Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Aktuelle Forschungsprojekte: Pädagogik bei Krankheit und Spitalschulpädagogik (Pb-KuS)
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Robert Langnickel
Ziele des Projektes sind I. die Schließung von Forschungslücken hinsichtlich der Arbeit an Spital-schulen und einer Pädagogik bei Krankheit (PbK), II. die Vernetzung und der Austausch zu wis-senschaftlichen und praktischen Erkenntnissen und III. die Zusammenführung der Erkenntnisse hin zur Entwicklung und Etablierung einer Aus- und Weiterbildung für PbK im deutschsprachigen Raum (D-A-CH). Dafür soll ein nachhaltiges Kooperationsnetzwerk zwischen D-A-CH und Großbritannien auf Ebene von Wissenschaft und Praxis aufgebaut werden (AP1). Anschließend soll basierend auf einer Bestands- und Bedarfsanalyse (AP2) ein Curriculum entwickelt (AP3) und evaluiert (AP4) werden, was die Voraussetzung dafür ist, einen MAS-Pädagogik bei Krankheit in der Schweiz zu etablieren (AP4).
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VHN 4 | 2024 298 AK TU E LL E FORSCHUNGSPROJ E K TE Ausgangslage In der PbK, die sich mit dem Unterricht von Schüler/ innen mit Erkrankungen befasst, besteht ein deutliches Defizit hinsichtlich der wissenschaftlichen Etablierung z. B. an Hochschulen. Dies stehtim Kontrast zu anderen von der Kultusministerkonferenz im Jahr 1998 empfohlenen Förderschwerpunkten. Forschungslücken und daraus resultierende Herausforderungen in diesem Bereich wurden in verschiedenen Studien aufgezeigt (Stein, 2010; 2020). Eine kürzlich durchgeführte wissenssoziologische Diskursanalyse hat verdeutlicht, dass das disziplinäre Selbstverständnis und die Identität der PbK hauptsächlich in der Praxis an Klinikschulen verankert sind. Jedoch bleibt eine umfassende theoretische Fundierung dieser Disziplin bisher unzureichend definiert (Elbracht, Langnickel, Lieberherr, Hoanzl & Gingelmaier, 2023). Des Weiteren werden die spezifischen Herausforderungen und Notwendigkeiten der PbK, wie die Reintegration und Transition der Schülerinnen und Schüler, in der bestehenden Literatur diskutiert. Allerdings mangelt es an systematisierten und evaluierten Ansätzen zur Bewältigung dieser Herausforderungen. Auch die Aspekte der Prävention und Gesundheitsförderung im Klinikumfeld wurden bisher nur unzureichend erforscht (Casale, Hövel, Hennemann & Hillenbrand, 2018). Die spezifischen krankheitsbedingten Beeinträchtigungen der Lernenden stellen besondere Anforderungen an die Lehrkräfte. Die Pädagogik im Krankheitskontext wird als ein Spannungsfeld zwischen therapeutischem Ansatz und pädagogischem Handeln beschrieben, was eine charakteristische Antinomie in der Arbeit von Kliniklehrpersonen darstellt (Bakels, 2020, S. 311). Pädagogik bei Krankheit und Spitalschulpädagogik (Pb-KuS) Robert Langnickel 1 , Dennis Hövel 2 , Stephan Gingelmaier 3 , Martina Hoanzl 3 , Fabian Wamsler 3 , Reinhard Markowetz 4 , Luiz André Dos Santos Gomes 4 , Sophia Falkenstörfer 5 , Katja Höglinger 5 , Claudia Schellenberg 2 , Melanie Willke 2 , Agnes Turner 5 , Gerda Rockenbauer 7 , Nicola Sommer 6 , Nicola-Hans Schwarzer 8 , Tobias Nolte 9 , Kreon Schumacher 1 , Daniela Jagsch-Budschedl 10 , Elisabeth Kolb 10 , Mona Meister 11 , Annette Ebinger 12 , Heidi Niethammer 12 , Katharina Walther 2 , Stefanie Elbracht 13 , Pierre-Carl Link 2 1 PH Luzern, 2 HfH Zürich, 3 PH Ludwigsburg, 4 LMU München, 5 JMU Würzburg, 6 PH Salzburg, 7 Universität Klagenfurt, 8 PH Heidelberg, 9 University College London, 10 Heilstättenschule Wien, 11 Hamburger Institut für Pädagogik, 12 Klinikschule Tübingen, 13 Universität zu Köln Abstract: Ziele des Projektes sind I. die Schließung von Forschungslücken hinsichtlich der Arbeit an Spitalschulen und einer Pädagogik bei Krankheit (PbK), II. die Vernetzung und der Austausch zu wissenschaftlichen und praktischen Erkenntnissen und III. die Zusammenführung der Erkenntnisse hin zur Entwicklung und Etablierung einer Aus- und Weiterbildung für PbK im deutschsprachigen Raum (D - A - CH). Dafür soll ein nachhaltiges Kooperationsnetzwerk zwischen D - A - CH und Großbritannien auf Ebene von Wissenschaft und Praxis aufgebaut werden (AP 1). Anschließend soll basierend auf einer Bestands- und Bedarfsanalyse (AP 2) ein Curriculum entwickelt (AP 3) und evaluiert (AP 4) werden, was die Voraussetzung dafür ist, einen MAS-Pädagogik bei Krankheit in der Schweiz zu etablieren (AP 4). VHN 4 | 2024 299 AK TU E LL E FORSCHUNGSPROJ E K TE Seit den 1970er-Jahren wird die Notwendigkeit einer fundierten Aus- und Weiterbildung für Lehrkräfte im Bereich der PbK diskutiert. Es besteht Konsens darüber, dass Lehrkräfte in Kliniken zusätzliches und fundiertes Wissen in Pädagogik und Fachdidaktik sowie organisatorische Kompetenzen benötigen. Zudem sind Foren für Reflexion und Austausch essenziell (u. a. Gratzer & Krisemendt, 1978; Wienhues, 1979; Castello & Pülschen, 2018; Meiners, Krull & Leidig, 2023). Dennoch fehlt es im deutschsprachigen Raum an einer adäquaten hochschulischen Aus- und Weiterbildung im Tertiärbereich für die PbK. Movetia-Projekt Pädagogik bei Krankheit und Spitalschulpädagogik Das internationale Projekt Pädagogik bei Krankheit und Spitalschulpädagogik (Pb-KuS), gefördert durch die Schweizer Stiftung Movetia (Internationales Programm; Projektnr.: 2023-1-CH01-IP-0055. Laufzeit: Oktober 2023 bis Oktober 2025) ab Oktober 2023, zielt darauf ab, bestehende Forschungs- und Praxislücken in diesem Feld zu adressieren. Erstens beabsichtigt es, Forschungsdesiderata im Kontext der Spitalschulpädagogik und der Pädagogik bei Krankheit zu schließen. Zweitens strebt das Projekt die Förderung eines interdisziplinären Austauschs und einer Vernetzung zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen an. Das primäre Ziel besteht in der Synthese dieser Erkenntnisse zur Entwicklung, Evaluation und Implementierung eines berufsbegleitenden Masterstudiengangs in Pädagogik bei Krankheit im deutschsprachigen Raum (D - A -CH), in Kooperation mit Praktiker/ innen. Zu den initialen Schritten gehören der Aufbau und die Konsolidierung eines internationalen Netzwerks im Bereich der Spitalschulpädagogik auf Hochschul- und Praxisebene. Anschließend erfolgt eine empirische Analyse des Ist-Zustandes und des Bedarfs. Diese umfasst sowohl quantitative als auch qualitative Erhebungen regionaler Bedarfe sowie die Auswertung existierender Curricula und Grundlagendokumente. Basierend auf diesen Daten werden Expert/ inneninterviews zu Erfolgsbedingungen und Handlungsbedarfen im Bereich der PbK durchgeführt, ausgewertet und den Netzwerkpartner/ innen präsentiert. Dieser methodische Dreischritt - die Triangulation von Dokumentenanalyse, quantitativen und qualitativen Felddaten - bildet die wissenschaftlich fundierte und praxisgeprüfte Basis für die Erstellung eines standortübergreifenden Curriculums. Im dritten Schritt wird unter Nutzung der Netzwerkverbindungen auf Basis der bestehenden Curricula, eines Scoping-Reviews zur Bedeutung von Krankheit im Schulkontext und der ermittelten Bedarfe ein Curriculum für den MAS ‚Pädagogik bei Krankheit‘ entwickelt. Dieses wird mit spezifischen Lernzielen, zu erwerbenden Kompetenzen und didaktischen Ansätzen ausgestattet. Die inhaltliche Entwicklung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Praxispartner/ innen aus Spitalschulen in D-A-CH und dem Hamburger Institut für Pädagogik. Viertens wird das Curriculum in Kooperation mit Praxispartner/ innen aus Klinikschulen partizipativ evaluiert, um eine nachhaltige und flexible ‚spiralcurriculare‘ Ergebnissicherung zu gewährleisten. Im Fokus steht die Professionalisierung von (angehenden) Lehrpersonen im Bereich der Pädagogik bei Krankheit, die ein Schlüsselelement für den Erfolg der Arbeit in Schulen für Kinder und Jugendliche mit Erkrankungen darstellt (Stein, 2020). Diese Professionalisierung in der Sonderpädagogik soll zur Transformation der Disziplin in Richtung einer „Menschenrechtspädagogik und Partizipationswissenschaft“ beitragen (Markowetz, 2007, S. 170). Professionsethisch werden dabei auch Fragen von Fürsorgeverhältnissen und Care-Ethik aufgegriffen, die auf die besondere Verantwortung von Lehrpersonen und die Herausforderungen im Feld hinweisen (Fal-kenstörfer, 2023). Die Triangulation der Ergeb-nisse erfolgt durch eine Kombination aus Ergeb-nissicherung, Qualitätssicherung und Transfer in den vierfachen Leistungsauftrag der Hochschulen, insbesondere in den Bereichen Forschung und Lehre (D - A -CH) sowie Weiterbildung und Dienstleistung (A -CH). Langfristig ist die Etablierung eines MAS in der Schweiz geplant, der in transnationaler Kooperation mit Partner/ innen aus Österreich und Deutschland verantwortet wird und für Studierende aus allen drei Ländern offensteht. Weitere Ergebnisse umfassen eine mehrsemestrige internationale Online-Ringvorlesung zum Thema ‚Pädagogik bei Krankheit‘, peer-reviewte Forschungsartikel, Praxisartikel sowie ein Sammelwerk zur Einführung in das Fachgebiet - alles im Open-Access-Format, VHN 4 | 2024 300 AK TU E LL E FORSCHUNGSPROJ E K TE um den Zugang für Praktiker/ innen und Forschende zu erleichtern. Im Kontext des deutschsprachigen Inklusionsdiskurses wird das Feld der ‚Schule für Kranke‘ bzw. die Pädagogik bei Krankheit bereits als inklusive Bildungsmaßnahme für „besondere Lebenslagen auf Zeit“ gewertet (Piegsda et al., 2020; Langnickel, Munker & Link, 2023; Elbracht et al., 2023). Das Potenzial der Klinik- und Spitalschulen für ein inklusives Bildungssystem, insbesondere in Bezug auf Transitionen, Übergangsmanagement sowie die Auseinandersetzung mit den Themen Krankheit und Gesundheit, ist jedoch noch weitgehend unerschlossen. Dieser Weg soll nun beschritten werden, um die Potenziale von Klinik- und Spitalschulen für ein inklusives Bildungssystem umfassend zu erforschen und zu nutzen. Weitere Informationen und Literaturangaben können bezogen werden bei Robert Langnickel (Gesamtleitung, robert.langnickel@phlu.ch) oder unter der Projekthomepage: https: / / www.phlu.ch/ forschung/ projekte/ 17373/ paedagogik-bei-krankheit-und-spitalschul paedagogik-pb-kus.html Weitere Informationen zum Teilprojekt „Bestands- und Bedarfsanalyse“ können bezogen werden bei Prof. Pierre-Carl Link (Teilprojektleitung, pierre-carl.link@hfh.ch) oder unter der HfH-Projekthomepage: https: / / www.hfh.ch/ projekt/ paedagogikbei-krankheit-und-spitalschulpaedagogik-pbkus-teilprojekt-bestand-und-bedarfsanalyse DOI 10.2378/ vhn2024.art30d Kinder und Jugendliche, bei denen die Lautsprache noch nicht oder nur unzureichend ausgebildet ist, benötigen unterstützende, alternative oder ergänzende Kommunikationsmittel. Die Unterstützte Kommunikation bietet eine Fülle von Möglichkeiten für die sprachtherapeutische Arbeit mit Kindern. Sie eignet sich z. B. bei sprechmotorischen Auffälligkeiten, Sinnesbeeinträchtigungen, Autismus-Spektrum-Störungen, Intelligenzminderung, aber auch bei primären Sprachentwicklungsstörungen. Kompaktes Grundlagenwissen und konkrete Hinweise führen in das Methodenrepertoire der Unterstützten Kommunikation ein und erleichtern die praktische Umsetzung. Unterschiedliche Kommunikationsformen, Diagnostik und individuell kombinierbare Therapieverfahren werden ebenso behandelt wie die Einbeziehung des Umfelds und die Praxisausstattung. a www.reinhardt-verlag.de Kommunizieren ein wenig anders Hildegard Kaiser-Mantel Unterstützte Kommunikation in der Sprachtherapie 2., überarbeitete Auflage 2023. 171 Seiten. 48 Abb. 2 Tab. Innenteil zweifarbig. (978-3-497-03202-0) kt
