eJournals motorik 37/1

motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mot2014.art06d
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2014
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Auf den Punkt gebracht: Das aktuelle Stichwort: Triangulation

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2014
Melanie Behrens
Triangulation: Annäherung an einen komplexen Begriff In der psychomotorischen Forschung zeichnet sich zunehmend die Tendenz ab, quantitative und qualitative Methoden miteinander zu kombinieren. In Bezug auf die Kombination quantitativer und qualitativer Zugänge wird vielfach auch der Begriff der Triangulation genutzt.
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[ 28 ] 1 | 2014 motorik, 37. Jg., 28-30, DOI 10.2378 / motorik2014.art06d © Ernst Reinhardt Verlag [ Auf den Punkt GebrAcht ] Das aktuelle Stichwort: Triangulation Melanie behrens Triangulation: Annäherung an einen komplexen Begriff In der psychomotorischen Forschung zeichnet sich zunehmend die Tendenz ab, quantitative und qualitative Methoden miteinander zu kombinieren. In Bezug auf die Kombination quantitativer und qualitativer Zugänge wird vielfach auch der Begriff der Triangulation genutzt. Die Logik der Triangulation liege laut Brymann (1988; 1992) hier in der Überprüfung der qualitativen durch quantitative Ergebnisse (Flick 2004a). Dies sei jedoch nach Meinung vieler Autoren zu kurz gefasst. Ursprünglich stamme der Begriff der Triangulation aus der Landvermessung und Geodäsie, »wo er als eine ökonomische Methode der Lokalisierung und Fixierung von Positionen und Lagen auf der Erdoberfläche eingesetzt wird« (Flick 2004b, 11; Cropley 2005, 112). Lamnek fügt dem die Bedeutung der Triangulation als Metapher hinzu, die aus der Militärstrategie und der Navigation bzw. aus den Orten eines Ziels in der Artillerie (Dreieckszielen) stammt, und meint »durch multiple Bezugspunkte die genaue Position eines Objektes bestimmen zu können« (Lamnek 2005, 278). Für die Verwendung des Begriffs Triangulation in Forschungszusammenhängen kann die »Betrachtung eines Forschungsgegenstandes von (mindestens) zwei Punkten aus« oder aber die »Einnahme unterschiedlicher Perspektiven auf einen untersuchten Gegenstand oder allgemeiner: bei der Beantwortung von Forschungsfragen« verstanden werden (Flick 2011, 16). Kelle und Erzberger merken in diesem Zusammenhang an, dass bei der Verwendung des Begriffs Triangulation die Idee zum Ausdruck komme, »dass qualitative und quantitative Verfahren zwar verschieden, aber in bestimmter Hinsicht methodologisch gleichrangig sind. Das Konzept wurde ursprünglich im Kontext quantitativer Methodenlehre entwickelt, wo der Einsatz unterschiedlicher Messinstrumente (Campbell/ Fiske 1959) oder unterschiedlicher Methoden (Webb et al. 1966) die Validität der Untersuchung erhöhen soll« (Kelle / Erzberger 2004, 302 f ). Denzin nahm diesen Begriff 1970 auf, um die Integration qualitativer und quantitativer Verfahren methodologisch zu begründen. Er verstand darunter ein Verfahren zur gegenseitigen Validierung von Methoden und Forschungsergebnissen (Kelle / Erzberger 2004, 303). Dabei können diese wie bei einer Triangel erst die Verbindung der drei Seitenstäbe den Klang des Instrumentes ausmachen. Für die Qualität in der qualitativen Forschung gelte Ähnliches. Sie könne erst durch die Verbindung mehrerer Analysegänge vergrößert werden (Denzin 1978; Jick 1983; Fielding / Fielding 1986). Vier Ebenen der Triangulation Denzin differenziert für die Betrachtung eines Forschungsgegenstandes von zwei oder mehr Punkten die vier Ebenen der Triangulation von Datenquellen, unterschiedlichen Interpreten, Theorieansätzen oder Methoden (Mayring 2002, 147). [ 29 ] Behrens • Das aktuelle Stichwort: Triangulation 1 | 2014 1. Daten-Triangulation Unter der Triangulation von Daten wird »die Einbeziehung unterschiedlicher Datenquellen in Abgrenzung zur Verwendung unterschiedlicher Methoden der Hervorbringung von Daten [verstanden, durch] die der Forscher mit denselben Methoden effizient ein Höchstmaß an theoretischem Gewinn erzielen könnte« (Denzin 1970, 301). Es lassen sich nach Denzin verschiedene Subtypen der Datentriangulation unterscheiden: »So unterscheidet er nach Zeit, Raum und Personen und propagiert die Untersuchung desselben Phänomens zu verschiedenen Zeitpunkten, an verschiedenen Orten und Personen. Damit nähert sich Denzin (…) der Strategie des Theoretical Sampling von Glaser und Strauss (1967) an. In beiden Fällen wird von der gezielten und systematischen Auswahl und Einbeziehung von Personen und Untersuchungsgruppen, Zeitpunkten und lokalen Settings in die Untersuchung ausgegangen« (Flick 2004b, 13). 2. Forscher-Triangulation Als zweiten Triangulationstyp nennt Denzin die Triangulation unterschiedlicher Beobachter oder Interviewer im Forschungsprozess zur Aufdeckung bzw. Minimierung von Verzerrungen durch die Person des Forschers (Flick 2004a, 330). Damit sei jedoch laut Flick nicht die »schlichte Arbeitsteilung oder Delegation vermeintlicher Routinetätigkeiten an Hilfskräfte gemeint, sondern der systematische Vergleich des Einflusses verschiedener Forscher auf den Untersuchungsgegenstand und die erhaltenen Resultate« (Flick 2004a, 330 f ). 3. Theorien-Triangulation Die Triangulation von Theorien wird als dritter Typ in der Systematik von Denzin zum Ausgangspunkt genommen. Dabei steht zum einen die »Annäherung an die Daten unter Einbeziehung verschiedener Perspektiven und Hypothesen [im Vordergrund], wobei (…) verschiedene theoretische Sichtweisen nebeneinandergestellt werden, um ihre Nützlichkeit und Erklärungskraft zu prüfen« (Flick 2004a, 331). Zum anderen sollen durch diese Form der Triangulation insbesondere in den Feldern, die durch ein geringes Maß an theoretischer Kohärenz gekennzeichnet sind, die Erkenntnismöglichkeiten fundiert und verbreitert werden (Flick 2004b, 14). 4. Methodologische Triangulation Am meisten Beachtung wurde und wird der methodologischen Triangulation geschenkt. Darunter wird die »Kombination von Methodologien beim Studium ein und desselben Phänomens bezeichnet. Hier ist zu beachten, dass Denzin nicht von Methoden, sondern von Methodologien spricht, er also stärker metatheoretische Gesichtspunkte im Auge hat. Die Triangulation unter methodisch-technischen Aspekten kann bis zu Campbell und Fiske (1959) zurückverfolgt werden, die die Idee der multiplen Operationalisierung propagiert haben. Sie argumentieren, dass der Einsatz mehrerer Methoden es erlaube, die festgestellten empirischen Befunde bei multipler Operationalisierung weniger auf die Methoden als auf die Realität zurückzuführen. Mit anderen Worten ging es ihnen um die Validierung der Ergebnisse, den Ausschluss von Messartefakten« (Lamnek 2005, 278). Subtypen der methodologischen Triangulation: Grundsätzlich unterscheidet Denzin bei der methodologischen Triangulation zwei Subtypen: Zum einen die Triangulation innerhalb einer Methode (within-method) und zum anderen die Triangulation zwischen verschiedenen Methoden (between-method) (Lamnek 2005, 278). Bei der within-method werden verschiedene Techniken innerhalb einer Methode eingesetzt, um die Daten zu sammeln und zu interpretieren. Dabei bezieht sich die within-method im Wesentlichen auf den Kreuzvergleich der Techniken zum Zwecke der Feststellung der internen Konsistenz oder Reliabilität, während die betweenmethod als populäre Form in der Anwendung mit dem Ziel, zwei oder mehr unterschiedliche Methoden zu vergleichen und kongruenten Daten zu führen, den Grad der externen Validität erhöhen soll (Lamnek 2005, 278). Für alle Varianten der methodologischen Triangulation ist kennzeichnend, »dass dabei die kombinierten Verfahren als gleichwertig verstanden und nicht vorab ein Verfahren als das zentrale und die anderen als Vorstufe oder Illustration betrachtet werden« (Flick 2004d, 314). [ 30 ] 1 | 2014 Auf den Punkt gebracht Möglichkeiten und Grenzen der Triangulation Das Konzept der Triangulation ist vielfach kritisiert worden. Der Hauptvorwurf richtete sich insbesondere gegen »Denzins Verständnis von Triangulation als Validierungsstrategie im klassischen Sinne, bei der von einer Realität und einem Gegenstandsverständnis unabhängig von den jeweiligen methodischen Zugängen ausgegangen wird« (Flick 1995, 433). Mittlerweile hat sich der allgemeine Fokus »zunehmend in Richtung der Anreicherung und Vervollständigung der Erkenntnis und der Überschreitung der (immer begrenzten) Erkenntnismöglichkeiten der Einzelmethoden verlagert«, bei der Denzin (1989, 236) mittlerweile unterstreicht, dass die »Triangulation von Methoden, Forschern, Theorie und Daten die vernünftigste Strategie der Theoriekonstruktion bleibt« (Flick 2004d, 310 f ). Der Einsatz des Triangulationsmodells für die Theoriekonstruktion sei laut Mayring in einem Analyseprozess der komplexen Verbindung qualitativer und quantitativer Methoden möglich, mit dem Ziel, eine Fragestellung aus mehreren Blickwinkeln mit unterschiedlichen Methoden anzugehen. Überschneidungen der Einzelresultate stellten letztendlich die Endergebnisse dar (Mayring 2002; Lamnek 2005, 281). Auf diesem Weg wird es möglich, das Triangulationsmodell in der psychomotorischen Forschung mit all seinen Möglichkeiten konstruktiv zu nutzen und die Wirksamkeit der psychomotorischen Arbeit mehrperspektivisch in all seinen Facetten abzubilden. Literatur Blaikie, N. W. (1991): A critique of the use of triangulation in social research. Quality and Quantity 25, 115-136 Bryman, A. (1988): Quantity and quality in social research. Unwin Hyman, London Bryman, A. (1992): Quantitative and qualitative research: further reflections on their integration. In: Brannen, J. (ed.): Mixing methods: quantitative and qualitative research. Aldershot, Avebury, 57-80 Cropley, A. J. (2005): Qualitative Forschungsmethoden. Eine praxisnahe Einführung. Dietmar Klotz, Eschborn bei Frankfurt/ M. Denzin, N. K. (1989): The research act. Prentice Hall, Englewood Cliffs, New York Denzin, N. K. (1978): The research act. Aldine, Chicago Fielding, N. G., Fielding, J. L. (1986): Linking data. Sage, Beverly Hills Flick, U. (2011): Triangulation. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden Flick, U. (2006): Triangulation. In: Bohnsack, R., Marotzki, W., Meuser, M. (Hrsg.): Hauptbegriffe qualitativer Forschung. Budrich (UTB), Opladen, 161- 162 Flick, U. (2004a): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg Flick, U. (2004b): Triangulation. Eine Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden Flick, U. (2004c): Design und Prozess qualitativer Forschung. In: Flick, U., Kardorff, E. von, Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 252-265 Flick, U. (2004d): Triangulation in der qualitativen Forschung. In: Flick, U., Kardorff, E. von, Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 309-318 Flick, U. (1995): Triangulation. In: Flick, U., Kardorff, E. von, Keupp, Rosenstiel, L. von, Wolff, S. (Hrsg.): Handbuch qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. Beltz, Weinheim, 432-434 Jick, T. (1983): Mixing qualitative and quantitative methods. Triangulation in action. In: Maanen, J. von (ed.), Qualitative Methodology. Sage, London, 135-148 Kelle, E., Erzberger, C. (2004): Qualitative und quantitative Methoden: Kein Gegensatz. In: Flick, U., Kardorff, E. von, Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 299-309 Lamnek, S. (2005): Qualitative Sozialforschung. Lehrbuch. Beltz, Weinheim Mayring, P. (2002): Einführung in die qualitative Sozialforschung. Beltz, Weinheim Die Autorin Dr.-Melanie Behrens Akademische Rätin am Lehrstuhl für Bewegungserziehung und Bewegungstherapie der Humanwissenschaftlichen Fakultät (Universität zu Köln) Anschrift Dr.-Melanie Behrens Universität zu Köln Humanwissenschaftliche Fakultät Dep. Heilpädagogik und Rehabilitation Gronewaldstr. 2a D-50931 Köln behrensm@uni-koeln.de