Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
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0017-9655
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/vhn2025.art24d
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94VHN Plus
Fachbeitrag: Überzeugungen von Lehrkräften im Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht: Eine empirische Studie mit Lehrkräfteteams
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Susanne Schnepel
Manuela Foster
Im inklusiven Unterricht sind Lehrkräfte oft mit großen Leistungsunterschieden zwischen Lernenden konfrontiert, die Herausforderungen für die Unterrichtsgestaltung mit sich bringen. Für die Unterrichtsgestaltung gelten die Überzeugungen der Lehrkräfte als bedeutsam. In dieser Studie wurde der Frage nachgegangen, welche Aspekte für Regellehrkräfte (RLK) und sonderpädagogische Lehrkräfte (SLK) beim Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht relevant sind und welche Überzeugungen sich darin zeigen. Mittels qualitativer Inhaltsanalyse von Interviews von fünf Teams aus RLK und SLK wird gezeigt, dass sich die meisten Lehrkräfte die Verantwortung für die Kinder und die Zuständigkeit für bestimmte Aufgaben den Professionen entsprechend aufteilen und keine gemeinsame Verantwortung für die Lernenden und den Unterricht übernehmen. In diesen Fällen sahen sich die RLK eher als Organisator:innen und weniger als Fachvermittler:innen. Erfolgt die Verantwortungsübernahme gemeinsam, steht eher das fachliche Lernen im Mittelpunkt und die Lehrkräfte differenzieren ihren Unterricht vielseitiger und planen eher gemeinsames Lernen, sodass dieser Unterricht als „gemeinsamer Unterricht“ bezeichnet werden kann. Diese Ergebnisse liefern neue Erkenntnisse zur Zusammenarbeit im inklusiven Unterricht und sollen in weiterführenden Studien untersucht werden.
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1 FACH B E ITR AG VHN plus VHN plus , 94. Jg. (2025) DOI 10.2378/ vhn2025.art24d © Ernst Reinhardt Verlag Überzeugungen von Lehrkräften im Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht: Eine empirische Studie mit Lehrkräfteteams Susanne Schnepel Universität Münster Manuela Foster Universität Zürich Zusammenfassung: Im inklusiven Unterricht sind Lehrkräfte oft mit großen Leistungsunterschieden zwischen Lernenden konfrontiert, die Herausforderungen für die Unterrichtsgestaltung mit sich bringen. Für die Unterrichtsgestaltung gelten die Überzeugungen der Lehrkräfte als bedeutsam. In dieser Studie wurde der Frage nachgegangen, welche Aspekte für Regellehrkräfte (RLK) und sonderpädagogische Lehrkräfte (SLK) beim Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht relevant sind und welche Überzeugungen sich darin zeigen. Mittels qualitativer Inhaltsanalyse von Interviews von fünf Teams aus RLK und SLK wird gezeigt, dass sich die meisten Lehrkräfte die Verantwortung für die Kinder und die Zuständigkeit für bestimmte Aufgaben den Professionen entsprechend aufteilen und keine gemeinsame Verantwortung für die Lernenden und den Unterricht übernehmen. In diesen Fällensahensichdie RLK eherals Organisator: innenundwenigerals Fachvermittler: innen. Erfolgt die Verantwortungsübernahme gemeinsam, steht eher das fachliche Lernen im Mittelpunkt und die Lehrkräfte differenzieren ihren Unterricht vielseitiger und planen eher gemeinsames Lernen, sodass dieser Unterricht als „gemeinsamer Unterricht“ bezeichnet werden kann. Diese Ergebnisse liefern neue Erkenntnisse zur Zusammenarbeit im inklusiven Unterricht und sollen in weiterführenden Studien untersucht werden. Schlüsselbegriffe: Überzeugungen, inklusiver Unterricht, professionelle Rollen, Zusammenarbeit, Zuständigkeiten Teachers’ Beliefs on Managing Achievement Heterogeneity in Inclusive Education: An Empirical Study with Teacher Teams Summary: In inclusive education, teachers have to deal with pupils’ differences in achievement. It is assumed that teachers’ beliefs affect lesson design and teaching. This study investigated how the general education teacher (GET) and the special education teacher (SET) deal with differences in achievement in inclusive instruction, which aspects are important, and which beliefs are reflected in these aspects. Interviews of five teams of GET and SET were analysed using qualitative content analysis. The results show that most teachers divided their tasks and responsibilities in line with their training as GET or SET and do not share joint responsibility for the pupils and teaching. In these cases, GETs see themselves more as organizers than as subject facilitators. When teachers shared joint responsibility for the pupils, the focus was more on subject learning, and joint learning phases were planned more thoroughly. These insights provide new understandings of collaboration in inclusive education and should be further explored in future studies. Keywords: Beliefs, inclusive education, role of general and special education teachers, collaboration, responsibilities VHN plus 2 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus 1 Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht Im inklusiven Unterricht werden Lernende mit und ohne Förderbedarf gemeinsam unterrichtet. Die Leistungsunterschiede zwischen den Schüler: innen können dadurch besonders groß sein und von den Lehrkräften als herausfordernd und anspruchsvoll erlebt werden (Korff, 2015). Um den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen dieser heterogenen Gruppen ansatzweise gerecht zu werden, gilt die Zusammenarbeit von Regellehrkraft (RLK) und sonderpädagogischer Lehrkraft (SLK) als unerlässlich. Mit der Zusammenarbeit kommt nicht nur unterschiedliche Expertise zusammen, sondern es entstehen neue Dynamiken in Bezug auf die Rollen, die die Lehrkräfte im Unterricht einnehmen, und die Unterrichtsgestaltung, z. B. wie differenziert wird (Lütje-Klose & Urban, 2014). Für die Unterrichtsgestaltung und den Umgang mit Leistungsheterogenität gelten u. a. die Überzeugungen der Lehrkräfte als bedeutsam (Blömeke, Gutstafsson & Shavelson, 2015; Dubberke et al., 2008; Jordan, 2018). Bislang ist jedoch kaum erforscht, welche Überzeugungen von RLK und SLK im inklusiven Unterricht zusammenkommen und welche Bedeutung sie für die Unterrichtsgestaltung haben. Die vorliegende Studie soll Erkenntnisse zum gemeinsamen Unterricht von RLK und SLK liefern. Untersucht wird, welche Aspekte für die RLK und SLK, die gemeinsam in einer Klasse arbeiten, beim Umgang mit der Leistungsheterogenität von Bedeutung sind, und welche Überzeugungen sich in Bezug auf diese Aspekte zeigen. 2 Überzeugungen zu Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht Überzeugungen beeinflussen die Wahrnehmung und Deutung von Situationen (Reusser & Pauli, 2014). Beziehen sich die Überzeugungen auf eine bestimmte Berufsgruppe, wie hier auf Lehrkräfte, werden sie auch als berufsbezogene Überzeugungen, Einstellungen oder Haltungen bezeichnet. Sie beeinflussen die Auswahl von Zielen sowie das didaktische und kommunikative Handeln von Lehrkräften im Unterricht. Reusser und Pauli (2014, S. 642f.) verstehen darunter „affektiv aufgeladene, eine Bewertungskomponente beinhaltende Vorstellung über das Wesen und die Natur von Lehr-Lernprozessen, Lerninhalten, die Identität und Rolle von Lernenden und Lehrenden (sich selbst) sowie den institutionellen und gesellschaftlichen Kontext von Bildung und Erziehung […]“. Sie geben „ihrem berufsbezogenen Denken und Handeln Struktur, Halt, Sicherheit und Orientierung“, sind subjektiv geprägt und können sich implizit und explizit in den Berichten der Lehrkräfte zeigen, u. a. in den Aspekten, die den Lehrkräften wichtig sind (ebd., S. 643). Überzeugungen in Bezug auf Leistungsheterogenität können sich zeigen, wenn Lehrkräfte berichten, wie sie damit im Unterricht umgehen. Das unterrichtliche Handeln kann von weiteren Überzeugungen, z. B. bzgl. Selbstwirksamkeit, beeinflusst werden. Zudem können belastende Rahmenbedingungen zu Diskrepanzen zwischen Überzeugungen und Handeln führen (Leuchter, Pauli, Reusser & Lipowsky, 2006). Wie sich die Überzeugungen von Lehrkräften auf die Gestaltung inklusiven Unterrichts auswirken, wurde in der Studie von Jordan (2018) deutlich. Sie untersuchte die Überzeugungen von RLK zum Lernen und Unterrichten von Schüler: innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und hinsichtlich der Zuständigkeit für diese Schüler: innen mittels Fragebögen und Interviews. Sie hat analysiert, inwieweit sich RLK mit der Überzeugung, für alle Lernenden verantwortlich zu sein, in ihrer Unterrichtsgestaltung von RLK unterscheiden, die sich nur für Lernende ohne Förderbedarf verantwortlich sehen. RLK, die die SLK für die VHN plus 3 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus Lernenden mit Förderbedarf zuständig hielten, berichteten, dass sie durch die SLK entlastet wurden und mehr Zeit für die Lernenden ohne Förderbedarf hatten. Dies war insbesondere der Fall, wenn die SLK die Lernenden mit Förderbedarf außerhalb der Klasse unterrichtete. Diese RLK nutzten die Unterrichtszeit im Vergleich zu den RLK mit der Überzeugung, für alle Lernenden zuständig zu sein, allerdings weniger effizient. In ihrem Unterricht fanden weniger Interaktionen mit den Lernenden statt und die Lernenden waren weniger engagiert. Die Analysen ergaben außerdem drei Typen von RLK, die sich in ihren Überzeugungen in Bezug auf die Förderung einzelner Lernender unterschieden. Der erste Typ fühlte sich für den Unterricht der Lernenden mit Förderbedarf zuständig und sah es als seine Aufgabe an, den Unterricht an die individuellen Lernvoraussetzungen anzupassen und auftretende Herausforderungen durch entsprechende Maßnahmen zu lösen. Der zweite Typ war der Ansicht, dass die Lernenden mit fehlenden Lernvoraussetzungen eine spezialisierte Förderung brauchen, die sie als RLK aufgrund von Zeit, Ressourcen und eigener Expertise nicht bieten können bzw. müssen. Der dritte Typ nahm die eigene Expertise, die zur Verfügung stehende Zeit und Unterstützungsmöglichkeiten ebenfalls als unzureichend wahr, fühlte sich jedoch trotzdem für die Förderung aller Lernenden verantwortlich, was zu Frustrationen führte (Jordan, 2018). Insgesamt zeigte sich, dass je stärker die Lehrkräfte überzeugt waren, für das Lernen der Schüler: innen mit Förderbedarf verantwortlich zu sein, und je stärker sie die Ursachen von Lernschwierigkeiten in der Umwelt und nicht im Kind sahen, desto eher differenzierten sie ihren Unterricht und desto häufiger wurden Lernende mit Förderbedarf in ihren Unterricht einbezogen. Auch wenn in der Studie nur die RLK befragt wurden, zeichnet sich ab, dass der Zusammenarbeit von RLK und SLK und wie sie die Verantwortung untereinander aufteilen, eine Bedeutung zukommt. 3 Umgang mit Leistungsheterogenität im Team Um mit Leistungsheterogenität umzugehen, gelten Maßnahmen zur inneren und äußeren Differenzierung als unerlässlich (Lindner, Nusser, Gehrer & Schwab, 2021). Allerdings ist es weitestgehend der Lehrkraft überlassen, wie sie ihren Unterricht differenziert. Sie kann unterschiedliche Zielsetzungen gewichten, z. B. Förderung der sozialen Integration, des Wohlbefindens oder akademischer Kompetenzen. Es wird davon ausgegangen, dass sich in den Differenzierungsmaßnahmen unterschiedliche Überzeugungen widerspiegeln können (Reusser & Pauli, 2014). Um den individuellen Bedürfnissen der Lernenden, z. B. durch Differenzierungsmaßnahmen, besser gerecht werden zu können, gilt die Zusammenarbeit von RLK und SLK als wichtig (Idel, Ullrich & Baum, 2012; Lütje-Klose & Urban, 2014). Ihr wird im wissenschaftlichen Diskurs eine große Bedeutung für gelingende Inklusion zugeschrieben (Grosche & Moser Opitz, 2023). Aus einer kompetenzorientierten Sicht wird angenommen, dass SLK und RLK nur gemeinsam über ausreichend Expertise verfügen, um die Ansprüche inklusiven Unterrichts zu erfüllen (Grosche, Fussangel & Gräsel, 2020), da sie sich durch ihre Ausbildung unterscheiden und die SLK bspw. über spezielles therapeutischdiagnostisches Wissen verfügt (Theobald & Cramer, 2022). Neben ihrer Ausbildung bringen RLK und SLK auch durch unterschiedliche berufliche Erfahrung unterschiedliche Kompetenzen in den Unterricht ein (ebd.). Die Zusammenarbeit bringt auch Herausforderungen mit sich, da die Fragen nach den Zuständigkeiten geklärt werden müssen. Im Inklusionsdiskurs wird betont, wie bedeutsam eine gleichberechtigte Zusammenarbeit mit gemeinsamer Verantwortungsübernahme für alle Lernenden sei, bei der sich die Zuständigkeitsbereiche überlappen, Rollenwechsel statt- VHN plus 4 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus finden und alle Aufgaben als gemeinsame Verantwortung gesehen werden (Lütje-Klose & Urban, 2014). In der Praxis zeigt sich jedoch, dass dies im inklusiven Unterricht kaum so gehandhabt wird, sondern dass RLK und SLK die Aufgaben meistens entlang ihrer jeweiligen Professionen aufteilen (Kreis, Wick & Kosorok Labhart, 2014; Melzer, Hillenbrand, Sprenger & Hannemann, 2015). RLK sind meistens für klassenbezogene Aufgaben, wie das Classroom Management und die fachliche Vorbereitung des Unterrichts zuständig (Kreis et al., 2014; Melzer et al., 2015), während SLK häufig Aufgaben, die einen Bezug zu Lernenden mit Förderbedarf haben, übernehmen und für das Diagnostizieren, Beraten und die individuelle Förderung zuständig sind (Kreis et al., 2014; Melzer et al., 2015; Quante & Urbanek, 2021). Die Aufteilung von Aufgaben und Zuständigkeiten von RLK und SLK spiegelt sich in der häufig beobachteten Zusammenarbeitsform one teach one assist wider, bei der die RLK meistens den Klassenunterricht leitet und die SLK assistiert, indem sie einzelne Lernende punktuell unterstützt (Pancsofar & Petroff, 2016; Spörer, Henke & Bosse, 2021). Bei solch einer Aufteilung wird kritisiert, dass die Verantwortung ungleich verteilt sei und die Expertise der SLK kaum in den Unterricht einfließen könne, wodurch das Potenzial der Zusammenarbeit nicht vollumfänglich genutzt werden kann (Grosche et al., 2020; Paulsrud & Nilholm, 2023). Diese Aufteilung von Zuständigkeiten kann dazu führen, dass RLK und SLK bestimmte Rollen einnehmen, die voneinander abhängen. Wenn die RLK sich allein für die Unterrichtsvorbereitung und -gestaltung zuständig sieht, muss sich die SLK den Gegebenheiten anpassen (Quante & Urbanek, 2021). Dies kann zu einer Marginalisierung der SLK, die sich dem Unterricht der RLK flexibel einordnen muss, führen. Ähnliches wurde in der BiLieF-Studie beobachtet, in der die Rollen von SLK in verschiedenen Settings analysiert wurden, um daraus verschiedene Typen von SLK zu rekonstruieren (Lütje-Klose, Neumann, Gorges & Wild, 2018): Neben der marginalisierten SLK rekonstruierten die Autor: innen den Typ des/ der sonderpädagogischen Experten/ Expertin mit den Aufgaben Diagnostizieren, Fördern und Beraten und die SLK als unsichere: r Partner: in, die durch seltene Anwesenheit in der Klasse nicht verlässlich zur Verfügung steht und sich nur wenig in der Klasse einbringen kann. Der Typ der gleichberechtigten SLK ist hingegen gemeinsam mit der RLK für alle Kinder zuständig und die Rollen von RLK und SLK überschneiden sich. Dieser Typ zeigte sich vor allem an Schulen, in denen die Lernenden eine positivere Kompetenzentwicklung und ein ausgeprägtes Wohlbefinden zeigten (ebd.). Aufgeteilte Verantwortung und Zuständigkeiten spiegeln sich häufig auch in der Wahl des Förderorts (innerhalb/ außerhalb des Klassenzimmers) wider. Eine überwiegend klassenexterne Förderung kann negative Effekte auf die Leistungsentwicklung und die soziale Integration haben (Cole et al., 2021; Wiener & Tardif, 2004). Jedoch scheint eine ausschließlich klassenintegrierte Förderung für die Leistungsentwicklung auch nicht optimal zu sein (Grob, Moser Opitz & Stöckli, 2022). Insbesondere wenn zwei Lehrkräfte in der Klasse sind, ist das Bilden von Leistungsgruppen mit der Förderung einer Gruppe außerhalb des Klassenzimmers eine häufige Maßnahme beim Umgang mit Leistungsheterogenität (Lindner & Schwab, 2020). Die Wahl von Formen der Förderung innerhalb des Klassenunterrichts versus Formen der Einzel- und Kleingruppenförderung außerhalb der Klasse erwies sich in der Studie von Luder (2021) als Hauptspannungsfeld für die Lehrkräfte im inklusiven Unterricht. Einerseits besteht ein normativer Druck, dass immer alle Lernenden gemeinsam im Klassenunterricht lernen, andererseits existiert der Wunsch nach gezielter Förderung, die nach Ansicht der Lehrkräfte besser in Kleingruppen- oder Einzelsettings umzusetzen sei. VHN plus 5 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus Zusammenfassend zeigt sich, dass im inklusiven Unterricht die Zusammenarbeit beider Professionen, die kollektive Verantwortungsübernahme für alle Lernenden und die gemeinsame Zuständigkeit für den Klassenunterricht als wichtig erachtet werden. In der Praxis werden jedoch die Zuständigkeiten häufig entlang der Professionen aufgeteilt. Insbesondere wenn sich solche Spannungsfelder zeigen, sind die Überzeugungen bedeutsam. Die Studie von Jordan (2018) verdeutlicht, dass die Überzeugungen der Lehrkräfte beim Umgang mit der heterogenen Schülerschaft die Unterrichtsgestaltung beeinflussen und es deshalb wichtig ist, diese zu untersuchen, wenn man mehr über die Bedingungen inklusiven Unterrichts und insbesondere den Umgang von Lehrkräften mit Leistungsheterogenität herausfinden möchte. Es fehlen jedoch Erkenntnisse zur Bedeutung der Überzeugungen, wenn die Lehrkräfte in Teams, bestehend aus RLK und SLK, unterrichten. Die vorliegende Studie setzt an dieser Stelle an, indem sie die Überzeugungen von Lehrkräften im inklusiven Unterricht, die im Team unterrichten, untersucht. Es wird analysiert, welche Überzeugungen sich bei den Lehrkräften zeigen, wenn sie ihren Unterricht und den Umgang mit Leistungsheterogenität beschreiben und wie diese Überzeugungen zusammenspielen. Ausgehend von den obenstehenden Ausführungen wird in dieser Studie folgenden Fragen nachgegangen: 1. Was sind für die RLK und SLK relevante Aspekte, wenn sie über ihren Umgang mit der Leistungsheterogenität im Mathematikunterricht berichten, und welche Überzeugungen in Bezug auf diese Aspekte zeigen sich in den Berichten? 2. Welche Überzeugungen im Umgang mit Leistungsheterogenität zeigen sich in den Teams? 3. Wie unterscheiden sich die Überzeugungen im Umgang mit Leistungsheterogenität der einzelnen Teams? 4 Methode 4.1 Datenerhebung Die Daten wurden im Rahmen der vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Studie „Professionelle Kompetenz von Schulischen Heilpädagoginnen bzw. Pädagogen und von Regellehrkräften im inklusiven Unterricht: Unterschiede und Auswirkungen auf die Schülerinnen und Schüler“ erhoben (Projektnr. 100019_175876). Eine RLK und eine SLK, die in einer Klasse zusammenarbeiten, wurden einzeln mittels strukturierter Leitfadeninterviews zwei Mal (Oktober/ November und Januar/ Februar) im Anschluss an Unterrichtsbeobachtungen zu ihrem Unterricht befragt. Die Unterrichtsbeobachtung wurde im Mathematikunterricht durchgeführt, weil in diesem Fach die Leistungsunterschiede als besonders herausfordernd beschrieben werden (Korff, 2015). Von jeder Lehrkraft lagen somit zwei Interviews vor, was die Reliabilität der Aussagen erhöht. Die Interviews wurden hinsichtlich verschiedener Aspekte inklusiven Unterrichts analysiert (fachdidaktische Kompetenz, Klassenführung, Zusammenarbeit). Für diese Teilstudie wurden Interviewausschnitte gewählt, in denen die Lehrkräfte berichten, wie sie mit Heterogenität, operationalisiert durch Förderbedarfe, umgehen. Der Förderbedarf der Lernenden in Mathematik war mit einem stufenspezifischen Mathematiktest zu Beginn des Schuljahres festgestellt worden. Die Unterrichtsbeobachtung und die Leitfragen bezogen sich auf einzelne Lernende mit festgestelltem Förderbedarf. Bei der Befragung der Lehrkräfte zu ihrem Unterricht und konkreten Situationen wurden die Lehrkräfte als Expert: innen für Unterricht und Lernen zu einem für sie relevanten Bereich befragt. Dadurch konnte ein Zugang auf ihr praxisbasiertes Handlungs- und Erfahrungswissen und die dahinterliegenden Überzeugungen geschaffen werden (Lamnek & Krell, 2016). In Hinblick auf die Fragestellungen dieser Studie sind die Antworten zu folgenden Leitfragen aus den Interviews relevant: VHN plus 6 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus ◾ Ich habe gesehen, dass ihr in Mathe den Kindern zum Teil unterschiedliche Aufgaben/ die gleichen Aufgaben gegeben habt. Kannst du mir dazu etwas sagen? ◾ Welches sind für dich zentrale Aspekte bezüglich der Förderung von Kind X (Kind mit Förderbedarf Mathe)? ◾ An welchen Lernzielen arbeitest du als RLK/ SLK mit Kind X? ◾ Mit welchen Mitteln willst du die Lernziele von Kind X in Mathe erreichen? Setzt du bestimmte Fördermaterialien, Konzepte oder Programme ein? ◾ Was ist für dich besonders herausfordernd bezüglich der Förderung von Kind X in Mathe? In den Antworten können sich Überzeugungen zum Umgang mit Leistungsheterogenität implizit zeigen. Weil nicht explizit nach den Überzeugungen gefragt wird, werden aus den Erzählungen insbesondere die impliziten Überzeugungen herausgearbeitet. Für die Analysen wurden die Interviews komplett transkribiert und Namen wurden anonymisiert. 4.2 Stichprobenauswahl Die Interviews wurden insgesamt mit 79 Teams geführt. Für diese Studie wurden fünf Teams, bestehend aus einer RLK und einer SLK, ausgewählt, in denen die Interviews besonders hohe Erzählanteile aufweisen. Bei der Fallauswahl wurde darauf geachtet, dass sich der Unterricht, den die Lehrkräfte beschreiben, möglichst unterscheidet. Wurde ein Interview analysiert, in dem die Lehrkraft überwiegend von der Arbeit mit niveaudifferenzierten Arbeitsblättern berichtet, dann wurde als Nächstes ein Fall mit einer anderen Vorgehensweise ausgewählt. Die Stichprobe für die Analysen umfasst die Lehrkräfte von drei dritten Klassen und zwei jahrgangsgemischten Klassen (dritte und vierte Klassenstufe; Tab. 1). Alle Lehrkräfte sind weiblich. Vier SLK gaben an, zwei Stunden pro Woche im Mathematikunterricht in der Klasse anwesend zu sein, und eine SLK arbeitete ein bis zwei Stunden im Mathematikunterricht mit. Die Klassenteams wurden nach Farben benannt. 4.3 Datenanalyse und -auswertung Um die Frage zu beantworten, wie Lehrkräfte mit der Leistungsheterogenität im inklusiven Mathematikunterricht umgehen und welche Aspekte für sie relevant sind, wurde eine qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt. Die qualitative Inhaltsanalyse ist ein kategoriengeleitetes Analyseverfahren. Kategorien sind Kurzformulierungen der Analyseaspekte, werden aus der Theorie (deduktiv) oder aus dem Ausgangsmaterial (induktiv) abgeleitet, können hierarchisch in Ober- und Klasse Schuljahr Alter RLK BE RLK Alter SLK BE SLK Gelb Grün Rot Blau Weiß 3/ 4 3 3 3/ 4 3 25 30 26 31 52 4 7 3 9 31 54 50 61 31 40 34 23 40 9 18 Anmerkung: BE: Berufserfahrung in Jahren Tab. 1 Merkmale ausgewählter Klassen und ihrer Lehrkräfte VHN plus 7 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus Unterkategorien geordnet werden und sind das eigentliche Instrumentarium der Analyse (Mayring & Fenzl, 2019). Das Vorgehen ist streng regelgeleitet und somit intersubjektiv überprüfbar. Für die Beantwortung der Fragestellungen der vorliegenden Studie wurde das Vorgehen der induktiven Kategorienbildung gewählt, das stark interpretativ ausgeführt wurde, um auch latente Sinngehalte, wie Überzeugungen, zu erfassen (Mayring & Fenzl, 2019). Ziel der Analyse war, aus den Beschreibungen und Erzählungen zum konkreten Unterricht zunächst wiederkehrende Themen (Aspekte) in Bezug auf den Umgang mit Leistungsheterogenität zu identifizieren. Diese bildeten die Oberkategorien. Aus der Art und Weise, wie über diese Aspekte berichtet wurde, wurden die Überzeugungen herausgearbeitet, die dem Handeln und Denken der Lehrkräfte vermutlich zugrunde lagen. Diese Überzeugungen bildeten die Subkategorien. Überzeugungen hinsichtlich der Zuständigkeiten beim Umgang mit Leistungsheterogenität lassen sich beispielsweise aus der Art und Weise ableiten, wie die Lehrkräfte Kinder bezeichnen (z. B. „meine Schäfchen“ oder „Kinder, die normalerweise bei Frau X sind“). Bei der Analyse der Interviewtranskripte wurden alle Äußerungen in Sinneinheiten gegliedert, paraphrasiert und anschließend interpretiert, um so den zugrunde liegenden Sinngehalt herauszuarbeiten. Begonnen wurde mit einem Fall und nach und nach wurden weitere Fälle hinzugenommen und mit bereits analysierten Interviews verglichen. Durch diese systematischen Fallvergleiche konnten Aspekte, die von allen Lehrkräften genannt wurden, identifiziert werden. Die Interviews wurden von beiden Autorinnen separat bearbeitet und anschließend diskutiert. Aus dieser interpretativen Auseinandersetzung mit den Interviewtexten im Team wurden Kategorien abgeleitet, die mit der Analyse weiterer Interviews ausdifferenziert und angepasst wurden und als eine „verdichtete Beschreibung erkannter Phänomene“ (Rädiker & Kuckartz, 2019, S. 69) verstanden werden können. Die Kategorien wurden thematisch geordnet und zu Oberkategorien zusammengefasst, sodass das Kategoriensystem bestehend aus fünf Ober- und 14 Unterkategorien erstellt werden konnte. Anschließend wurde das gesamte Material mit dem Kategoriensystem von beiden Autorinnen analysiert und von ihnen kommunikativ validiert. Zur Überprüfung der Übertragbarkeit des Kategoriensystems auf weitere Fälle wurden vier Interviews kodiert, die nicht in die Analyse einbezogen wurden. Die Aussagen der Lehrkräfte ließen sich den Kategorien zuordnen. Das Kategoriensystem ist somit auf weitere Fälle anwendbar. 5 Ergebnisse 5.1 Relevante Aspekte und Überzeugungen im Umgang mit Leistungsheterogenität Zuerst wurden die für die RLK und SLK relevanten Aspekte beim Umgang mit Leistungsheterogenität im Mathematikunterricht und die sich darin zeigenden Überzeugungen herausgearbeitet (Forschungsfrage 1). Die Hauptkategorien des Kategoriensystems in Tabelle 2 stellen die relevanten Aspekte dar, die in allen Interviews von den Lehrkräften implizit oder explizit thematisiert wurden: (A) Verantwortungsübernahme für die Schüler: innen, (B) Maßnahmen zur Differenzierung, (C) Orientierung (Zielsetzungen, Förderabsichten) bei der Förderung von Kindern mit Schwierigkeiten, (D) Rollenverständnis und (E) Handlungsoptionen im Hinblick auf Herausforderungen. Die Unterkategorien beschreiben die Überzeugungen der Lehrkraftin Bezug auf die jeweiligen Aspekte. VHN plus 8 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus Tab. 2 Kategoriensystem mit den Haupt- und Unterkategorien zur Beschreibung der relevanten Aspekte und Überzeugungen der einzelnen Lehrkräfte A) Verantwortungsübernahme für die Schüler: innen A1) Verantwortungsübernahme für das Lernen bestimmter Schüler: innen: Verantwortung ist im Team aufgeteilt, z. B. nach Leistungen oder diagnostiziertem Förderbedarf. RLK: Verantwortung für Kinder ohne Förderbedarf, SLK: ausschließlich für Lernende mit Förderbedarf bzw. Schwierigkeiten verantwortlich. A2) Verantwortungsübernahme für das Lernen aller Schüler: innen: Beide Lehrkräfte haben das Lernen aller Kinder im Blick, auch wenn sie sich in besonderer Verantwortung für bestimmte Lernende sehen, z. B. die SLK für Lernende mit Förderbedarf. B) Maßnahmen zur Differenzierung B1) Niveauzuordnung: Individualisiert wird hauptsächlich durch niveaudifferenzierte Aufgaben. Aufgaben mit unterschiedlicher Schwierigkeit werden eingesetzt und die Aufgabenmenge wird angepasst. Nach Ansicht der Lehrkräfte sind niveauadäquate Aufgaben für das Erreichen der Lernziele wichtig. Das Einschätzen des Niveaus von Aufgaben und die Zuweisung von Lernenden zu einem Niveau ist eine wichtige Tätigkeit der Lehrkräfte. B2) Individuelle Unterstützung: Die Lehrkräfte orientieren sich am individuellen Unterstützungsbedarf der Lernenden. Kinder mit Förderbedarf werden enger begleitet und stärker individuell unterstützt als Kinder ohne Förderbedarf, z. B. durch unterschiedliche Erklärungen und Anweisungen oder mit zusätzlichen Materialien. B3) Vielseitige Differenzierungsmaßnahmen: Die Lehrkraft differenziert durch die Unterrichtsgestaltung. Sie macht sich zwar auch Gedanken zu den Aufgaben (B1) und den individuellen Unterstützungsmaßnahmen (B2), aber ihre Überlegungen gehen darüber hinaus und beziehen sich auf die Struktur des Unterrichts, Sozialformen, Methoden und ihre Passung zu den Inhalten. C) Orientierung bei der Förderung von Kindern mit Schwierigkeiten: Zielsetzungen und Förderabsichten C1) Langfristig-verstehensorientiert: Die Lehrkraft strebt den Aufbau konzeptuellen Verständnisses an. Das zeigt sich daran, dass sie sich bei der Förderung auf fachdidaktisches Wissen bezieht, z. B. sollen die Lernenden zuerst die Basiskompetenzen bzw. die für eine Aufgabe notwendigen Kompetenzen erlangen, bevor sie darauf aufbauende Inhalte erwerben. Arbeitsmittel werden eingesetzt, um bei den Lernenden das Verständnis zu fördern und weniger, um Aufgaben zu lösen, die für sie ohne den Einsatz von Arbeitsmitteln noch zu schwierig sind. C2) Kurzfristig-punktuell: Die Lehrkraft verfolgt kein langfristig und systematisch aufgebautes Förderkonzept für Lernende mit Schwierigkeiten. Oft bekommen diese Lernenden die gleichen Aufgaben wie die anderen Kinder in der Klasse. Die Lehrkraft unterstützt die Kinder, wenn sie dabei Schwierigkeiten haben. Um kurzfristig für Erfolgserlebnisse zu sorgen, erhalten die Kinder weniger Aufgaben oder es werden Aufgaben vom Plan gestrichen. C3) Nicht fachlich: Im Vordergrund stehen fachunabhängige Ziele, z. B. selbstständiges Arbeiten, Arbeitsorganisation oder Motivation. Häufig beschreiben die Lehrkräfte Kompetenzen, die als Voraussetzung für die Planarbeit angesehen werden können. Dadurch scheinen fachliche Lernziele zweitrangig zu sein. D) Rollenverständnis: Vorstellungen der Lehrkräfte in Bezug auf ihre Rolle im Unterricht D1) Organisatorin: Die Lehrkräfte fühlen sich dafür zuständig, das Lernen der Kinder zu organisieren. Ihre Aufgabe im Unterricht ist das Zuteilen von Aufgaben, das Bereitstellen unterschiedlich schwieriger Arbeitsblätter und das Organisieren von Unterstützungsmaßnahmen durch andere Kinder oder Lehrkräfte. ▶ VHN plus 9 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus Die aus den Interviews induktiv erstellten Kategorien erlauben eine zusammenfassende Darstellung der Überzeugungen der einzelnen Lehrkräfte in Bezug auf die relevanten Aspekte. Die starke Orientierung der Lehrkräfte am individuellen Unterstützungsbedarf einzelner Kinder bei der Differenzierung (B2) und das Verfolgen nicht fachlicher Ziele (C3) zeigte sich nur bei den SLK. Die Rolle Assistentin der RLK (D3) konnte nur von den SLK eingenommen werden, während die Rolle der Organisatorin (D1) sich nur bei den RLK zeigte. Alle anderen Unterkategorien wurden sowohl für die RLK als auch SLK vergeben. 5.2 Beschreibung der Überzeugungen in den Teams Im Folgenden werden die Überzeugungen von drei Teams beim Umgang mit Leistungsheterogenität beschrieben. Die Überzeugungen der zwei weiteren Teams sind in Tabellen zusammengefasst (Tab. 3 und 4). Da sich bei den Analysen gezeigt hat, dass die Überzeugungen von RLK und SLK nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können, werden sie teamweise vorgestellt. 5.2.1 Team Gelb - die inklusionsbefürwortende RLK und die SLK, deren Rolle vom Förderort abhängt RLK Gelb übernimmt die Planung und Leitung des Klassenunterrichts und fühlt sich für die Förderung aller Kinder verantwortlich (A2). Wenn beide Lehrkräfte im Klassenzimmer anwesend sind, leitet RLK Gelb die gemeinsamen Sequenzen. SLK Gelb unterstützt einzelne Kinder individuell, vorzugsweise im Einzelsetting und außerhalb des Klassenzimmers (Tab. 5). Sie ist nach eigener Aussage für die „Schwächsten“ (SLK_Gelb, 45) zuständig (A2, B2). „[…] Ich habe, äh, sie abgeklärt mit dem BESMath [Mathematiktest]. Mehrmals. Ähm, qualitativ dann auch noch und hab eine Förderplanung gemacht. Und habe jetzt eigentlich im letzten Quartal vor den Sommerferien sehr oft zwanzig bis eine halbe Stunde separativ mit ihr gearbeitet. Und das mach ich schon dann im Gruppenraum […]“ (SLK_Gelb, 89ff.). SLK Gelb scheint sich als Fachvermittlerin zu sehen, weil sie sich bei der Förderung von Kindern mit Schwierigkeiten am fachlichen und langfristigen Lernen orientiert (C1, D2). Das zeigt sich bei der Beschreibung des Einsatzes des Diagnostikinstruments und der Förder- D2) Fachvermittlerin: Die Lehrkräfte sehen sich als Fachvermittlerinnen, ihre Hauptaufgabe ist die mathematische Förderung der Lernenden. Sie beschreiben, welche fachlich inhaltlichen Aspekte der Förderung ihnen wichtig sind und welche didaktischen Überlegungen sie sich machen. Ihre Aufgabe im Unterricht ist die Umsetzung der fachlichen Förderung. D3) Assistentin der RLK: Die SLK macht im Unterricht das, wofür die RLK sie eingeplant hat. Oft unterstützt sie Kinder mit Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Anforderungen der aktuellen Unterrichtsstunde, indem sie bei ihnen sitzt. Die Vorbereitung der Stunde geschieht durch die RLK. E) Handlungsoptionen in Hinblick auf Herausforderungen E1) Handlungsoptionen erkennbar: Die Lehrkräfte beschreiben Herausforderungen, die sie mit konkreten Maßnahmen angehen können. Aus ihrer Beschreibung geht hervor, dass sie Handlungsoptionen sehen, z. B. wird als herausfordernd beschrieben, dass ihnen geeignete Aufgaben und Materialien zur Differenzierung fehlen, sie aber auf der Suche danach sind. E2) Handlungsoptionen eingeschränkt: Die Lehrkräfte beschreiben Herausforderungen, die zu ändern nicht in ihrer Macht bzw. außerhalb ihrer Handlungsmöglichkeiten liegen, z. B. ausbleibende Lernerfolge aufgrund Eigenschaften des Kindes oder seines Elternhauses oder zu wenig zeitliche Ressourcen. ▶ VHN plus 10 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus inhalte. Sie versucht, die mathematischen Grundlagen zu festigen und einzelne Kinder, für die sie aufgrund des Förderbedarfs zuständig ist, diagnosegeleitet und zielgerichtet zu fördern. Diese Förderung führt sie weitgehend unabhängig vom Unterricht von RLK Gelb durch. Die SLK schildert die Problematik, dass die Kinder während der Förderung bei ihr einen Teil des Klassenstoffs verpassen. Die Lösung wären für sie mehr zeitliche Ressourcen mit Förderstunden im Einzelsetting (E2). RLK Gelb ist der Ansicht, dass durch einen niveaudifferenzierten Unterricht alle Lernenden innerhalb der Klasse unterrichtet werden können, und scheint sich für alle Lernenden verantwortlich zu fühlen (A2). Sie setzt im Klassenunterricht Formen der inneren Differenzierung ein. Sie sieht sich ebenfalls als Fachvermittlerin (D2) und überlegt auf organisatorischer sowie inhaltlicher Ebene, wie sie den Unterricht gestalten kann, um an den verschiedenen Lernvoraussetzungen der Kinder anzuknüpfen und sie verstehensorientiert zu fördern (B3, C1). Sie plant das Lernen mit- und voneinander ein, damit die „Starken“ und „Schwachen […] voneinander profitieren können“ (RLK_Gelb, 13f.). Sie schildert Herausforderungen beim Unterrichten von Lernenden mit Förderbedarf und wie sie versucht, diesen zu begegnen (E1): „Dort muss man viel mehr schauen, dass sie nicht abhängt. … Dass man dort halt wie immer wieder ein Übungsformat findet, wie jetzt zum Beispiel mit der Math- Welt-App, bei der sie am Tablet arbeiten kann“ (RLK_Gelb, 124ff.). Die von der SLK bevorzugte Einzelförderung in einem separaten Raum sieht sie kritisch: „Und nachher im Unterricht, wenn man sie rausnimmt, das macht sie nur unsicherer, als sie schon ist. Also dann muss man im Unterricht mit ihr zusammen schauen. Am besten arbeitet sie mit einem Kind, das es ihr erklären kann. Sie erklärt selber auch sehr gerne“ (RLK_Gelb, 33ff.). Bis zur zweiten Befragung hat sich die Situation verändert und die Förderung des Kindes im Einzelsetting wurde aufgegeben, wahrscheinlich auf Wunsch der Eltern und der RLK Gelb. Die Aufgabe von SLK Gelb hat sich dadurch verändert. In diesem neuen Unterrichtssetting innerhalb der Klasse scheint sie keine Möglichkeit zu sehen, ihren Überzeugungen als Fachvermittlerin entsprechend zu handeln. Durch das neue Setting ändert sich ihr Rollenverständnis. Nun assistiert sie der RLK (D3) und sieht sich für die punktuelle Unterstützung eines Kindes mit Förderbedarf im Rahmen des Klassenunterrichts zuständig (C2). Eine gezielte Aufarbeitung von fehlenden Kenntnissen scheint der SLK in diesem Setting nicht möglich zu sein. 5.2.2 Team Blau - gemeinsame Verantwortung, gemeinsames Unterrichten Der Unterricht in Klasse Blau ist von der RLK und SLK gemeinsam verantwortet. Auch wenn die Aufgaben überwiegend den Professionen entsprechend aufgeteilt sind - der Klassenunterricht wird hauptsächlich von RLK Blau geplant und organisiert, SLK Blau ist vor allem für die Förderung der Lernenden mit Förderbedarf zuständig -, fühlen sich beide Lehrkräfte für das Lernen aller Schüler: innen verantwortlich (A2). RLK Blau hat den Unterricht mit Matheplänen so organisiert, dass sie Zeit findet, um mit wechselnden Kleingruppen individuell zu arbeiten, um so allen Lernenden auch während Abwesenheit der SLK möglichst gerecht zu werden (B3). Ist SLK Blau im Unterricht anwesend, so wird sie in den Unterricht miteinbezogen und unterstützt alle Lernenden. Sie sieht sich in besonderer Verantwortung für die Lernenden mit Förderbedarf, hat aber gleichzeitig das Lernen der gesamten Klasse im Blick. Sie weiß über die fachlichen Inhalte des Klassenstoffs Bescheid und ist in die Planung miteingebunden. „In diesen Aufgaben gibt es eben VHN plus 11 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus die Routineaufgaben und es gibt aber auch die Einführungen, dort steht meistens lesen und dann der Lehrperson erklären. Und da gibt es dann häufig eben Gruppen, wo wir uns aufteilen und wo dann sagen, ja, ihr kommt dann alle zusammen und erklärt es entweder der Klassenlehrperson oder mir“ (SLK_Blau, 18ff.). Die Ergebnisse der diagnostischen Tests, die SLK Blau bei Kindern mit Schwierigkeiten einsetzt, werden im Team besprochen und für die weitere Unterrichtsplanung genutzt (C1, B3). „Wenn die Kinder [im Test] in der Geometrie fast keine Punkte haben, ist es ein guter Gesprächsanlass zu fragen, hast du eine Idee warum (…). Das führt zu interessanten Gesprächen für die Jahresplanung, es ist halt unser Auftrag, dass wir miteinander lernen die Schwerpunkte zu setzen als Team“ (SLK_Blau, 391ff.). Beide Lehrkräfte betonen, dass es ihnen wichtig ist, dass die Lernenden ein tiefgehendes Verständnis der mathematischen Inhalte und Konzepte erwerben (C1, D2). Auch wenn es so scheint, dass die RLK und SLK hinter der Planarbeit stehen und diese so organisieren, dass sie den unterschiedlichen Leistungen der Lernenden gerecht werden, betrachten sie ihren Unterricht auch kritisch: z. B. weist die SLK Blau auf die Gefahr hin, dass die Kinder durch die selbstständige Planarbeit vor allem auf der formalen Ebene arbeiten. Auch die RLK spricht im ersten Interview von der Herausforderung, Aufgaben in den Plan zu integrieren, bei denen die Lernenden mit Material handeln können „ohne dass dann der Rest der Gruppe gestört wird“. Im zweiten Interview beschreibt sie Maßnahmen, die sie umgesetzt hat, um diesen Herausforderungen im Unterricht zu begegnen (E1). Die Analysen zeigen, dass RLK Blau und SLK Blau gemeinsam die Verantwortung für das Lernen der Kinder übernehmen, Zuständigkeiten in Bereichen wie Diagnostik aufteilen, in anderen Bereichen des Unterrichts jedoch flexibel mit den Zuständigkeiten umgehen. 5.2.3 Team Grün - gezielte Förderung ausgewählter Kinder außerhalb der Klasse RLK Grün und SLK Grün haben die Verantwortung für die Lernenden und die damit einhergehenden Aufgaben klar aufgeteilt (Tab. 5). RLK Grün ist für den Unterricht der Lernenden ohne Förderbedarf (A1), SLK Grün ist für die Förderung einer fixen Gruppe von drei Lernenden mit Förderbedarf zuständig (A1), die im Nebenraum stattfindet. Bei Abwesenheit von SLK Grün arbeiten diese Kinder so weit wie möglich am Klassenstoff mit, wobei sie punktuell durch RLK Grün oder andere Lernende unterstützt werden (C2): „Ich versuch dann einfach nach bestem Können auch den sehr schwachen Kindern […] zu helfen oder versuche dann manchmal auch noch andere Kinder einzubinden, die diese Kinder unterstützen können“ (RLK_Grün, 8ff.). Das Zitat verdeutlicht, dass sich RLK Grün nicht ausreichend qualifiziert fühlt, Kinder mit Förderbedarf in der Klasse zu unterstützen. Ihre Handlungsmöglichkeiten sieht sie insbesondere bei Kindern mit größeren Verständnisproblemen eingeschränkt (E2). „Ich versuche dem Kind zu helfen, ich hole noch Material, ich erkläre es auf drei verschiedenen Wegen und wenn ich dann merke, das Kind versteht es einfach immer noch nicht (…) dann tausch ich mich gerne mit meiner Heilpädagogin aus, hole mir Tipps, aber wir sind manchmal auch beide da und wissen nicht wie weiter“ (RLK_Grün, 110ff.). RLK Grün organisiert das Lernen der Schüler: innen mit Plänen (D1). Bei der Aufgabenauswahl orientiert sie sich am Schulbuch, das Aufgaben mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden bereithält. Zudem erhalten die Kinder unterschiedlich umfangreiche Pläne. RLK Grün betont, dass die Planarbeit das selbstständige Arbeiten der Kinder erfordere, und nennt als primäres Lernziel für ein Kind mit Förderbedarf das selbstständige Arbeiten am Matheplan. Inhaltliche Ziele nennt sie nicht (C3). „Also im Moment sind wir gerade daran, VHN plus 12 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus dass sie selbstständig am Matheplan arbeiten kann. Das heißt nicht, dass sie es alleine lösen muss, sondern das beginnt schon mit dem Matheplan hervornehmen, diesen lesen können und wissen, welches Buch sie braucht, welches Arbeitsheft, welches Blatt, wo was ist. Den Plan lesen zu können, welche Seite und schon das ist für sie anspruchsvoll“ (RLK_Grün, 50ff.). SLK Grün fühlt sich für die fachliche Förderung (D2) der klar definierten Gruppe der Lernenden mit Förderbedarf zuständig, die sie individuell unterstützt (B2) und zielgerichtet und verstehensorientiert fördert (C1). Sie passt die Aufgaben aus dem Klassenunterricht individuell für die Lernenden an und versucht, die Aufgaben mit der Förderung mathematischer Basiskompetenzen zu verbinden. SLK Grün betont, dass die Kinder bei ihr die gleichen Aufgaben wie die Kinder in der Klasse bearbeiten würden und dass nach dem Aufarbeiten von Lücken rasch wieder an den Lernzielen der Klasse gearbeitet würde. Ihr Anspruch ist das Schließen der Lücke zwischen dem Lernstand der Kinder mit Förderbedarf und der Kinder in der Klasse. Herausfordernd für SLK Grün ist, dass sie diesen Anspruch nicht einlösen kann, sondern dass - im Gegenteil - „die Schere“ zwischen den Kindern „die davonhuschen“ und Kindern, die „noch nirgends sind im Basisstoff “, immer größer wird. Ihre Handlungsoptionen, dieser Herausforderung zu begegnen, scheinen begrenzt zu sein. Sie beklagt fehlende zeitliche Ressourcen, um „etwas Sinnvolles zustande“ zu bringen. Obwohl die Förderung thematisch an den Klassenunterricht angebunden ist, scheint SLK Grün keine Fortführung der Förderung durch RLK Grün im Rahmen des Klassenunterrichts zu erwarten. Stattdessen setzt die SLK auf zusätzliches Üben zu Hause und die Unterstützung durch die Eltern. Auch sieht sie mangelnde Konzentrationsfähigkeit oder fehlendes „Potenzial“ der Kinder als Ursachen für den ausbleibenden Erfolg der Förderung. Die ihrer Meinung nach zu geringen Lernfortschritte erklärt die SLK also mit Faktoren, auf die sie selbst keinen Einfluss hat (E2). 5.2.4 Team Rot und Team Weiß Die Überzeugungen der Teams Rot und Weiß sind in den Tabellen 3 und 4 stichpunktartig aufgeführt und ebenfalls in Tabelle 5 zusammengefasst. Im Team Rot fühlt sich die RLK für alle Kinder verantwortlich (A2). Ihr Unterricht zeichnet sich durch das Arbeiten an Plänen aus (B1). Kinder mit Schwierigkeiten sitzen an einem „Lerntisch“ in der Nähe der RLK und erhalten einfachere Aufgaben, damit sie möglichst selbstständig arbeiten können. SLK Rot übernimmt die Verantwortung für die Lernenden mit Förderbedarf (A1) und unterrichtet sie außerhalb der Klasse. Für die Förderung nimmt sie viele Materialien mit und entscheidet spontan die Inhalte der Förderung. In Team Weiß plant die RLK den Unterricht, erstellt Arbeitspläne (D1, B1), bestimmt die Lernziele und plant die SLK zur Unterstützung der Kinder ein, die auf dem „niedrigsten Niveau“ arbeiten (A1). Die SLK übernimmt diese Aufgabe und ist in die Unterrichtsplanung nicht einbezogen. Team Weiß zeichnet sich dadurch aus, dass RLK und SLK mit ihren Zuständigkeiten und ihrer Rolle zufrieden sind. Tab. 3 Überzeugungen im Team Rot RLK Rot SLK Rot Verantwortungsübernahme Verantwortung für alle Schüler: innen Bindet bei Abwesenheit der SLK Kinder mit Schwierigkeiten in den Unterricht ein, ansonsten Abgabe der Verantwortung Verantwortung für bestimmte Schüler: innen Für einzelne Kinder mit Förderbedarf ▶ VHN plus 13 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus RLK Rot SLK Rot Differenzierungsmaßnahmen Niveauzuordnung Niveaudifferenzierte Arbeitsblätter, die die Klassenführung erleichtern sollen Individuelle Unterstützung Bevorzugt Einzelförderung, weil nur so jedes Kind auf seinem individuellen Niveau lernen kann Orientierung bei der Förderung von Kindern mit Schwierigkeiten kurzfristig-punktuell Förderung zielt auf unspezifische mathematische Kompetenzen und Automatisieren; Bereitstellen vereinfachter Aufgaben, die die Kinder möglichst selbstständig bewältigen können kurzfristig-punktuell Möchte Kinder individuell und der aktuellen Lehr- Lernsituation angepasst fördern, was sich aus ihrer Sicht nicht mit langfristig geplanter Förderung vereinbaren lässt; Stellt „Broschüren“ ohne inhaltliche Anbindung an die Förderung zusammen, damit sich die Kinder während ihrer Abwesenheit „einigermaßen beschäftigen“ können Rollenverständnis Organisatorin Stellt niveaudifferenzierte Arbeitsblätter, didaktische Materialien bereit und hat einen „Lerntisch“ eingerichtet, an dem sie Kinder mit Schwierigkeiten enger begleitet; Niveaudifferenzierte Arbeitsblätter zur Erleichterung der Klassenführung Fachvermittlerin Zuständig für situationsangepasste individuelle fachliche Förderung im Einzelsetting Handlungsoptionen in Hinblick auf Herausforderungen Handlungsoptionen eingeschränkt durch eigene Kompetenzen: kein Einblick in das Denken der Kinder möglich Handlungsoptionen eingeschränkt durch mangelnde zeitliche Ressourcen: zu wenig Förderstunden; Gruppengröße: keine Einzelförderung möglich; Eigenschaften des Kindes: fehlende Arbeitshaltung ▶ Tab. 4 Überzeugungen im Team Weiß RLK Weiß SLK Weiß Verantwortungsübernahme Verantwortung für alle Schüler: innen Bindet bei Abwesenheit der SLK Kinder mit Schwierigkeiten in den Unterricht ein, ansonsten Abgabe der Verantwortung Verantwortung für bestimmte Schüler: innen Fühlt sich ausschließlich für die Lernenden zuständig, die „im tiefsten Niveau eingeteilt“ sind (SLK Weiß, 89) Differenzierungsmaßnahmen Niveauzuordnung Kindern werden Pläne mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad und Umfang zugeordnet; Hilfsmittel für Lernende mit Schwierigkeiten zur Aufgabenbewältigung; RLK und SLK greifen korrigierend ein, wenn ein Kind „sich ein völlig falsches Blatt auswählt, [das] dann zu schwierig ist“ (SLK Weiß, 9ff.). ▶ VHN plus 14 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus 5.3 Gegenüberstellung der Überzeugungen in den Teams und deren Unterrichtsgestaltung Zur Beantwortung der Forschungsfrage, wie sich die Überzeugungen im Umgang mit Leistungsheterogenität in den Teams unterscheiden (Frage 3), sind in Tabelle 5 die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Überzeugungen hinsichtlich Verantwortungsübernahme und der eigenen Rolle innerhalb der Teams aufgeführt. Zudem erfolgt eine kurze Beschreibung des Unterrichts in den jeweiligen Klassen, um Muster in den Überzeugungen und Unterrichtsmerkmalen sichtbar zu machen. Die Tabelle verdeutlicht, dass im Team, in dem beide Lehrkräfte für alle Lernenden die Verantwortung übernehmen, ein gemeinsamer Unterricht stattfindet. In den anderen Teams, in denen sich RLK und/ oder SLK nicht für alle verantwortlich fühlen, wird kaum gemeinsames Lernen ermöglicht. Außerdem sehen sich die RLK häufig als Organisatorinnen. Wenn sich die SLK als Assistentinnen sehen, fühlen sie sich hier nur für bestimmte Lernende verantwortlich. In den Klassen Blau und Gelb werden die Lernenden mit und ohne Förderbedarf überwiegend innerhalb der Klasse unterrichtet, auch wenn die SLK anwesend ist. In diesen beiden Klassen sehen sich die RLK als Fachvermittlerinnen und nicht nur als Organisatorinnen. Sie versuchen den Leistungsunterschieden der Lernenden gerecht zu werden, indem sie verschiedene Differenzierungsmaßnahmen ergreifen, die über eine organisatorische Ebene hinausgehen. Sie planen Partnerarbeit, Austauschphasen in Gruppen und in der Gesamtklasse ein und messen dem Lernen mit- und voneinander einen hohen Stellenwert bei. RLK Gelb und RLK Blau haben sehr ähnliche Einstellungen und Überzeugungen. Der Umgang mit Leistungsheterogenität im Unterricht in ihren Klassen ist jedoch trotzdem unterschiedlich - bedingt durch die unterschiedlichen Überzeugungen der Kooperationspartnerinnen. In Klasse Blau fühlen sich sowohl RLK als auch SLK für den Klassenunterricht zuständig und für alle Lernenden verantwortlich. SLK Blau ist in die Planung und Durchführung miteingebunden und die Lernenden mit Förderbedarf haben die Möglichkeit, mit anderen Lernenden zu interagieren, auch wenn die SLK anwesend ist. In Klasse Gelb hingegen ist die SLK RLK Weiß SLK Weiß Orientierung bei der Förderung von Kindern mit Schwierigkeiten Nicht fachlich Ziel: selbstständiges Arbeiten und Arbeitsorganisation kurzfristig-punktuell Ziel, dass das Kind den Anschluss an die Klasse nicht verliert Rollenverständnis Organisatorin Versucht anhand von Plänen und niveaudifferenzierter Aufgaben auf organisatorischer Ebene alle Lernenden einzubinden; übernimmt Rolle der SLK als unterstützende Lernbegleiterin, wenn diese abwesend ist Assistentin Unterstützende Lernbegleiterin für Lernende mit Förderbedarf Handlungsoptionen in Hinblick auf Herausforderungen Handlungsoptionen eingeschränkt durch fehlende Unterstützung durch Eltern; „chaotisches Wesen“ des Kindes Handlungsoptionen eingeschränkt durch mangelnde zeitliche Ressourcen für Förderung ▶ VHN plus 15 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus Verantwortung für Rolle Unterrichtssetting Weitere Unterrichtsmerkmale alle bestimmte RLK Blau × Fachvermittlerin Gemeinsames Unterrichten innerhalb der Klasse ◾ gemeinsame Lernsituationen von RLK und SLK geplant ◾ langfristig geplante Förderung aller Kinder durch RLK und SLK innerhalb der Klasse SLK Blau × Fachvermittlerin RLK Gelb × Fachvermittlerin Getrenntes Unterrichten innerhalb und außerhalb der Klasse ◾ gemeinsame Lernsituationen von RLK geplant ohne Einbezug der SLK ◾ in der Klasse: punktuelle Unterstützung einzelner Kinder durch SLK ◾ außerhalb der Klasse: gezielte Förderung einzelner Kinder durch SLK SLK Gelb × Fachvermittlerin/ Assistentin RLK Grün × Organisatorin Getrenntes Unterrichten außerhalb der Klasse ◾ Kinder mit Förderbedarf kaum eingebunden in Klassenunterricht ◾ langfristig geplante Förderung einzelner Kinder durch SLK außerhalb der Klasse SLK Grün × Fachvermittlerin RLK Rot × Organisatorin Getrenntes Unterrichten außerhalb der Klasse ◾ SLK fördert außerhalb der Klasse: spontane, situationsangepasste Förderung, kaum anschlussfähig an Klassenunterricht SLK Rot × Fachvermittlerin RLK Weiß × Organisatorin Getrenntes Unterrichten innerhalb der Klasse ◾ RLK plant und leitet Unterricht, plant SLK als Assistentin ein ◾ SLK passt sich den von der RLK geschaffenen Strukturen an SLK Weiß × Assistentin Tab. 5 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Überzeugungen hinsichtlich Verantwortungsübernahme und Rolle und Unterrichtsmerkmale in den Teams VHN plus 16 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus im Klassenunterricht als Assistentin tätig und fühlt sich ausschließlich für die „Schwächsten“ verantwortlich. Sie ist an der Planung und Durchführung des Unterrichts nicht beteiligt. Das Beispiel von SLK Gelb verdeutlicht, dass eine Lehrkraftin verschiedenen Settings unterschiedliche Überzeugungen hinsichtlich ihrer Rolle haben kann. SLK Gelb sieht sich im Klassensetting als Assistentin, die Kinder mit Förderbedarf kurzfristig-punktuell unterstützt, und im Einzelsetting als Fachvermittlerin, die einzelne Kinder langfristig und verstehensorientiert fördert. Im Team Grün fühlen sich RLK und SLK für jeweils unterschiedliche Kindergruppen verantwortlich. So kann SLK Grün bei der Förderung einzelner Kinder ihre Expertise zwar einbringen, doch scheint diese Expertise nicht für den Unterricht und das Lernen der Kinder ohne Förderbedarf genutzt zu werden. Im Team Blau sind die Zuständigkeiten nicht so stark an die Professionen gebunden wie in den anderen Teams, sondern scheinen von den jeweils gewählten Unterrichtsaktivitäten und -phasen abzuhängen und somit flexibler zu sein. In den anderen Teams orientieren sich die Lehrkräfte stärker an den Professionen und die Zuständigkeiten sind zwischen der RLK und SLK klarer und dauerhafter aufgeteilt. In diesen Teams fühlen sich die SLK ausschließlich für die Lernenden mit Förderbedarf verantwortlich. Die RLK übernehmen zwar mehrheitlich die Verantwortung für alle Lernenden, jedoch - mit Ausnahme von RLK Gelb - vorwiegend auf organisatorischer Ebene. Wenn die SLK anwesend ist, geben sie die Verantwortung für die Lernenden mit Förderbedarf an die SLK ab. 6 Diskussion Diese Studie liefert Erkenntnisse zum gemeinsamen Unterricht in inklusiven Klassen, indem sie beschreibt, wie Teams aus RLK und SLK mit Leistungsheterogenität umgehen und welche Überzeugungen sich in Aspekten zeigen, die für sie dabei von Bedeutung sind. Für die Lehrkräfte haben sich beim Umgang mit Leistungsheterogenität folgende Aspekte als relevant erwiesen: Verantwortungsübernahme, Differenzierungsmaßnahmen, Förderabsichten, Rollenverständnis und Handlungsoptionen beim Umgang mit Herausforderungen. Hinsichtlich dieser Aspekte zeigen sich in den Teams aus RLK und SLK unterschiedliche Überzeugungen. Die Gegenüberstellung von RLK und SLK sowie der Teams zeigt, dass die Überzeugungen von RLK und SLK nicht unabhängig voneinander gesehen werden können, sondern dass für die Unterrichtsgestaltung das Zusammenspiel der Überzeugungen beider Lehrkräfte ausschlaggebend ist. Für das gemeinsame Unterrichten und die Zusammenarbeit von RLK und SLK unter Berücksichtigung des Umgangs mit Leistungsheterogenität scheinen vor allem Überzeugungen in Bezug auf die Verantwortungsübernahme und ihr Rollenverständnis von Bedeutung zu sein. In dieser Studie zeigte sich in fast allen Teams, wie bereits in anderen Studien beschrieben, die Aufteilung der Verantwortlichkeit für das Lernen der Kinder und die Zuständigkeiten für bestimmte Aufgaben: Die RLK ist für klassenbezogene Aufgaben zuständig und die SLK für die Förderung der Lernenden mit Förderbedarf (Kreis et al., 2014; Melzer et al., 2015). Die Abhängigkeit der Rollen von RLK und SLK zeigt sich besonders, wenn die beiden Lehrkräfte zeitweise gemeinsam in der Klasse unterrichten und zeitweise die SLK einige Kinder außerhalb der Klasse unterrichtet (Team Gelb): Wenn die SLK zusammen mit der RLK in der Klasse ist, nimmt die SLK eine andere Rolle ein, als wenn sie Lernende außerhalb der Klasse fördert. Wie in anderen Studien beschrieben, sehen sich einige SLK in der Klassensituation als Assistentin (Pancsofar & Petroff, 2016; Spörer et al., 2021). Bauer (2014) beschreibt dieses Phänomen als ein strukturelles Machtgefälle zwischen der RLK und der SLK, weil die RLK die dominante Leitprofession einnimmt und die SLK ergänzend unterstützt. Solch eine Aufteilung der Ver- VHN plus 17 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus antwortlichkeit und Zuständigkeit zeigt sich in der Beschreibung des Unterrichts. In Klassen, in denen die RLK die Verantwortung für Lernende mit Förderbedarf an die SLK abgeben und sich die SLK ausschließlich für diese Lernenden verantwortlich fühlt, wird das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Förderbedarf kaum ermöglicht oder initiiert. Zudem kann ein dauerhafter Fokus der SLK auf bestimmte Lernende zu Etikettierungen und einer Reproduktion von Differenz und Exklusion führen (Widmer-Wolf, 2018; Lütje-Klose et al., 2018). Neben der Verantwortungsübernahme erwies sich das Rollenverständnis der Lehrkräfte im Unterricht als bedeutsam für die Unterrichtsgestaltung. In den Ergebnissen zeigte sich, dass sich die RLK oft in der Rolle der Organisator: innen sehen, die methodische und organisatorische Maßnahmen treffen, häufig in Form von Planarbeit. Da dabei das selbstständige Bewältigen der Aufgabe besonders wichtig ist, kann es sein, dass die fachlichen Ziele in den Hintergrund treten. Treten Probleme auf, erhalten die Lernenden einfachere oder weniger Aufgaben, was dazu führen kann, dass Kinder mit Schwierigkeiten häufig ein stark reduziertes Lernangebot erhalten (Trautmann & Wischer, 2011). Auch die Rolle, die die SLK im Unterricht einnimmt, scheint das Lernangebot der Kinder mit Förderbedarf zu beeinflussen. Sieht sich die SLK als Assistent: in, besteht die Gefahr, dass sie die Kinder punktuell und spontan unterstützt, jedoch keine langfristig geplante Förderung durchführt (Spörer et al., 2021). Zudem kann sie ihre Expertise als SLK so kaum einbringen und diese kommt auch nur wenigen Kindern zugute. Gerade im inklusiven Unterricht müssen für einen qualitativ hochwertigen Unterricht die Expertise von RLK und SLK zusammenkommen (Grosche et al., 2020), was bedeutet, dass die Expertise der SLK allen Kindern der Klasse zugutekommen sollte. Dies ist jedoch kaum möglich, wenn die SLK Lernende mit Förderbedarf ausschließlich außerhalb der Klasse unterrichtet oder die Rolle der Assistentin bzw. des Assistenten einnimmt (Grosche et al., 2020; Paulsrud & Nilholm, 2023). Die Ergebnisse deuten also darauf hin, dass es für einen gemeinsamen Unterricht wichtig ist, dass die RLK und SLK die Verantwortung für das Lernen aller Lernenden übernehmen, dass die RLK und SLK sich absprechen, austauschen und ihre Zuständigkeiten aushandeln, sodass die SLK nicht nur für die Lernenden mit Förderbedarf zuständig ist. Werden die Zuständigkeiten nicht klar aufgeteilt und einer Profession zugeteilt, sondern flexibel und abhängig von den Aufgaben der Lernenden und den Unterrichtsphasen verstanden, dann kann die SLK zum einen ihre Expertise einbringen, und zum anderen ist eine wichtige Voraussetzung für die Gestaltung gemeinsamer Lernsituationen erfüllt (Widmer-Wolf, 2018). Das Zusammenkommen der Expertise von RLK und SLK scheint auch für den Umgang mit den Herausforderungen, die sich im Zusammenhang mit Leistungsunterschieden ergeben, von Bedeutung zu sein. Insbesondere wenn sie die Expertise nicht gemeinsam für Unterricht und Förderung nutzen, beschränkt sich die Förderung auf die meist wenigen Stunden, die die SLK anwesend ist. Dadurch scheint die Zahl der Förderstunden nie auszureichen, um die Kinder zu fördern und die gewünschten Fortschritte zu erzielen (Lütje-Klose et al., 2018). Diese Lehrkräfte scheinen keine Handlungsoptionen zu sehen, um mit der Herausforderung der beschränkten Ressourcen umzugehen. In ähnlicher Weise beschreibt Jordan (2018) einen Typ von Lehrkraft, der frustriert ist aufgrund unzureichender eigener Expertise, zur Verfügung stehender Zeit und Unterstützungsmöglichkeiten. Dem stehen Lehrkräfte gegenüber, die im Zusammenhang mit Herausforderungen Handlungsoptionen erwähnen, um diesen innerhalb ihrer Möglichkeiten zu begegnen (Reiss-Semmler, 2019). In der vorliegenden Studie war dies bei drei Lehrkräften der Fall (RLK und SLK Blau, RLK Gelb). Diese Lehrkräfte schienen ihren Unterricht besonders reflektiert zu betrachten. VHN plus 18 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus In den Analysen wurde deutlich, dass eine klassenintegrierte Förderung nicht bedeutet, dass auch gemeinsames Lernen möglich ist. Sitzt bspw. die SLK häufig bei bestimmten Kindern, kann für diese Kinder durch die enge Begleitung die Interaktion mit anderen Kindern erschwert werden (Spörer et al., 2021). Dennoch ist der gemeinsame Lernort die Voraussetzung für gemeinsames Lernen. In dieser Studie wird das gemeinsame Lernen von Lernenden mit und ohne Förderbedarf innerhalb der Klasse nur von einem Team und einer RLK geplant (Team Blau und RLK Gelb). Da sich gemeinsame Lernsituationen selten spontan ergeben, lässt sich vermuten, dass in den anderen Klassen kaum gemeinsames Lernen stattfindet, selbst dann, wenn alle Lernenden innerhalb der Klasse unterrichtet werden. Dennoch ist ein gewisses Potenzial für Interaktionen und das Lernen mit- und voneinander in einigen Klassen durchaus vorhanden: In Klasse Grün, in der RLK und SLK überwiegend getrennt voneinander unterrichten, differenziert die SLK die Inhalte, indem sie die Förderung der Grundlagen an die Aufgaben im Klassenunterricht anknüpft. Würde sie mit der RLK gemeinsam den Unterricht planen, wäre die Gestaltung von gemeinsamen Einstiegs- und Reflexionsphasen möglich. Das könnte auch in der Klasse Weiß umgesetzt werden, wenn die SLK die Rolle der Fachvermittlerin und nicht der Assistentin einnehmen würde. 7 Limitationen Der Studie liegt die Annahme zugrunde, dass die Überzeugungen das Handeln der Lehrkräfte beeinflussen. Das Handeln wird aber auch von weiteren Faktoren beeinflusst, z. B. den Rahmenbedingungen, Erfahrungen und weiteren Überzeugungen, die in den Interviews dieser Studie nicht zutage traten. Insbesondere belastende Rahmenbedingungen könnten dazu geführt haben, dass Lehrkräfte nicht ihren Überzeugungen entsprechend handeln (Leuchter et al., 2006). Dass einige Aspekte von allen Lehrkräften thematisiert wurden, ist auch durch die Interviews bedingt. Die Lehrkräfte wurden aufgefordert, den Einsatz gleicher oder unterschiedlicher Aufgaben im beobachteten Unterricht zu erläutern. Dadurch erwies sich die Differenzierung als relevanter Aspekt. Es ist aber zu vermuten, dass dieser Aspekt sich auch ohne entsprechende Erzählaufforderung als relevant erwiesen hätte, weil sich die von den Lehrkräften berichteten Differenzierungsmaßnahmen nicht nur auf die Aufgabenauswahl bezogen. Bei der Interpretation der Ergebnisse muss zudem die freiwillige Teilnahme der Lehrkräfte berücksichtigt werden. Da die Studie die gemeinsame Teilnahme von RLK und SLK erforderte, haben sich wahrscheinlich vorwiegend Teams gemeldet, die grundsätzlich gut zusammenarbeiten können. Diese Selbstselektionseffekte schränken die Übertragung der Ergebnisse auf andere Teams ein, zumal es sich um eine sehr kleine Stichprobe handelt. Die Reliabilität der Ergebnisse hätte durch die Überprüfung von unabhängigen Kodierer: innen bestätigt werden können. In den Analysen nicht berücksichtigt wurden das Alter und die Berufserfahrung der Lehrkräfte, die mit bestimmten Überzeugungen zusammenhängen könnten. 8 Fazit und weiterführende Fragen Die Studie gibt Hinweise darauf, dass für die Unterrichtsgestaltung von Bedeutung ist, ob sich die Lehrkräfte für alle Lernenden verantwortlich fühlen, welches Rollenverständnis sie haben und ob die Zuständigkeiten klar aufgeteilt oder flexibel sind. Wie der Unterricht gestaltet wird, scheint nicht nur von den Überzeugungen der einzelnen Teammitglieder abzuhängen, sondern auch von deren Zusammenspiel. Welche Prozesse auf Teamebene ablaufen, wie die Lehrkräfte Zuständigkeiten und Rollen aushandeln, konnte in dieser Studie nicht untersucht werden. Interessant wäre zu untersuchen, was zu den Überzeugungen der einzelnen Lehrkräfte und der damit verbundenen Aufteilung der Zuständig- VHN plus 19 SUSANNE SCHNEPEL, MANUELA FOSTER Umgang mit Leistungsheterogenität im inklusiven Unterricht FACH B E ITR AG VHN plus keiten führt. Sind es die unterschiedlichen Studienabschlüsse? Sind es die Rahmenbedingungen von Zusammenarbeit und Unterricht an den Schulen? Welche Prozesse haben in Teams stattgefunden, bei denen sich RLK und SLK für alle Lernenden verantwortlich fühlen und ein gemeinsamer Unterricht innerhalb der Klasse mit allen Lernenden geplant wird? Auch wenn diese Fragen noch unbeantwortet bleiben, weisen die Ergebnisse darauf hin, dass es bereits Teil der Ausbildung sein muss, die eigene Rolle im inklusiven Unterricht zu reflektieren und sich mit möglichst vielen Aspekten der Zusammenarbeit auseinanderzusetzen. Für Lehrkräfte, die bereits mit Kolleg: innen mit unterschiedlichen Überzeugungen unterrichten und dadurch ggf. nicht ihren Überzeugungen entsprechend handeln können, können Weiterbildungsangebote, der Austausch mit Kolleg: innen oder Team- Coachings neue Handlungsoptionen eröffnen. Literatur Bauer, P. (2014). Kooperation als Herausforderung in multiprofessionellen Handlungsfeldern. In S. Faas & M. Zipperle (Hrsg.), Sozialer Wandel. Herausforderungen für Kulturelle Bildung und Soziale Arbeit, 273 -286. Wiesbaden: Springer VS. Blömeke, S., Gustafsson, J.-E. & Shavelson, R. J. (2015). Beyond dichotomies: Competence viewed as a continuum. Zeitschrift für Psychologie, 223 (1), 3 -13. https: / / doi.org/ 10.1027/ 2151-2604/ a000 194 Cole, S. M., Murphy, H. R., Frisby, M. B., Grossi, T. A. & Bolte, H. R. (2021). The relationship of special education placement and student academic outcomes. 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