eJournals Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 94/3

Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
5
0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2025.art22d
71
2025
943

Rezension: Mürner, Christian (2022): N - Narrheit

71
2025
Barbara Jeltsch-Schudel
Handlich und rostbraun ist das Buch, eher ein Büchlein, das sich bequem in die Tasche stecken lässt. Auf dem Buchdeckel steht „Narrheit“, prominent ist jedoch das Bild aus dem Figurenalphabet (Buchstabe n) von 1466. Dieses zeigt fünf Narren und eine Närrin, versehen mit den typischen Insignien wie Narrenkappen und Narrenstab, Schellen und Narrenschuhen, kriechend, kletternd, sich gegenseitig anfassend, ineinander verwickelt, in die Umrisse des Buchstabens n eingezeichnet. Bilder sind auch im Buch viele zu finden, Äquivalente, Illustrationen, Ergänzungen zu den Texten. Das Thema des Buches ist auf Seite 5 formuliert: „Die Narrheit und der Narr – Soziale Vermittlung des Ambivalenten“ und darunter das Bild einer zweizipfligen, mit Schellen versehenen Narrenkappe.
5_094_2025_3_0009
VHN 3 | 2025 249 REZE NSION E N werden Fragestellungen erläutert, die Desiderata aufzeigen, die anzugehen zur Umsetzung der UN-BRK unumgänglich sind. Bilanzierend lässt sich festhalten, dass diese vielfältige Anlage (die man sich zwar erst erschließen muss) sehr interessant und in dieser Art kaum zu finden ist. Aus den verschiedenen Beiträgen lassen sich wertvolle Anregungen mitnehmen. Die Vielfalt des Buches und seiner Kontexte wird sicher auf Rezipierende stoßen, die - entsprechend ihren eigenen Interessen und Fragen - Inhalte finden, die ihnen Informationen geben, die sie nachdenken lassen, die ihnen Anstöße für die eigene Arbeit geben. Hinweise: https: / / hfph.de/ hochschule/ lehrende/ prof-dr-barbara-schellhammer/ forschung/ sebi Dederich, Markus; Seitzer, Philipp (2024): Erfahrung, Wissen, Handeln - Zur Grundlegung der Heil- und Sonderpädagogik. Weinheim: BELTZJuventa. Prof. tit. em. Dr. Barbara Jeltsch-Schudel CH-8400 Winterthur DOI 10.2378/ vhn2025.art21d Mürner, Christian (2022): N - Narrheit Hamburg: Textem Verlag. 176 Seiten, € 16,- Handlich und rostbraun ist das Buch, eher ein Büchlein, das sich bequem in die Tasche stecken lässt. Auf dem Buchdeckel steht „Narrheit“, prominent ist jedoch das Bild aus dem Figurenalphabet (Buchstabe n) von 1466. Dieses zeigt fünf Narren und eine Närrin, versehen mit den typischen Insignien wie Narrenkappen und Narrenstab, Schellen und Narrenschuhen, kriechend, kletternd, sich gegenseitig anfassend, ineinander verwickelt, in die Umrisse des Buchstabens n eingezeichnet. Bilder sind auch im Buch viele zu finden, Äquivalente, Illustrationen, Ergänzungen zu den Texten. Das Thema des Buches ist auf Seite 5 formuliert: „Die Narrheit und der Narr - Soziale Vermittlung des Ambivalenten“ und darunter das Bild einer zweizipfligen, mit Schellen versehenen Narrenkappe. Das Bilderbuchkonzept, das bereits Sebastian Brant 1494 für sein berühmtes „Narrenschiff“ verwendete, übernahm Christian Mürner für seine interessanten Fundstücke aus dem 15. und 16. Jahrhundert, mit denen er die vielgestaltige Figur des Narren nachzeichnet. Diese Fundstücke, akribisch recherchierte Beschreibungen von Narrheit und Narren, komplettiert von sorgfältig nachgewiesenem Text- und Bildmaterial, werden aneinandergereiht, immer wieder unterbrochen von eingeschobenen kurzen Texten. In diesen Texten schafft der Autor den Bezug zur Thematik, der den Anlass für das Buch gegeben haben mag, nämlich die Narrheit und die Figur des Narren (und weniger häufig der Närrin) in ihrer ambivalenten Wirkung und Bedeutung zu zeigen, zu interpretieren, zu reflektieren. Die deskriptive Darstellung von Büchern, Bildern und Portraits einzelner Narren zeigt eine große Vielfalt, die sich in verschiedene Typen einteilen lassen. Wirkungsorte (in Städten oder Dörfern, an Höfen von Fürsten, im kirchlich-religiösen Kontext), Rollen und Funktionen spielen dabei mit, ebenso Aussehen und Verhalten der Narren, das als ungewöhnlich, zugleich anziehend und abstoßend konnotiert wurde. Umgekehrt auf den Punkt gebracht: „Das Abenteuer der Ambivalenz zeichnet Narrheit sowie Narren aus“ (S. 169). Die Zeitspanne der vielfältigen Darstellungen der Narren ist nicht zufällig gewählt: „Narrheit und Narren lassen sich umschreiben als soziale Artistinnen und Aktivisten des Ambivalenten im Kontext inspirierender, populärer Erzählungen. Ihre europäische Hochsaison ist lokalisiert am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, doch ihre literarische Bedeutung und ihre reale Präsenz überdauerte, vor allem in der Fastnacht und der für sie bestimmten Jahreszeit“ (S. 163). Was Narrheit in der beginnenden Neuzeit ausmachte, ist auch heute noch bedeutsam: Erfahrungen von Ambivalenzen zu machen, die in den komplexen, unauflösbaren Problemen unserer Zeit unvermeidlich sind und zur differenzierten VHN 3 | 2025 250 REZE NSION E N Weltwahrnehmung beitragen. Wer sich für einen Blick in eine andere Zeit interessiert, die nicht anders als heute ambivalente Herausforderungen bereithielt, kann mit diesem handlichen Buch in einen Spiegel blicken und sich von Wort und Bild anregen lassen. Prof. tit. em. Dr. Barbara Jeltsch-Schudel CH-8400 Winterthur DOI 10.2378/ vhn2025.art22d Schildmann, Ulrike (2024): Arbeiterkind und Professorin. Eine Biographie Bochum: Projekt-Verlag. 222 S., € 17,80 Wer sich mit sonderpädagogischen Fragestellungen beschäftigt, kennt den Namen Ulrike Schildmann, setzt sie sich doch schon lange mit Themen zu „Frau und Behinderung“ auseinander und hatte viele Jahre den Lehrstuhl „Frauenforschung in der Behindertenpädagogik“ an der Universität Dortmund inne. Nun hat sie eine Biographie geschrieben. Dieser Untertitel ihres Buches ist ebenso interessant wie der Haupttitel: es geht um eine Lebensgeschichte, ihre Lebensgeschichte, jedoch nicht als Autobiographie (oder garAutofiktion) bezeichnet, sondern eben als Biographie. Eine Lebensbeschreibung also, gewissermaßen aus mehreren Perspektiven. Sie schreibt von sich, aber eine Distanznahme, eine Betrachtung von außen, schwingt stets mit. Thema ist nicht die Beschreibung der Entwicklung eines Arbeiterkindes zur Professorin, das wird schon aus dem Titel deutlich. Vielmehr geht es um einen Werdegang, den die Schreiberin in verschiedenen Umgebungen erlebt, deren Zugang sie sich erkämpft und der ihr auch zufällt. Und immer bleibt sie sich selber, nimmt ihre Erfahrungen mit, integriert sie in ihre Identität. Daher ist der Titel sehr schlüssig: Arbeiterkind und Professorin. Das Buch ist dreiteilig: Der erste Teil nimmt den Titel auf. „Arbeiterkind und Professorin: Wie ich zu der Person geworden bin, als die ich mich heute verstehe“. Über jedes Lebensjahrzehnt, beginnend im Geburtsjahr 1950, hält sie fest, was sie erlebt hat. Es ist eine Schilderung von sich folgenden Ereignissen, zurückhaltend kommentiert, darüber, wie es ihr dabei erging. Mit „Beziehungsmuster in Familie, Freundschaft, Nachbarschaft: Drei Briefe“ ist der zweite Teil überschrieben. Adressatinnen von drei längeren Briefen sind ihre Schwester Veronika, ihre Kindheitsfreundin und eine außergewöhnliche Nachbarin. Es sind dies drei Frauen, die in ihrem und für ihr Leben eine Bedeutung haben. Ulrike Schildmann schreibt ihnen, wie sie ihre langdauernde Beziehung erlebt. Diese Briefe wurden den drei Empfängerinnen bei einer angemessenen Gelegenheit übergeben und sind für das Buch etwas überarbeitet worden. Ein wichtiges Thema im Leben von Ulrike Schildmann ist es, die Welt in vielerlei Bereichen kennenlernen zu wollen. Der dritte Teil beinhaltet dies: „Die Welt erfahren und erleben: Meine Reisen“. Die Strukturierung hat die Autorin vom ersten Teil übernommen, angefangen mit ihren ersten Ausflügen in der Kindheit bis hin zu Reisen, in sehr verschiedenen Ländern, auch verbunden mit längerdauernden Aufenthalten. Nicht nur hält Ulrike Schildmann verschiedenste Eindrücke fest, sie beschreibt auch immer wieder konkrete Erfahrungen, die Lesende als Anregungen für eigene Reisen nutzen könnten. Die drei Teile der Biographie erscheinen wie ein Prisma, das verschiedene Dimensionen einer Lebensgeschichte ausleuchtet; die Autorin stellt immer wieder Bezüge her, verweist auf andere Textstellen, sodass die drei so unterschiedlichen Teile nicht auseinanderfallen, sondern als Ganzes zu erlesen sind. Ich habe das Buch mit Interesse gelesen. Bei verschiedenen Gelegenheiten bin ich Ulrike Schildmann begegnet, habe viele ihrer Publikationen gelesen, wusste aber kaum etwas über ihr Leben. Die Phase ihres Lebens als Professorin ist mir vertrauter, vieles bekannt und vieles auch interessant zu erfahren. Von ihren Reisen und ihren Begegnungen mit anderen Kulturen wusste ich kaum, lernte ganz neue Seiten der Autorin kennen und zugleich Eindrücke einer Sonderpädagogin von fremden Kontexten, die mir unbekannt sind.