motorik
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Rezensionen
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Bruininks, Robert H., Bruininks, Brett D.: Bruininks-Oserektsky Test of Motor Proficiency (BOT-2). Pearson Assessment & Information, Frankfurt, 2014, € 1.050 (D) Luna Muns, Anna, Serrat Navarro, Arianne, Masabeu Tierno, Estrella, Piazuelo Ferrer, Olga, Acebo Urretxu, Rikardo: »Heute hab’ ich Psychomotorik!« Eine Psychomotorik-Stunde in der Kindertagesstätte, aus dem Spanischen von Marion Esser. Projecta-Verlag, Bonn, 2014, 40 Seiten, € 16,90 (D)
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[ 189 ] Medien & Materialien 4 | 2015 Deutsche Bearbeiter und Herausgeber: Blank, R., Jenetzky, E., Vinçon, S. Der Bruininks-Oseretsky Test of Motor Proficiency-2 (BOT-2) gilt vornehmlich im nordamerikanischen Sprachraum als etabliertes, motometrisches Verfahren zur Überprüfung des motorischen Persönlichkeitsbereiches für die Altersgruppe der 4bis 21-Jährigen. Die Notwendigkeit einer deutschsprachigen Adaptation des BOT-2 erwuchs aus der in der deutsch-schweizerischen Versorgungsleitlinie zur Diagnose umschriebener Entwicklungsstörungen motorischer Funktionen (UEMF) formulierten Empfehlung 15, den BOT-2 als diagnostisches Komplement zu der im deutschen Sprachraum bereits etablierten Movement Assessment Battery for Children-2 (M-ABC-2) einzusetzen. Für die Adaptation des BOT-2 bzw. deren komplementären Verwendung spricht nach Einschätzung des Verfassers vor allem, dass das in der M-ABC-2 thematisierte Spektrum an motorischen Subdomänen die Komplexität der UEMF-Problematik nicht hinreichend abzubilden vermag. Die deutschsprachige Version des BOT-2 wurde von Blank, Jenetzky und Vinçon (2014) unter dem Titel Bruininks-Oseretsky Test der motorischen Fähigkeiten - zweite Auflage (BOT-2) für die Altersgruppe der 4bis 14-Jährigen herausgegeben und kann über den Pearson-Verlag zum Preis von 1.050,00 € bezogen werden. Im Gesamtpaket enthalten sind ein 385 Seiten umfassendes Handbuch zur Testauswertung und Interpretation, ein 153 Seiten umfassendes Testbuch zur Testdurchführung, jeweils 25 Protokollbögen und Aufgabenhefte sowie Auswertungsschablonen, Testmaterialien und eine Tasche. Alle im BOT-2 Gesamtpaket enthaltenen Materialien überzeugen durch eine ansprechende Gestaltung sowie eine hochwertige Verarbeitung. Die deutschsprachige Version des BOT-2 beinhaltet sowohl eine Langversion mit 53 Aufgaben als auch eine daraus abgeleitete Kurzversion mit 19 Aufgaben. Für diese beiden Versionen des BOT-2 werden Aufgaben aus den acht Untertests Feinmotorische Genauigkeit, Feinmotorische Koordination, Handgeschicklichkeit, Beidseitige Koordination, Gleichgewicht, Schnelligkeit und Geschicklichkeit, Ballfertigkeiten und Kraft herangezogen; diese Untertests dienen nach Angabe der HerausgeberInnen zur Überprüfung der vier übergeordneten motorischen Bereiche Feinmotorische Steuerung, Handkoordination, Körperkoordination sowie Kraft und Geschicklichkeit. Aus sportwissenschaftlicher Perspektive fällt zunächst auf, dass sich die hier verwendeten Begrifflichkeiten und Hierarchien nicht unmittelbar in den gängigen deutschsprachigen Systematiken zur Differenzierung motorischer Fähig- [ MEDiEn unD MatERialiEn ] Rezensionen Bruininks, Robert H., Bruininks, Brett D.: Bruininks-Oserektsky test of Motor Proficiency (BOt-2). Pearson assessment & information, Frankfurt, 2014, €-1.050 (D) [ 190 ] 4 | 2015 Medien & Materialien keiten widerspiegeln und somit den aus Sicht des Verfassers anzustrebenden interdisziplinären Dialog zwischen SportwissenschaftlerInnen, ErgotherapeutInnen und PsychomotorikerInnen erschweren. Als maßgebend für die Testrezension wird jedoch der in Kapitel 8 des Handbuches dargelegte Stand der Überprüfung der Reliabilität und Validität unter Einbeziehung der in Kapitel 7 beschriebenen Normierung der deutschsprachigen Version des BOT-2 angesehen; dies umso mehr, da in den deutsch-schweizerischen Versorgungsleitlinien die Notwendigkeit altersspezifischer Reliabilitätsuntersuchungen, einer Validierung und Normierung der Untertests sowie der Nachweis der diskriminativen Validität ebd. bereits für das englischsprachige BOT-2 Original empfohlen wird (Empfehlung 17 GCP++). Hinweise auf die Reliabilität der deutschsprachigen Version des BOT-2 finden sich in der Analyse der inneren Konsistenz, der Interratersowie der Test-Retest-Reliabilität. Die altersspezifische Überprüfung der inneren Konsistenz der Untertests und Skalen erfolgte auf Basis der deutschen Normstichprobe (N=1.177) mittels Testhalbierung. Unter der Annahme der postulierten vierdimensionalen Struktur sind die inneren Konsistenzen der jeweiligen Skalen von besonderem Interesse. Durchgängig gute innere Konsistenzen finden sich in der Skala Kraft und Geschicklichkeit. Geringere aber dennoch akzeptable bis gute innere Konsistenzen werden für die Skala Handkoordination bzw. die Altersstufen vier bis neun der Skala Körperkoordination berichtet. Gleiches gilt für die Altersstufen vier bis sieben der Skala Feinmotorische Steuerung. Problematisch zu sehen sind dagegen die inneren Konsistenzen der Skalen Körperkoordination in den Altersstufen zehn bis 14 sowie Feinmotorische Steuerung in den Altersstufen acht bis 14. Die somit partiell geminderte Reliabilität ist nach Einschätzung der HerausgeberInnen durch die in der deutschen Normstichprobe zu geringe Anzahl an Kindern / Jugendlichen mit motorischen Schwierigkeiten und der damit verbundenen geringen Streubreite der Testwerte zu erklären. Zur Überprüfung der Test-Retest-Reliabilität wurden 24 Jungen und Mädchen zwischen 4 und 15 Jahren (Median: 9 Jahre) mit und ohne Verhaltensauffälligkeiten bzw. klinischer Behandlung zweimalig zur gleichen Tageszeit und von derselben Ergotherapeutin mit dem BOT-2 getestet; das Zeitintervall zwischen beiden Testungen betrug zwischen drei und 28 Tagen (Median: 7 Tage). Die aus den Testdaten errechneten Intra-Klassenkoeffizienten der Untertests sprechen für eine gute bis sehr gute Reproduzierbarkeit der BOT-2 Testergebnisse. Kritisch zu sehen sind das vergleichsweise kurze mittlere Retest-Intervall, die Heterogenität der untersuchten Stichprobe sowie die insgesamt eher geringe Fallzahl; alle drei Aspekte sollten im Rahmen der notwendigen Replikation der Studienergebnisse zur Test-Retest-Reliabilität berücksichtigt werden. Die Überprüfung der Interrater- Reliabilität erfolgte in 23 Fällen durch eine zweite Ergotherapeutin und erwies sich in allen Untertests als hervorragend. Hinsichtlich der Überprüfung der Validität der deutschsprachigen Version des BOT-2 irritiert zunächst die zu Beginn von Teilkapitel 8.3 des Testhandbuches formulierte Einschätzung, dass diese vor allem in klinischen Kollektiven sinnvoll sei, weshalb im Rahmen der deutschsprachigen Normierung keine umfassende, eigenständige Gültigkeitsüberprüfung durchgeführt wurde. Unabhängig von der Beurteilung dieser Vorgehensweise wäre nun gerade eine ebensolche Überprüfung der klinischen Validität der deutschsprachigen Version des BOT-2 bei Kindern mit UEMF zu erwarten gewesen. An dieser Stelle referenzieren die HerausgeberInnen jedoch lediglich die entsprechende englischsprachige Originalstudie, was gerade in Anbetracht des UEMF-spezifischen Entwicklungshintergrundes der deutschsprachigen Version des BOT-2 nicht hinreichend erscheint und den Ruf nach einer eigenständigen klinischen Überprüfung des adaptierten Verfahrens stärkt. Eindeutige Hinweise auf die Entwicklungsvalidität der deutschsprachigen Version des BOT-2 finden sich in den auf der »motorisch unauffälligen« Normstichprobe basierenden, alters- und geschlechtsbezogenen Betrachtungen der Untertests, welche die gängigen Entwicklungsannahmen in dieser Domäne gut widerspiegeln. Der auf der gleichen Datenbasis geführte und im Sinne der Konstruktvalidität entscheidende, konfirmatorische Nachweis der faktoriellen Validität scheitert nach der Einschätzung der HerausgeberInnen erneut an der geringen Anzahl an auffälligen Kindern / Jugendlichen und den damit verbundenen Deckeneffekten. Hinweise auf die konvergente Validität der deutschsprachigen Versionen des BOT-2 erkennen die HerausgeberInnen im Vergleich mit den M-ABC-2 Untertests Handgeschicklichkeit und Ballfertigkeiten (N=22); der komplementäre Nachweis der divergenten Validität der Untertests ist in der Einschätzung des Verfassers aufgrund der geringen Teststärke kritisch zu sehen. Die handwerkliche Qualität der in Kapitel 7 dargelegten Normierung der deutschsprachigen Version des BOT-2 ist offensichtlich; ihre Beurteilung im Kontext der Hauptgütekriterien verlangt dagegen nach einer differenzierteren Betrachtung. So eignet sich die Normstichprobe wie oben gezeigt nur bedingt zum Nachweis der inneren Konsistenz sowie der faktoriellen Va- [ 191 ] Medien & Materialien 4 | 2015 lidität in den älteren Jahrgängen, was auf die Aussparung motorisch auffälliger Kinder / Jugendlicher und der damit verringerten Streubreite der Testdaten zurückzuführen ist. In den jüngeren Jahrgängen dagegen wirkt sich die Aussparung motorisch auffälliger Kinder aufgrund der natürlichen Entwicklungsvariabilität und der somit höheren Streubreite der Testdaten weniger nachteilig auf die Reliabilität und Validität aus. Im Sinne der Hauptgütekriterien ist demnach zukünftig vor allem in den älteren Jahrgängen der Normstichprobe eine Erhöhung des Anteils an motorisch auffälligen Kindern / Jugendlichen anzudenken. Aus differenzieller Perspektive geht die veränderte Stichprobenzusammensetzung a priori dann jedoch mit einer Reduktion der konstruktionsbedingten Deckeneffekte und somit der (ohnehin separat zu verifizierenden; s. o.) UEMF-Sensitivität einher. Insgesamt verspricht die vorliegende Veröffentlichung im Vergleich zu allen gegenwärtig auf dem deutschen Markt befindlichen Verfahren sowohl im Hinblick auf die Breite der Erfassung als auch deren weiter zu verifizierende Sensitivität eine Referenz im Bereich der UEMF-Diagnostik zu werden. Die deutschsprachige Version des BOT-2 stellt in der Einschätzung des Verfassers eine hervorragende Grundlage für notwendige Folgestudien dar, welche - wie eingangs betont - im interdisziplinären Austausch mit VertreterInnen der Sportwissenschaft sowie der Psychomotorik konzipiert und durchgeführt werden sollten. Im Rahmen eines ebensolchen Austausches wäre dann z. B. zu diskutieren, ob sich motorische Fähigkeiten aufgrund ihres prozessorientierten (Bottom-up) Charakters überhaupt als diagnostische Grundlage für eine darauf aufbauende produktorientierte (Top-down) UEMF-Therapie eignen und falls nein, inwieweit vonseiten der Sportwissenschaft zukünftig eine von der Talent- und Leistungsdiagnostik losgelöste, aufgaben-(i. e.S. fertigkeits-)orientierte Perspektive in die Entwicklung therapierelevanter diagnostischer Verfahren eingebracht werden kann. Matthias Wagner DOI 10.2378 / motorik2015.art30d »Wir gehen zum Turnen! « - Immer wieder habe ich diesen freudigen Ausruf gehört, als ich Kinder aus ihrer Gruppe für eine Psychomotorikstunde in der »Moto-Halle« abholte. Sie nannten das, was wir dort machten »turnen«. Sie wussten es nicht besser, auch die Erzieherinnen nicht. Das hier vorliegende Bilderbuch »Heute hab’ ich Psychomotorik! « wird dies ändern. In kindgemäßen Worten und mit vielen farbenfrohen Bildern wird Kindern und Erwachsenen ein Einblick verschafft, wie eine Psychomotorikstunde verläuft und auf welche Weise die Psychomotorik eine gesunde Entwicklung der Kinder unterstützt. Die Kinder sehen, dass sie gleich zu Beginn der Stunde einen Turm aus Schaumstoffwürfel zerstören dürfen, dass sie aus Lust und Laune bauen, klettern, springen, schaukeln und Purzelbäume schlagen werden. Sie können Monster spielen und sich nach den Kämpfen ausruhen. Auch dafür ist Zeit und Raum geschaffen. Zum Ende der Stunde - vor dem Aufräumen(! ) - erzählen sie sich, was sie erlebt haben und malen dazu ihre Bilder. »Und eins, zwei, drei, ist die Stunde nun vorbei! « Für die Erwachsenen gibt es noch weiterführende Informationen zu Aufbau und Grundgedanken der Psychomotorik. Ein sehr schönes Buch, ein ideales Geschenk für die Psychomotorikerin. Man kann es sich auch selber schenken! Richard Hammer DOI 10.2378 / motorik2015.art31d luna Muns, anna, Serrat navarro, arianne, Masabeu tierno, Estrella, Piazuelo Ferrer, Olga, acebo urretxu, Rikardo: »Heute hab’ ich Psychomotorik! « Eine Psychomotorik-Stunde in der Kindertagesstätte, aus dem Spanischen von Marion Esser. Projecta-Verlag, Bonn, 2014, 40 Seiten, € 16,90 (D) [ 192 ] 4 | 2015 Medien & Materialien Mit dem »Handbuch der Hilfen zur Erziehung« liegt ein umfassendes Werk mit Beiträgen von über hundert namenhaften Autorinnen und Autoren aus Theorie und Praxis vor, die die Bandbreite der erzieherischen Hilfen darstellen. Das Handbuch ist in insgesamt acht Teile untergliedert. Hier kristallisieren sich drei thematische Schwerpunkte heraus: Eine hohe Aufmerksamkeit wird dem ersten Schwerpunktthema »Hilfearten und Gewährungsgrundlagen«, »Akteure« und »Politik/ Verwaltung« auf etwa 270 Seiten gewidmet. In Form von 21 Einzelbeiträgen werden Hilfearten und Gewährungsgrundlagen entlang der Strukturierung des 8.-Sozialgesetzbuches vorgenommen (Teil-2). Die dahinter stehenden Akteure (Jugendamt, öffentliche Träger, freie Träger wie z. B. Wohlfahrtsverbände, private Träger, Dach- und Fachverbände; Teil 3) sowie die politische Ebene (Bund, Land, Kommunen, Jugendhilfeausschuss) werden in ihrer Relevanz für die Hilfen der Erziehung aufgezeigt (Teil 4). Weiter stehen pädagogische Ansätze im Mittelpunkt der Betrachtungen (Teil 5). Hier liegt der Fokus zum einen auf den theoretisch-konzeptionellen Aspekten Sozialer Arbeit und zum anderen wird eine ressourcenorientierte Pädagogik zugrunde gelegt. In insgesamt 13 Einzelbeiträgen gibt es Anregungen zu erlebnispädagogischen Ansätzen, der psychomotorischen Arbeit in der Stationären Erziehungshilfe, Zirkuspädagogik und auch tiergestützter Arbeit als neue Arbeitsfelder in der Heimerziehung und in der Erziehungshilfe. Ebenso sind Felder wie »Inklusion in der Erziehungshilfe«, »Partizipation und Beteiligung in den Erziehungshilfen« und die »Prävention sexualisierter Gewalt in Institutionen« berücksichtigt. Ein dritter Themenschwerpunkt liegt in der Betrachtung der Hochschullandschaft (Teil 8). Relevante Berufsgruppen werden hier unter die Lupe genommen. Doch auch der forschungsmethodische Teil kommt nicht zu kurz. Insbesondere die Evaluationsforschung sowie Wirkfaktoren in der Erziehungshilfe werden dargelegt. Der Blick über den Tellerrand in die »Perspektiven der Erziehungshilfen« sowie die europäische Ausrichtung runden den Band ab. Eine sinnvolle grundlagenbasierte Ergänzung bieten drei weitere Teile: So ist der erste Teil Übersichtsartikeln zur Erziehungshilfe sowie dem SGB VIII aus juristischer Perspektive gewidmet. Dabei stehen historische Aspekte einerseits und andererseits statistische und rechtliche Bezüge im Fokus. Möglichkeiten interdisziplinärer Kooperationen sowie die Organisation und Struktur der erzieherischen Hilfen werden in insgesamt vierzehn Beiträgen in den Blick genommen. Mit dem »Handbuch der Hilfen zur Erziehung« liegt ein Schatz für die Erziehungshilfe vor, der facettenreich den aktuellen Fachdiskurs in Theorie und Praxis von erfahrenen Autorinnen und Autoren darstellt. Somit wird es möglich, einen interdisziplinären Überblick über die einzelnen Leistungsbereiche und Handlungsfelder der Erziehungshilfe zu bekommen, indem auch Akteure der Jugendhilfe (Jugendamt, Öffentliche Träger, Freie Träger, Wohlfahrtsverbände) und klientelnahe ressourcenorientierte Ansätze mit berücksichtigt sind. Das Buch ist als Nachschlagewerk empfehlenswert für Studierende, Lehrende, Pädagogen und Psychologen in allen Arbeitsfeldern der Jugendhilfe - eben »für alle Fachausbildungen, sowohl in Fachschulen als auch in den sich rasant entwickelnden neuen BA- und Master-Studiengängen der Sozialpädagogik, der Sozialen Arbeit, des Sozialmanagements und der öffentlichen Verwaltung« (Macsenaere et al. 2014, 13). Reinschauen lohnt sich. Melanie Behrens DOI 10.2378 / motorik2015.art32d Macsenaere, Michael, Esser, Jkaus, Knab, Eckhart, Hiller, Stephan (Hrsg.): Handbuch der Hilfen zur Erziehung. lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau, 2014, 623 Seiten, € 49,90 (D) [ 193 ] Medien & Materialien 4 | 2015 Anlässlich des dreijährigen Bestehens des Projektes »Forscherwelt« hat das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Bundeslandes Brandenburg zu einer Tagung eingeladen, bei der sechs renommierte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen über das kindliche Lernen und den richtigen pädagogischen Umgang damit diskutieren. Zu Wort kommen: Prof. Dr. Gert E. Schäfer, Prof. Dr. Moritz Daum, Prof. Dr. Frauke Hildebrandt, Prof. Dr. Hartmut Wedekind, Dr. Michaela Hopf, Dr. Salman Ansari, Dr. Fritz Schließmann und Alexander Scheidt. Einigkeit besteht darüber, dass Kinder die Welt in Form von Ereignissen wahrnehmen und das Lernen im Gegensatz zur Forschung nicht zwangsläufig an Fragen oder Hypothesen gekoppelt ist. Vielmehr stehen das Interesse an der Sache und die Freude am Spiel im Vordergrund. Die Forscher betonen - in Piagetscher Tradition - die Bedeutung der körperlichen Erfahrungen und ergänzen diese mit Erkenntnissen von Wygotzki, wonach Lernen immer auch eine soziale Komponente beinhaltet. Einig sind sich zudem alle, dass Kinder basierend auf ihren Erfahrungen Erklärungsmodelle entwickeln, die in einem dynamischen Lernprozess immer wieder erneuert werden, sobald sie nicht mehr anwendbar sind. Neben den körperlichen Erfahrungen wird auch das kindliche Spiel als wesentlicher Lernmechanismus dargestellt. Diskutiert wird die Rolle des Erwachsenen bzw. der Pädagogin / des Pädagogen, inwieweit er das eigene Wissen einbringen darf oder sollte. Konsens besteht darüber, dass sich der Erwachsene zurücknehmen, empathisch beobachten und eine Pädagogik des Innehaltens anstreben sollte. Gute PädagogInnen unterstellen demnach dem kindlichen Tun einen Sinn, passen ihre Unterstützungsangebote an die kindliche Leistungsfähigkeit an und nehmen eher das Selbstlernen des Kindes in den Blick als ihm Instruktionen zu geben. Ansari beschreibt das Fragenstellen als das Handwerk des Pädagogen / der Pädagogin. Interessant sind die Lernschrittfolgen von Alexander Scheidt, in denen er beschreibt, wie Kinder ausgelöst durch wahrgenommene Abweichungen in einen Lernprozess finden, in dem Wenndann-Beziehungen erforscht werden und - in einem weiteren Schritt - das erworbene Wissen mit anderen geteilt wird. Schlussendlich führen demnach Anomalien zu einem Dialog zwischen Klein und Groß. Auch Wedekinds Beschreibungen zum pädagogischen Umgang mit Begriffen wie »Käfig unserer Zielorientiertheit« oder »Autobahnpädagogik« sind interessant. Moritz Daum ergänzt diese Theorien mit der Idee, dass immer Problemlösungsversuche dazu führen, dass Kinder ihre kognitive Leistungsfähigkeit schulen. Ein interessanter Versuch unterstreicht diese Theorie, bei dem einige Kinder zu einem Fantasiespiel genaue Instruktionen bekommen, andere Kinder dagegen das Spielzeug selbstständig erkunden können. Letztere haben deutlich länger Freude an diesem Spiel gehabt und andauender exploriert. Das eigentliche Thema Dialoggestaltung wird meines Erachtens jedoch zu wenig vertieft. Am Ende bleibt unklar, wie dieser Dialog gestaltet werden kann. Ein bedeutendes Dialogmodell des italienischen Arztes Milani Comparetti wird z. B. leider nicht erwähnt. Auch die bekannten Sätze der Pädagogin Maria Montessori »Hilf mir es selbst zu tun! « und »Das Kind da abholen, wo es steht! « bleiben unerwähnt, hätten jedoch die Aussagen der Wissenschaftler sehr gut auf den Punkt gebracht. Die Hinweise der ForscherInnen darauf, dass der Erwachsene eine Pädagogik des Innehaltens anstreben solle, beobachten und nicht den Blick für die Hopf, M. (Red.): Forscherdialoge - Wie sollten Dialoge mit Kindern gestaltet sein, um diese beim lernen bestmöglich zu unterstützen? aV-1 Pädagogik-Filme, Kaufungen, 2015, laufzeit 90 Minuten, € 25,00 (D) [ 194 ] 4 | 2015 Medien & Materialien Wirklichkeit der Kinder verlieren sollte, werden paradoxerweise von Bildern im Zeitraffer begleitet. Die ForscherInnen führen eher unterschiedliche oder ähnliche Sichtweisen und Erkenntnisse an, einen wirklichen Dialog führen sie hingegen kaum. Da kann es passieren, dass Wedekind über die Haltung des Erwachsenen und Hopf über didaktische Ansätze spricht, also gar nicht (im Sinne eines Dialogs) aufeinander eingehen. Auf eine Strukturierung gleicher oder ähnlicher Aussagen wird an einigen Stellen verzichtet, sodass der Zuschauer insgesamt zu oft verwirrt wird. Insgesamt zeigt der Film wenig neue Erkenntnisse. Zu viele bedeutende WissenschaftlerInnen bzw. Wissenschaftszweige bleiben unerwähnt, wie z. B. die Erkenntnisse des Konstruktivismus. Der Begriff »Konstruktivistisches Lernverständnis« wird zwar einmal genannt, leider aber nicht vertieft oder erklärt. Die Bedeutung der Bewegung beim kindlichen Lernen erhält zu wenig Beachtung. Am Ende stellt sich die Frage, warum die Forscherkurse »Forscherkurse« heißen, wenn Kinder laut Schlissmann gar nicht forschen, sondern erkennen und explorieren. Denn zum Forschen gehöre immer eine konkrete Fragestellung, worauf Kinder seiner Meinung nach verzichten, da bei ihnen eher die pure Lust am Tun im Mittelpunkt stehe. Ich schlage hierfür daher den Begriff Prozessorientierung aus der Psychomotorik vor. Auch ein alter Hut! Anika Krüger DOI 10.2378 / motorik2015.art33d Anzeige Spiel- und Bewegungsgeräte Hengstenberg ® Basisgemeinde Wulfshagenerhütten eG Tel: 04346 / 368010 info@basisgemeinde.de www.basisgemeinde.de nach „Die Art des Hengstenberg- Spiels ist wunderbar. Motorische Schwächen werden dabei stetig nachentfaltet, das Sozialverhalten wurde gestärkt, das Selbstbewusstsein der Kinder wächst.“ Teilnehmerin des Berliner Projekts „Hengstenberg macht Schule“, 2012/ 13 Unseren kostenlosen Katalog schicken wir Ihnen gerne zu Spielleitern Rutsch- und Kippel-Brett Hühnerleitern Spielhocker Bodenmaterialien Bewegungsbaustelle Krippenmaterial Emmi Pikler ® nach P i k l e r ® O r i g i n a l
