eJournals motorik 37/2

motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mot2014.art14d
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Auf den Punkt gebracht: Das aktuelle Stichwort: Inklusion - Professionalisierung und Handlungskompetenzen in der Psychomotorik

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Britta Gebhard
Fachdiskurse um psychomotorische Haltung, Wirksamkeit und Inklusion bestimmen auch den Professionalisierungsdiskurs der Psychomotorik. Mit dem Begriff der Professionalisierung ist der Kompetenzbegriff verbunden. Nach Weinert (1999) handelt es sich bei professionellen Handlungskompetenzen um individuell verfügbare oder erlernbare kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen.
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[ TiTelRubRik ] [ 76 ] 2 | 2014 motorik, 37. Jg., 76-78, DOI 10.2378 / motorik2014.art14d © Ernst Reinhardt Verlag [ Auf den PunkT GebRAchT ] Das aktuelle Stichwort: Inklusion-- Professionalisierung und Handlungskompetenzen in der Psychomotorik britta Gebhard Fachdiskurse um psychomotorische Haltung, Wirksamkeit und Inklusion bestimmen auch den Professionalisierungsdiskurs der Psychomotorik. Mit dem Begriff der Professionalisierung ist der Kompetenzbegriff verbunden. Nach Weinert (1999) handelt es sich bei professionellen Handlungskompetenzen um individuell verfügbare oder erlernbare kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen. Damit verbunden sind auch eine motivationale, volitionale und soziale Bereitschaft und Fähigkeit, um diese Problemlösestrategien in verschiedenen Situationen durchdacht, reflektiert und erfolgreich nutzen zu können. Berufliche Handlungskompetenz umfasst nach Kauffeld / Grote (2002) sowohl Fähigkeiten, Fertigkeiten und Denkmethoden als auch Wissensbestände, die die Bewältigung von Arbeitsaufgaben ermöglichen. Berufliche Handlungskompetenzen in der Pädagogik werden in verschiedenen Modellvorstellungen operationalisiert. Hierbei wird z. B. eine Einteilung in verschiedene Dimensionen (u. a. Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten) vorgenommen. Das Zusammenspiel von professionellen Kompetenzen und professionellem Handeln vereinen z. B. Fröhlich-Gildhoff et al. (2011) in einem Kompetenzmodell, welches sowohl Strukturen als auch Prozesse beinhaltet. Damit soll der komplexen Wirklichkeit des (früh-)pädagogischen Handlungsalltags entsprochen werden. Dabei entsteht die Handlungsfähigkeit aus dem Zusammenspiel von Wissen (wissenschaftlichtheoretisches Wissen, implizites Erfahrungswissen), Handlungspotenzialen (Fähigkeiten und Fertigkeiten, z. B. methodisch-didaktisch), der x Disposition Performanz Situationswahrnehmung und Situationsanalyse Selbstreflexion Wissen (wissenschaftlichtheoretisches Wissen und implizites Erfahrungswissen) Handlungspotenziale (Fähigkeiten und Fertigkeiten) Motivation Handlungsplanung und Handlungsbereitschaft Handeln in der Situation Evaluation Haltung Abb. 1: Kompetenzmodell für ErzieherInnen (aus Fröhlich- Gildhoff et al. 2011) [ 77 ] Gebhard • Das aktuelle Stichwort: Inklusion 2 | 2014 Motivation und der jeweiligen Wahrnehmung und Analyse der Handlungssituation. Diese münden-- vor dem Hintergrund der individuellen Haltung und z. B. Menschenbildorientierung-- in der Handlung in einer spezifischen Situation, der eine Handlungsplanung und Handlungsbereitschaft vorausgeht. Das Handeln in der Situation wird in einem nächsten Schritt evaluiert, um auf Basis der Selbstreflexion die Voraussetzung für weitere Handlungen bzw. deren Veränderung zu bieten. Folglich werden Wissen, Motivation und professionelle Haltung als Facetten professionellen Handelns angesehen. Die Expertengruppe zur Gutachtenerstellung zur Professionalisierung in der Frühpädagogik stellt fest, dass professionelle Handlungskompetenzen »grundsätzlich erlernbar und dementsprechend durch Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote ansprechbar und veränderbar sind« (Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft 2012, 9). Die jüngst erschienene Publikation des Deutschen Instituts für internationale pädagogische Forschung (DIPF) (Döbert/ Weishaupt 2013) bietet einen breiter angelegten Zugang zum allgemeinen Fachdiskurs zur Professionalisierung in der Inklusion. In dieser stellen mehrere ExpertenInnen heraus, dass die Professionalisierung der Fachkräfte für Inklusion in der institutionalisierten Bildung und Erziehung über die gesamte Lebensspanne auf drei Ebenen zu verorten ist: Einstellung, Wissen und Handeln. So erweisen sich Einstellungen (z. B. ein Befürworten schulischer inklusiver Bildung) als notwendige Voraussetzung, um inklusive Prozesse zu initiieren. Sie allein reichen jedoch nicht aus. Vielmehr bedarf es wissenschaftlich evaluierten (evidenzbasierten) Wissens. Hierzu zählt beispielsweise die Kenntnis darum, welcher Förderansatz für welche Zielgruppe aus welchen Gründen wirksam ist. Die Handlungsebene umfasst die Fähigkeit, theoriegeleitet und reflektiert in der Praxis agieren zu können. Was könnten diese Erkenntnisse in Bezug auf die Profession Psychomotorik bedeuten? Hierbei sollte es nicht nur um die Einstellung (bspw. zur Inklusion) sondern gerade auch um die professionelle Haltung, die der Psychomotorik u. a. auf Grund ihrer Förderprinzipien (wie z. B. Offenheit, Freiwilligkeit) prinzipiell immanent ist, gehen. Aber wie interagieren Haltung, Wissen und Handeln? Wie können »psychomotorische« Handlungskompetenzen ausgebildet werden? Wie wird in Aus- und Weiterbildung eine »psychomotorische Haltung« und Reflexionsfähigkeit thematisiert? Hiermit verbunden ist u. a. die Forderung nach Wirksamkeitsnachweisen der Psychomotorik, um auf der Ebene des Wissens wissenschaftlich-theoriegeleitet agieren zu können. Für Studien müssen daher angepasste Forschungsmethoden entwickelt und eingesetzt werden. Darüber hinaus sollten Erkenntnisse benachbarter Fachdisziplinen in die eigenen integriert werden, um beispielsweise zu umfassenden Wirkfaktorenmodellen zu gelangen. Dies wurde auf theoretischer Ebene unter anderem bereits von Vetter (2013), Hölter (2013), Richter (2011) und Gebhard / Kuhlenkamp (2011) thematisiert. Ich hoffe, dass diese Überlegungen Ihnen Anregungen, Diskussionsanlässe und Ideen für die fachliche Weiterentwicklung der Psychomotorik in Entwicklung, Bildung und Gesundheit geben und der Diskurs angeregt wird. Literatur Döbert, H., Weishaupt, H. (2013) (Hrsg.): Inklusive Bildung professionell gestalten - Situationsanalyse und Handlungsempfehlungen. Waxmann, Münster Fröhlich-Gildhoff, K., Nentwig-Gesemann, I., Pietsch, S. (2011): Kompetenzorientierung in der Qualifizierung frühpädagogischer Fachkräfte. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF). Verlag Deutsches Jugendinstitut, Münster Gebhard, B., Kuhlenkamp, S. (2011): Psychomotorische Entwicklungsförderung und ihre Wirksamkeit. Praxis der Psychomotorik, 1, 47-50 Hölter, G. (2013): Psychomotorik in Deutschland am Beginn des 21. Jahrhunderts. Lücken und Tücken eines Erfolgsmodells. motorik, 36 (1), 9-17, http: / / dx.doi.org/ 10.2378/ mot2013.art01d Kauffeld, S., Grote, S. (2002): Kompetenz- - ein strategischer Wettbewerbsfaktor. Personal, 11, 30-32 Richter, J. (2010): Ist Psychomotorik wirklich wirkungslos? Theoretische und empirische Argumente gegen ein »Vorurteil«. Zeitschrift für Heilpädagogik, 61 (10), 378-387 Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (2012) (Hrsg.): Modelle professioneller Kompetenzen für frühpädagogische Fachkräfte. Aktueller Stand und ihr Bezug zur Professionalisierung. München [ 78 ] 2 | 2014 Auf den Punkt gebracht Vetter, M. (2013): Nicht mit Kanonen auf Spatzen! Forschung in der Psychomotorik muss vielfältig sein. motorik, 36, (1), 18-27. http: / / dx.doi.org/ 10.2378/ mot2013.art02d Weinert, F. E. (1999): Konzepte der Kompetenz. OECD, Paris WHO (2006): Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. WHO, Genf Die Autorin Juniorprof. Dr. Britta Gebhard, Dipl.-Pädagogin, Juniorprofessorin für das Fachgebiet Pädagogik und Didaktik bei chronischen und progredienten Erkrankungen sowie körperlichen und motorischen Beeinträchtigungen an der Universität Oldenburg, 1. Vorsitzende des Fördervereins Ambulatorium für ReHabilitation Anschrift Juniorprof. Dr. Britta Gebhard CvO Universität Oldenburg, Fak. 1 Ammerländer Heerstr. 114-118 D-26111 Oldenburg britta.gebhard@uni-oldenburg.de 2., durchges. Aufl. 2012. 125 Seiten. (978-3-497-02340-0) kt Der Begriff der Inklusion stößt in Krippen und Kindergärten ein Umdenken an: Nicht mehr die Frage danach, ob ein Kind aufgenommen werden kann, sondern wie sich eine Einrichtung verändern muss, um ein Kind mit seinen individuellen Bedürfnissen aufnehmen zu können, bestimmt das pädagogische Handeln und die konzeptionelle Weiterentwicklung. Das Buch bündelt das fachliche Wissen aus Theorie und Praxis und zeigt bedeutsame Voraussetzungen für gelingende Inklusionsprozesse auf. Zahlreiche Praxisbeispiele illustrieren, wie eine Pädagogik der Vielfalt gestaltet werden kann, um Kinder mit Entwicklungsbeeinträchtigungen, Verhaltensauffälligkeiten, Sinnesbehinderungen sowie weiteren »Spielarten von Verschiedenheit« gemeinsam fördern zu können. Eine Kita für alle a w