des gewählten Feldzugangs auf eine Stichprobe ist bedeutsam. Dieser entscheidet darüber, welche Personen zu Wort kommen und welche von dieser Möglichkeit ausgeschlossen werden und hat somit „[…] Auswirkungen auf das Erkenntnisinteresse sowie auf die Reproduktion der (Un-)Sichtbarkeit bestimmter Lebensrealitäten von Menschen mit sogenannter geistiger und/ oder mehrfacher Behinderung“ (Schuppener et al., 2020, S. 6). Aufgrund der Mehrstufigkeit des hier zugrunde liegenden Forschungsprojekts war das Sampling bereits durch die beiden vorangehenden Phasen vorgegeben: Während in der ersten Phase sämtliche Institutionsleitenden angesprochen wurden, wurden in der zweiten Projektphase Mitarbeitende der Institutionen zu einer von ihnen ausgewählten fokussierten Person, welche den durch das Projekt vorgegebenen Kriterien entsprach, befragt. Insgesamt stieg beziehungsweise fiel also die Partizipationsmöglichkeit der Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen mit der Einschätzung, Motivation, den Interessen und Ressourcen ihrer Begleitperson. Entsprechend wurde die Person mit kognitiver Beeinträchtigung (nachfolgend fokussierte Person genannt) und, falls vorhanden, ihre Beiständin bzw. ihr Beistand erst von der Begleitperson angefragt, ob sie VHN 3 | 2023 188 NADJA MORAMANA ET AL. Ethische Reflexionen im Forschungsprozess FACH B E ITR AG teilnehmen wolle, wenn die Institutionsleitung und die Begleitperson - die als Gatekeeper fungierten - mit einer Teilnahme einverstanden waren. In seltenen Fällen kam es vor, dass mindestens eine der angefragten Personen einer Teilnahme der fokussierten Person nicht zustimmte. Es zeigten sich dabei nicht nur die offensichtlich asymmetrischen Beziehungsstrukturen zwischen Begleitpersonen und Teilnehmenden, sondern auch zwischen verschiedenen Personen mit Gatekeeper-Funktion. Rückblickend wäre auch ein Feldzugang mit weniger komplexen Gatekeeperstrukturen denkbar gewesen, beispielsweise durch direktes Ansprechen von möglichen Teilnehmenden, indem das Projekt in den Institutionen und/ oder über einen Aushang mit Piktogrammen vorgestellt wird. Allerdings bestünde hier wiederum die Schwierigkeit, dass Personen mit stärkeren kognitiven Beeinträchtigungen kaum erreicht werden könnten oder die Herstellung eines potenziellen Zugangs bedeutend mehr Ressourcen beanspruchen würde. Grundsätzlich ist es im institutionellen Umfeld kaum zu vermeiden, dass Feldzugänge über Gatekeeper erfolgen. Eine Sensibilisierung dieser Personen über ihre türöffnende oder einschränkende Funktion oder auch konkrete Instruktionen zur Auswahl und Ansprache möglicher Teilnehmenden könnte zu bewussteren Entscheiden über Partizipation an Forschungsprojekten und Miteinbezug von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen führen. Für beide Herangehensweisen - den direkten Feldzugang und die Sensibilisierung/ Instruktion der Gatekeeper - müssen vorgängig entsprechende zeitliche und finanzielle Ressourcen einkalkuliert werden. Der große Umfang des Projekts führte zu mehreren Kontaktaufnahmen und umfasste viele Informationen, was für Begleitpersonen aufwendig und abschreckend wirken konnte. Daher wurden Kontaktaufnahmen wie auch Informationen gut vorbereitet und gebündelt, um für die Begleitpersonen möglichst ressourcenschonend vorzugehen. Verschiedene Begleitpersonen reagierten auf die Anfrage zur Forschungsteilnahme eher zurückhaltend, reserviert oder kritisch und meinten, dass sie zu einem Telefongespräch bereit wären, allerdings aufgrund fehlender zeitlicher Ressourcen, schwieriger Situationen in der Wohngemeinschaft, institutioneller Veränderungen, Personalwechsel oder auch eingeschränkter Möglichkeiten der fokussierten Person nicht an der Erhebung teilnehmen könnten. Ein informatives Telefongespräch, das beidseitige Klärung ermöglichte, erwies sich als wertvoll und konstruktiv. Durch diesen persönlichen Kontakt und Austausch konnten anfängliche Unsicherheiten ausgeräumt, Hindernisse überwunden sowie Interesse an der und Motivation zur weiteren Teilnahme geweckt werden. Die Begleitpersonen konnten so bereits im Vorfeld der Datenerhebung etwas über Intention und Ausführung der Datenerhebung sowie forschungsethische Aspekte erfahren. Dies führte dazu, dass einige trotz anfänglicher Skepsis und knapper Zeitressourcen einer Teilnahme zustimmten. Auch in Bezug auf die Datenerhebung mittels Videoaufnahmen zeigte sich ein vorangehendes Telefonat als wertvoll. Einzelne Begleitpersonen agierten zögerlich und äußerten Besorgnis um die Privatsphäre der Bewohnenden. Mit Ausführungen und Informationen zu Datenschutz und Einverständniserklärung vonseiten der Forschenden konnten die Unsicherheiten in den meisten Fällen ausgeräumt werden. 3 Informierte Einwilligung Aus Datenschutzsicht sind immer dann, wenn Personendaten bearbeitet werden, die von den Hochschulen vorgegebenen Richtlinien zu be- VHN 3 | 2023 189 NADJA MORAMANA ET AL. Ethische Reflexionen im Forschungsprozess FACH B E ITR AG achten, welche sich auf nationale und kantonale Vorgaben stützen. Gemäß ethischen Leitlinien (Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit [DGSA], 2020; Fachbereichstag Heilpädagogik, 2017) sollte die Teilnahme an einem Forschungsprojekt immer freiwillig sein. Um dies nachweisen zu können, sollte eine Einwilligungserklärung vorliegen. Die Beforschten müssen dafür ausreichend über die Forschung informiert sein. Eine solche informierte Einwilligung liegt vor, wenn Forschende umfassend über das Ziel, die Bedingungen sowie die Risiken der Forschung informiert haben (Kiegelmann, 2020). Datenschutz und Forschungsethik folgen verschiedenen Logiken, ihre Ziele überschneiden sich jedoch bei der Einwilligung. Laudel und Bielick (2019, S. 8) beschreiben dies treffend: „Eine Einwilligungserklärung muss zuallererst datenschutzrechtlichen Bestimmungen genügen, d. h., Primärdaten dürfen nur weitergegeben werden, wenn die beforschten Personen einwilligen. […] Darüber hinaus muss die Einwilligungserklärung aber auch forschungsethischen Grundsätzen in den Sozialwissenschaften genügen. Hierbei geht es um das Prinzip der informierten Einwilligung […].“ Das Einholen einer informierten Einwilligung ist auch bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen ein zentraler Aspekt im Forschungsverlauf (Dederich, 2017 a). „Die informierte Einwilligung beinhaltet die Vergewisserung, dass Zielsetzung, Inhalt, Methoden und Verwertung eines Forschungsvorhabens den Proband*innen transparent und verständlich nahegebracht wurden. Die auf solcher Information basierende Einwilligung im Verlauf des Prozesses sollte im weiteren Prozess in kontinuierlicher Weise bestätigt werden (‚ongoing consent‘).“ (Fachbereichstag Heilpädagogik, 2017, S. 5). Die Informationen sollten dazu führen, dass die fokussierte Person eine bewusste und auf Freiwilligkeit beruhende Entscheidung treffen kann (Schuppener et al., 2020). Im Kontext von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen führt dies für Forschende zu unterschiedlichen Schwierigkeiten. Die Frage der Einwilligung kann nicht in jedem Fall gleich beantwortet werden, da es sich um eine sehr heterogene Personengruppe handelt. Die Lebenssituation der Teilnehmenden im institutionellen Kontext kann bedeuten, dass diese Menschen nicht daran gewöhnt sind oder nicht befähigt wurden, frei zu entscheiden (ebd.). Sie können dazu neigen, einer Teilnahme eher zuzustimmen als diese abzulehnen, dies vor allem, wenn sie durch ihre Begleitpersonen angefragt werden. Weiter wird bezweifelt, ob Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen die Reichweite eines Forschungsprojekts abschätzen können, da sie sich vorher möglicherweise nie damit beschäftigt haben (McCarthy, 1998). Die kommunikativen Fähigkeiten der teilnehmenden Personen, aber auch die Verständigung der Forschenden mit ihnen stellen weitere große Herausforderungen beim Einholen eines informierten Einverständnisses dar. Es müssen Alternativen geschaffen werden, und das Verständnis der Forschenden vom Verstehen der Teilnehmenden muss reflektiert werden, um diese Personengruppe nicht von Forschungsprojekten auszuschließen (Schuppener et al., 2020; Fachbereichstag Heilpädagogik, 2017). Schäper (2018) sieht die Einwilligung als Befähigungsprozess, der die potenziell teilnehmenden Personen ermächtigen soll, die Entscheidung für oder gegen eine Teilnahme selbst zu treffen, ohne dass ihnen von vornherein bereits eine Einwilligungs(un)fähigkeit zugeschrieben wird. Die Forschenden entschieden sich im exemplarischen Forschungsprojekt für eine kombinierte Variante der Einwilligung. Wie bereits beschrieben, wurde durch die Begleitpersonen abgeklärt, ob eine Teilnahme infrage käme. Diese fragten dann die potenziell fokussierten Personen an und holten bei deren Beiständ/ innen das schriftliche Einverständnis ein. So stellten die Forschenden sicher, dass das Umfeld der Forschung positiv gegenübersteht und die fokussierte Person aufgrund der VHN 3 | 2023 190 NADJA MORAMANA ET AL. Ethische Reflexionen im Forschungsprozess FACH B E ITR AG Teilnahme keine negativen Auswirkungen zu erwarten hat. Mit dem Einholen der Zustimmung bei den Beiständ/ innen wurde auch dem allfälligen Schutzbedürfnis von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen Rechnung getragen. Am Tag der Datenerhebung wurden alle fokussierten Personen von den Forschenden, entsprechend ihren Möglichkeiten und unter Nutzung verschiedener Hilfsmittel (wie mündlichen Erklärungen in leichter Sprache, Piktogrammen usw.), nach ihrem Einverständnis gefragt. Damit wurde das Recht auf einen eigenständigen Entscheid zur Teilnahme an Forschung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen gewahrt, das sich aus Art. 3 zur Selbstbestimmung und Art. 12 zur Anerkennung gleicher Rechte der UN BRK (2020) ableiten lässt. Das gewählte Vorgehen ist rechtlich korrekt (Schweizerisches Zivilgesetzbuch ZGB, 2008, Art. 19 c). Es war in der Regel im Voraus nicht eindeutig feststellbar, ob eine potenziell fokussierte Person tatsächlich urteilsfähig für eine informierte Einwilligung war. Ethisch stellt sich jedoch die Frage, wer definiert, ob eine Person in Bezug auf einen bestimmten Sachverhalt urteilsfähig resp. urteilsunfähig ist und wie dies im Feld der sonderpädagogischen Forschung festgestellt werden kann. Zudem besteht in der Schweiz ein Spannungsfeld zwischen der Gesetzgebung im Erwachsenenschutz und der UN-BRK (Hess-Klein & Scheibler, 2022). Die Forschenden gingen deshalb grundsätzlich davon aus, dass die potenziell fokussierte Person in jedem Fall mitentscheiden kann, und holten ein möglichst umfassendes informiertes Einverständnis ein. Die Einholung des Einverständnisses von Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung ist eine Herausforderung für Forschende. Nach Schäper (2018) ist bei vielen Teilnehmenden eine eher unsichere Einwilligung der Normalfall, jedoch ist wichtig, dass die Aufgabe, eine Einwilligung einzuholen, von den Forschenden wahrgenommen und auch reflektiert wird. Dieser Prozess sollte bereits in der Vorbereitung beachtet werden, um den verschiedenen Personen mit ihren unterschiedlichen Möglichkeiten gerecht zu werden. Ein Kennenlernen vor der Datenerhebung könnte helfen, die fokussierte Person über die Forschung zu informieren und ihr genügend Zeit zu lassen, sich damit auseinanderzusetzen und eventuell das Gespräch mit den Begleitpersonen zu suchen. Gemäß Hagen (2002) ist dies wichtig, um das Vertrauen aufzubauen und zu zeigen, dass es sich nicht um einen Test handelt, sondern dass die Forschenden an der Meinung der fokussierten Person interessiert sind. Die Teilnehmenden müssen dazu über die Forschung, die Art der Teilnahme, den Zweck der Forschung und den erwarteten Outcome informiert werden (Lewis & Porter, 2004). Hier wird zudem die Schadens- und Belastungsfreiheit angesprochen. Allerdings ist es für Forschende vorgängig schwierig abzuschätzen, was mögliche Auswirkungen sein können und welchen Einfluss diese auf Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen haben könnten. Nicht alle Fragen und Risiken sind für Forschende zu antizipieren (Miethe & Gahleitner, 2010), hier sind sie in der Verantwortung, Sorgfalt walten zu lassen. Gemäß Miethe & Gahleitner (2010) geht es nicht darum, starre Regeln zu befolgen, sondern verschiedene ethische Fragestellungen, die während des Forschungsprozesses auftauchen, auf Grundlage angemessener Werte zu reflektieren. Eine Schwierigkeit besteht bei Personen, die sich nicht verbalsprachlich oder mit Hilfsmitteln der Unterstützten Kommunikation zu einer Teilnahme äußern können. Wenn potenziell Teilnehmende aber aufgrund ihrer kommunikativen Kompetenzen ausgeschlossen werden, ist dies eine Diskriminierung (Fachbereichstag Heilpädagogik, 2017). Im Forschungsprojekt haben die Forschenden deshalb versucht, auf alternative und kreative Weise das informierte Einverständnis ein- VHN 3 | 2023 191 NADJA MORAMANA ET AL. Ethische Reflexionen im Forschungsprozess FACH B E ITR AG zuholen. In einem Beispiel wurde das Videogerät gezeigt, da sich die fokussierte Person dafür interessierte. Zudem wurde auf Beobachtungen der Begleitpersonen zurückgegriffen, die einschätzten, ob die Situation für die fokussierte Person als „angenehm“ oder „in Ordnung“ eingestuft werden kann. Die Anwesenheit einer Begleitperson konnte somit zur besseren Verständigung zwischen fokussierter Person und Forschenden führen. Gleichzeitig besteht damit jedoch auch immer das Risiko, dass die fokussierte Person Druck verspürt und aufgrund sozialer Erwünschtheit mitmacht. Weiter beschäftigte die Forschenden, ob die fokussierten Personen, trotz erfolgter informierter Einwilligung, das Ausmaß und die Konsequenzen der Forschung verstanden. Die Forschenden informierten die fokussierten Personen in leichter Sprache und mit Piktogrammen oder Fotografien über das Forschungsvorhaben. Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob es überhaupt möglich ist, die teilweise komplexen Vorgänge der Forschungstätigkeit einem Menschen mit schweren kognitiven Beeinträchtigungen zu erklären. Auch ist fraglich, ob ab einem gewissen Grad der Vereinfachung von Informationen überhaupt noch von einem informierten Einverständnis gesprochen werden kann. Herausfordernde Verhaltensweisen als Forschungsinteresse mussten teils umschrieben werden mit „schwierige Situationen“, oder aber es wurde allgemein formuliert, dass sich die Forschenden für den „Alltag auf der Wohngruppe“ der fokussierten Person interessierten. Es wurden einzelne Aspekte genannt, die von den Forschenden erfasst wurden, aber die Zusammenhänge waren umfassender und komplexer. Andererseits darf nicht davon ausgegangen werden, dass die aktiven kommunikativen Kompetenzen den Kompetenzen des Verstehens entsprechen, Letztere könnten sonst schnell unterschätzt werden (Hagen, 2002; 2007). Des Weiteren kann das informierte Einverständnis bei der fokussierten Person zu Stress führen: Es könnte Gefühle des „Nicht-Genügens“ oder Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, auslösen. Schuppener et al. (2020) thematisieren dies als Schwierigkeit des unter Beweis Stellens einer intellektuellen Leistungsfähigkeit. Die Frage nach der sozialen Erwünschtheit der Antwort, wenn eine Begleitperson die Teilnahme an einer Forschung vorschlägt, bleibt bestehen. Auch inwiefern sich Personen tatsächlich trauen, eine Datenerhebung abzulehnen, wenn jemand zu diesem Zweck „zu Besuch“ kommt, ist fraglich. Die meisten Teilnehmenden reagierten positiv, allerdings sollte auch damit vorsichtig umgegangen und der Grund für den Besuch klar dargelegt werden. Zudem ist es sicherlich wichtig, die Forschenden im Voraus bezüglich möglicher Anreize und Motivationen für eine Teilnahme zu sensibilisieren. So können allfällige andere Bedürfnisse der Teilnehmenden als dasjenige, an Forschung teilzuhaben, besser eruiert und darauf eingegangen werden. 4 Datenerhebung Bei Untersuchungen von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen sollten multimethodische Zugänge gewählt werden, die sich an den jeweiligen Möglichkeiten der fokussierten Personen orientieren, um ihrer Diversität gerecht zu werden und nicht (bereits im Vorfeld) bestimmte Personen und ihre Stimmen auszuschließen (Schuppener et al., 2020). Erhebungssituationen in Forschungsprojekten sind je nach Anliegen und Interessen an bestimmte Orte, in welchen spezifische Beziehungsgefüge, Machtprozesse und Interaktionsgeschehen vorherrschen, gebunden. Sie nehmen Einfluss auf in diesen Kontexten entstehende VHN 3 | 2023 192 NADJA MORAMANA ET AL. Ethische Reflexionen im Forschungsprozess FACH B E ITR AG Erkenntnisse (ebd.). Orte sind nie neutral, sondern immer geprägt durch individuelle Bedeutungen und Erfahrungen, was wiederum spezifische Wahrnehmungen, Erfahrungen und/ oder Aussagen ermöglicht oder verhindert. Zwar können sich Forschende auf die Erhebungssituation vorbereiten, es besteht dabei aber immer auch ein Risiko der Voreingenommenheit, welche einen (negativen) Einfluss auf die Gestaltung der Begegnungen haben kann. „Annahmen, die auf eine in der Zukunft liegende Forschungssituation verweisen, prägen notwendigerweise Haltungen, Erwartungen und damit verbundene Vorgehensweisen im Erkenntnisprozess. Ein Bewusstsein dieser Zusammenhänge ist daher unabdingbar“ (Schuppener et al., 2020, S. 11f.). Nach Hagen (2007) ist vor allem bei Interviews zentral, dass die Lebenswelt der Teilnehmenden den Forschenden bekannt ist. Insbesondere bedarf es einer Vorbereitung auf deren individuelle Kommunikationsmöglichkeiten. Wichtig ist aber auch, dass die teilnehmende Person sich vorstellen kann, wer der/ die Forschende ist, und die Möglichkeit bekommt, in Ruhe über eine Teilnahme nachzudenken und Vertrauen für die Datenerhebung aufzubauen (ebd.). Hierfür ist ein vorgängiger Besuch hilfreich. Eine weitere wichtige Eigenschaft der qualitativen Sozialforschung, welche Bewusstsein und Reflexion der Forschenden bedarf, ist der Umstand, dass die Erhebungssituation ein Interaktionsgeschehen darstellt. Das Eingehen und auch wieder Auflösen von (temporären) Beziehungen ist fester Bestandteil dieser Art von Forschung, wobei es sich beim Gegenüber oft um Personen mit Ausschluss- und Abhängigkeitserfahrungen handelt. Forschende sind zwar einer professionellen Distanz verpflichtet, dennoch werden im Rahmen von Interviews teilweise höchst persönliche Themen bearbeitet, die einer vertrauensvollen Gesprächsatmosphäre bedürfen. Forschende wissen bereits, bevor sie sich in die Erhebungssituation begeben, dass die Beziehung lediglich einen temporären Charakter aufweist, die Begegnung nur aufgrund des Forschungssettings zustande kommt und ohne dieses nicht stattfinden würde. Sie müssen sich die Frage nach dem Umgang mit von Beziehungsabbrüchen geprägten Biografien sowie dem starken Eingebundensein in professionelle Beziehungsstrukturen stellen, da sie Gefahr laufen zur Projektionsfläche für unerfüllte Beziehungswünsche zu werden (Schuppener et al., 2020). Entsprechend ist es wichtig, ehrlich vorzugehen und Charakter und Dauer der Beziehung offenzulegen (Buchner, 2008). Für die qualitative Datenerhebung im hier zugrunde liegenden Projekt wurden das Setting wie auch die Methode individuell an die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Interessen der fokussierten Personen angepasst. So konnten eine angenehme Situation und ein Bezug geschaffen werden. Zudem ermöglichte dies auch die Teilnahme von Personen, mit welchen ein Interview im klassischen Sinne nicht möglich gewesen wäre. Nur wenige der fokussierten Personen im Sample konnten ein Gespräch im klassischen Interviewstil führen. Allerdings war es für viele möglich, einfache Fragen zu ihrem Leben zu beantworten, wenn diese beispielsweise an konkrete Situationen anknüpften. Zwar bestand ein vorbereiteter Leitfaden für die Interviews/ Gespräche, allerdings wurden die jeweiligen Situationen mit den fokussierten Personen offen und flexibel gestaltet und dementsprechend wurden auch die Gespräche geführt. Mit anderen Teilnehmenden wiederum war es möglich, Situationen gemeinsam zu „erleben“ und Daten durch Beobachtung zu erheben. Eine solche individuell gestaltete Untersuchungssituation setzte eine gute Vorbereitung und gleichzeitig eine große Flexibilität der Forschenden voraus. Sinnvoll und wichtig war dabei der vorgängige telefonische Austausch mit der Begleitperson, der eine adäquate Planung und Vorbereitung ermöglichte. VHN 3 | 2023 193 NADJA MORAMANA ET AL. Ethische Reflexionen im Forschungsprozess FACH B E ITR AG Ausgehend von den durch die Begleitperson beschriebenen Möglichkeiten, Ressourcen, Interessen und Eigenschaften der fokussierten Person, aber auch von den Strukturen und Ressourcen der Institution wurde ein passendes Setting für die Datenerhebung gewählt. Dabei waren auch während der Datenerhebung noch Anpassungen möglich. Bei allen Datenerhebungen befanden sich die Teilnehmenden in einer ihnen vertrauten Umgebung, zeigten den Forschenden ihren Wohnort, den Arbeitsplatz, den Alltag oder verbrachten Freizeit zusammen. Dies mit dem Ziel, während der Datenerhebung eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Wichtig war es auch, einen guten Zeitpunkt für die Verabschiedung zu finden und dafür genügend Zeit einzuräumen. Oft wurde mit der Begleitperson vorgängig eine fixe Zeitdauer vereinbart, wobei die Forschenden sich den situativen Gegebenheiten und den fokussierten Personen anpassten, um einen gelungenen Abschluss zu gestalten. Grundsätzlich kann resümiert werden, dass es für den Verlauf der Datenerhebung wichtig und entscheidend war, dass die Forschenden durch den vorgängigen Austausch mit der jeweiligen Begleitperson bereits eine Vorstellung der fokussierten Person hatten und sich in die Erhebungssituation hineindenken und diese entsprechend vorbereiten konnten. Dies ermöglichte es, sich auf potenziell schwierige oder risikobehaftete Momente einzustellen. Zu bedenken ist allerdings, dass dieses Vorgehen auch die Gefahr birgt, dass Forschende zu voreingenommen in die Interaktion treten. Auch wenn die Vorinformationen und das Kontextwissen zur fokussierten Person wichtig sind, um ein Treffen vorzubereiten und die Datenerhebung sinnvoll und möglichst „gewinnbringend“ zu gestalten, sollte die forschende Person sich vor der Erhebung erneut vom Vorwissen distanzieren, um sich offen auf die fokussierte Person und die Situation einzulassen. Sinnvoll kann hier das Führen eines Forschungstagebuchs zur Reflexion sein (Hess, 2009). 5 Auswertung, Ergebnisse und Rückmeldungen Im Folgenden werden ethische Herausforderungen dargestellt, die den Bereich der Datenauswertung, der Ergebnisdissemination und die Rückmeldungen dazu betreffen. 5.1 Anonymisierung Das Wohlergehen von Forschungsteilnehmenden und die im Forschungsprozess potenziell entstehenden Risiken (wie eine Beeinträchtigung der Privatsphäre von Teilnehmenden) sind von den Forschenden sorgfältig gegeneinander abzuwägen (von Unger, 2014; Fachbereichstag Heilpädagogik, 2017). Eine adäquate Anonymisierungsstrategie ist zentral, um die im qualitativen Analyseprozess oftmals benötigte Einbettung der Daten in einen spezifischen Kontext zu ermöglichen und gleichzeitig persönliche Informationen zu schützen (von Unger, 2014). Bei Forschungen zu Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen kann erschwerend hinzukommen, dass die beforschte Personengruppe eine Minderheit sowie eine heterogene Personengruppe darstellt (Lewis & Porter, 2004). Die im vorliegenden Projekt erhobenen qualitativen Daten wurden während der Transkription anonymisiert, indem Namen, Orte und Jahreszahlen unkenntlich gemacht wurden. Für den weiteren Analyseprozess, zu dem auch Einzelfallanalysen gehörten, waren die Forschenden auf detaillierte Daten angewiesen, weshalb zusätzliche Angaben wie beispielsweise Diagnosen oder in manchen Fällen einzigartige Kombinationen von herausfordernden Verhaltensweisen während dieses Prozesses nicht weiter anonymisiert wurden. Einzig die Forschenden hatten Zugang zu den Daten, die im kleinen Kreis der Schweizer Behindertenhilfe möglicherweise Rückschlüsse auf einzelne Personen zulassen würden. Bei Publikationen wurden VHN 3 | 2023 194 NADJA MORAMANA ET AL. Ethische Reflexionen im Forschungsprozess FACH B E ITR AG die Daten zudem zwecks Anonymisierung thematisch gruppiert, und es wurde vermieden, über Einzelfälle zu berichten. 5.2 Unbewusste Wiederholung von Zuschreibungseffekten Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen sind oft gesellschaftlichen Bedingungen und Machtstrukturen ausgesetzt, die ihre individuellen Möglichkeiten einschränken (Fachbereichstag Heilpädagogik, 2017). Dies ist in Interpretationsvorgängen und ganz besonders bei pauschalisierenden Aussagen bzw. Klassifizierungen zu reflektieren, um Zuschreibungen und Etikettierungen nicht unbewusst zu wiederholen (ebd.). Eine transparente Möglichkeit zur Vermeidung solcher Effekte stellt die kommunikative Validierung dar (Buchner, 2008; Flick, 2011). Dabei treten Forschende und Teilnehmende in einen Dialog über die Resultate sowie deren Herleitung aus den Daten mit dem Ziel, sich über die Interpretation der Resultate zu einigen. Im vorliegenden Forschungsprozess zeigte sich diese Herausforderung, da die Forschenden in der Vorbereitung der Datenerhebung im Austausch mit den Begleitpersonen der fokussierten Personen standen und dabei bereits viele Informationen erhielten, die potenziell Pauschalisierungen und Zuschreibungen enthielten. Dem wurde begegnet, indem die Forschenden in einem der Datenerhebung vorgängigen Workshop eine gemeinsame Haltung erarbeiteten und bezüglich solcher Generalisierungen sensibilisiert wurden. Vor den Datenerhebungen wurden sie zudem zu einer Reflexion über die vorhandenen Informationen und mögliche eigene Zuschreibungen angehalten. Während der Datenerhebung wurden die Teilnehmenden wie oben beschrieben von den Forschenden in ihrem Alltag begleitet. Schließlich wurden die erhobenen Daten und die damit verbundenen Erlebnisse regelmäßig im Forschungsteam geteilt und gemeinsam reflektiert. 5.3 Wirkungsmacht von Forschungsprozessen und -resultaten Sowohl der Forschungsprozess als auch dessen Ergebnisse sind wirkungsmächtig, d. h. sie ermöglichen neues Wissen und somit neue Handlungsoptionen. Dabei sind nicht immer alle Effekte, die durch Forschungsprozesse und deren Resultate entstehen, voraussehbar, und forschende Personen tragen somit die Verantwortung, „potentielle Folgen der Verbreitung eines spezifischen Wissens und dessen Anwendung ethisch zu reflektieren“ (Dederich, 2017 a, S. 5). Dabei steht die grundsätzlich angestrebte wissenschaftliche Integrität in einem Spannungsfeld mit dem Grundsatz der Schadensvermeidung beim Berichten über Resultate. Von Unger (2014) beschreibt es in diesem Zusammenhang als hilfreich, einen Konflikt nicht nur aus der eigenen Perspektive als Forschende zu betrachten, sondern andere Perspektiven zuzulassen, indem beispielsweise ein Austausch zu möglichen Einschätzungen von Risiken mit Teilnehmenden vor der Ergebnispublikation angestrebt wird. Im vorliegenden Forschungsprojekt war es ein Anliegen, die Perspektive der fokussierten Personen zu erfassen. Fragen zur Umsetzung wurden während des gesamten Forschungsprozesses an konkreten Beispielen reflektiert. 5.4 Herausforderungen bei der Ergebnisdissemination Forschungsresultate sollen so gestaltet und verbreitet werden, dass sie den Teilnehmenden zugänglich sind (Aldridge, 2014). Dieser Anspruch ist mit Herausforderungen verknüpft: geeignete Wege der Ergebnispräsentation müssen unter zumeist begrenzten Ressourcen gefunden werden. Eine Möglichkeit dafür ist die bereits von Beginn an bedachte Budgetierung von Zusatzaufwänden bei der Ergebnisdarstellung (z. B. Übersetzung in leichte Sprache, bildbegründete Darstellungen, persönliche Präsen- VHN 3 | 2023 195 NADJA MORAMANA ET AL. Ethische Reflexionen im Forschungsprozess FACH B E ITR AG tation der Ergebnisse der Forschenden). Dabei ist bereits vor Beginn eines Projekts zu bedenken, welchen Nutzen die generierten Resultate erzielen sollen und damit auch, für wen sie aufbereitet werden sollen (Dederich, 2017 b). Im Forschungsbereich von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen müssen sich Forschende dabei nach den Möglichkeiten der Teilnehmenden richten und die Ergebnisse in geeigneter Form übermitteln. Gerade bei Teilnehmenden mit schweren und/ oder mehrfachen Beeinträchtigungen eröffnet sich dabei ein Spannungsfeld zwischen der maximal transparenten und gleichzeitig so weit wie nötig vereinfachten Ergebnisdarstellung. Zudem sollte von den Forschenden reflektiert werden, wie mit Resultaten umzugehen ist, die für die Teilnehmenden oder Drittpersonen nachteilige Folgen mit sich bringen. Dafür ist einerseits eine passende Anonymisierungsstrategie zu empfehlen, und andererseits wird eine Kompromissfindung bzw. das Überdenken der Bedeutung einzelner Resultate, die zu negativen Konsequenzen führen können, vorgeschlagen (Deutsche Gesellschaft für Soziologie, 2017). Der Forderung von Aldridge (2014) nach direktem Zugang der fokussierten Personen zu den Forschungsergebnissen konnte im vorliegenden Projekt aus Gründen begrenzter Ressourcen nicht ganz entsprochen werden. Stattdessen boten die Forschenden allen beteiligten Begleitteams die individuell ausgearbeiteten Fallanalysen als Rückmeldung an. Das Ziel, ein Mehr an Lebensqualität von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen und herausfordernden Verhaltensweisen zu schaffen, wurde somit indirekt verfolgt, indem der sozialen Umwelt der fokussierten Personen Hilfestellungen bei der Begleitung während herausfordernden Situationen aufgezeigt wurden. Für künftige Projekte wurde die Bedeutung eines den erhöhten Anforderungen an die Ergebnisdissemination unter den Teilnehmenden entsprechenden Budgets erkannt. 6 Schlussfolgerungen Forschungsprozesse, die Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen in den Fokus rücken, beinhalten für Forschende vielfältige Herausforderungen und bedürfen ethischer Reflexionen. Eine hilfreiche Orientierung und Grundlage dafür wären Handlungsempfehlungen für die sonderpädagogische Forschung auf nationaler Ebene, wie sie im deutschsprachigen Ausland existieren. Die bestehenden gesetzlichen Vorgaben müssten ergänzt werden durch systematische ethische Reflexionen während des gesamten Forschungsprozesses, da vielfältige Spannungsfelder entstehen (können). Auf diese müssen Forschungsteams adäquat reagieren können, um negative Folgen für die Forschungsteilnehmenden auszuschließen. Dies bedingt, dass bereits bei der Planung und Akquise von Forschungsprojekten genügend Zeit und entsprechende finanzielle Ressourcen eingeplant werden, umfasst der Prozess doch sowohl die Vorbereitung, den Zugang zum Feld, das Kennenlernen der Teilnehmenden, das Einholen der informierten Einwilligung, die Durchführung der konkreten Erhebung als auch die Validierung der Forschungsergebnisse und allfällige Rückmeldungen. Die Perspektive von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen ist unentbehrlich, da sie durch ihren lebensweltlichen Kontext in allen Themenfeldern wertvolle Erfahrungen einbringen. Zudem trägt die Erfassung dieser Perspektiven zur Sichtbarkeit des Personenkreises bei, was zu einer gleichberechtigteren Teilhabe an der Gesellschaft beitragen kann (Hauser, 2020) und in Einklang mit den Forderungen der UN-BRK steht. Deshalb stehen Forschende in der Pflicht, diese Perspektiven zu erfassen und sich kreativ und flexibel zu zeigen, um der Heterogenität der Personengruppe gerecht zu werden. Dabei sind auch stärker auf Kooperation ausgerichtete Vorgehensweisen (wie in neueren Forschungszugängen der Partizipativen oder Inklusiven Forschung praktiziert) zu prüfen. VHN 3 | 2023 196 NADJA MORAMANA ET AL. Ethische Reflexionen im Forschungsprozess FACH B E ITR AG Literatur Aldridge, J. (2014). Working with vulnerable groups in social research: dilemmas by default and design. Qualitative Research, 14 (1), 112 -130. https: / / doi.org/ 10.1177/ 1468794112455041 Buchner, T. (2008). 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