Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2025.art10d
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Das Provokative Essay: 62 zu 1. Oder: Warum ich für verpflichtende Weiterbildung zur Digitalisierung bin
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Bastian Pelka
Bastian Pelka beschreibt in seinem Artikel die Relevanz und Herausforderungen der Weiterbildung im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) für pädagogische Fachkräfte. Er illustriert dies durch einen humorvollen Exkurs über seine Erfahrungen als Gamer, der von seinen Kindern in Videospielen übertroffen wird. Dies verdeutlicht, wie junge Menschen durch intensives Training schnell Expertise entwickeln. Pelka betont, dass Schüler:innen und Menschen mit Behinderungen zunehmend KI zur Erledigung von Aufgaben nutzen, während pädagogische Fachkräfte oft nur begrenzt Zeit für Weiterbildungen haben. Er plädiert für verpflichtende und regelmäßige Weiterbildung, um mit der schnellen technologischen Entwicklung Schritt zu halten und die Fachkräfte besser zu unterstützen. Denken Sie einmal über Folgendes nach: Wie wäre es, jede Woche 30 Minuten Weiterbildung zu den Auswirkungen von KI auf Pädagogik zu bekommen? Es würden die aktuellsten technologischen Anwendungen vorgestellt und Auswirkungen auf die sozialen Praktiken im Lernkontext diskutiert. Würden Sie sich dazu verpflichten lassen? Ich mich schon. Der erste Absatz dieser Zusammenfassung wurde von ChatGPT-40 auf Basis folgenden Prompts erzeugt: „fasse mir den folgenden Text in 100 Wörtern zusammen“. Darauf wurde der unten stehende Text eingespeist, das Ergebnis wurde vom Autor leicht bearbeitet und um den zweiten Absatz ergänzt, um die Zusammenfassung etwas zu beleben.
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77 VHN, 94. Jg., S. 77 -81 (2025) DOI 10.2378/ vhn2025.art10d © Ernst Reinhardt Verlag DAS PROVOK ATIVE ESSAY 62 zu 1. Oder: Warum ich für verpflichtende Weiterbildung zur Digitalisierung bin Bastian Pelka TU Dortmund Zusammenfassung: Bastian Pelka beschreibt in seinem Artikel die Relevanz und Herausforderungen der Weiterbildung im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) für pädagogische Fachkräfte. Er illustriert dies durch einen humorvollen Exkurs über seine Erfahrungen als Gamer, der von seinen Kindern in Videospielen übertroffen wird. Dies verdeutlicht, wie junge Menschen durch intensives Training schnell Expertise entwickeln. Pelka betont, dass Schüler: innen und Menschen mit Behinderungen zunehmend KI zur Erledigung von Aufgaben nutzen, während pädagogische Fachkräfte oft nur begrenzt Zeit für Weiterbildungen haben. Er plädiert für verpflichtende und regelmäßige Weiterbildung, um mit der schnellen technologischen Entwicklung Schritt zu halten und die Fachkräfte besser zu unterstützen. Denken Sie einmal über Folgendes nach: Wie wäre es, jede Woche 30 Minuten Weiterbildung zu den Auswirkungen von KI auf Pädagogik zu bekommen? Es würden die aktuellsten technologischen Anwendungen vorgestellt und Auswirkungen auf die sozialen Praktiken im Lernkontext diskutiert. Würden Sie sich dazu verpflichten lassen? Ich mich schon. Der erste Absatz dieser Zusammenfassung wurde von ChatGPT-40 auf Basis folgenden Prompts erzeugt: „fasse mir den folgenden Text in 100 Wörtern zusammen“. Darauf wurde der unten stehende Text eingespeist, das Ergebnis wurde vom Autor leicht bearbeitet und um den zweiten Absatz ergänzt, um die Zusammenfassung etwas zu beleben. Schlüsselbegriffe: Künstliche Intelligenz, Digitalisierung, Weiterbildung 62 to 1. Or: Why I am in Favour of Mandatory Further Training Summary: AI is changing teaching, learning and the assessment of learning outcomes so quickly and so fundamentally that teachers are under great pressure to provide further training. This requires more, better and different lifelong learning programmes - but also a commitment to continuing education. Otherwise, the gap between learners’ use of technology and the technology skills of teachers and teaching institutions threatens to widen even further. Think about the following: What would it be like to have 30 minutes of professional development every week on the impact of AI on pedagogy? The latest technological applications would be presented and the effects on social practices in the learning context would be discussed. Would you commit to this? I would. Keywords: Artificial intelligence, digitalisation, lifelong learning Kürzlich hatten meine Kinder schulfrei. Der Schulleitung war es gelungen, eine: n Expert: in für Künstliche Intelligenz (KI) an die Schule zu holen und mit dem Kollegium eine eintägige Weiterbildung zum Thema KI im Schulkontext durchzuführen. Meine Kinder und ich mussten schmunzeln. Um dieses Schmunzeln zu erklären, schiebe ich einen Exkurs ein. Exkursanfang Ich würde mich schon als „Gamer“ bezeichnen. Als Kind, als Jugendlicher, im Studium und auch im Job habe ich abends und am Wochenende virtuelle Welten erkundet oder aufgebaut, Armeen befehligt oder Monster getötet. Ich habe in italienischen Dörfern Terroristen - oder Polizisten - gekillt, habe mich per Salto von Kirchtürmen auf Strohhaufen fallen lassen und bin aus einem fliegenden Bus über einer VHN 2 | 2025 78 BASTIAN PELKA Verpflichtende Weiterbildung zur Digitalisierung DAS PROVOK ATIVE ESSAY schrumpfenden Insel abgesprungen. Das konnten auch schon mal acht Stunden am Tag sein. Unterbrochen wurde dieses Hobby durch eine Phase, die dem Wechseln von Windeln und dem Nachholen von Schlaf gewidmet war. Als meine Kinder - viele Jahre später! - dann das egoshooterfähige Alter erreicht hatten, installierten wir die passende Software und ich erklärte dem ältesten: „a-w-s-d-Leer, da Zoomen und da Schießen, alles klar? “. Während mein Kind mit einer digitalen automatischen Waffe per Dauerfeuer grob in die Richtung ballerte, in der es mich vermutete, tänzelte ich herum und metzelte den Avatar meines Kindes von hinten mit dem Kampfmesser ab. So sah Überlegenheit aus. Ein toller Spaß und ein unvergessenes Eltern-Kind-Erlebnis! Zum Ende gab ich noch ein paar Tipps: „Ziel auf den Kopf, kein Dauerfeuer, denk’ an die Deckung.“ Elternverantwortung darf auch Spaß machen. Rund einen Monat später spielten wir wieder gemeinsam. Nach einer Stunde gab ich auf: 12 Runden hatte mein Nachwuchs gewonnen, ich keine. Gerade wollte der Nachwuchs ansetzen: „ich kann das auch mit dem Messer…“ da war die Spielstunde zum Glück vorbei. Was war passiert? Ein Blick ins Spielerprofil zeigte mir: Mein Kind hatte im letzten Monat jeden Tag zwei Stunden im Spiel verbracht. Das war im vereinbarten Rahmen. Bei 31 Tagen summierte sich das auf 62 Stunden. Ich hatte in der Zeit eine Stunde gezockt. Man hat ja auch einen Job. Exkursende 62 zu 1. So einfach kann man also 18 Jahre Egoshooter-Erfahrung kontern. Meine Kinder haben eine Ressource, über die ich nicht verfüge: Zeit. Sie sind bereit, 62 Stunden zu investieren, wenn ich auf eine komme. Beim Thema KI befürchte ich noch ausgeprägtere Verhältnisse. Hier habe ich beobachtet, wie junge Menschen bereit sind, 20 Minuten in eine KI zu investieren, um sie eine Hausaufgabe erledigen zu lassen, die sie 10 Minuten gekostet hätte. Die Nutzung von KI ist in Schulen, Wohneinrichtungen und Arbeitsstätten für Menschen mit Behinderungen mittlerweile weit verbreitet, denn KI lässt sich über Sprache steuern und bietet oft barrierefreie Zugänge zu komplexen Lösungen. Diese Lösungen können das Übersetzen von Texten sein, das Einkaufen im Internet oder das Anfertigen von Hausaufgaben. Als Lehrkraft an einer Hochschule beobachte ich die Nutzung von KI bei studentischen Arbeiten interessiert. Natürlich unterstütze ich die Nutzung dieser Technologie, die bald sowieso zum täglichen Standard wird. Andererseits möchte ich auch Eigenleistung und eigenes Schreiben fördern - und muss diese bewerten. Bei Studierenden nutzen wir Affidavite, mit denen versichert wird, dass die Nutzung von KI angezeigt wird. Das ist ein fairer Deal: KI ist ein erlaubtes (und bei mir: erwünschtes) Tool, aber es muss gekennzeichnet werden. Wer sich nicht daran hält, riskiert Konsequenzen. Für die tägliche Hausaufgabe an Schulen oder das Lernen am Arbeitsplatz erscheint mir dieses Geschütz zu groß. Die Verlockung ebenso. Und der Aufwand zu gering. Und für die meisten inklusionsorientierten pädagogischen Situationen erscheint mir ein Verzicht auf KI wie Verzicht auf ein Hilfsmittel. Meine empirisch überhaupt nicht abgesicherte Einschätzung: Hausaufgaben aller Fächer werden heute bereits zu über 50 % durch eine KI erledigt. Tendenz steigend. Digitale Kommunikation (etwa per Whatsapp) vieler Menschen wird durch intelligente Software vereinfacht oder erst ermöglicht. Menschen mit Behinderungen setzen KI in immer mehr Lebensbereichen ein und experimentieren mit einer Vielzahl von Apps - etwas beim Kommunizieren, Einkaufen, Orientieren oder Erinnern. Ich sehe hier zwei Entwicklungen, die die KI-Nutzung in den Zielgruppen der Sonder- und Heilpädagogik weiter wachsen lassen. VHN 2 | 2025 79 BASTIAN PELKA Verpflichtende Weiterbildung zur Digitalisierung DAS PROVOK ATIVE ESSAY Da ist zum einen ein technischer Faktor am Werk: In kurzer Zeit werden wir „Künstliche Intelligenz“ gar nicht mehr als solche von „Software“ unterscheiden können. Sie wird synonym zu „im Netz“ oder „digital“ sein. Alle Suchmaschinen und Office-Anwendungen integrieren KI, alle Apps sowieso. Es wird schlicht keine Trennung mehr geben zwischen Inhalten, die man „selbst“ verfasst hat und solchen, die durch „KI“ erzeugt wurden. Es wird nicht mehr erkennbar sein, ob eine Whatsapp-Nachricht, eine Terminabsage, ein Post in einem Forum oder ein Kommentar unter einem Inhalt bei sozialen Medien von einem Menschen mit oder ohne KI-Unterstützung verfasst wurde. Ich finde bereits die Trennung in „selbst erzeugt“ und „mit KI erzeugt“ schwierig; wir unterscheiden ja auch nicht zwischen „selbst erzeugt“ und „mit Open Office erzeugt“, obwohl auch die Verwendung einer Textverarbeitungssoftware auf die Produktion eines Textes einwirkt. Diese fehlende Trennung macht eine Unterscheidung juristisch unmöglich und faktisch sinnlos. Für uns Pädagog: innen ist diese Trennung nicht zielführend. Wenn die Technologien sowieso verschmelzen und die Menschen, mit denen wir arbeiten, diese Trennung nicht leisten können und diese Technologien als Hilfsmittel einsetzen, sollten wir sie nicht als getrennt behandeln. KI ist ein Aspekt der großen gesellschaftlichen Transformation namens Digitalisierung, so wie auch Kommerzialisierung oder Datenschutz. Eine digitale Pädagogik sollte darum keine Zeit verschwenden und die schnell wechselnden Technologien betrachten, sondern deren Auswirkungen auf das Handeln von Menschen thematisieren - und im Falle der Pädagogik: begleiten. Für viele Menschen beginnt mit der Nutzung intelligenter Systeme erst ihre Teilhabe an der Digitalisierung, weil intelligente Software Barrieren abbaut, die nicht intelligente Technologien errichtet haben. Hier kann Pädagogik und hier können pädagogische Fachkräfte wertvolle Unterstützung bieten. Der zweite Faktor ist die digitale Sozialisation: Wenn aktuelles pädagogisches Personal - den Autor eingeschlossen - auf ein lebensweltliches Problem stößt, googelt es: Was soll ich heute kochen? Wie schließe ich mein neues Headset an? Woher bekomme ich Aufgaben für die Lehrveranstaltung morgen? Wer hat Tipps zum Thema Medienkompetenz? Aktuelles Lernendenpersonal hingegen nutzt zur Bearbeitung von Herausforderungen nicht mehr Suchmaschinen, sondern gleich KI: Erinnere mich an einen Termin! Male ein Bild zum Thema Surrealismus! Verfasse eine Mail an meinen Hilfsmittelhersteller! Schreibe den Kolleg: innen, dass ich krank bin! Es ist Teil der Sozialisationserfahrung, Probleme so anzugehen. Diese Erfahrung wird sich durchsetzen, denn sie ist subjektiv produktiv im Sinne eines realitätsverarbeitenden Subjektes. Und sie ist - siehe Faktor 1 - einfach technologischer Standard. Menschen mit Behinderungen erfahren mit der Digitalisierung die Zweischneidigkeit vieler gesellschaftlicher Prozesse: Zum einen können digitale Geräte und Anwendungen echte Teilhabemaschinen sein, die etwa beim Kommunizieren, Orientieren oder Lernen helfen. Junge Menschen mit Behinderungen nutzen diese Technologien - natürlich mit stark einwirkenden Faktoren wie Sozialisation und Barrieren - häufig selbstverständlich. Auf der anderen Seite erfahren Menschen mit Behinderungen in der Digitalisierung aber auch die steigende Komplexität von Gesellschaft, die Bedeutung ökonomischer Leistungsfähigkeit und die fehlende Sicht unserer Gesellschaft auf Barrieren. Vieles deutet darauf hin, dass die Digitalisierung die Benachteiligungstrennung zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen ein Stück weit aufweicht und gegen Faktoren wie Art der Behinderung, ökonomische Leistungsfähigkeit oder Alter eintauscht. Damit komme ich zurück zum Verhältnis von 62 zu 1: Viele, vor allem junge Menschen mit oder ohne Behinderungen sind bereit, ihre Zeit VHN 2 | 2025 80 BASTIAN PELKA Verpflichtende Weiterbildung zur Digitalisierung DAS PROVOK ATIVE ESSAY in die Beherrschung dieser Technologien zu investieren. Sie entdecken nützliche Funktionen, spielen, kommunizieren, machen Fehler. Dabei begegnen ihnen Barrieren - technische, finanzielle, gesellschaftliche. 12 - 19-Jährige verbringen täglich 225 Minuten ihrer Freizeit online. Hinzu kommt die Mediennutzung in der Unterrichtszeit (JIM-Studie 2023). Folgen wir dem oben beschriebenen „technischen Faktor“, verbringen sie diese in Gegenwart und unter Nutzung von KI. 225 Minuten pro Tag sind 1.363 Stunden im Jahr. Im Vergleich zum 8-stündigen Weiterbildungstag ihrer Lehrkräfte kommen sie auf ein Verhältnis von 170 zu 1. Selbstverständlich sind acht Stunden jugendlicher Online-Nutzung nicht mit der Wirkung einer achtstündigen gezielten Weiterbildung gleichzusetzen -, sie bieten aber einen Anhaltspunkt für eine Auseinandersetzung mit dem Thema Weiterbildungszeit. Denn in der Online-Zeit werden Kompetenzen aufgebaut, die Lernen stark verändern. Und ich fürchte: Diese Veränderung wird pädagogisch viel zu wenig mitgedacht. Ich kenne keine belastbaren Zahlen, aber ich schätze, dass die Weiterbildungsbeteiligung an Digitalisierungsthemen von Fachkräften im außerschulischen Inklusionsbereich ebenso niedrig ist wie bei Lehrkräften. Damit meine ich nicht die Weiterbildung in der Nutzung eines neuen digitalen Diagnoseinstrumentes oder die Schulung in einer Software zur Übermittlung von Teilhabeplänen. Ich meine Weiterbildung, die darauf ausgerichtet ist, unsere Zielgruppen bei ihrem Weg zu kompetenten Mitgliedern der digitalen Gesellschaft zu unterstützen. Doch wie häufig bilden wir uns weiter zur Nutzung von 3D-Druck, Games, KI oder sozialen Medien? Zu Fragen von Bullying, Grooming, Enkel-Tricks und Datenschutz? Zum Recht auf digitale Teilhabe? Natürlich gibt es sie: Fachkräfte, die die Digitalisierung entweder als pures Muss oder als Gamechanger für Teilhabe sehen. Ich begegne ihnen in Schulungen und auf Fachveranstaltungen und bin begeistert von den vielen Ideen, Digitalisierung im Sinne von Teilhabeförderung einzusetzen. Aber es gibt sie auch: Die Fachkräfte, die sich nicht weiterbilden - sei es wegen Mangel an Zeit, Ressourcen, passenden Angeboten, Ausstattung, Unterstützung, persönlichen Motiven oder schlicht der fehlenden Einsicht in die Bedeutung. Die Weiterbildungsbeteiligung von Fachkräften hängt von vielen Faktoren ab, aber einer ist sicher auch das Alter. Man muss es aussprechen: Ältere Fachkräfte haben die Digitalisierung nicht in der Sozialisation - nicht in der privaten, aber auch nicht in der beruflichen - erfahren. Eine Kollegin hat 2018 die Vorlesungsverzeichnisse aller deutschen Hochschulen in pädagogischen Studiengängen auf die Frage untersucht, ob Studierende im Wintersemester 2016/ 2017 Kurse zu digitaler Teilhabe besuchen konnten. Nur drei Prozent aller Studiengänge hatten überhaupt ein Angebot. Die Studierenden aus dem Wintersemester 2016/ 2017 sind nun pädagogische Fachkräfte. Sie und ihre älteren Kolleg: innen haben diese Kompetenzen nicht im Studium erworben. Das Weiterlernen geht privat und abends; es sollte aber auch als berufliche Weiterbildung in der Dienstzeit stattfinden. Denn das Verhältnis von 170 zu 1 bedeutet vieles: Unsere Zielgruppen investieren viel Zeit in Online-Tätigkeiten. Ein Teil erwirbt dort digitale Kompetenzen, andere erwerben weniger Kompetenzen, begegnen aber Risiken und Barrieren. Wir sollten sie auf diesem Weg nicht alleine lassen, sondern sie fachkundig begleiten. Nötig ist ein nach Zielgruppen und Themen, aber auch nach Angebotsformen und Lernzeiten differenziertes Weiterbildungsangebot, das Fachkräfte mit großer Erfahrung ebenso adressiert wie Kolleg: innen, die sich gerade erst auf den Weg machen. Es müsste kurze Lernangebote für den Abend ebenso vorhalten wie mehrtägige Schulungen im Kolleg: innen- Kreis. Und es müsste die Digitalisierung in die Lebenswelt und in die Pädagogik holen. Diese in Bezug auf Inhalt und Zeitumfang gewaltige Aufgabe in einen Weiterbildungstag pro Jahr zu pressen, erinnert mich daran, wie der Exkurs oben ausgegangen ist. Sicherlich bilden sich VHN 2 | 2025 81 BASTIAN PELKA Verpflichtende Weiterbildung zur Digitalisierung DAS PROVOK ATIVE ESSAY viele Pädagog: innen laufend weiter; viele Kolleginnen und Kollegen nehmen KI auch als Teil ihrer beruflichen Sozialisation auf und beschäftigen sich intensiv mit Vor- und Nachteilen, Chancen und Risiken und erproben den Einsatz in Lehre, Empowerment und Prüfungsformaten. Dabei werden sie viel zu sehr alleingelassen. Zwar bieten heute viele Einrichtungen Weiterbildungen, Materialien, Erfahrungsaustausche und Rat an - vieles folgt aber klassischen Mustern von Weiterbildung und hält mit der Dynamik der Entwicklung so wenig Schritt wie ein Weiterbildungstag pro Jahr. Als Pädagoge kann ich nicht im Alleingang mit der Entwicklung der Technologie Schritt halten. Ich beschäftige mich seit einiger Zeit intensiv mit dem Thema KI für Teilhabe und Pädagogik, aber die Apps und Anwendungsfälle tauchen viel zu schnell und viel zu dynamisch auf, verschwinden und wandeln sich. Ich benötige Menschen, die die Technologie und die mit ihr verbundenen sozialen Praktiken für mich beobachten, analysieren und auf die Praxis beziehen. Aber ich muss diese Weiterbildungsangebote auch nutzen. Ich bin für verpflichtende Weiterbildung zur Digitalisierung. Sie wird den Kolleg: innen, die sich bereits auf eigene Faust stetig weiterbilden, bessere Angebote bescheren und den Diskurs anfeuern, wie viel Zeit uns Pädagog: innen für unsere eigene Weiterbildung zugestanden werden muss, sowie welche Unterstützung wir dafür brauchen. Und sie wird denjenigen, die sich noch nicht auf den Weg in die kontinuierliche Weiterbildung in Richtung digitaler Transformation gemacht haben, aufzeigen, wie wichtig es ist, dies zu tun. Eine solche Weiterbildung muss mit dem Tempo der technologischen Entwicklung Schritt halten und moderne Lernformen anbieten. Dies erfordert eine Dynamisierung der Weiterbildung - also eher 30 Minuten pro Woche als acht Stunden im Jahr. Und sie muss zeitlich die Größe der digitalen Transformation unserer Gesellschaft reflektieren. Acht Stunden pro Jahr sind da - nun ja: zum Schmunzeln. Anschrift des Autors Vertr.-Prof. PD Dr. Bastian Pelka Technische Universität Dortmund Fakultät Rehabilitationswissenschaften Fachgebiet Rehabilitationssoziologie Emil-Figge-Straße 50 D-44227 Dortmund E-Mail: bastian.pelka@tu-dortmund.de
