motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2015
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Praxistipps: Praxisbeispiele zur Förderung des Selbstkonzepts in und durch Bewegung
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2015
Nadine Matschulat
Peter Keßel
Die Entwicklung eines positiven Selbstkonzeptes ist ein zentrales Anliegen in der kindzentrierten psychomotorischen Entwicklungsförderung nach Zimmer (2012). Körperliche Erfahrungen sind für Kinder wichtig, um Kenntnisse über sich und die eigenen Fähigkeiten zu gewinnen. Psychomotorisch begleitete Bewegungsspiele scheinen somit äußerst geeignet, um den Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes zu unterstützen.
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[ 35 ] Praxistipps 1 | 2015 möglich ein Spieler auf ein Feld mit einem Seil gehen kann. Ziel ist es, dass jeder Mitspieler die Zielfliese erreicht. Mit diesem Spiel wird den Kindern verdeutlicht, dass es sowohl positive als auch negative Beziehungen gibt (Hugo 2005, 24). Beim Spielen des Spiels mit großen Softwürfeln gibt es die Möglichkeit, diese Qualitäten von Beziehungen sowohl körperlich, spielerisch zu erfahren als auch verbal zu thematisieren. Literatur Hugo, L. (2005): The development and evaluation of a self-concept enrichment programme for children aged 7-9 years. Mini-dissertation, Nord- West University, Potchefstroom Marianne Irmler DOI 10.2378 / motorik2015.art06d Praxisbeispiele zur Förderung des Selbstkonzepts in und durch Bewegung Die Entwicklung eines positiven Selbstkonzeptes ist ein zentrales Anliegen in der kindzentrierten psychomotorischen Entwicklungsförderung nach Zimmer (2012). Körperliche Erfahrungen sind für Kinder wichtig, um Kenntnisse über sich und die eigenen Fähigkeiten zu gewinnen. Psychomotorisch begleitete Bewegungsspiele scheinen somit äußerst geeignet, um den Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes zu unterstützen. An dieser Stelle werden zwei Spiele exemplarisch vorgestellt, die Bestandteil der psychomotorischen Förderpraxis im Rahmen einer Pilotstudie zu Veränderungen im Selbstkonzept waren (Ruploh et al. 2013). Die Spielideen sind an anderer Stelle bereits veröffentlicht (Zimmer 2012, 218 ff ), werden hier jedoch mit konkreten spezifischen Vorteilen der beiden Spiele im Hinblick auf das Ziel der Stärkung eines positiven Selbstkonzeptes vertiefend beschrieben. Ergänzend werden Variationsmöglichkeiten aufgezeigt, die sich gemeinsam im Prozess mit den Kindern entwickeln können. Schlangenfangen Bei dem Spiel »Schlangenfangen« bekommt jedes Kind ein Seil, das es an einem Ende festhält und während des Laufens durch Hin- und Her-Bewegen in eine Schlange verwandelt, die sich dadurch schlängelnd über den Boden fortbewegt. Wichtig ist dabei der Hinweis, dass nur »Wüstenschlangen« entstehen, damit die Kinder das Seil lediglich auf dem Boden bewegen und gefährliche, peitschenartige Bewegungen des Seils in der Luft ausbleiben. Die erwachsene Begleitperson ist der Schlangenfänger und versucht durch das Treten auf eine Schlange, diese zu fangen. Das Fangen muss zunächst keine Auswirkung auf den weiteren Verlauf des Spiels haben, solange der Erwachsene durch sein dosiertes Fangen die Spielmotivation aller Kinder indivi- Abb. 2: Schlangen-und-Leiter-Spiel [ 36 ] 1 | 2015 Praxistipps duell aufrechterhält (siehe weiter unten). Später können auch die Rollen gewechselt werden, sobald der Fänger eine Schlange gefangen hat. Dann übernimmt er das Seil desjenigen, der jetzt zum Schlangenfänger wird. Die Kinder sollten darauf hingewiesen werden, dass die Schlangen nur mit den Füßen gefangen werden dürfen, damit die Schlangen ihnen nicht in die Hände beißen können. Das Material bei diesem Spiel ist einfach handhabbar für die Kinder, und die Schlangenbewegung ist mit etwas Ausprobieren relativ leicht herbeizuführen. Zudem ist auch Kindern die Teilnahme möglich, die keinen nennenswerten Schlangen-Impuls geben können, da ein großer Teil der Bewegung der Schlange allein durch das Ziehen des Seils erzeugt wird. Jedes Kind kann ein Seil haben, womit alle auch klar selbsttätig sein können. Die Gruppensituation ermöglicht dem Kind auch ein »Verstecken in der Gruppe«. Dennoch kann der Erwachsene einzelne Kinder besonders einbeziehen (z. B. »Jetzt muss ich es mal bei dieser grünen Schlange hier versuchen, die scheint ganz schön schwer zu fangen zu sein«, »Paradoxe Intentionen« bei Zimmer 2012, 168 ff ), ohne das Kind dabei unter Druck zu setzen, da alle primär mit dem Bewegen ihrer Schlange beschäftigt sind. Solange der Erwachsene der Schlangenfänger ist, kann er oder sie als Begleiter / in sehr gut dosieren, wann eine Schlange gefangen oder sie knapp verfehlt wird. Diese Vorüberlegungen, unter anderem zur Frustrationstoleranz, Motivierbarkeit und dem Entwicklungsstand der einzelnen Kinder, werden in der Gruppe berücksichtigt, wodurch es dem Erwachsenen gelingt, jedes Kind in seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten anzusprechen und damit individuell angepasste Erfahrungen zu ermöglichen, die das Kind beim Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes unterstützen. Wird dazu übergegangen, dass beim Fangen einer Schlange die Rollen getauscht werden, kann es dazu kommen, dass manche Kinder sehr schnell andere Schlangen fangen oder manche Kinder als Fänger gar keine Schlange fangen. Hier ist es zunächst wichtig, dass der Erwachsene durch sein Mitspielen weitere regulierende Impulse setzt. Unter Berücksichtigung der Entwicklungsorientierung würden sehr leistungsstarke Fänger vom Erwachsenen besonders herausgefordert werden (»Aber meine Schlange bekommst Du nie …«, Zimmer 2012, 168 ff ) und eher benachteiligte Kinder erhielten die Chance, auch mal eine Schlange durch Treten zu fangen (»Herrje, jetzt war ich nicht schnell genug, da hast Du meine Schlange erwischt.«). Das Spiel ist auch partnerweise möglich, wobei ein Kind mit dem Seil der Schlangenbesitzer und das andere Kind Schlangenfänger ist. Wird die Schlange durch Drauftreten gefangen, tauschen die Kinder die Rollen im Spiel. Voraussetzung dafür ist, dass die Kinder soweit gestärkt erscheinen, dass sie über einen gewissen Grad an Frustrationstoleranz verfügen, der nötig ist, wenn die Schlange vom anderen wiederholt sehr schnell gefangen wird oder die Schlange für den Fänger zu schnell ist. Durch Partner mit ähnlichem Entwicklungsstand kann dieses Problem umgangen werden. Ansonsten müssten offensichtliche Leistungsunterschiede bei den Partnern vom Erwachsenen durch ausgesuchte Impulse kompensiert werden (z. B. »Nach so vielen Runden sind die Schlangen jetzt etwas müde geworden. Versucht mal, ob ihr auch langsame Schlangen bewegen könnt! «). Für Kinder mit gleichem Leistungsniveau, aber geringer Frustrationstoleranz, bietet im Normalfall der häufige, immer wiederkehrende Wechsel der Rollen die Möglichkeit, sich nicht lange mit den kurzen Momenten der Frustration beschäftigen zu müssen. Die erwachsene Begleitperson behält dafür die Kinder besonders im Auge, die eher Schwierigkeiten im Umgang mit Frustrationen haben, und ermutigt sie im Spiel vermehrt (z. B. »Ach, los, jetzt fängst Du die Schlange einfach selber wieder ganz schnell.«). Mattenspringen Für das Spiel »Mattenspringen« werden kleine Turnmatten oder große Weichböden kreisförmig ausgelegt (siehe Abbildung 1). Die inneren Ecken liegen hierfür fast aneinander und die äußeren Ecken sind weiter voneinander entfernt. Auch eine Mischung aus kleinen und großen Matten besitzt für Kinder einen hohen Aufforderungscharakter. Vorne am Innenkreis ist der (Wasser-) Graben zum Überspringen zwischen den einzelnen Matten sehr schmal, wohingegen er am äußeren Ende sehr viel breiter wird. Durch diese Aufbaustruktur wird eine Differenzierung berücksichtigt, da jedes Kind individuell entscheiden kann, welche Absprungstelle es nehmen möchte. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Kinder überfordert fühlen und sich dadurch anderen Spielthemen widmen, wird hiermit verringert. Beim gemeinsamen Aufbauen erleben die Kinder Selbsttätigkeit und - Abb. 1: Kreisförmige Anordnung der Matten für das Mattenspringen [ 37 ] Praxistipps 1 | 2015 erfahren, dass sie zum geplanten Aufbau aktiv handelnd beitragen, wodurch ihnen bereits wichtige Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglicht werden. Während der Aufbauphase können diese Erfahrungen vom Erwachsenen verbalisiert werden (»Schön, dass du beim Tragen mithilfst! Jetzt ist die Matte auch gar nicht mehr so schwer! «). Dies verdeutlicht dem Kind, dass sein Mitwirken und seine Anstrengung für den Entstehungsprozess wichtig sind. Das Mitspielen und Spielimpulse des Erwachsenen (»Kann man wohl von Matte zu Matte springen, ohne in den (Wasser-) Graben zu treten? «) erhöhen die Motivation und geben den Kindern das Gefühl, ein wichtiger Spielpartner zu sein. Dieses Gefühl des Miteinanders kann besonders für unsichere Kinder wichtig sein, wenn sie sich auch an der schmalsten Stelle nicht trauen, über den Graben zu springen: Das Angebot, die ersten Sprünge gemeinsam (Hand in Hand) zu wagen, ermutigt die Kinder, einen Versuch anzubahnen, und führt häufig zum ersten Sprung. Jedes Gelingen regt die Kinder zum Wiederholen an und stärkt dabei ihr Kompetenzbewusstsein. Kinder mit einem schwächeren motorischen Leistungsniveau werden häufig von anderen Kindern im Spiel überrundet, ein Vergleich untereinander findet jedoch durch die Konzentration auf die eigenen Sprünge kaum statt. Der Erwachsene kann im gemeinsamen Umrunden einzelne Kinder motivieren und sie in ihren Bedürfnissen und Möglichkeiten ansprechen (z. B. »Ich muss mich ganz schön anstrengen, um hinterherzukommen« Zimmer 2012, 72 f ). In dieser Form unterstützt er deren Antrieb und ermöglicht individuell angepasste positive Erfahrungen, die das Kind beim Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes unterstützen. Für Kinder ist dieses Spiel häufig so anregend, dass sie unermüdlich die Runden laufen. Das Angebot einer Erholungsmatte kann für eine kleine Entspannungssituation genutzt werden (z. B. eine »Erfrischungsdusche«, indem man mit den Fingern kleine kraulartige Bewegung auf den Rücken der Kinder nachahmt), gleichzeitig bieten sich diese Momente der Ruhe auch für eine Bewusstmachung der bisherigen Leistung und individueller Erfolge der Kinder an. Durch die Rückmeldung der erreichten Sprungweite werden den Kindern ihre individuellen Leistungsfortschritte verdeutlicht. Darüber hinaus fördert das Angebot den Aufbau einer realistischen Selbsteinschätzung, da die Kinder im Ausprobieren selbst erleben, wo ihre persönlichen Leistungsmöglichkeiten und -grenzen beim Herüberspringen liegen. Im Verlauf des Spiels können weitere Variationen und erlebnisorientierte Impulse gesetzt werden, z. B. »Ich glaube, wir müssen jetzt etwas vorsichtiger werden, denn ich meine, dass ich schlafende Krokodile im Graben gesehen habe! «. Häufig verwandeln sich die Kinder auch ganz von allein in Tiere und springen wie ein Hund oder Tiger von Matte zu Matte oder sind gefährliche Ungeheuer, die im Graben wohnen. Das Aufgreifen ihrer persönlichen Spielimpulse, vom Erwachsenen oder den anderen Kindern, lässt sie ihre Kompetenz und dadurch ihre Selbstwirksamkeit erfahren (Zimmer 2012, 141 f ). Literatur Ruploh, B., Martzy, F., Bischoff, A., Matschulat, N., Zimmer, R. (2013): Veränderungen im Selbstkonzept nach psychomotorischer Förderung. Eine Pilotstudie im Mixed Methods Design. Motorik 36 (4), 180-189, http: / / dx.doi.org/ 10.2378/ mot2013.art13d Zimmer, R. (2012): Handbuch Psychomotorik. Theorie und Praxis der psychomotorischen Förderung. 13. Aufl. Herder, Freiburg i. Br. Nadine Matschulat Peter Keßel DOI 10.2378 / motorik2015.art07d BERLIN / GERMANY English intensiv format German weekend format Anzeige für „motorik“ Auftraggeber: EUROLAB / Antja Kennedy Auftraggeber haftet für Richtigkeit von Wort & Bild. Anzeige 1/ 8 quer 84 x 58 mm C E R T I F I C A T E P R O G R A M S I N L A B A N / B A R T E N I E F F M O V E M E N T S T U D I E S Director: Antja Kennedy Telephone: +49 30 52282446 Mobile: +49 170 6270616 programs@laban-bartenieff-berlin.de www.laban-bartenieff-berlin.de Anzeige
