Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
5
0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2024.art16d
71
2024
933
Fachbeitrag: Digitale Teilhabe nach Corona - Ergebnisse einer Online-Befragung von Leitungspersonen besonderer Wohnformen der Eingliederungshilfe zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie
71
2024
Christian Menschik
Christophe Kunze
Gregor Renner
Während der COVID-19-Pandemie wurden sowohl bestehende Ungleichheiten in Bezug auf die digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in besonderen Wohnformen deutlich als auch neue Zugänge zu digitalen Geräten ermöglicht. Die Studie intendiert, die digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, die in besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe leben, zu untersuchen. Insgesamt wurden 59 Leitungspersonen aus besonderen Wohnformen aus 10 Bundesländern mittels eines Online-Fragebogens befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Zugang zu digitalen Geräten und Anwendungen seit der COVID-19-Pandemie verbessert hat und die Nutzung insgesamt gestiegen ist. In den Einrichtungen haben sich zudem die institutionellen Rahmenbedingungen dahingehend verändert, dass sie sich förderlich auf die digitale Teilhabe der Bewohner/innen auswirken. In manchen Lebensbereichen wird die Nutzung von digitalen Geräten und Anwendungen als defizitär beschrieben. Die nachhaltige Sicherstellung digitaler Teilhabe von Personen, die in besonderen Wohnformen leben, bedarf schließlich struktureller und konzeptioneller Maßnahmen, die überprüfbar und nachvollziehbar sind.
5_093_2024_3_0003
171 VHN, 93. Jg., S. 171 -187 (2024) DOI 10.2378/ vhn2024.art16d © Ernst Reinhardt Verlag FACH B E ITR AG Digitale Teilhabe nach Corona - Ergebnisse einer Online-Befragung von Leitungspersonen besonderer Wohnformen der Eingliederungshilfe zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie Christian Menschik, Christophe Kunze Hochschule Furtwangen Gregor Renner Katholische Hochschule Freiburg Zusammenfassung: Während der COVID-19-Pandemie wurden sowohl bestehende Ungleichheiten in Bezug auf die digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in besonderen Wohnformen deutlich als auch neue Zugänge zu digitalen Geräten ermöglicht. Die Studie intendiert, die digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, die in besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe leben, zu untersuchen. Insgesamt wurden 59 Leitungspersonen aus besonderen Wohnformen aus 10 Bundesländern mittels eines Online-Fragebogens befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Zugang zu digitalen Geräten und Anwendungen seit der COVID-19-Pandemie verbessert hat und die Nutzung insgesamt gestiegen ist. In den Einrichtungen haben sich zudem die institutionellen Rahmenbedingungen dahingehend verändert, dass sie sich förderlich auf die digitale Teilhabe der Bewohner/ innen auswirken. In manchen Lebensbereichen wird die Nutzung von digitalen Geräten und Anwendungen als defizitär beschrieben. Die nachhaltige Sicherstellung digitaler Teilhabe von Personen, die in besonderen Wohnformen leben, bedarf schließlich struktureller und konzeptioneller Maßnahmen, die überprüfbar und nachvollziehbar sind. Schlüsselbegriffe: Digitale Teilhabe, COVID-19, Menschen mit Behinderungen, Eingliederungshilfe Digital Participation after Corona - Results of an Online Survey of Managers of Residential Care Facilities for People with Disabilities on the Effects of the COVID-19 Pandemic Summary: During the COVID-19 pandemic, both existing inequalities in terms of digital participation of people with disabilities in residential care facilities became apparent and new access to digital devices was made possible. The study aims to investigate the digital participation of people with disabilities living in residential care facilities for the disabled. A total of 59 managers from residential care facilities in 10 federal states were surveyed using an online questionnaire. The results show that access to digital devices and services has improved since the COVID-19 pandemic and usage has increased overall. The institutional conditions in the facilities have also changed in a way that they have a positive impact on residents’ digital participation. In some areas of life, the use of digital devices and services is described as deficient. Ensuring the sustainable digital participation of people living in residential care facilities requires structural and conceptual measures that are verifiable and comprehensible. Keywords: Digital participation, COVID-19, people with disabilities, inclusion VHN 3 | 2024 172 1 Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Menschen mit Behinderungen Die globalen Auswirkungen der COVID-19- Pandemie haben viele gesellschaftliche Bereiche seit Anfang 2020 vor besondere Herausforderungen gestellt. Menschen mit Behinderungen sind hierbei besonders betroffen. Die Infektionsschutzmaßnahmen führten zu zeitweisen Besuchs- und Kontaktbeschränkungen sowie zum Wegfall tagesstrukturierender Maßnahmen wie bspw. Freizeitangeboten oder der Arbeit in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. Internationale Studien berichten von mangelnden Vorkehrungen zum Gesundheitsschutz (Masken, Desinfektionsmittel, Informationen zum Infektionsgeschehen usw.) in Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen (Lachwitz, 2020; Landes et al., 2020). Hinzu kommt, dass Personen, die in einem Betreuungsverhältnis leben, einem erhöhten Infektionsrisiko durch das Betreuungs- und Pflegepersonal ausgesetzt waren (Perera et al., 2020). Der Global Report on Findings of the COVID-19 Disability Rights Monitor konstatiert, dass es viele Staaten in ihrer Reaktion auf die Pandemie versäumt haben, ausreichende Maßnahmen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen zu ergreifen (Brennan, 2020). Studien aus Österreich und Deutschland legen außerdem dar, dass Menschen mit Behinderungen, die in besonderen Wohnformen leben, besonders unter Belastungen ihrer psychischen Gesundheit litten (Millner et al. 2020; Trescher & Nothbaum, 2021). 2 Digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen während der COVID-19-Pandemie Menschen mit Behinderungen haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung weniger Zugang zu Internet und digitalen Technologien (Bosse & Hasebrink, 2016) und zählen deshalb zu dem Personenkreis, der besonders von der sog. digitalen Spaltung betroffen ist (Sachdeva, Tuikka, Kimppa & Suomi, 2015), besonders Menschen mit intellektuellen Behinderungen (Etges et al., 2020; Etges & Renner, 2022; Johansson, Gulliksen & Gustavsson, 2020). Behinderung wird im Anschluss an die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) verstanden als situationsabhängige Wechselwirkung zwischen körperlichen Funktionen bzw. Strukturen, personenbezogenen Faktoren und Umweltfaktoren, die Einfluss auf die Aktivität und Partizipation (Teilhabe) der betroffenen Person haben können (DIMDI, 2005). Teilhabe manifestiert sich in diesem Zusammenhang als prinzipielle Erreichbarkeit von verschiedenen Aktivitäten der Lebensgestaltung (Bartelheimer et al., 2020). Digitale Teilhabe wird hierbei im Anschluss an Bosse (2016) verstanden als Teilhabe an, in und durch digitale(n) Medien. Teilhabe an digitalen Medien wird bezogen auf die prinzipielle Zugänglichkeit von digitalen Inhalten, die sich mithilfe von Informations- und Kommunikationsbzw. unterstützenden Technologien vollzieht. Mit Teilhabe in digitalen Medien ist die (Selbst-) Inszenierung von Menschen mit Behinderungen in (sozialen) Medien gemeint und inwieweit die Personen Einfluss auf das mediale Bild von Behinderung nehmen (können). Teilhabe durch digitale Medien ist verbunden mit dem Erwerb von Medienkompetenz, der es Menschen mit Behinderungen ermöglicht, durch die Nutzung von digitalen Technologien bspw. an Freizeit- und Kulturangeboten teilzunehmen. In diesem Zusammenhang äußert sich Teilhabe, im Anschluss an Bartelheimer et al. (2020), darin, Wahlmöglichkeiten zur Verfolgung eigener Interessen und zur Befriedigung eigener Bedürfnisse zu haben. In Bezug auf die digitale Teilhabe bedeutet dies die prinzipielle Erreichbarkeit und Zugänglichkeit von digitalen Technologien und Medien. CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG VHN 3 | 2024 173 CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und die damit einhergehende Notwendigkeit der digitalen Kommunikation, Arbeit, Bildung, Freizeitgestaltung usw. haben in vielen Sozialbereichen zu einer spontanen Neuorganisation bisheriger Abläufe geführt. Auch in der Eingliederungshilfe mussten diese Lebensbereiche neu gestaltet werden. So hatten die Kontaktbeschränkungen zur Folge, dass Bewohner/ innen von Wohneinrichtungen keinen physischen Kontakt zu ihren Angehörigen und Bekannten haben konnten. Internationale Studien zeigen, dass in einigen Einrichtungen vor allem auf Videokonferenztools zurückgegriffen wurde, um in Kontakt zu bleiben (Bakkum et al., 2022; Spassiani et al., 2022). Auch in Einrichtungen in Deutschland wurde versucht, soziale Kontakte über Videotelefonie aufrechtzuerhalten (Bernasconi & Keeley, 2021; Habermann-Horstmeier, 2020; Rathmann et al., 2021; Trescher & Nothbaum, 2022). Dabei ist vor allem die schlechte digitale Infrastruktur der Einrichtungen in Deutschland offenbar geworden. Mangelnde Ausstattung der Bewohner/ innen mit digitalen Zugangsgeräten, unzureichender Zugang zum Internet (bspw. über WLAN) sowie fehlende finanzielle Mittel wurden sichtbar (Bernasconi & Keeley, 2021; Habermann- Horstmeier, 2020; Krüger, Prchal, Ott & Jennessen, 2021; Rathmann et al., 2021). Daher wurden stellenweise digitale Technologien neu angeschafft oder es wurde auf vorhandene Geräte wie bspw. den Dienstcomputer der Betreuungskräfte zurückgegriffen (Trescher & Nothbaum, 2022). So weisen Studien zu den allgemeinen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Menschen mit Behinderungen darauf hin, dass sich die Techniknutzung der Personen insgesamt erhöht hat (Embregts et al., 2022; Krüger et al., 2021). Auch zeigte sich, dass der Nutzungswunsch sowie die Nutzungsbereitschaft von digitalen Technologien bei Menschen mit Behinderungen während dieser Zeit gestiegen sind (Bolz & Van Nek, 2021; Krüger et al., 2021). Trescher und Nothbaum (2021; 2022) berichten, dass viele Menschen mit intellektuellen Behinderungen während der COVID-19-Pandemie überhaupt zum ersten Mal mit digitalen Technologien in Kontakt gekommen seien. Für Menschen mit Behinderungen, die in Wohneinrichtungen in Deutschland leben, hat sich stückweise ein besserer Zugang zum Internet ergeben (Krüger et al., 2021). McCausland et al. (2021) weisen sogar darauf hin, dass Menschen in Wohneinrichtungen in Irland eher von einer zunehmenden Technologienutzung berichten als Personen, die ambulant betreut werden oder in ihren Herkunftsfamilien leben. Allerdings haben laut einem internationalen Literaturreview vor allem Menschen mit Behinderungen von zunehmender Digitalisierung profitiert, die zuvor schon Erfahrungen mit Internetnutzung gesammelt haben und/ oder auf bereits vorhandene digitale Kompetenzen aufbauen konnten (Chadwick et al., 2022). Zudem konnte eine zufriedenstellende Nutzung digitaler Technologien nicht immer gewährleistet werden. Fehlende Kompetenzen und Unterstützung im Umgang mit den Technologien sowie deren mangelnde Barrierefreiheit haben die Nutzung erschwert (Engels, Huppertz, Schierenbeck & Wittemann, 2021; Wos, Kamecka-Antczak & Szafranski, 2021). Insgesamt zeigt sich ein ambivalentes Bild, da die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie einerseits strukturelle Defizite bezüglich digitaler Teilhabe offengelegt haben. Andererseits hat sich die digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in besonderen Wohnformen stellenweise verbessert. Ungeklärt bleibt dabei, wie weitreichend sich die Veränderungen in den Einrichtungen der Behindertenhilfe vollzogen haben und wie sich die digitale Teilhabe der Bewohner/ innen in Bezug auf den Zugang zu und die Nutzung von digitalen Technologien und Medien im Detail entwickelt hat. VHN 3 | 2024 174 Die vorliegende Studie adressiert daher folgende Forschungsfragen: 1) Welche Auswirkungen hat die COVID-19- Pandemie auf die digitale Teilhabe von erwachsenen Menschen mit Behinderungen, die in besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe leben? 2) Welche Erfahrungen haben die Bewohner/ innen mit der Nutzung digitaler Technologien und wie haben sich diese während der COVID-19-Pandemie verändert? 3) Welche (Veränderungs-)Bedarfe bzgl. Digitalisierung sind durch die COVID-19- Pandemie in den Einrichtungen sichtbar geworden? 4) Welche Entwicklungen wurden durch die COVID-19-Pandemie in den Einrichtungen hinsichtlich Digitalisierung angestoßen? 3 Material und Methoden 3.1 Studiendesign Beim Studiendesign handelt es sich um eine deskriptive quantitative Studie mittels Online Fragebogen. Zielgruppe der Studie sind Einrichtungsleitungen, stellvertretende Einrichtungsleitungen, Bereichsleitungen oder Personen in ähnlichen Funktionen von besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe in Deutschland. Es wurde davon ausgegangen, dass dieser Personenkreis umfassende Informationen v. a. zu den strukturellen Entwicklungen der Einrichtungen liefern kann sowie genügend Einblick in die individuelle Teilhabesituation der Bewohner/ innen hat. Die Auswahl des Samples erfolgte nicht nach vorab festgelegten Kriterien. Die Operationalisierung der Forschungsfragen für den Fragebogen orientierte sich an den Dimensionen der digitalen Teilhabe nach Bosse (2016). Hierfür wurde der Hauptteil des Fragebogens in vier Teile gegliedert. Der erste Teil bestand aus soziodemografischen Fragen sowie Fragen zu den Charakteristika der Einrichtungen. Im zweiten Teil ging es um Fragen zu den Erfahrungen der Bewohner/ innen mit digitalen Technologien und wie sich diese während der COVID-19-Pandemie verändert haben. Dabei bezogen sich die Fragen auf die Nutzung digitaler Geräte und unterschiedlicher Anwendungen, die u. a. Aufschluss über die Aktivitäten in sozialen Medien geben sollten. In diesem Zusammenhang wurden zudem die ICF-Domänen der Aktivitäten und Partizipation (Teilhabe) (DIMDI, 2005) in den Fragebogen integriert, um die Techniknutzung in den verschiedenen Lebensbereichen zu erfassen, womit Informationen zur Teilhabe durch digitale Technologien gesammelt wurden. Der dritte Teil bestand aus Fragen zu Kompetenzen, Defiziten und Barrieren, die durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sichtbar wurden. Im vierten Teil ging es explizit um die institutionellen Entwicklungen und wie sich die Auswirkungen der Pandemie auf die strukturelle Ebene der Einrichtungen niedergeschlagen haben. Der Fragebogen kann über folgenden Link (https: / / osf. io/ download/ 65f9609918cee303fa1a280f/ ) abgerufen werden. 3.2 Pretest Ein Pretest der Umfrage wurde mit zwei Leitungspersonen von besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe am 2. 9. 2022 und am 26. 9. 2022 in Anlehnung an das probing-Verfahren (Porst, 2014) gemacht. Die Leitungspersonen wurden gebeten, dabei besonders auf den zeitlichen Umfang sowie auf Verständnisprobleme, Anmerkungen zu den Antwortkategorien und ggf. Ergänzungen und den Aufwand für die Informationsbeschaffung zu achten. Im Anschluss wurden die von den Leitungspersonen während des Online-Pretests gemachten CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG VHN 3 | 2024 175 CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG Erfahrungen in einem Telefoninterview besprochen. Nach Rückmeldung der Leitungspersonen wurden einzelne Frage- und Antwortformulierungen so verändert, dass sie zum besseren Verständnis beitrugen. Der zeitliche Umfang wurde von den Leitungspersonen auf ungefähr 20 Minuten eingeschätzt, wobei keine Antwort einer aufwendigen Informationsbeschaffung bedurfte. 3.3 Ethik und Datenschutz Die Teilnahme an der Umfrage erfolgte nach Information über Umfang und Zweck der Studie sowie nach aktiver Einwilligung zu den Datenschutzbestimmungen der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die Umfrage ist Teil des Forschungsprojekts InstAgT (Individuelle soziotechnische Arrangements für die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit kognitiven Funktionseinschränkungen), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter der Förderrichtlinie FH-Sozial 2018 gefördert wird und ein positives Ethikvotum der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) erhielt. 3.4 Datenerhebung und -auswertung Für die Datenerhebung wurde eine schriftliche Befragung mittels eines teilstandardisierten Online-Fragebogens durchgeführt. Der Online-Fragebogen wurde mit dem Online-Umfrage-Tool LimeSurvey erstellt und war vom 10. 10. 2022 bis 31. 1. 2023 aktiv. Mit dem Fragebogen wurden Einrichtungsleitungen, stellvertretende Einrichtungsleitungen, Bereichsleitungen oder Personen in ähnlichen Funktionen von besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe in Deutschland adressiert. Die Umfrage wurde per Mail mehrmals zwischen dem 10. 10. 2022 und dem 10. 1. 2023 an verantwortliche Kontaktpersonen der Behindertenhilfe im stationären Wohnbereich oder im Bereich digitale Teilhabe / Digitalisierung der Wohlfahrtsverbände (Caritas, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz, Lebenshilfe) auf Bundes- und Länderebene sowie an Kontaktpersonen von Berufs- und Sozialverbänden (Heilerziehungspflege, Deutscher Behindertenrat, VdK) mit der Bitte um Weiterleitung an entsprechende Personen versendet. Für die Datenauswertung standen 59 vollständig ausgefüllte Fragebögen zur Verfügung, die mit einer durchschnittlichen Dauer von 15,8 Minuten bearbeitet wurden. Die deskriptiv-statistische Auswertung wurde mit MS Excel durchgeführt und umfasst Häufigkeitsangaben. 4 Ergebnisse 4.1 Soziodemografische Daten und Charakteristika der Einrichtungen Die meisten Personen, die den Fragebogen ausgefüllt haben, kamen aus der Gruppe der Einrichtungsleitungen (n = 39). Lediglich n = 3 Personen gaben an, als stellvertretende Einrichtungsleitung tätig zu sein. Alle anderen Personen (n = 17) nutzten die Antwortoption „Sonstiges“, wovon n = 7 „Bereichsleitung“ im Freitextfeld angaben. Hierbei handelt es sich vermutlich um Wohnbereichsleitungen, da die angegebene Anzahl der Wohngruppen in deren Verantwortungsbereich einen Mittelwert MW = 15 aufweist, was dem Umfang eines gesamten Wohnbereichs einer Einrichtung entsprechen könnte. In der Summe repräsentieren die n = 59 befragten Personen 1361 Wohngruppen in 269 Standorten bzw. Häusern, in denen insgesamt 6729 Personen betreut werden. Es waren insgesamt Einrichtungen aus zehn Bundesländern vertreten. Nordrhein-Westfalen VHN 3 | 2024 176 war mit n = 20 am häufigsten vertreten, gefolgt von Bayern (n = 16), Baden-Württemberg (n = 7), Berlin (n = 7) und Schleswig-Holstein (n = 4). Mit jeweils n = 1 waren Niedersachsen, Hessen, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Saarland vertreten. Nicht vertreten waren Einrichtungen aus Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Hamburg und Bremen. Mehrfachnennungen waren hier nicht möglich. Bei der Frage nach dem Personenkreis, der schwerpunktmäßig betreut wird, waren Mehrfachnennungen möglich. In den Einrichtungen wurde von n = 45 Leitungspersonen angegeben, dass schwerpunktmäßig Menschen mit intellektuellen Behinderungen in den Einrichtungen betreut werden. Daneben gaben n = 41 Personen an, Menschen mit Mehrfachbehinderungen primär in den Einrichtungen zu betreuen. Den Schwerpunkt auf die Betreuung von Menschen mit körperlichen Behinderungen geben n = 24 Personen an, auf Menschen mit seelischen Behinderungen n = 23 und auf Menschen mit Sinnesbehinderungen n = 12. Die Antwortkategorie „Sonstiges“ nutzten n = 6 Personen, wovon jeweils n = 2 Menschen mit Autismus, Menschen mit Suchtproblematiken sowie jeweils n = 1 Menschen mit psychischen Erkrankungen und Menschen mit Schädel- Hirn-Trauma angaben. 4.2 Besitz und Nutzung digitaler Technologien Was den Besitz und die Nutzung digitaler Zugangsgeräte angeht, lässt sich sagen, dass das Smartphone in den meisten Einrichtungen (n = 48) von den Bewohner/ innen genutzt wird. Das Smartphone ist auch das Gerät, das am ehesten in eigenem Besitz der betreuten Personen ist. Dahingehend gaben n = 12 Leitungspersonen an, dass mehr als die Hälfte der Smartphone-Nutzenden in den Einrichtungen das Gerät selbst besitzen. Einrichtungen Nutzende mit eigenem Gerät Nutzende mit gemeinschaftlichem Gerät Nutzungsfrequenz Veränderung der Nutzung seit COVID-19 Veränderung der Zahl der Nutzenden seit COVID-19 keine 1 - 50 % 51 - 100 % n/ a keine 1 - 50 % 51 - 100 % n/ a täglich wöchentlich monatlich n/ a zugenommen gleich geblieben abgenommen n/ a zugenommen gleich geblieben abgenommen n/ a n % Smartphone 48 0 35 12 1 33 12 0 3 81,3 % 8,3 % 0,0 % 10,4 % 66,7 % 29,2 % 0,0 % 4,2 % 47,9 % 45,8 % 0,0 % 6,3 % Tablet 43 3 38 1 1 10 26 4 3 37,2 % 48,8 % 2,3 % 11,6 % 67,4 % 23,3 % 0,0 % 9,3 % 58,1 % 34,9 % 0,0 % 7,0 % Laptop/ Notebook 32 3 25 3 1 11 18 1 2 25,0 % 50,0 % 12,5 % 12,5 % 65,6 % 25,0 % 0,0 % 9,4 % 43,8 % 46,9 % 0,0 % 9,4 % PC 25 3 20 0 2 7 16 0 2 28,0 % 32,0 % 8,0 % 32,0 % 40,0 % 40,0 % 0,0 % 20,0 % 28,0 % 52,0 % 0,0 % 20,0 % Keine 5 Tab. 1 Besitz und Nutzung digitaler Technologien und Veränderungen seit der COVID-19-Pandemie Anmerkung: n/ a = keine Angabe CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG VHN 3 | 2024 177 CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG Zudem lassen die Ergebnisse erkennen, dass die Frequenz der Smartphone-Nutzung im Vergleich zu den anderen Technologien am höchsten ist. Wie in Tab. 1 zu sehen ist, haben die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie einen großen Einfluss auf die Frequenz der Smartphone-Nutzung der Bewohner/ innen. Die Smartphone-Nutzung hat in 95,8 % der Fälle zugenommen oder ist gleich geblieben. Anders als das Smartphone wurde lediglich von n = 1 Leitungsperson angeben, dass mehr als die Hälfte der Tablet-Nutzenden der Einrichtungen das Gerät selbst besitzen. Mit 37,2 % sind es im Vergleich zum Smartphone deutlich weniger Einrichtungen, in denen eine tägliche Tablet-Nutzung angegeben wurde. Mit Blick auf die Nutzungsveränderung seit der COVID-19-Pandemie fällt auch beim Tablet auf, dass in keiner Einrichtung von einer Abnahme der Nutzung berichtet wurde. Die Zahl der Tablet-Nutzenden hat gegenüber den Smartphone-Nutzenden sogar noch stärker zugenommen. Etwas mehr als die Hälfte der befragten Personen (n = 32) berichteten davon, dass Laptops oder Notebooks von den Bewohner/ innen genutzt werden. Die Besitzangaben fielen auch hier gegenüber dem Smartphone eher gering aus. Wie auch bei der Tablet-Nutzung überwiegt die wöchentliche (50 %) gegenüber der täglichen Nutzung (25 %) eines Laptops oder Notebooks. Auch für Laptop und Notebook gilt, dass die COVID-19-Pandemie nicht für eine Abnahme der Nutzung bzw. Zahl der Nutzenden gesorgt hat. Etwas weniger als die Hälfte der befragten Leitungspersonen (n = 25) gab an, dass es Bewohner/ innen in den Einrichtungen gibt, die einen PC nutzen. Die Häufigkeit der Nutzung überwiegt hier in wöchentlicher Frequenz in 32 % der Einrichtungen. Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Häufigkeit der PC-Nutzung wurde in jeweils 40 % der Einrichtungen als gestiegen oder gleich geblieben ausgewiesen. Die Anzahl der PC-Nutzenden hat sich im Vergleich zu den anderen Geräten um den kleinsten Faktor erhöht (28 %). 4.3 Nutzung digitaler Dienste und Anwendungen Die Ergebnisse der Nutzung digitaler Dienste und Anwendungen beruhen auf den Antworten von n = 54 Leitungspersonen aus Einrichtungen, in denen digitale Technologien genutzt werden. Von n = 5 Leitungspersonen wurde angegeben, dass keinerlei digitale Technologien in den Einrichtungen genutzt werden, womit diese nicht für die Folgefragen hinsichtlich digitaler Dienste und Anwendungen berücksichtigt wurden. Wie in Tab. 2 zu sehen, sind Videoportale wie YouTube mit n = 50 jene Dienste, die in den meisten Einrichtungen von den Bewohner/ innen genutzt werden. Kommunikationstools und Messenger wie WhatsApp werden in n = 46 Einrichtungen genutzt und bilden mit 89,1 % die höchste tägliche Nutzungsfrequenz. Auch werden diese Dienste in den meisten Einrichtungen (n = 16) von mehr als der Hälfte der Bewohner/ innen genutzt. Die Veränderung der Nutzungsfrequenz ist bei Kommunikationstools und Messenger mit 76,1 % am zweithöchsten. Eine größere Veränderung der Nutzungsfrequenz weist mit 78,6 % nur Videotelefonie auf. Generell ist eine Abnahme der Nutzung der verschiedenen Dienste und Anwendungen kaum auszumachen. Lediglich Navigation wurde in 8,7 % der Einrichtungen mit abnehmend und in lediglich 21,7 % der Fälle mit zunehmend beantwortet. Digitale Dienste und Anwendungen in Bezug auf Finanzen wie Online-Banking werden in nur wenigen Einrichtungen (n = 4) von den Bewohner/ innen genutzt. Hier konnte auch nur eine geringe Zunahme der Nutzung von 25 % verzeichnet werden. VHN 3 | 2024 178 4.4 Nutzung digitaler Technologien in verschiedenen Lebensbereichen Die Ergebnisse in Tab. 3 beziehen sich auf die Frage, in welchen Lebensbereichen gemäß der Aktivitäten und Partizipation (Teilhabe) der ICF (DIMDI, 2005) die Technologien, Dienste und Anwendungen von den Bewohner/ innen genutzt werden. Auch hier beruhen die Ergebnisse auf den Antworten aus n = 54 Einrichtungen mit Zugang zu digitalen Technologien für die Bewohner/ innen. Im Bereich Kommunikation werden digitale Technologien in den meisten Einrichtungen (n = 48) genutzt. Zudem erreichte hier die tägliche Nutzungsfrequenz mit 77,1 % den höchsten Wert im Vergleich zu anderen Bereichen. Gleiches gilt für die Veränderung der Nutzung seit der COVID-19-Pandemie, wobei angegeben wurde, dass die Technologienutzung im Bereich Kommunikation um 72,9 % zugenommen hat. Für interpersonelle Interaktionen und Beziehungen wurden digitale Technologien in n = 46 Einrichtungen genutzt. In diesem Bereich gaben die meisten Leitungspersonen (n = 16) an, dass mehr als die Hälfte der technologienutzenden Bewohner/ innen die Technologien dafür benutzen. Auch hier ist die tägliche Nutzungsfrequenz mit 65,2 % sowie die Zunahme der Nutzung seit der Pandemie mit 69,6 % vergleichsweise hoch. Dahingegen werden in den Bereichen Häusliches Leben (n = 16) und Selbstversorgung (n = 11) die Technologien in nur wenigen Einrichtungen genutzt. Auch die tägliche Nutzungsfrequenz sowie die Zunahme seit der COVID-19-Pandemie fallen dort einigermaßen gering aus. Im Bereich Mobilität stellte sich die geringste tägliche Nutzungsfrequenz (4,3 %) sowie die geringste Zunahme während der Pandemie (17,4 %) heraus. 4.5 Sichtbarkeit von Barrieren, Defiziten und Kompetenzen Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf besondere Wohnformen der Eingliederungshilfe haben bestimmte Belange hin- Einrichtungen Anteil der Nutzenden Nutzungsfrequenz Veränderungen seit COVID-19 keine 1 - 50 % 51 - 100 % täglich wöchentlich monatlich n/ a zugenommen gleich geblieben abgenommen n/ a n % Videoportale 50 0 38 12 52,0 % 24,0 % 0,0 % 24,0 % 50,0 % 22,0 % 2,0 % 26,0 % Kommunikationstools und Messenger 46 3 30 16 89,1 % 4,3 % 2,2 % 4,3 % 76,1 % 19,6 % 0,0 % 4,3 % Gaming 43 5 35 8 44,2 % 23,3 % 0,0 % 32,6 % 46,5 % 25,6 % 0,0 % 27,9 % Videotelefonie 42 5 36 6 16,7 % 47,6 % 19,0 % 16,7 % 78,6 % 11,9 % 2,4 % 7,1 % Soziale Medien 37 10 30 7 70,3 % 16,2 % 0,0 % 13,5 % 62,2 % 18,9 % 0,0 % 18,9 % Film Streaming 30 11 25 5 33,3 % 40,0 % 3,3 % 23,3 % 50,0 % 43,3 % 0,0 % 6,7 % Musik Streaming 30 11 24 6 50,0 % 40,0 % 0,0 % 10,0 % 63,3 % 23,3 % 0,0 % 13,3 % Hilfsmittel 29 19 28 1 62,1 % 13,8 % 6,9 % 17,2 % 37,9 % 41,4 % 0,0 % 20,7 % Shopping 26 16 23 3 7,7 % 23,1 % 38,5 % 30,8 % 57,7 % 30,8 % 0,0 % 11,5 % Navigation 23 21 21 2 8,7 % 30,4 % 26,1 % 34,8 % 21,7 % 39,1 % 8,7 % 30,4 % Nachrichten 21 21 19 2 28,6 % 28,6 % 0,0 % 42,9 % 47,6 % 23,8 % 0,0 % 28,6 % Gesundheit 19 24 19 0 10,5 % 36,8 % 15,8 % 36,8 % 57,9 % 15,8 % 0,0 % 26,3 % Dating 17 21 16 1 5,9 % 29,4 % 17,6 % 47,1 % 41,2 % 23,5 % 0,0 % 35,3 % Finanzen 4 41 4 0 0,0 % 75,0 % 25,0 % 0,0 % 25,0 % 75,0 % 0,0 % 0,0 % Tab. 2 Nutzung digitaler Dienste und Anwendungen und Veränderungen seit der COVID-19- Pandemie CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG VHN 3 | 2024 179 CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG Einrichtungen Anteil der Nutzenden Nutzungsfrequenz Veränderungen seit COVID-19 keine 1 -50 % 51 -100 % täglich wöchentlich monatlich n/ a zugenommen gleich geblieben abgenommen n/ a n % Kommunikation (z. B. Nachrichten schreiben, Videotelefonie, Unterstützte Kommunikation) 48 3 35 13 77,1 % 14,6 % 2,1 % 6,3 % 72,9 % 22,9 % 0,0 % 4,2 % Interpersonelle Interaktionen und Beziehungen (z. B. soziale Netzwerke, Kontakt zu Freunden und Familie pflegen) 46 5 30 16 65,2 % 23,9 % 2,2 % 8,7 % 69,6 % 19,6 % 2,2 % 8,7 % Gemeinschaftliches, soziales und staatsbürgerliches Leben (z. B. Freizeit, Religion, Politik) 33 12 27 6 15,2 % 45,5 % 18,2 % 21,2 % 36,4 % 45,5 % 3,0 % 15,2 % Lernen und Wissensanwendung (z. B. Lernen von Lesen, Rechnen, Schreiben oder Instrumenten) 24 22 23 1 16,7 % 54,2 % 12,5 % 16,7 % 41,7 % 45,8 % 4,2 % 8,3 % Allgemeine Aufgaben und Anforderungen (z. B. Unterstützung bei der Durchführung täglicher Routinen durch digitale Handlungsanweisungen, Tagesplanung und Kalender) 23 23 21 2 43,5 % 30,4 % 4,3 % 21,7 % 39,1 % 52,2 % 0,0 % 8,7 % Mobilität (z. B. Dienste zur Navigation im Straßenverkehr oder ÖPNV) 23 22 21 2 4,3 % 43,5 % 30,4 % 21,7 % 17,4 % 60,9 % 8,7 % 13,0 % Bedeutende Lebensbereiche (z. B. bei der Arbeit, Bildung) 23 20 22 1 13,0 % 39,1 % 21,7 % 26,1 % 30,4 % 39,1 % 4,3 % 26,1 % Häusliches Leben (z. B. Unterstützung beim Einkaufen, Kochen, Putzen) 16 30 15 1 6,3 % 56,3 % 18,8 % 18,8 % 43,8 % 43,8 % 0,0 % 12,5 % Selbstversorgung (z. B. Hilfe bei der Kleiderwahl, Körperhygiene durch digitale Handlungsanweisungen) 11 37 11 0 18,2 % 9,1 % 54,5 % 18,2 % 36,4 % 54,5 % 0,0 % 9,1 % Tab. 3 Nutzung digitaler Technologien in den verschiedenen ICF-Bereichen VHN 3 | 2024 180 sichtlich digitaler Teilhabe bzw. digitaler Infrastrukturen sichtbar gemacht, die vor der Pandemie unbekannt waren oder keine Rolle gespielt haben. Da sich diese Fragen auch auf Einrichtungen beziehen, in denen keine digitalen Technologien genutzt werden, beruhen die folgenden Ergebnisse auf den Angaben von allen befragten Leitungspersonen (n = 59). Die vermehrte Auseinandersetzung mit digitalen Technologien hatte vor allem zur Folge, dass technische Barrieren z. B. aufgrund der Komplexität der Geräte offenbart wurden. Hier gaben über die Hälfte der Einrichtungen (57,6 %) die volle Zustimmung. Ebenfalls über die Hälfte der Einrichtungen (52,5 %) gaben mit voller Zustimmung an, dass individuelle Barrieren der Bewohner/ innen, z. B. durch motorische, kognitive oder Sinnesbeeinträchtigungen, bei der Nutzung digitaler Technologien sichtbar wurden. 4.6 Institutionelle Entwicklungen Bezüglich der institutionellen Entwicklungen (Tab. 5) gaben n = 58 Leitungspersonen an, dass ein Internetzugang für die Bewohner/ innen (teilweise) vorhanden ist (n = 52) oder für die Zukunft angestrebt wird (n = 6); eine Entwicklung, die bei der Hälfte mindestens teilweise auf die COVID-19-Pandemie zurückführbar ist. Die Beschleunigung des Ausbaus der restlichen Bereiche wurde mit jeweils über 60 % (teilweise) auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zurückgeführt. Eine Digitalisierungsstrategie ist zwar nur in n = 18 Einrichtungen vorhanden, wird aber in n = 20 Einrichtungen für die Zukunft angestrebt. Hierbei gaben die befragten Personen sogar zu 76,3 % an, dass dies von den Auswirkungen der Pandemie (teilweise) beschleunigt wurde. Demgegenüber werden in n = 10 Einrichtungen keine Digitalisierungsstrategien angestrebt. Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie haben in unserer Einrichtung folgende Dinge in Bezug auf die Digitalisierung deutlich gemacht: trifft zu trifft eher zu teils, teils trifft eher nicht zu trifft nicht zu n = 59 Barrieren Technische Barrieren, z. B. aufgrund der Komplexität digitaler Geräte 57,6 % 16,9 % 13,6 % 6,8 % 5,1 % Individuelle Barrieren der Bewohner/ innen, z. B. durch motorische, kognitive und Sinnesbeeinträchtigung bei der Nutzung digitaler Technologien 52,5 % 16,9 % 15,3 % 6,8 % 8,5 % Strukturelle Barrieren der Einrichtung, z. B. fehlende Kompetenzen, fehlende Strategien, fehlende Zuständigkeiten 44,1 % 11,9 % 15,3 % 18,6 % 10,2 % Finanzielle Barrieren der Bewohner/ innen bzgl. Ausstattung mit Endgeräten und Internetzugang 39,0 % 13,6 % 16,9 % 10,2 % 20,3 % Rechtliche Barrieren bei Bewohner/ innen, die gesetzlich vertreten werden, z. B. bei Datenschutzfragen und Einwilligung in Datenschutzbestimmungen 28,8 % 23,7 % 6,8 % 16,9 % 23,7 % Defizite Mangelnde digitale Kommunikationsmöglichkeiten für die Bewohner/ innen sind sichtbar geworden 39,0 % 25,4 % 22,0 % 6,8 % 6,8 % Mangelnde personelle Verantwortlichkeiten in Bezug auf Fragen der Digitalisierung sind sichtbar geworden 39,0 % 23,7 % 18,6 % 13,6 % 5,1 % Die mangelnde Ausstattung der Bewohner/ innen mit digitalen Zugangsgeräten ist sichtbar geworden 33,9 % 32,2 % 13,6 % 10,2 % 10,2 % Kompetenzen Es wurde sichtbar, welche digitalen und Medienkompetenzen die Betreuungskräfte haben 37,3 % 33,9 % 16,9 % 5,1 % 6,8 % Es wurde sichtbar, welche digitalen und Medienkompetenzen die Bewohner/ innen haben 33,9 % 37,3 % 15,3 % 6,8 % 6,8 % Tab. 4 Sichtbarkeit verschiedener Belange der Digitalisierung durch die COVID-19 Pandemie CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG VHN 3 | 2024 181 CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG Digitale Infrastruktur in den Institutionen Wurden diese Bestrebungen durch die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie wesentlich beschleunigt? vorhanden oder teilweise vorhanden anderweitig vorhanden (z. B. durch Engagement von Angehörigen, Mitarbeitenden etc.) für die Zukunft angestrebt nicht angestrebt n/ a ja teilweise nein n/ a n % Ein Internetzugang für die Bewohner/ innen (WLAN, LAN, mobile Daten) 52 0 6 1 0 29,3 % 20,7 % 50,0 % 0,0 % Assistenz und Begleitung bei der Nutzung digitaler Geräte 37 5 15 0 2 26,3 % 40,4 % 33,3 % 0,0 % Medienkompetenzangebote für die Bewohner/ innen 20 10 24 3 2 16,7 % 40,7 % 42,6 % 0,0 % Der Zugang zu digitalen Endgeräten für die Bewohner/ innen 32 10 7 8 2 28,6 % 38,8 % 32,7 % 0,0 % Medienkompetenzangebote für das Personal 21 1 23 7 7 24,4 % 42,2 % 31,1 % 2,2 % Das Einwerben von Mitteln zur Umsetzung der Digitalisierung 27 1 14 6 11 33,3 % 31,0 % 35,7 % 0,0 % Die Einbindung personeller Ressourcen z. B. Verantwortliche für Digitalisierung oder ehrenamtliches Engagement 17 2 20 8 12 25,6 % 35,9 % 38,5 % 0,0 % Eine Digitalisierungsstrategie wie z. B. die Einbindung der Digitalisierung in die Konzeption der Einrichtung 18 0 20 10 11 28,9 % 47,4 % 23,7 % 0,0 % Tab. 5 Digitale Infrastruktur in den Einrichtungen und Veränderungen seit der COVID-19-Pandemie VHN 3 | 2024 182 5 Diskussion Die in Deutschland gelisteten Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen belaufen sich laut dem Branchenbuch des Suchportals socialnet.de auf 688 Einrichtungen, womit die Rücklaufquote der hier vorliegenden Studie mit n = 59 Einrichtungen bei 6,8 % liegt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass darin auch Einrichtungen gelistet sind, die ausschließlich ambulante Wohnbetreuungen anbieten, die in der Studie nicht adressiert wurden, auch wenn die Trennung in (teil-)stationär und ambulant seit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) rechtlich so nicht mehr vorgenommen wird. Die Kennzahlen der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe geben für das Jahr 2021 eine Anzahl von 194.565 leistungsberechtigten Personen an, die in besonderen Wohnformen betreut werden (BAGüS, 2023). Die Anzahl der betreuten Personen der teilnehmenden Einrichtungen der hier vorliegenden Studie von 6729 entspricht demnach einem Anteil von 3,5 %. Grundsätzlich wäre eine Studie mit größerem Sample dazu imstande, repräsentative Aussagen zu treffen. Darüber hinaus ist bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen, dass ein Selektionsbias vorliegen könnte, da nur solche Personen an der Befragung teilgenommen haben könnten, die sich dem Thema digitale Teilhabe in der Behindertenhilfe verpflichtet fühlen. Die geringe Rücklaufquote ließe sich so darauf zurückführen, dass dieses Thema noch keine breite Akzeptanz unter Mitarbeitenden und Leitungspersonen der Behindertenhilfe erfährt. Auch muss beachtet werden, dass die hier adressierten Leitungspersonen nicht immer einen detaillierten Einblick in die individuelle Techniknutzung der Bewohner/ innen haben könnten. Ob und inwiefern die Betreuungskräfte die betreuten Personen bei der Techniknutzung begleiten, könnte für Leitungspersonen ebenfalls schwer ersichtlich sein. Deutlich wird dies daran, dass bei den Fragen zur individuellen Nutzung von Anwendungen und Diensten im Vergleich zu den Fragen zu den institutionellen Entwicklungen relativ häufig keine Angaben („n/ a“) gemacht wurden. Eine Befragung der Bewohner/ innen selbst ist daher für zukünftige Forschungsaktivitäten anzustreben. Dies würde auch dazu beitragen, dezidierte Aussagen zur Teilhabesituation des jeweiligen Adressat/ innenkreises in Bezug auf die Art der Behinderung zu machen. Um Auswirkungen der COVID-19- Pandemie auf Wohneinrichtungen der Eingliederungshilfe zu untersuchen, wäre schließlich ein Studiendesign angemessen, das sich auf Daten stützt, die sich tatsächlich auf den Status quo ante sowie den Status post interventionem beziehen. Insgesamt zeigen die hier vorliegenden Ergebnisse, dass die Auswirkungen der COVID-19- Pandemie einen positiven Effekt auf die digitale Teilhabe der erwachsenen Menschen mit Behinderungen in den erforschten Einrichtungen besonderer Wohnformen gehabt haben. Auch wenn dies nicht für alle der betreuten Personen der Einrichtungen zutrifft und verallgemeinerbare Aussagen nicht möglich sind, zeigt sich, dass einigen Personen, die vor der Pandemie keine digitalen Geräte und Anwendungen genutzt haben, ein Zugang zu diesen ermöglicht wurde. Bisherige Studien bestätigen dies (Bakkum et al., 2022; Bernasconi & Keeley, 2021; Habermann-Horstmeier, 2020; Rathmann et al., 2021; Spassiani et al., 2022; Trescher & Nothbaum, 2022), auch wenn dort eine systematische Betrachtung der Auswirkungen auf die digitale Teilhabe fehlt. Unsere Ergebnisse hingegen liefern empirische Daten dazu, wie sich der Zugang und die Nutzung von Geräten und Anwendungen in verschiedenen Lebensbereichen für einige Personen verändert hat und welche Entwicklungen in den Wohneinrichtungen angestoßen wurden. CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG VHN 3 | 2024 183 CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG Festzuhalten bleibt dabei, dass vor allem das Tablet als populäres Gerät erscheint, das sowohl für den persönlichen als auch einen gemeinschaftlichen Gebrauch angeschafft wurde. In fast allen Einrichtungen wurde angegeben, dass ein Internetzugang für die Bewohner/ innen zumindest teilweise zur Verfügung steht. Krüger et al. (2021) konstatieren in ihrer Studie, dass sich in rund einem Drittel der Einrichtungen der Zugang zum Internet für die Bewohner/ innen verbessert hat. Auch die hier präsentierten Ergebnisse bestätigen, dass bei einem großen Teil der befragten Einrichtungen die Bereitstellung eines Internetzugangs von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beschleunigt wurde. Plausibel erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass, wie sich in anderen Studien zeigte, die Bereitschaft (Bolz & Van Nek, 2021) sowie der Wunsch nach der Nutzung digitaler Technologien (Krüger et al., 2021) bei Menschen mit Behinderungen gestiegen ist, um soziale Kontakte aufrechterhalten zu können. Selbstverständlich ist die Teilhabe an digitalen Technologien nicht voraussetzungslos. Die hier befragten Personen gaben an, dass neben technischen Barrieren aufgrund der Komplexität der Geräte auch individuelle Kompetenzen sowie finanzielle Beschränkungen während der Pandemie eine Rolle spielten. Wie andere Studien zeigen (Engels et al., 2021; Rathmann et al., 2021; Wos et al., 2021), ist die Anschaffung digitaler Technologien mit finanziellen Hürden verbunden, die für Menschen mit Behinderungen während der COVID-19-Pandemie besonders deutlich wurden. Zudem haben die Auswirkungen der Pandemie für die erforschten Einrichtungen deutlich gemacht, dass bestimmte Kompetenzen sowohl aufseiten der Bewohner/ innen als auch der Betreuungskräfte vorhanden sein müssen, um eine zufriedenstellende Techniknutzung und -begleitung sicherzustellen. Andere Studien zeigen, dass Kompetenzen nicht im gleichen Maße gestiegen sind wie die Techniknutzung an sich (Krüger et al., 2021), wobei mangelnde Kompetenzen die Nutzung und Begleitung erschwert haben (Engels et al., 2021; Wos et al., 2021). Dies hat bei den hier untersuchten Einrichtungen dazu geführt, dass die Schaffung von Angeboten zur Förderung der Medienkompetenz für die Zukunft eine größere Rolle spielen soll. Schließlich ist die Teilhabe an digitalen Technologien eingebettet in institutionelle Rahmenbedingungen. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass es in vielen der untersuchten Einrichtungen an strukturellen Maßnahmen und Strategien zur Förderung der digitalen Teilhabe der Bewohner/ innen mangelt. Diesbezüglich gab allerdings ein Großteil der befragten Personen an, bspw. die Aufnahme einer Digitalisierungsstrategie in die Konzeption für die Zukunft anzustreben. Fast die Hälfte der Befragten erwähnte, dass bereits Mittel zur Umsetzung der Digitalisierung bzw. zur Förderung digitaler Teilhabe eingeworben worden seien. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass während der COVID-19-Pandemie vermehrt Programme zur Förderung digitaler Teilhabe wie bspw. solche der Aktion Mensch (Aktion Mensch, 2021; 2023) angeboten wurden. Über die Aktivitäten in digitalen Medien lässt sich festhalten, dass Videoportale in den meisten Einrichtungen von den Bewohner/ innen genutzt werden. Dass digitale Technologien von Menschen mit Behinderungen in erster Linie zur Unterhaltung genutzt werden, zeigen auch Bruland, Krämer, Bayo und Latteck (2023). Ebenso ist die Nutzung von sozialen Medien bei den Bewohner/ innen der erforschten Einrichtungen beliebt. Unklar bleibt dabei allerdings, ob die Personen die sozialen Medien nur passiv nutzen oder eine aktive Rolle einnehmen, indem sie sich dort als Personen mit Behinderung präsentieren und damit zum gesellschaftlichen Bild von Behinderung bei- VHN 3 | 2024 184 tragen können (Bosse, 2016). Denkbar ist auch, dass digitale Geräte (wie z. B. Tablet-Computer) zu großen Teilen als Kommunikationshilfen genutzt werden und nicht zur Teilhabe an der digitalen Welt. Wird der Fokus darauf gelegt, wie sich die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen durch digitale Technologien verändert hat, so zeigen unsere Ergebnisse, dass die Aufrechterhaltung von Kommunikation und sozialer Interaktion in den untersuchten Wohneinrichtungen im Mittelpunkt steht. In diesem Zusammenhang hat die Nutzung von Videotelefonie im Vergleich zu anderen Anwendungen den größten Zuwachs erfahren, was sich auch in anderen Studien gezeigt hat (Bakkum et al., 2022; Bernasconi & Keeley, 2021; Habermann-Horstmeier, 2020; Rathmann et al., 2021; Spassiani et al., 2022; Trescher & Nothbaum, 2022). Allerdings scheint Videotelefonie für die alltägliche Kommunikation eine eher untergeordnete Rolle zu spielen, da die meisten Einrichtungen hier vor allem eine wöchentliche oder monatliche Nutzung angaben. Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei um Videotelefonate mit Angehörigen handelt, die üblicherweise in einer wöchentlichen oder monatlichen Frequenz stattfinden. Darüber hinaus zeigen die hier vorliegenden Ergebnisse, dass der Zuwachs an Teilhabe durch digitale Technologien nicht in allen Bereichen des Lebens der Bewohner/ innen angekommen ist. In ICF-Bereichen wie dem häuslichen Leben und der Selbstversorgung werden digitale Technologien nur von wenigen Bewohner/ innen genutzt, wobei die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auch vergleichsweise wenig zu einer Steigerung beigetragen haben. Dies ist insofern naheliegend, da sich die hier vorgestellten Ergebnisse auf Einrichtungen besonderer Wohnformen beziehen, deren Adressat/ innen gerade in diesen Lebensbereichen auf Unterstützung angewiesen sind. Der Einsatz von Technologien zur Teilhabeförderung in diesen Lebensbereichen scheint in den untersuchten Einrichtungen schwierig zu sein. Ebenfalls unterrepräsentiert sind Bewohner/ innen, die Anwendungen im Bereich Finanzen (z. B. Online-Banking, mobiles Bezahlen usw.) nutzen. Dies kann darauf zurückführen sein, dass zum größten Teil Einrichtungen befragt wurden, die angaben, schwerpunktmäßig Menschen mit intellektuellen oder Mehrfachbehinderungen zu betreuen. Dies sind jene Personengruppen, die in Finanz- und Vermögensfragen oft von einer rechtlichen Betreuung unterstützt werden, da davon ausgegangen wird, dass sie ihre finanziellen Angelegenheiten aufgrund der Behinderung nur bedingt selbst regeln können. 6 Perspektiven für Praxis und Forschung Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die digitale Teilhabe von erwachsenen Menschen mit Behinderungen in besonderen Wohnformen seit der COVID-19-Pandemie in den erforschten Einrichtungen teilweise verbessert hat. Dies bezieht sich sowohl auf den Zugang zu Internet und digitalen Geräten als auch auf die Nutzung in den Bereichen Kommunikation und soziale Interaktion. Die institutionellen Rahmenbedingungen der Wohneinrichtungen haben sich an einigen Stellen dahingehend verändert, dass sie sich positiv auf die Förderung digitaler Teilhabe der Bewohner/ innen auswirken können. Jedoch gestaltet sich die digitale Teilhabe in anderen Bereichen des Lebens defizitär, wobei die Auswirkungen der Pandemie scheinbar nur wenig positiven Einfluss hatten. Somit besteht Bedarf, die Nutzung von digitalen Technologien besonders zur Förderung einer eigenständigen Lebensführung in der Praxis zu forcieren sowie weiter zu erforschen. In diesem Zusammenhang wäre eine Untersuchung angebracht, die eine Differenzierung zwischen Art und Grad der Behinderung in Bezug auf die digitale Teilhabe beinhaltet. Darüber hinaus wurden seit CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG VHN 3 | 2024 185 CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG der COVID-19-Pandemie strukturelle Probleme in den Wohneinrichtungen offengelegt, wodurch zum einen Ressourcen zur Förderung digitaler Teilhabe mobilisiert wurden. Zum anderen besteht weiterhin der Bedarf nach konzeptionellen Strategien in der Praxis, die die Förderung der digitalen Teilhabe der Bewohner/ innen sicherstellen. Dazu gehört, bedarfsgerechte Angebote zur Kompetenzförderung sowohl aufseiten der betreuten Personen als auch der Betreuungskräfte zur Verfügung zu stellen. Insgesamt gilt es, sich mit den Schwierigkeiten auseinanderzusetzen, die das Konzept der digitalen Teilhabe aufgrund der starken Subjektperspektive (Bartelheimer et al., 2020) für die Operationalisierung in der Forschung sowie die Förderung und Sicherstellung in der Praxis mit sich bringt. Literatur Aktion Mensch (2021). Internet für alle. Abgerufen am 28.11.2023 von https: / / antrag.aktion-mensch. de/ dokument/ 5ed7486c-8d0b-4efe-a694-ea556 c9326da Aktion Mensch (2023). Digitale Teilhabe für alle. Abgerufen am 28. 11. 2023 von https: / / www.aktionmensch.de/ foerderung/ foerderprogramme/ ak tionsangebote/ digitale-teilhabe-fuer-alle BAGüS/ Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe (Hrsg.) (2023). BAGüS-Kennzahlenvergleich Eingliederungshilfe 2023. Abgerufen am 29. 1. 2023 von https: / / www.lwl.org/ spur-down load/ bag/ Bericht_2023_final.pdf Bakkum, L., Schuengel, C., Sterkenburg, P. S., Frielink, N., Embregts, P. J. C. M., Schipper, J. C., Brug, A. & Tharner, A. (2022). People with intellectual disabilities living in care facilities engaging in virtual social contact: A systematic review of the feasibility and effects on well-being. Journal of Applied Research in Intellectual Disabilities, 35 (1), 60 -74. https: / / doi.org/ 10.1111/ jar.12926 Bartelheimer, P., Behrisch, B., Daßler, H., Dobslaw, G., Henke, J. & Schäfers, M. (2020). Teilhabe - eine Begriffsbestimmung. Wiesbaden: Springer Fachmedien. https: / / doi.org/ 10.1007/ 978-3-658- 30610-6 Bernasconi, T. & Keeley, C. (2021). Auswirkungen der Coronapandemie auf Menschen mit geistiger und komplexer Behinderung mit Fokus auf den Bereich des Wohnens. Teilhabe, 60 (1), 4-10. Boldrini, P., Garcea, M., Brichetto, G., Reale, N., Tonolo, S., Falabella, V., Fedeli, F., Cnops, A. A. & Kiekens, C. (2020). Living with a disability during the pandemic. „Instant paper from the field“ on rehabilitation answers to the COVID-19 emergency. European Journal of Physical and Rehabilitation Medicine, 56 (3), 331 -334. https: / / doi. org/ 10.23736/ S1973-9087.20.06373-X Bolz, C. & Van Nek, L. (2021). Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Leben von Menschen mit Schwerbehinderung. Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage. Abgerufen am 28. 11. 2023 von https: / / delivery-aktion-mensch.stylelabs. cloud/ api/ public/ content/ studie-auswirkungun gen-corona-2021? v=990449ac Bosse, I. (2016). Teilhabe in einer digitalen Gesellschaft - Wie Medien Inklusionsprozesse befördern können. Abgerufen am 23. 11. 2023 von https: / / www.bpb.de/ themen/ medien-journalis mus/ medienpolitik/ 172759/ teilhabe-in-einerdigitalen-gesellschaft-wie-medien-inklusions prozesse-befoerdern-koennen/ Bosse, I. & Hasebrink, U. (2016). Mediennutzung von Menschen mit Behinderungen. Forschungsbericht. Bonn, Berlin: Aktion Mensch, die Medienanstalten (ALM). Brennan, C. S. (2020). Disability Rights During the Pandemic. A Global Report on Findings of the COVID-19 Disability Rights Monitor. Abgerufen am 28. 11. 2023 von https: / / www.internationaldisabilityalliance.org/ sites/ default/ files/ disabili ty_rights_during_the_pandemic_report_web_ pdf_1.pdf Bruland, D., Krämer, K., Bayo, L. H. & Latteck, Ä.-D. (2023). Digitalisierung und Gesundheit im Setting der Eingliederungshilfe: Status quo anhand der Erfahrungen des Modellprojekts #ROOKIE. In C. Dockweiler, A. L. Stark & J. Albrecht (Hrsg.), Settingbezogene Gesundheitsförderung und Prävention in der digitalen Transformation, 231-248. Baden-Baden: Nomos. https: / / doi.org/ 10.5771/ 9783748913641-231 Chadwick, D., Ågren, K. A., Caton, S., Chiner, E., Danker, J., Gómez-Puerta, M., Heitplatz, V., Johansson, S., Normand, C. L., Murphy, E., Plichta, P., Strnadová, I. & Wallén, E. F. (2022). Digital inclusion and participation of people with intellectual disabilities during COVID-19: A rapid review VHN 3 | 2024 186 and international bricolage. Journal of Policy and Practice in Intellectual Disabilities, 19 (3), 242 -256. https: / / doi.org/ 10.1111/ jppi.12410 DIMDI (Hrsg.) (2005). Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF). Genf: World Health Organization. Embregts, P. J. C. M., van den Bogaard, K. J. H. M., Frielink, N., Voermans, M. A. C., Thalen, M. & Jahoda, A. (2022). A thematic analysis into the experiences of people with a mild intellectual disability during the COVID-19 lockdown period. International Journal of Developmental Disabilities, 68 (4), 578 -582. https: / / doi.org/ 10.1080/ 20473869.2020.1827214 Engels, D., Huppertz, L., Schierenbeck, N. & Wittemann, V. (2021). Die Coronapandemie in der Behindertenhilfe - Auswirkungen, Probleme, Lösungen, Stand 09/ 2021. Hamburg: Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Etges, T. & Renner, G. (2022). Teilhabe digital ermöglichen: Wunsch und Wirklichkeit der Nutzung digitaler Technologien durch Personen mit intellektuellen Behinderungen. Zeitschrift für Heilpädagogik, 73 (10), 480 -491. Etges, T., Renner, G., Wahl, V., Kiuppis, F. & Menschik, C. (2020). Besitz und Nutzung digitaler Technik von Menschen mit intellektuellen Behinderungen. Posterpräsentation. Jahrestagung der Sektion Sonderpädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft 2020. Habermann-Horstmeier, L. (2020). Die Situation von Menschen mit geistiger Behinderung in Zeiten der COVID-19 Pandemie aus Sicht der Betroffenen, ihrer Angehörigen und Betreuungskräfte. Ergebnisse einer qualitativen Public-Health- Studie. Villingen-Schwenningen: Villingen Institute of Public Health (VIPH). Abgerufen am 28. 11. 2023 von https: / / www.iw-elan.de/ export/ shared/ lokale-downloads/ Habermann-Horst meier-MmgB-in-Zeiten-der-Covid-19-Pande mie.pdf Johansson, S., Gulliksen, J. & Gustavsson, C. (2020). Disability digital divide: The use of the internet, smartphones, computers and tablets among people with disabilities in Sweden. Universal Access in the Information Society, 20, 105 -120. https: / / doi.org/ 10.1007/ s10209-020-00714-x Krüger, T., Prchal, K., Ott, A. & Jennessen, S. (2021). Ergebnispräsentation der Studie „Digitalisierung und Medienbildung in Einrichtungen der Eingliederungshilfe unter besonderer Berücksichtigung der sexuellen Selbstbestimmung“. Berlin: Humboldt-Universität. https: / / doi.org/ 10.5281/ ZENODO.5797901 Kruse, K. & Tenbergen, S. (2019). BTHG: Was ändert sich für erwachsene Bewohner stationärer Einrichtungen ab 2020? Düsseldorf: Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e. V. (bvkm). Abgerufen am 28. 11. 2023 von https: / / bvkm.de/ wp-content/ uploads/ 2019/ 08/ merkblatt_bthg.pdf Lachwitz, K. (2020). Monitor-Bericht der IDA und internationaler Behindertenverbände über die weltweiten Auswirkungen von COVID 19 auf Menschen mit Behinderungen. Abgerufen am 28. 11. 2023 von https: / / www.internationaldisability alliance.org/ sites/ default/ files/ drm_presentation _deutsch_updated.pdf Landes, S. D., Turk, M. A., Formica, M. K., McDonald, K. E. & Stevens, J. D. (2020). COVID-19 outcomes among people with intellectual and developmental disability living in residential group homes in New York State. Disability and Health Journal, 13 (4). https: / / doi.org/ 10.1016/ j.dhjo.20 20.100969 McCausland, D., Luus, R., McCallion, P., Murphy, E. & McCarron, M. (2021). The impact of COVID-19 on the social inclusion of older adults with an intellectual disability during the first wave of the pandemic in Ireland. Journal of Intellectual Disability Research, 65 (10), 879 -889. https: / / doi. org/ 10.1111/ jir.12862 Millner, R., Mittelberger, C., Mehrwald, M., Weissinger, L., Vandor, P. & Meyer, M. (2020). Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die soziale Infrastruktur in Österreich. In Bundesministerium Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) (Hrsg.), COVID-19: Analyse der sozialen Lage in Österreich, 90 -150. Abgerufen am 28. 11. 2023 von https: / / www.so zialministerium.at/ dam/ jcr: 5f807a53-5dce-43 95-8981-682b5f1dc23b/ BMSGPK_Analyse-dersozialen-Lage.pdf Perera, B., Laugharne, R., Henley, W., Zabel, A., Lamb, K., Branford, D. … Shankar, R. (2020). COVID-19 deaths in people with intellectual disability in the UK and Ireland: Descriptive study. BJPsych Open, 6 (6), e123. https: / / doi.org/ 10.1192/ bjo. 2020.102 Porst, R. (2014). Pretests zur Evaluation des Fragebogen(entwurf)s. In R. Porst (Hrsg.), Fragebogen. CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG VHN 3 | 2024 187 CHRISTIAN MENSCHIK, CHRISTOPHE KUNZE, GREGOR RENNER Digitale Teilhabe nach Corona FACH B E ITR AG Ein Arbeitsbuch, 189 -205. 4. Auflage. Wiesbaden: Springer Fachmedien. https: / / doi.org/ 10. 1007/ 978-3-658-02118-4_15 Rathmann, K., Vockert, T., Bernhard, V., Galm, N., Kogel, L. M., Làszlò, E., Rama, A., Steeb, N. & Ulrich, M. (2021). Teilhabe an Gesundheit von Menschen mit Beeinträchtigung während der Corona-Pandemie (TaG-Co-Studie): Ergebnisbericht. Fulda: Hochschule Fulda, Fachbereich Pflege und Gesundheit. Abgerufen am 28. 11. 2023 von https: / / fuldok.hs-fulda.de/ opus4/ frontdoor/ in dex/ index/ docId/ 898 Sachdeva, N., Tuikka, A.-M., Kimppa, K. K. & Suomi, R. (2015). Digital disability divide in information society: A framework based on a structured literature review. Journal of Information, Communication and Ethics in Society, 13 (3/ 4), 283 -298. https: / / doi.org/ 10.1108/ JICES-10-2014-0050 Spassiani, N. A., Becaj, M., Miller, C., Hiddleston, A., Hume, A. & Tait, S. (2022). ‘Now that I am connected this isn’t social isolation, this is engaging with people’: Staying connected during the COVID-19 pandemic. British Journal of Learning Disabilities, 51 (1), 99 -110. https: / / doi.org/ 10. 1111/ bld.12478 Trescher, H. & Nothbaum, P. (2021). Corona, Institution und Inklusion: Institutionalisierte Lebensbedingungen von Menschen mit geistiger Behinderung während Corona. Zeitschrift für Inklusion, (3). Abgerufen am 28. 11. 2023 von https: / / inklusion-online.net/ index.php/ inklusiononline/ article/ view/ 603 Trescher, H. & Nothbaum, P. (2022). Institutionalisierte Lebenslagen von Menschen mit geistiger Behinderung und Perspektiven pädagogischen Handelns während der COVID-19-Pandemie. Behindertenpädagogik, 61 (2), 137-157. https: / / doi. org/ 10.30820/ 0341-7301-2022-2-137 Wos, K., Kamecka-Antczak, C. & Szafran´ ski, M. (2021). Remote support for adults with intellectual disability during COVID-19: from a caregiver’s perspective. Journal of Policy and Practice in Intellectual Disabilities, 18 (4), 279 -285. https: / / doi.org/ 10.1111/ jppi.12385 Anschrift der Autoren Christian Menschik MA Prof. Dr. Christophe Kunze Hochschule Furtwangen | Furtwangen University Fakultät Gesundheit, Sicherheit, Gesellschaft Robert-Gerwig-Platz 1 D-78120 Furtwangen E-Mail: christian.menschik@hs-furtwangen.de christophe.kunze@hs-furtwangen.de Prof. Dr. Gregor Renner Katholische Hochschule Freiburg | Catholic University of Applied Sciences Karlstr. 63 D-79104 Freiburg im Breisgau E-Mail: gregor.renner@kh-freiburg.de
