motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mot2015.art08d
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2015
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Rezension: Rolf Schwarz: Frühe Bewegungserziehung. Basiswissen Frühpädagogik
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2015
Susanne Störch
Die begriffliche Grundlegung des vorliegenden Buches zeigt in der Einleitung einerseits die Orientierung des Autors hinsichtlich seiner Auffassung von Bewegung und Bewegungspädagogik auf, anderseits werden verschiedene, für die folgenden Kapitel relevante Definitionen und Begriffe erläutert. Der Zusammenhang dieser Begriffe wird in einer Abbildung zur »zeitlichen und inhaltlichen Systematisierung bewegungserzieherischer Grundbegriffe« (Schwarz 2014, 14) dargestellt.
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[ 38 ] 1 | 2015 Medien & Materialien [ MEDIEN UND MATERIALIEN ] Rezension Rolf Schwarz: Frühe Bewegungserziehung. Basiswissen Frühpädagogik. Ernst Reinhardt Verlag, München / Basel, 2014, 208 Seiten, € 24,90 (D) Die begriffliche Grundlegung des vorliegenden Buches zeigt in der Einleitung einerseits die Orientierung des Autors hinsichtlich seiner Auffassung von Bewegung und Bewegungspädagogik auf, anderseits werden verschiedene, für die folgenden Kapitel relevante Definitionen und Begriffe erläutert. Der Zusammenhang dieser Begriffe wird in einer Abbildung zur »zeitlichen und inhaltlichen Systematisierung bewegungserzieherischer Grundbegriffe« (Schwarz 2014, 14) dargestellt. Das erste Kapitel enthält die Klärung der Begriffe »Motorik« und »Bewegung«, eine Zusammenstellung der motorischen Entwicklung in der frühen Kindheit (pränatal-- sieben Jahre) hinsichtlich Bewegungsmuster sowie deren (neuro-)physiologischer Begründung. Weiterhin werden die neuronale Reifung sowie die Reflexologie betreffend ihrer Auswirkungen auf die Qualität und Quantität der frühkindlichen Motorik aufgezeigt. Viel Aufmerksamkeit wird in diesem Kapitel der Phylogenese (der biologischen Entstehung einer Art und ihrer Merkmale) gewidmet-- besonders dem aufrechten Gang sowie der menschlichen Hand mit ihren Greifmustern. Anschließend werden sozio-kulturelle Einflussgrößen im Zusammenhang mit der motorischen Entwicklung diskutiert. Im zweiten Kapitel stehen die Themen »Beobachtung, Dokumentation und Beurteilung von Bewegung« im Fokus. Das Konzept der Meilensteine wird dem der Grenzsteine gegenübergestellt, hierbei wird auf die sekundärpräventive Intervention verwiesen und diesbezüglich der Unterschied von Pädagogik und Therapie skizziert. Die Begriffe Beurteilung und Diagnose werden hinsichtlich ihrer Relevanz sowie ihrer Umsetzungsmöglichkeiten in der Frühpädagogik (FP) betrachtet. Zudem werden Beobachtungsinstrumente und Dokumentationshilfen (Testverfahren und Screenings) aufgelistet. Im dritten Kapitel widmet sich der Autor dem Zusammenhang von Bewegung und anderen Entwicklungsbereichen. Zunächst wird die Bedeutung des Körperwachstums hervorgehoben und anschließend die Funktion und Relevanz des Sinnessystems. Danach wird der Zusammenhang von Kognition und Bewegung sowie von Sprache und Bewegung aufgezeigt. Das abschließende Unterkapitel widmet sich der sozialemotionalen Entwicklung. Betont werden Aspekte wie Bindung, Emotionen (respektive Emotionale Kompetenz) und Sozialverhalten, dabei wird der Frage bzgl. Emotionsregulation durch Bewegung nachgegangen. Im vierten Kapitel stellt Timm Albers die Grundlagen inklusiver Pädagogik vor. Der Aspekt des Spiels wird hervorgehoben, auf den Aspekt der Bewegung wird in diesem Kontext nicht weiter eingegangen. Verschiedene Modelle zur Bedeutung von Bewegung werden im fünften Kapitel vorgestellt und diskutiert. Daraufhin werden die Funktionen der Bewegung (physiologisch-energetische Funktion, Information, Kommunikation, Selbstkonstruktion sowie Weltkonstruktion) erläutert und in einem Modell skizziert. Zu Beginn des Kapitel sechs werden der Förderbegriff sowie die Relevanz motorischer Förderung andiskutiert. Danach erfolgt ein Forschungsüberblick über Längsschnitt- und kontrollierte Studien aus Deutschland zur Bewegungsförderung aus den Jahren 1980-2012. Folgend wird die (motorische) Kompetenz des Kindes erörtert. Leitsätze zur optimalen Bewegungsförderung sowie Lernfragen schließen dieses Kapitel ab. Hinsichtlich der unterschiedlichen Schwerpunktsetzung der gemeinsa- [ 39 ] Medien & Materialien 1 | 2015 men Interventionsparameter (Rolle Fachkraft, Freiheitsgrad für die Kinder, Verwendung von Material und Geräten sowie Ausgestaltung von Raum und Zeit) werden im abschließenden siebten Kapitel folgende Konzepte betrachtet: PEKIP, Emmi Pikler und Elfriede Hengstenberg, Psychomotorik und Motologie, Bewegungskindergarten sowie Bewegungsbaustelle und Bewegungslandschaften. Alle Kapitel des Buches schließen mit Empfehlungen für die Praxis sowie Lernfragen ab. Stellungnahme aus der Perspektive der Psychomotoriktherapie Der Bezug zur Phylogenese und zur Kulturgenese stellt den theoretischen Hintergrund dar, aufgrund dessen die kindliche Bewegung betrachtet wird. Diese evolutionstheoretischen Hinweise werden in Zusammenhang mit Ergebnissen aus der Motorik-Forschung gestellt. Dabei zeigt der Autor an vielen Stellen den empirischen Mangel hinsichtlich weiterer Studien im Kontext von Bewegung und früher Bewegungserziehung auf. Dieser neue Ansatzpunkt, zusammen mit dem wiederkehrenden Einbezug präventiver Aspekte sowie dem generellen Aufzeigen von Forschungslücken und Handlungsbedarf, gibt dieser Veröffentlichung einen spannenden Gesamtrahmen. In Bezug zur Zielgruppe kann allerdings gesagt werden, dass für eine Publikation zum Basiswissen an einigen Stellen schon viel Vorwissen vorausgesetzt wird. Auch werden Abbildungen und Tabellen zum Teil nur kurz beschrieben und nicht vertieft erklärt. Ebenso werden mehrere Fachbegriffe (z. B. Präventionsbegriffe) sowie im Text implizierte Konzepte (Verhältnisprävention) vorausgesetzt und nicht genauer erläutert. Auch an anderen Stellen erhält der Leser nur ein »bruchstückhaftes Bild«. Dies zeigt sich auch bei den Hinweisen und Empfehlungen für die Praxis. Dort werden zwar die zuvor thematisierten Schwerpunkte noch einmal aufgefasst, allerdings fehlt auch hier eine durchgängig tiefgründige Formulierung. Obwohl der Autor die Bedeutung der sozial-emotionalen Entwicklung durch ein eigenes Kapitel würdigt, geht der soziale Aspekt der Bewegung in seiner Anschauung verloren. Auch irritieren der Leistungsaspekt sowie die Ausrichtung der Beispiele am Sport, die hinsichtlich des Alters der Zielgruppe der Frühpädagogik nicht geeignet erscheinen. Weiterhin zeigt sich ein unklarer, sprunghafter Aufbau des Buches. Zum Beispiel wird dem Kapitel 6 (Funktion und Bedeutung) ein Kapitel zu Bewegung und Inklusion eingeschoben, das in diesem Buch eine unklare Stellung hat. Weder wird dort ein direkter Bezug zur Bewegung gegeben, noch steht es in irgendeinem thematischen Bezug der vorherigen Kapitel. Einzig die pädagogische Ausrichtung sowie die Relevanz des Themas Inklusion sprechen für diesen Exkurs. Die Darstellung der beispielhaften Fördermodelle orientiert sich vage an den bisher aufgezeigten Erkenntnissen, weshalb sich die Auswahl der Modelle nicht per se nachvollziehen lässt. Ebenso erschwert eine Vermischung der Ebenen hinsichtlich der Fördermodelle den Zugang zur Praxis der Bewegungserziehung. Beispielsweise werden die Konzepte Bewegungsbaustelle und Bewegungslandschaft, die sich als Methoden innerhalb der Psychomotorik entwickelt haben, als eigenständige Fördermodelle betrachtet. Problematisch wird dies, da die Motologie respektive Psychomotorik eher als Fachgebiet vorgestellt, dessen Entwicklung aufgezeigt und diesbezügliche Problematiken verdeutlicht werden. Jedoch fehlt eine weitere Vertiefung hinsichtlich der Förderfunktion sowie der Abgrenzung zur Frühpädagogik. Zusammenfassende Betrachtung Dieses Buch vermittelt das Basiswissen der Frühpädagogik hinsichtlich der Bewegungserziehung an Studierende und Interessierte. Der Bezug zur Phylogenese und zur Kulturgenese stellt den theoretischen Hintergrund dar, aufgrund dessen die kindliche Bewegung betrachtet wird. Diese evolutionstheoretischen Hinweise werden in Zusammenhang mit aktuellen Ergebnissen aus der Motorik-Forschung gestellt. Neben dieser Thematik erscheinen der Einbezug präventiver Aspekte sowie das Aufzeigen von empirischem und praktischem Handlungsbedarf als spannende Argumentationslinie in diesem Buch. Aus der Perspektive der Psychomotoriktherapie enthält diese Publikation eine Vielzahl interessanter Ansätze sowie neuer Ausrichtungen, wie z. B. die Entwicklung kindlicher Bewegung, Beobachtung und Beurteilung von Bewegung, Bewegung im Kontext mit andern Entwicklungsbereichen sowie die Funktion von Bewegung. Gleichzeitig können einige Argumentationen kritisch betrachtet werden, etwa die Auseinandersetzung des Autors mit Psychomotorik und Motologie als Fördermodell der Bewegungserziehung. Dieses Buch erscheint als Ergänzung zum Studium sowie zur Auseinandersetzung mit den Themen Frühe Kindheit und Bewegung sehr geeignet und bietet diesbezüglich Lernfragen sowie Online-Zusatzmaterial an. Susanne Störch DOI 10.2378 / motorik2015.art08d
