eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 93/3

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2024.art17d
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2024
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Fachbeitrag: Geistige Behinderung als gewaltförmige Praxis

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2024
Michael Börner
Im Beitrag werden Ergebnisse des Forschungsprojekts „Leben und Altern mit „geistiger Behinderung““ zur Diskussion gestellt, in dem biografische Interviews mit alten bzw. älteren Menschen mit sog. „geistiger Behinderung“ durchgeführt und ausgewertet wurden. Fokussiert wird dabei die Bedeutung, die den Themen Gewalt und Kritik im Leben der beforschten Personen zuteilwird, wobei es weniger die Betrachtung beider Themen je für sich ist, die interessiert, sondern gerade deren wechselseitiges Ineinandergreifen. Auf der Grundlage von Beispielen aus der Studie wird dargelegt, dass die Frage nach „geistiger Behinderung“ zu stellen immer auch bedeutet, die Frage nach dem komplexen und vielfach undurchsichtigen Wechselspiel von Gewalt und Kritik zu stellen. Während Gewalt positionierend und begrenzend wirkt, greift Kritik gerade an diesen Grenzen an. Gleichzeitig sind es aber gewaltförmige Einflüsse, die festlegen, welche Formen von Kritik überhaupt gelebt werden (können). Abgeschlossen wird der Beitrag mit einem Bezug auf Inklusion und handlungspraktischen Überlegungen.
5_093_2024_3_0004
188 VHN, 93. Jg., S. 188 -200 (2024) DOI 10.2378/ vhn2024.art17d © Ernst Reinhardt Verlag FACH B E ITR AG Geistige Behinderung als gewaltförmige Praxis Zur Bedeutung von Gewalt und Kritik im Leben von Menschen mit ‚geistiger Behinderung‘ Michael Börner Philipps-Universität Marburg Zusammenfassung: Im Beitrag werden Ergebnisse des Forschungsprojekts „Leben und Altern mit ‚geistiger Behinderung‘“ zur Diskussion gestellt, in dem biografische Interviews mit alten bzw. älteren Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ durchgeführt und ausgewertet wurden. Fokussiert wird dabei die Bedeutung, die den Themen Gewalt und Kritik im Leben der beforschten Personen zuteilwird, wobei es weniger die Betrachtung beider Themen je für sich ist, die interessiert, sondern gerade deren wechselseitiges Ineinandergreifen. Auf der Grundlage von Beispielen aus der Studie wird dargelegt, dass die Frage nach ‚geistiger Behinderung‘ zu stellen immer auch bedeutet, die Frage nach dem komplexen und vielfach undurchsichtigen Wechselspiel von Gewalt und Kritik zu stellen. Während Gewalt positionierend und begrenzend wirkt, greift Kritik gerade an diesen Grenzen an. Gleichzeitig sind es aber gewaltförmige Einflüsse, die festlegen, welche Formen von Kritik überhaupt gelebt werden (können). Abgeschlossen wird der Beitrag mit einem Bezug auf Inklusion und handlungspraktischen Überlegungen. Schlüsselbegriffe: ‚Geistige Behinderung‘, Alter(n), Gewalt, Kritik, Biografie Intellectual Disability as a Violent Practice. About the Significance of Violence and Critique in the Lives of People with ‘Intellectual Disabilities’ Summary: This article presents the results of the research project “Leben und Altern mit ‘geistiger Behinderung’ ” in which biographical interviews with old people with so-called ‘intellectual disability’ were conducted and analyzed. The focus is laid upon the importance of the themes of violence and critique within the lives of people with so-called ‘intellectual disability’, whereby it is not so much the consideration of the two topics in isolation of one another that is of interest, but rather their mutual interrelation. On the basis of examples from the study, it is shown that posing the question of ‘intellectual disability’ always means posing the question of the complex and often opaque interplay between violence and critique. While violence has a positioning and limiting effect, critique attacks precisely these boundaries. At the same time, however, it is violent influences that determine which forms of criticism are (or can be) practised at all. The article concludes with a reference to inclusion and practical considerations. Keywords: Intellectual disability, age(ing), violence, critique, biography 1 Hinführendes Wie sind Biografien von alten bzw. älteren Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ ausgestaltet? Wie blicken sie auf ihr Leben zurück und wie setzen sie sich zu diesem in Bezug? Und: Welche Bedürfnisse und Wünsche, aber auch Herausforderungen und Probleme haben sie in ihrem Alltag? Diese und weitere Fragen zu beleuchten, war das Ziel der Studie VHN 3 | 2024 189 MICHAEL BÖRNER Geistige Behinderung als gewaltförmige Praxis FACH B E ITR AG „Leben und Altern mit ‚geistiger Behinderung‘“ (Börner, 2023). Über die Erhebung biografischer Interviews ging es darum, einen verstehenden Zugang zur Lebenssituation und Lebenswirklichkeit des besagten Personenkreises herzustellen und herauszufinden, wie sie sich selbst bzw. ihre Lebensgeschichte im Rahmen der biografischen Erzählung entwerfen. Bereits in der Konzeption des Projekts wurde damit an zwei Forschungsdesiderate des Fachdiskurses angeschlossen. Einerseits zählt hierzu die Beforschung von älteren bzw. alten Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘, die nicht zuletzt in Zeiten alternder Gesellschaften zunehmend an Bedeutung gewinnt. Bereits seit Jahrzehnten wird - v. a. aus der Handlungspraxis - darauf hingewiesen, dass auch Organisationen der sog. ‚Behindertenhilfe‘ „ein Phänomen des ‚kollektiven Alterns‘“ (Wacker, 2009, S. 4) erleben, das die betreffenden Menschen selbst sowie die in entsprechenden Einrichtungen tätigen Mitarbeiter/ innen vor eigene und teils neue Herausforderungen stellt (vgl. Haveman & Stöppler, 2021, S. 15f.; Schäper, 2020, S. 77f.). Andererseits ist auch der Rückgriff auf biografische Interviews als Forschungsdesiderat zu sehen, denn noch immer finden derartige Zugänge zum besagten Personenkreis kaum Anwendung in Projekten, die nicht nur auf die gemeinsame Erarbeitung einer Lebensgeschichte (i. S. von Biografiearbeit), sondern auf die Bearbeitung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisinteressen ausgerichtet sind (vgl. Börner, 2023, S. 18ff.). Karačić und Waldschmidt schreiben hierzu: „Es gibt eine ganze Reihe von Studien zu den Biografien behinderter Frauen; dagegen sind die Lebenswege behinderter Männer bislang noch kaum untersucht worden. Ebenso wird die Gruppe der körperbehinderten Menschen häufiger berücksichtigt als Personen mit anderen Beeinträchtigungen. Fast gänzlich ausgeblendet bleiben die Lebenswege von behinderten Menschen in Einrichtungen und Heimen“ (Karačić & Waldschmidt, 2018, S. 423; ähnlich auch: Demmer, 2016, S. 657f.) 1 . Ziel des vorliegenden Beitrags ist es nun, Einblick in die Ergebnisse des o. g. Projekts zu geben und diese zur Diskussion zu stellen. Fokussiert wird dabei etwas, was sich in der Auswertung als Schlüsselergebnis erwiesen hat: die enorme Bedeutung, die dem Thema Gewalt im Leben von Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ zuteilwird (vgl. BMAS, 2021, S. 647). Den Titel des Forschungsprojekts aufgreifend, kann entlang der Ergebnisse gesagt werden, dass ein Leben und Altern mit ‚geistiger Behinderung‘ als ein Leben und Altern unter fortwährenden gewaltförmigen Einflüssen begriffen werden kann. Die rekonstruktive Analyse der einzelnen Lebensgeschichten hat gezeigt, dass sich Gewalt als allgegenwärtige Rahmung und zugleich als innerer Zusammenhang eines Lebens unter der Differenzkategorie ‚geistige Behinderung‘ erweist (vgl. Jantzen, 2004, S. 164). Dies wird im Beitrag in einem ersten Schritt aufgegriffen und näher dargestellt. Im Anschluss daran wird die Ergebnisdiskussion um ein zweites Thema erweitert, das sich in der Auswertung ebenfalls als zentral erwiesen hat: das Thema Kritik. So haben die Ergebnisse nicht nur gezeigt, wie tiefgreifend die Lebensgeschichten der interviewten Personen durch Erfahrungen von Gewalt geprägt sind und wie wirkmächtig sich diese auf ihre Lebensführung und ihre Selbst- und Weltverhältnisse auswirken, sondern sie haben ebenfalls Praxen offengelegt, die sich als eine Art Gegenbewegung zu dieser Gewaltförmigkeit verstehen lassen. Immer wieder ließen sich im Material Ausdrucksformen von Kritik und Widerständigkeit identifizieren, d. h. Momente, in denen sich die Personen gegen gewaltförmige Einflussnahmen aufgelehnt und die Grenzen der eigenen Lebenswelt bzw. des eigenen So-Seins infrage gestellt und/ oder zu verschieben versucht haben. Dabei zeigte sich jedoch, dass auch diese Gegenbewegungen nicht losgelöst von der omnipräsenten Gewaltförmigkeit ihres Lebens betrachtet werden können. Es ist die Darstellung und Diskussion jenes Wechselspiels von Gewalt VHN 3 | 2024 190 und Kritik im Leben von Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘, die das Herzstück des Beitrags bilden. Es geht hierbei weniger um die je separate Diskussion der Bedeutung beider Begriffe, sondern gerade um deren wechselseitige Verwobenheit. Am Ende des Beitrags werden diese (v. a. auch theoretischen) Überlegungen zum Ausgangspunkt genommen, um die Frage nach Inklusion aufzuwerfen und einen Ausblick zu formulieren. Zunächst ist es aber erforderlich, kurz auf das Forschungsprojekt selbst einzugehen. 2 Das Projekt „Leben und Altern mit ‚geistiger Behinderung‘“ Entlang des Kriteriums der größtmöglichen Kontrastivität 2 (in Bezug auf die Dimensionen Alter, Geschlecht und Wohnsituation) wurden im Projekt insgesamt acht biografische Interviews mit Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ erhoben. Eingeladen wurden Personen, die das 65. Lebensjahr erreicht und zugleich ihr gesamtes Leben im Zeichen der Differenzkategorie ‚geistige Behinderung‘ geführt haben. Von diesen acht Interviews wurden wiederum - unter erneuter Berücksichtigung des benannten Kriteriums - vier Protokolle ausgewählt und mittels der rekonstruktiven Verfahren der objektiven Hermeneutik (Oevermann, 2000) analysiert 3 . Im Falle einer Interviewpartnerin war es zudem möglich, zusätzlich zu dem biografischen Interview weitere Materialien heranzuziehen und hierüber eine ausführliche Kontextualisierung zu leisten. Diese erfolgte zum einen auf Basis einer Aktenanalyse, in der Dokumente aus der Vergangenheit der Person erfasst wurden - z. B.: Alltagsdokumentationen, Briefkorrespondenzen und Entwicklungsberichte früherer Heimmitarbeiter/ innen (vgl. Börner, 2023, S. 115ff.). Zum anderen wurde ein ergänzendes Interview mit der zum Zeitpunkt der Interviewführung eingesetzten Betreuungsperson geführt, um zusätzlich zur vergangenheitsbezogenen Perspektive der Akten auch einen erweiterten Blick auf die Gegenwart zu erhalten (vgl. ebd., S. 141ff.). Beides hat sich als wertvolle Diskussions- und Reflexionsgrundlage der Ergebnisse aus der Interviewauswertung erwiesen und viele neue Perspektiven und theoretische Anschlussmöglichkeiten eröffnet. Wichtig zu betonen ist, dass diese Hinzunahme weiterer Materialien nicht zum Ziel hatte, eine vermeintlich objektive bzw. ‚wahre‘ Gegenposition zu den biografischen (Selbst-)Darstellungen der interviewten Person zu erheben. Vielmehr ging es darum, zusätzliche und ggf. alternative Perspektiven zu erfassen, um hierüber die Ergebnisse der Interviewanalyse erweiternd reflektieren zu können. Alles in allem wurde in der Studie also mit einem facettenreichen Materialpool gearbeitet. Die rekonstruktive Auswertung legte dabei Ergebnisse offen, die mitunter weit über die im einzelnen erzählten Lebensgeschichten hinausgingen und weitere Forschungsdesiderate des Fachdiskurses berührten - sei es bzgl. der Wirkmächtigkeit von Wohn- und Betreuungsstrukturen der sog. ‚Behindertenhilfe‘, der biografischen Aushandlung der Differenzkategorien ‚geistige Behinderung‘ und ‚Alter‘, der Bedeutung der Herkunftsfamilie, Erfahrungen von Einsamkeit und Alleinsein oder eben der im Folgenden fokussierten Themen Gewalt und Kritik. 3 Gewalt und ‚geistige Behinderung‘ Wenn nun auf die Bedeutung von Gewalt im Leben von Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ eingegangen wird, ist zunächst herauszustellen, dass sich - wenn von Gewalt gesprochen wird - nicht auf ein im alltäglichen Sprachgebrauch geläufiges Verständnis von Gewalt gestützt wird, wie es z. B. in der folgenden Kurzdefinition zum Ausdruck kommt: MICHAEL BÖRNER Geistige Behinderung als gewaltförmige Praxis FACH B E ITR AG VHN 3 | 2024 191 MICHAEL BÖRNER Geistige Behinderung als gewaltförmige Praxis FACH B E ITR AG „G. bedeutet den Einsatz physischer oder psychischer Mittel, um einer anderen Person gegen ihren Willen a) Schaden zuzufügen, b) sie dem eigenen Willen zu unterwerfen (sie zu beherrschen) oder c) der solchermaßen ausgeübten G. durch Gegen-G. zu begegnen“ (Bundeszentrale für politische Bildung, 2023, o. S.). Gewalt wird hier als etwas konzipiert, bei dem das Moment der direkten, bewussten bzw. intendierten Schädigung im Mittelpunkt steht. Weiterhin wird Gewalt i. S. personaler Gewalt gefasst, d. h. als etwas, was sich im Handeln zwischen Personen vollzieht - anders als etwa Formen struktureller Gewalt, die (weitgehend) „akteursindifferent“ (Grant-Hayford & Scheyer, 2016, S. 2) wirkmächtig werden (vgl. Galtung, 2004, o. S.). Im Gegensatz zu diesen und ähnlichen Konzeptionen des Gewaltbegriffs wird, wenn im weiteren Verlauf des Beitrags die Gewaltförmigkeit des Lebens von Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ in den Blick genommen wird, in erster Linie auf einen Gewaltbegriff rekurriert, der der Idee einer normativen Gewalt folgt. In der aktuellen bezugswissenschaftlichen Debatte ist diese Idee v. a. durch Butler (2014; 2001) geprägt und beschäftigt sich im Grunde mit der Gewaltförmigkeit von Subjektivierungspraxen. Mit dieser Schwerpunktsetzung schließt der Beitrag einerseits an andere Veröffentlichungen des Fachdiskurses an, in denen bereits seit Jahrzehnten und unter Bezugnahme auf unterschiedliche Dimensionen von Gewalt (sei es struktureller, physischer, psychischer, sexualisierter oder symbolischer Art) offengelegt wird, wie tiefgreifend das Leben von Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ durch Erfahrungen von Gewalt geprägt ist (etwa: BMAS, 2021, S. 647; Kremsner, 2017; Dederich, 2016; Mattke, 2015). Andererseits grenzt sich der Beitrag jedoch auch von diesen Arbeiten ab, denn das Konzept der normativen Gewalt erlaubt es, noch einen Schritt weiterzugehen und die Wirkmächtigkeit von Gewalterfahrungen aus einer anderen Perspektive heraus zu betrachten. 3.1 Zur Gewaltförmigkeit von Subjektivierungspraxen Ihren Arbeiten zur normativen Gewalt legt Butler ein an Foucault angelehntes Verständnis von Subjektivierung zugrunde, wonach Subjektivierung immer auch als ein Prozess der Unterwerfung zu verstehen ist bzw. „Subjektivität sich auf je spezifische Weise in der Spannung zwischen Selbstbestimmung und Bestimmtwerden bildet“ (Saar, 2016, S. 258). Bei Foucault heißt es hierzu: „Das Wort ‚Subjekt‘ hat zwei Bedeutungen: Es bezeichnet das Subjekt, das der Herrschaft eines anderen unterworfen ist und in seiner Abhängigkeit steht; und es bezeichnet das Subjekt, das durch Bewusstsein und Selbsterkenntnis an seine eigene Identität gebunden ist“ (Foucault, 2005, S. 275). Hierin angelegt ist somit die Annahme, dass „ein nicht-subjektivierter menschlicher Körper, der von kulturellen Klassifizierungen, die er sich einverleibt hat, ‚rein‘ und schlicht vordiskursiv vorhanden ist, ein gedankenexperimentelles Ding der Unmöglichkeit darstellt“ (Reckwitz, 2008, S. 84). Dies wiederum ist folgenreich mit Blick auf die Frage nach Gewaltverhältnissen im Kontext von Subjektivierungspraxen, denn es impliziert, dass „keine Form der Subjektivierung völlig frei ist von gewaltförmigen Praktiken“ (Rieger-Ladich, 2012, S. 68). Butler konstatiert: „Kein Individuum wird Subjekt, ohne zuvor unterworfen/ subjektiviert zu werden oder einen Prozess der ‚Subjektivation‘ […] durchlaufen zu haben“ (Butler, 2001, S. 15). Als Subjekt hervorgebracht zu werden bedeutet insofern immer, durch gewaltförmige, unterwerfende Einflüsse erfasst zu werden - wobei es entlang einer gouvernementalitätstheoretischen 4 Idee ab einem bestimmten Punkt gerade auch das Moment der Selbstunterwerfung ist, welches zu berücksichtigen ist. Dederich schreibt hierzu: „Anrufungs- oder Adressierungspraktiken bringen Individuen als soziale Personen hervor, weisen ihnen einen sozialen Wert oder auch Unwert zu und beeinflussen in hohem Maße, als wer oder was sich VHN 3 | 2024 192 die so Angerufenen oder Adressierten selbst sehen“ (Dederich, 2019, S. 114). I. S. normativer Gewalt können folglich all jene Einflüsse als ‚gewaltförmig‘ verstanden werden, die Menschen in bestimmte Subjektpositionen versetzen, dort verankern und damit zwar einerseits deren Entfaltungsmöglichkeiten als Subjekte eröffnen - also produktiv sind -, diese andererseits aber auch begrenzen, indem eben nur bestimmte Aushandlungspraxen ermöglicht und andere - mehr oder weniger konsequent - verunmöglicht werden. Wenn nun aber - wie es der skizzierte Zugang impliziert - jede Praxis der Subjektivierung eine gewaltförmige Praxis darstellt, wirft dies die Frage auf, was mit einer solchen Perspektive anzufangen ist. Von Bedeutung scheint, die Frage zu stellen, wie stark bzw. umfassend gewaltförmige Einflüsse im Einzelnen ausgeprägt sind, die an und in den Subjekten angreifen und wie weit oder eng die hieraus resultierenden Spielräume gefasst sind, innerhalb derer sich Subjekte als Subjekte erfahren und ausdifferenzieren können. Denn Subjektivierungspraxen vollziehen sich nicht gleichförmig oder willkürlich. Wird der Butler’schen Idee der normativen Gewalt gefolgt, sind sie das Produkt sozio-kulturell-historischer Aushandlungspraxen und richten sich an „Normen der Anerkennung“ (Butler, 2014, S. 34) aus. D. h., die Frage, wie weit oder wie eng die Aushandlungsmöglichkeiten des Selbst gefasst sind und als wer oder was sich ein Subjekt verstehen kann, hängt entscheidend davon ab, als wer oder was eine Person in einer sozio-kulturellhistorischen Situation anerkannt wird und wie die Lebensräume ausgestaltet sind, in die sie über die jeweiligen Praxen der Anerkennung positioniert werden. Butler schreibt in diesem Kontext: „Wer kann ich in einer Welt werden, in der die Bedeutungen und Grenzen des Subjektseins für mich schon festgelegt sind? Welche Normen schränken mich ein, wenn ich zu fragen beginne, wer ich werden kann? Und was passiert, wenn ich etwas zu werden beginne, für das es im vorgegebenen System der Wahrheit keinen Platz gibt? “ (Butler, 2016, S. 236). In ihren Ausführungen greift Butler dabei nicht prinzipiell alle Normen an, sondern jene, die eine verletzende, ausschließende Wirkmächtigkeit haben. So sei es bedeutsam, „zwischen den Normen und Konventionen zu unterscheiden, die es den Menschen erlauben, zu atmen, zu begehren, zu lieben und zu leben, und solchen Normen und Konventionen, welche die Lebensbedingungen selbst einengen oder aushöhlen“ (Butler, 2012, S. 20). 3.2 Zur Gewaltförmigkeit von ‚geistiger Behinderung‘ Wird vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen Bezug auf die Ergebnisse des hier relevanten Projekts genommen, muss gesagt werden, dass diese an zahlreichen Beispielen veranschaulichen, dass die Grenzen, innerhalb derer sich Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ als Subjekte erfahren und entfalten können, sehr eng gefasst sind. Wenn jede Praxis der Subjektivierung als eine gewaltförmige Praxis zu denken ist, müsste hier folglich - i. S. normativer Gewalt - von einer besonders ausgeprägten Gewaltförmigkeit gesprochen werden. Vielfach nehmen diese Praxen dann auch Formen an, die entlang der zu Beginn von Abschnitt 3 präsentierten Gewaltkonzeptionen als Ausdrucksformen von Gewalt bezeichnet werden können 5 . Hierauf soll zunächst näher eingegangen werden, bevor der Blick wieder auf den Gedanken normativer Gewalt zurückgeführt und die Verwobenheit von Gewalt und Kritik diskutiert wird. In den biografischen Interviews berichten die interviewten Personen immer wieder von Gewalterfahrungen. Sehr präsent wären dabei gerade Formen körperlicher Gewalt - sei es in Betreuungskontexten der sog. ‚Behindertenhilfe‘, im Elternhaus oder in der Begegnung mit Menschen der sog. ‚Mehrheitsgesellschaft‘. MICHAEL BÖRNER Geistige Behinderung als gewaltförmige Praxis FACH B E ITR AG VHN 3 | 2024 193 MICHAEL BÖRNER Geistige Behinderung als gewaltförmige Praxis FACH B E ITR AG Exemplarisch angeführt sei die folgende Aussage einer interviewten Person, die von Erfahrungen körperlicher Gewalt durch die Mutter berichtet: „Die hat mich immer geschlagen, ne. Immer geschlagen.“ Ebenfalls zahlreich waren Erzählungen, die sich eher Formen psychischer Gewalt zuordnen ließen - z. B. Diffamierungen durch Menschen der sog. ‚Mehrheitsgesellschaft‘ oder generell Erfahrungen der Ablehnung und Zurückweisung in der Interaktion mit Anderen. So berichtete eine andere Person z. B. davon, dass er in seinem Leben immer wieder gehänselt und „als der dumme Hilfsschüler“ oder „als Krüppel bezeichnet worden“ sei. Weiterhin zu nennen sind negativdefizitäre Adressierungen durch Vertreter/ innen von Betreuungsorganisationen oder Mitglieder der Herkunftsfamilie. Hierunter fallen Praxen der Bevormundung oder Zuschreibungen, die die Interviewten als nicht oder nur eingeschränkt handlungsfähig konstruieren oder sie gar als eine Art Problem oder Belastung markieren - z. B. dann, wenn sie durch ihnen nahestehende Personen als „schwieriger Fall“ oder „Pflegefall“ bezeichnet werden. Während es sich bei diesen Beispielen um Adressierungen handelt, die mehr oder weniger unmittelbar in ihrer gewaltförmigen Wirkmächtigkeit erfahrbar sind, hat die Studie jedoch viele weitere Praxen offengelegt, für die dies nicht in gleicher Form gilt. Hierzu zählt bspw. eine direkte oder indirekte Vermittlung von Andersartigkeit, Unzulänglichkeit oder die Bemessung an herabgesetzten Erwartungshorizonten, die nicht unbedingt mutwillig oder aus einer ‚bösen Absicht‘ heraus erfolgen muss. Exemplarisch hierfür sei ein Eintrag aus einem der Entwicklungsberichte angeführt, der im Zuge der Aktenanalyse erfasst wurde. Der Auszug stammt aus dem Jahr, in dem die adressierte Person nach 30 Jahren ihres Lebens im stationären Wohnen in den Bereich des ambulant betreuten Wohnens wechselte. Im Entwicklungsbericht heißt es: „Längerfristig gesehen wird die Betreuung wohl primär den Erhalt der Fähigkeiten und Fertigkeiten […] zum Schwerpunkt haben.“ Es handelt sich hierbei um eine Mutmaßung, die - so zeigen dann auch die Entwicklungsberichte der Folgejahre sowie die anderen Datenmaterialien, die in der Auswertung erfasst wurden - dem faktischen Entwicklungsverlauf der Person keinesfalls gerecht wurde. Ganz im Gegenteil: Seit dem Austritt aus dem Heim lebt sie das Leben einer Entdeckerin und Eroberin und das höhere Lebensalter wird in ihrem Fall zu einer Phase des Aufbruchs bzw. einer Art zweiter Jugend (vgl. Börner, 2023, S. 103ff.; S. 271f.). Von den Autor/ innen des Entwicklungsberichts wurde nicht erkannt, wie tiefgreifend sich das mehrere Jahrzehnte andauernde Leben in restriktiven Strukturen auf einen Menschen auswirken kann. Exemplarisch aufzeigen lässt sich hieran, dass sich gewaltförmige Praxen der Adressierung auch dann vollziehen können, wenn es durch die ausführenden Personen nicht intendiert ist oder bemerkt wird. So können Praxen der Überwachung und Regulierung, die Menschen in ihrer Selbsterfahrung und Selbstbestimmung begrenzen, z. B. auch aus dem aufrichtigen Motiv heraus erfolgen, Schutz oder Unterstützung bereitzustellen. Beispiele hierfür wurden in der Studie in großer Zahl dokumentiert (vgl. ebd., S. 155). Ebenso können kindlich-infantile Adressierungen, die Menschen auf kindlich-infantile Subjektpositionen verweisen und damit als gewaltförmige Positionierungspraxen wirkmächtig werden, von den ausführenden Personen womöglich ‚freundlich‘ oder ggf. auch ‚liebevoll‘ gemeint sein. Auch hierfür finden sich in der Studie viele Beispiele (vgl. ebd., S. 165f.). Die Ergebnisse der Auswertung zeigen aber ebenso, dass die Gewaltförmigkeit der eigenen Lebenspraxis oft auch durch die betroffenen Personen selbst nicht erfasst wird. Dies z. B. deshalb, weil sie an bestimmte Adressierungen gewöhnt sind, seit vielen Jahren in restriktiven Lebenskontexten leben oder in der Vergangenheit drastischere Erfahrungen gemacht haben, sodass die anhaltende Gewaltförmigkeit der VHN 3 | 2024 194 Lebensbedingungen im Spiegel der eigenen Lebensgeschichte nicht (mehr) bemerkt wird (vgl. ebd., S. 237; BMAS, 2021, S. 674). Es handelt sich dabei um eine Perspektive, die gerade im Kontext der Beforschung von älteren Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ von Bedeutung ist, denn viele von ihnen verfügen über ebensolche Lebenserfahrungen aus Betreuungszusammenhängen, die in ihrer Gewaltförmigkeit - zumindest in vielerlei Hinsicht - nicht mehr 1 : 1 mit denen aus der heutigen Zeit vergleichbar sind (vgl. Trescher, 2017, S. 164; Kremsner, 2017, S. 215). Einschneidendere Erfahrungen aus der Vergangenheit avancieren für sie zur Kontrastfolie, vor deren Hintergrund die aktuelle Lebenssituation als ‚gut‘ oder wenigstens doch ‚besser‘ bewertet wird. So resümiert eine Person im Interview: „Jetzt hab ich es ja besser als früher.“ Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass gerade in einer solchen Normalisierung von oder Gewöhnung an gewaltförmige Adressierungen ein wirkmächtiges Moment ihrer Verschleierung liegt - und in ebendieser Verschleierung wiederum ein weiteres Moment der Gewaltförmigkeit eines Lebens unter der Differenzkategorie ‚geistige Behinderung‘ (vgl. Jantzen, 2004, S. 164). Denn: Sobald gewaltförmige Lebensverhältnisse nicht mehr als solche erfasst werden können, fällt es zunehmend schwer, sich gegen diese zu wehren und sie potenziell aufzubrechen. Dies schlägt nun die Brücke zum Thema Kritik. 4 Zur wechselseitigen Verwobenheit von Gewalt und Kritik Wenn hier von Kritik gesprochen wird, wird einem Foucault’schen Begriffsverständnis gefolgt, wonach Kritik als eine Praxis der „Entunterwerfung“ (Foucault, 1992, S. 15) zu verstehen ist. Für Foucault bildet Kritik das „Gegenstück zu den Regierungskünsten“ (ebd., S. 12) bzw. den hier adressierten Praxen von Gewalt, die im und am Subjekt ansetzen und es im Rahmen des benannten Wechselspiels von Selbstbestimmung und Bestimmtwerden hervorbringen. Kritik lässt sich dabei als emanzipatorische Bewegung verstehen, die darauf zielt, den scheinbar natürlichen Grenzen des eigenen Seins „zu mißtrauen, sie abzulehnen […] und sie auf ihr Maß zurückzuführen, sie zu transformieren, ihnen zu entwischen oder sie immerhin zu verschieben“ (ebd.). Wichtig zu sehen ist, dass Kritik bei alledem eine Ambivalenz innewohnt, denn Kritik ist einerseits etwas, was sich subjektformierenden, gewaltförmigen Praxen entgegenstellt, andererseits erwächst Kritik aber auch selbst erst aus den benannten gewaltförmigen Praxen. Denn: Kritik kann nicht losgelöst von der eigenen - durch gewaltförmige Praxen hervorgebrachten - Subjektposition formuliert werden. So ist es dann auch zu verstehen, wenn Foucault davon spricht, dass Kritik der Wille sei, „nicht dermaßen, nicht von denen da, nicht um diesen Preis regiert zu werden“ (ebd.). Es geht um Nuancen der Widerständigkeit, darum, „nicht ‚ganz so viel‘ regiert zu werden“ (Butler, 2016, S. 233). Gewaltförmige Einflüsse, die Menschen in bestimmte Subjektpositionen versetzen, bestimmen folglich immer auch zu einem gewissen Grad, welche Formen von Kritik überhaupt geäußert werden (können). Für die Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt scheint der Bezug auf Kritik deshalb so relevant, da er hervorhebt, dass Subjektformationen und hierin angelegte Selbst- und Weltverhältnisse nicht manifest sind, sondern sich - trotz aller gewaltförmiger Einflüsse, die positionierend und begrenzend auf sie einwirken - theoretisch immer ‚im Fluss‘ befinden und sich jederzeit transformieren können. Gewalt begrenzt, aber Kritik lässt sich - so formuliert es Thompson - als „Arbeit an den Grenzen“ (Thompson, 2004, S. 44) verstehen. Weiterhin ist die Bezugnahme auf Kritik deshalb von Bedeutung, da hierdurch nicht nur MICHAEL BÖRNER Geistige Behinderung als gewaltförmige Praxis FACH B E ITR AG VHN 3 | 2024 195 MICHAEL BÖRNER Geistige Behinderung als gewaltförmige Praxis FACH B E ITR AG gefragt wird, wie stark gewaltförmige Praxen an und in Subjekten angreifen, sondern zugleich in den Blick gerät, welche Formen von Kritik gelebt werden (können). Komplementär zu dem Ergebnis, dass Grenzen des Selbst im Falle von Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ durch besonders gewaltförmige Einflüsse sehr eng gefasst sind, zeigen die Ergebnisse der Studie ebenfalls, dass dies auch auf die Spielräume zutrifft, in denen sie Kritik äußern und leben können. In der Auswertung wurde dies etwas holzschnittartig 6 unter den Begriffen ‚innere‘ und ‚äußere Grenzen‘ der Kritik gefasst. Als innere Grenzen wurden jene Grenzen gedacht, die im Subjekt selbst angelegt sind. Beispielhaft hierfür kann die oben genannte Gewöhnung an gewaltförmige Lebensbedingungen angeführt werden. Ein weiteres Beispiel wären gouvernementale Praxen der Selbstregulierung. Dies soll kurz am Beispiel eines Interviewpartners veranschaulicht werden. In der Auswertung zeigte sich, dass die alltäglichen Erfahrungsräume der betreffenden Person nicht nur dadurch begrenzt sind, dass sie in einer Wohneinrichtung lebt, die sie nicht ohne Begleitung verlassen darf, sondern ebenso dadurch, dass sie das Bild der eigenen Hilfsbedürftigkeit und Verletzlichkeit, das ihr von den Mitarbeiter/ innen der Einrichtung und ihrem Halbbruder immer wieder vorgehalten wird, bereits unwiderruflich in ihr Selbstbild integriert hat, sodass sie sich aus Angst vor einer möglichen Gefährdung nicht mehr ‚vor die Tür‘ traut. Eine Erweiterung ihrer alltäglichen Erfahrungsräume wird also nicht nur durch äußere Einflüsse erschwert, sondern gerade auch durch das eigene Denken und Handeln. Diese Einflüsse sind umso wirkmächtiger, da noch viele weitere Faktoren hinzutreten, die jeweils für sich einen gewaltförmigen Charakter haben. Hierzu zählt bspw. die Angst vor (erneuten) abwertenden Adressierungen durch Menschen der sog. ‚Mehrheitsgesellschaft‘, die die Furcht vor einer möglichen Gefährdung noch intensiviert. Im Falle der erwähnten Person bedarf es schlicht keinerlei äußerer Restriktionen (mehr), um sie in der Wohneinrichtung zu halten. Äußerst effektiv hält sie sich selbst gefangen. Auch die Tatsache, dass sie in ihrem Leben keine „Verbündeten“ (Kremsner, 2017, S. 251) hat, die ihr ermutigend und möglicherweise ermächtigend zur Seite stehen, verschärft ihre Lebenssituation. Letzteres wäre dann - ebenso wie die restriktiven Strukturen von Wohneinrichtungen - ein Beispiel für das, was mit ‚äußeren Grenzen‘ von Kritik gemeint ist. Auch wenn die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Spielräume von Kritik für die Befragten in vielerlei Hinsicht begrenzt sind, so offenbaren sie trotzdem, dass alle Personen auf ihre je eigene Art und Weise Kritik äußern bzw. leben und damit zugleich die Grenzen ihres Seins mit hervorbringen - und dies z. T. so, dass diese aufbrechen, verschoben werden und sich hieraus neue Aushandlungsmöglichkeiten ergeben. Kritik wird dabei mitunter sehr offen und konfrontativ gelebt. Im Falle einer Person ist es z. B. so, dass sie sich in ihrem Alltag weigert, von anderen Mitarbeiter/ innen als ‚ihrer Betreuerin‘ betreut zu werden, wodurch sie gegenüber der Trägerorganisation Grenzen setzt, gestaltend in das Betreuungsarrangement eingreift und es vermag, dieses zumindest z. T. nach ihren Wünschen zu beeinflussen. Ein weiteres Beispiel wäre, dass die besagte Person nicht davor zurückschreckt, Betreuungspraxen, mit denen sie nicht einverstanden ist, offen anzuklagen und zurückzuweisen. Für die hiervon betroffene Betreuerin handelt es sich um - so zeigte das zur Kontextualisierung geführte Interview - äußerst krisenhafte Erfahrungen, die jedoch dazu geführt haben, dass sie seither verstärkt versucht, ihr Handeln selbstkritisch zu hinterfragen (vgl. ebd., S. 158). Z. T. wird Kritik von den Betroffenen aber auch nur leise geäußert oder gar nicht aktiv nach außen getragen. Dies kann am Beispiel der oben erwähnten Person veranschaulicht werden. So hat diese - wie dargestellt - zwar das Bild der VHN 3 | 2024 196 (vermeintlich) eigenen negativ-defizitären Andersartigkeit für sich angenommen, jedoch ist sie zugleich darum bemüht, sich gewisse Residuen der positiv-konnotierten Selbstwahrnehmung zu erhalten. So betont die Person im Interview immer wieder, dass sie mehr leisten könne als das, was ihr gemeinhin zugetraut wird. Auch bei ihr kann Kritik somit als Kampf um Deutungshoheit in Bezug auf das Selbst gefasst werden, doch ist ihre Kritik nur eine zaghafte, stille Kritik. Interessant ist, dass diese Form der Kritik durch ein besonderes Ambivalenzverhältnis gekennzeichnet ist. Auf der einen Seite kann die Kritik nicht oder nur schwer Veränderungen im Leben der Person herbeiführen, da sie eben nicht oder nur schwer gehört werden kann. Auf der anderen Seite bleibt die Kritik damit aber auch ‚geschützt‘ und kann der Person nicht ‚genommen‘ werden. Die Frage, wie sie es vermag, „nicht dermaßen regiert zu werden“, löst die besagte Person also dadurch, dass sie sich den auf sie gerichteten Zuschreibungen zwar im Gros hingibt und sich entlang dieser selbst regiert, sich trotz allem jedoch ein Minimum an Unabhängigkeit bewahrt. Auch hierin kann die Bedeutung der Zusammenführung der Begriffe Gewalt und Kritik gesehen werden, denn sie macht klar, dass auch die in der Studie befragten Menschen nicht in einer ausschließlich passiven, erleidenden Position verharren. Sie alle wirken an der Aushandlung dessen mit, wer sie sind, wer sie werden, aber auch: wer sie bleiben können - dies auch dann, wenn ihre Kritik (wie bei besagter Person) nicht direkt als solche zu erkennen ist, vielfältigen Erschwernissen und Begrenzungen unterliegt und daher nicht immer eine große Wirkmächtigkeit entfaltet. Auch hierin kann ein weiteres Moment der Gewaltförmigkeit eines Lebens unter der Differenzkategorie ‚geistige Behinderung‘ gesehen werden: sich nur bedingt selbst helfen zu können, da Räume für Kritik durch vielfältige gewaltförmige Einflüsse beschränkt sind oder Kritik, die im Rahmen der eigenen Ausdrucksmöglichkeiten geäußert bzw. gelebt wird, nicht gehört wird. 5 Zusammenführung: Zur Bedeutung von Gewalt und Kritik im Leben von Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ Die Ergebnisse der hier relevanten Studie zeigen, wie entlang der Differenzkategorie ‚geistige Behinderung‘ besonders gewaltförmige - das meint v. a.: besonders begrenzende, unterwerfende - Lebenswelten und Formen der Adressierung hervorgebracht wurden, die nicht nur die Art und Weise der individuellen Lebensführung, sondern zwangsläufig auch die sich hierbei herausbildenden Selbst- und Weltverhältnisse der betreffenden Personen maßgeblich und - dies zeigte die Fokussierung des höheren Lebensalters - ein Leben lang mitgestalten. Mannigfaltige und je für sich gewaltförmige Einzeleinflüsse, die in der Differenzkategorie ‚geistige Behinderung‘ angelegt sind, schließen sich zusammen und bewirken gerade in ihrer Summe eine mehr oder weniger wirkmächtige Unterwerfung und fortwährende Begrenzung der betroffenen Personen auf bestimmte Subjektpositionen bzw. Subjektformationen. I. S. normativer Gewalt ließe sich hier von einer besonders ausgeprägten Gewaltförmigkeit sprechen, die letztlich alles im Leben der betreffenden Personen erfasst - neben der Frage, als wer oder was sich Menschen mit ‚geistiger Behinderung‘ selbst verstehen und welche Formen von Kritik sie leben können, eben auch die Frage, welche Bezüge sie z. B. zum Altern herausbilden (können) (vgl. Börner, 2023, S. 270ff.; Börner, 2024 b). Klar ist, dass sich diese Praxen keinesfalls gleichförmig vollziehen, sondern immer als individuelle Aushandlungspraxen zu denken sind. So haben zwar alle Befragten ihr Leben im Zeichen der Differenzkategorie ‚geistige Behinderung‘ gelebt, die Lebenswirklichkeiten jedoch, die hieraus hervorgegangen sind, weichen deutlich voneinander ab. Mit Blick auf die Bestimmung der Bedeutung der Begriffe Gewalt und Kritik im Leben von Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ kann also festgehalten werden, dass diese nicht einfach nur als zwei Themen zu MICHAEL BÖRNER Geistige Behinderung als gewaltförmige Praxis FACH B E ITR AG VHN 3 | 2024 197 MICHAEL BÖRNER Geistige Behinderung als gewaltförmige Praxis FACH B E ITR AG sehen sind, die in der Auswertung zum Vorschein gekommen sind und gleichberechtigt neben den vielen anderen Themen stehen. Vielmehr müssen beide als die zentralen Themen begriffen werden, die alles andere, mit dem sich in der Studie beschäftigt wurde, in der einen oder anderen Art und Weise zusammenführen und zusammenhalten. Die Ergebnisse zeigen: Die Frage nach ‚geistiger Behinderung‘ zu stellen bedeutet immer auch, die Frage nach dem hochgradig komplexen und vielfach undurchsichtigen Wechselspiel von Gewalt und Kritik zu stellen. Hierin wäre dann auch ein Beitrag der Studie zu (z. B.) diskurstheoretischen Analysen des Phänomens ‚geistige Behinderung‘ zu sehen, die ‚geistige Behinderung‘ - im Anschluss an Foucault (2017; 2005) - als machtvolle (d. h.: hervorbringende, Materialität generierende) Praxis fassen (vgl. Trescher, 2017, S. 27ff.). Denn ‚geistige Behinderung‘ als gewaltförmige Praxis zu begreifen, die letztlich auch Praxen der Kritik in sich aufnimmt, stellt in besonderem Maße das verletzende Moment heraus, welches Praxen der Behinderung innewohnt. Es sensibilisiert dafür, dass es hierbei immer auch um verletzte Gefühle, verwehrte Lebenschancen, versagte Träume und den oftmals aussichtslosen oder zumindest in hohem Maße erschwerten Kampf um Veränderungen geht. 6 Ausblick: Inklusion Zum Schluss des Beitrags soll nun aufgezeigt werden, dass die vorgenommene theoretische Bestimmung des Verhältnisses von Gewalt und Kritik auch für eine theoretische Bestimmung des Inklusionsbegriffs fruchtbar gemacht werden kann. Anschlussfähig sind dabei v. a. jene Zugänge zu Inklusion, die diese als eine nicht endende (gesellschafts-)kritische Praxis fassen (vgl. Geldner, 2020, S. 254f.; Trescher, 2017, S. 47; Dannenbeck, 2012, S. 57). Entlang solcher Zugänge wäre Inklusion darauf ausgerichtet, immer wieder aufs Neue Strukturen und Praktiken in den Blick zu nehmen, diese auf ihre ausschlussreproduzierende Wirkmächtigkeit hin zu untersuchen und hierauf aufbauend Wege des lebenspraktischen Aufbruchs ebenjener Wirkmechanismen auszuloten (vgl. Trescher, 2018, S. 13ff.). In Bezug auf die hiesigen Darlegungen hieße dies, die besondere Gewaltförmigkeit des Lebens von Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ weiter offenzulegen, diese zu adressieren, zu destabilisieren und - hiermit einhergehend - Räume für Kritik zu öffnen bzw. Praxen von Kritik zu ermöglichen. Dies wiederum könnte heißen, bereitgestellte Lebensbedingungen bzw. Betreuungszusammenhänge kritisch zu überprüfen und Veränderungen anzustoßen - bspw. durch die Förderung von Vergemeinschaftungspraxen, die Schaffung von Berührungspunkten mit der Lebenswelt jenseits des Hilfesystems, die Ermöglichung einer differenzierten Lebensführung, die Forcierung einer Interessensentwicklung sowie die Hilfe bei der Auslebung dergleichen. Als relevant erweist sich weiterhin die Bereitstellung von Möglichkeiten zur Aufarbeitung verletzender Erfahrungen, aber auch - und dies erscheint besonders wichtig - die Anerkennung von sowie der reflektierte Umgang mit der Gewaltförmigkeit pädagogischen Handelns. Denn die Studie hat gezeigt, dass es nicht selten das Handeln von Begleitpersonen ist, das aufseiten der Befragten tiefe Wunden hinterlassen hat. Derartige Anstöße könnten den Betroffenen neue Aushandlungsmöglichkeiten in Bezug auf ihr Selbst eröffnen und damit ggf. auch neue bzw. andere Formen von Kritik ermöglichen. Für die Gewaltförmigkeit pädagogischen Handelns zu sensibilisieren hieße dann auch, auf kritische Äußerungen des Gegenübers zu achten, diese zu würdigen und mit Blick auf die weitere Ausgestaltung des eigenen Handelns zu berücksichtigen. Derartige Überlegungen sind dann auch folgenreich für die Frage nach Inklusion, denn sie machen klar, dass sich Inklusion als Praxis nicht nur ‚von außen‘ vollziehen kann, sondern gerade auch durch die betroffenen Menschen selbst vorangetrieben werden und sich auch in ihrem Handeln widerspiegeln muss. Inklusion VHN 3 | 2024 198 umzusetzen hieße dann, Kritik von Personen, die von Ausschluss bedroht oder betroffenen sind, zuzulassen oder ihnen gar dabei zu helfen, Kritik zu äußern. Hierin wäre dann auch der besondere Wert des in der Studie verwendeten methodischen Settings zu sehen. Um die besondere Gewaltförmigkeit im Leben von Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ zu adressieren und Formen von Kritik zu ermöglichen, muss an der Einzigartigkeit des Einzelfalls angeknüpft und über die Ebene der subjektiv-intentionalen Äußerungen hinausgegangen werden. Denn: Eine entscheidende Facette der besonderen Gewaltförmigkeit der Kategorie ‚geistige Behinderung‘ liegt - wie dargestellt - gerade darin, dass sie sich eben nicht immer offen zeigt. Anmerkungen 1 Zu begründen ist diese Forschungslücke v. a. damit, dass die Erzählkompetenz von Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ nicht selten noch immer kritisch eingeschätzt wird und zugleich nicht von der Hand zu weisen ist, dass biografische Interviews mit vergleichsweise hohen Anforderungen an die Erzählenden einhergehen (vgl. Karacˇic´ & Waldschmidt, 2018, S. 423). In der hier relevanten Studie wurden diese Herausforderungen reflektiert und das methodische Vorgehen entsprechend ausgestaltet. Da an dieser Stelle jedoch nicht weiter darauf eingegangen werden kann, sei auf die Ausführungen an anderer Stelle verwiesen: Börner, 2023, S. 72; S. 332. 2 Siehe hierzu: Oevermann, 2000, S. 99. 3 Zum methodischen Vorgehen und dessen Reflexion siehe: Börner, 2024 a; 2023, S. 80ff., S. 97, S. 339. 4 Der Begriff der Gouvernementalität geht ebenfalls auf die Arbeiten von Foucault zurück und stellt eine Hybridisierung der Begriffe „Regieren (‚gouverner‘) und Denkweise (‚mentalité‘)“ (Lemke, Krasmann & Bröckling, 2012, S. 8) dar. Es geht v. a. um die Frage, wie Subjekte in bestimmter Art und Weise als Subjekte hervorgebracht werden sowie darum, wie sich Subjekte selbst in entsprechender Art und Weise als Subjekte hervorbringen. 5 Greifbar wird hier, wie die Idee normativer Gewalt einerseits andere Dimensionen von Gewalt in sich aufnimmt, andererseits aber auch neue Perspektiven öffnet. So wird der Blick z. B. dafür geschärft, dass sich Erfahrungen personaler und struktureller Gewalt im Leben von Menschen mit sog. ‚geistiger Behinderung‘ nicht zufällig bzw. losgelöst voneinander vollziehen, sondern durch jene Normen organisiert und zusammengehalten werden, die ‚geistige Behinderung‘ als negativ-defizitäre Abweichung manifestieren und damit wiederum maßgeblichen Einfluss darauf nehmen, als wer oder was sich die betreffenden Personen selbst verstehen können. Normative Gewalt könnte somit als eine Art ‚übergeordnete‘ Gewalt gedacht werden - eine Gewalt, die immer zugegen bzw. immer ‚am Werk‘ ist und eben nicht nur dann, wenn ein Mensch physisch oder verbal angegriffen wird. Chambers und Carver (2009) schreiben hierzu: „Moreover, and more controversially, normative violence can be thought of as a primary form of violence, because it both enables the typical physical violence that we routinely recognise and simultaneously erases such violence from our ordinary view” (Chambers und Carver, 2009, S. 76; Hervorhebung im Orig.). 6 Die gewählte Trennung ist nicht ideal, da sie impliziert, dass das Subjekt und das, was ‚um das Subjekt herum‘ ist, mehr oder weniger losgelöst voneinander bestehen. Dies ist jedoch unvereinbar mit einer Foucault’schen Lesart von Subjektivierung, wonach das Subjekt (und damit das hier adressierte Innere) durch diskursive Praxen (und damit durch das hier adressierte Äußere) hervorgebracht wird bzw. sich selbst hervorbringt. Wenn hier also von inneren und äußeren Grenzen gesprochen wird, erfolgt dies unter der Annahme, dass die Grenze zwischen beidem fließend ist und keine klare Trennung vollzogen werden kann. Literatur BMAS (2021). 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