motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mot2015.art13d
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Das aktuelle Stichwort: Evaluation
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Michael Macsenaere
Noch in den 1990er Jahren war der Begriff Evaluation kaum gebräuchlich – mittlerweile scheint er nahezu in aller Munde zu sein. Was aber bedeutet Evaluation überhaupt? Auf ein Wort konzentriert: Es ist eine Bewertung (lateinisch valere »wert sein«).
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[ 75 ] motorik, 38. Jg., 75-76, DOI 10.2378 / motorik2015.art13d © Ernst Reinhardt Verlag 2 | 2015 [ AUF DEN PUNKT GEBRACHT ] Das aktuelle Stichwort: Evaluation Michael Macsenaere Noch in den 1990er Jahren war der Begriff Evaluation kaum gebräuchlich- - mittlerweile scheint er nahezu in aller Munde zu sein. Was aber bedeutet Evaluation überhaupt? Auf ein Wort konzentriert: Es ist eine Bewertung (lateinisch valere »wert sein«). Bewertungen sind keine Erfindung des 20. Jahrhunderts, sondern ein dem Menschen innewohnendes und überlebenssicherndes Vorgehen. So bewerten wir tagtäglich das Wetter, unsere Nahrung, die Beziehungsqualität zu unseren Mitmenschen, das Gefährdungspotenzial von bestimmten Situationen etc. Analog zu diesem alltäglichen Vorgehen nimmt auch eine Evaluation eine Beschreibung und Bewertung vor-- allerdings mit folgenden Spezifika: ■ Es werden zumeist Programme, Projekte, Interventionen etc. untersucht. ■ Es werden wissenschaftliche und in der Regel interdisziplinäre Methoden genutzt. ■ Es wird systematisch, transparent und datengestützt vorgegangen. Aus diesen Punkten wird deutlich, dass eine Evaluation im Vergleich zu einer Bewertung im Alltag mit einem höheren Aufwand verbunden ist. Dieser rechnet sich nur, wenn ein entsprechender Nutzen erreicht wird. Welcher Nutzen kann aber diesen Aufwand rechtfertigen? Hier sind drei Nutzendimensionen voneinander zu unterscheiden: 1. Entscheidungsfindung: Eine Evaluation kann durchgeführt werden, um eine bessere Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Typischerweise trifft dies auf Modellprojekte zu, deren Evaluation datengestützte Hinweise bzw. Empfehlungen zur (Nicht-)Weiterführung des Projektes / Programmes liefert. Auftraggeber für solche Evaluationen sind oft Ministerien. 2. Legitimation: Jede Profession hat ein Interesse daran, die Legitimation ihrer Arbeit nach außen sichtbar zu machen. Dies kann durch ein »Bauchgefühl« oder Erfahrungswerte geschehen (z. B. »Wir leisten doch eine sinnvolle und erfolgreiche Arbeit! «)- - oder aber durch eine Evaluation, die die Qualität und ggf. den damit verbundenen Erfolg systematisch und valide erfasst. Dadurch wird eine differenzierte und transparente Darstellung (evtl. auch im Vergleich zu Kontrollgruppen) ermöglicht, der von Politik und Gesellschaft mehr Bedeutung beigemessen wird, als der Schilderung reiner Erfahrungswerte. In diesem Sinne lassen sich bspw. vorliegende Ergebnisse der Evaluation »SPES« (System Psychomotorischer Effekte-Sicherung) nutzen: Sie belegen, dass nach einer psychomotorischen Intervention die Ressourcen junger Menschen merklich gestärkt und ihre Defizite reduziert waren (Klein et al. 2006). 3. Qualitätsmanagement: Evaluation bietet aber auch die Chance, den Blick »nach innen« zu schärfen. Ihre Ergebnisse können und sollten genutzt werden, um klientelspezifisch eigene Stärken zu erkennen, aber auch um Hinweise auf Verbesserungspotenziale zu erhalten. Durch diese Rückkopplung leistet Evaluation einen Beitrag zur Qualitätsentwicklung einer Profession und ihrer einzelnen Akteure. Dementsprechend fordern auch Qualitätsmanagement-Modelle wie [ 76 ] 2 | 2015 Auf den Punkt gebracht das Total-Quality-Management (TQM) eine praxisbegleitende Evaluation. In der Jugendhilfe zeigen bspw. Evaluationsergebnisse, dass ressourcenorientierte Methoden (z. B. psychomotorische Interventionen) einerseits immer häufiger zum Einsatz kommen. Andererseits geschieht dies aber zumeist erst spät im Hilfeverlauf und bevorzugt bei jungen Menschen mit relativ guten Ausgangslagen (Macsenaere / Esser 2012). Dies spricht für einen doppelten Optimierungsbedarf: 1. Ressourcenorientierte Methoden frühzeitiger im Hilfeverlauf einzusetzen und 2. ihre Chancen auch für benachteiligte junge Menschen zu nutzen. Angemessene Durchführung von Evaluationen Evaluationen müssen natürlich angemessen durchgeführt werden. Je nach Untersuchungsgegenstand können dabei völlig unterschiedliche Methoden zum Einsatz kommen. So eignen sich manche Fragestellungen besser für eine von den Praktikern selbst geplante und ausgeführte »Selbstevaluation«, andere (zumeist komplexe) Fragestellungen sprechen möglicherweise eher für eine »Fremdevaluation« durch externe Experten. Manche Fragestellungen legen eine »Wirkungsevaluation« nahe, andere hingegen eine prozessorientierte Evaluation usw. In Anbetracht der Vielzahl von Untersuchungsmethoden ist zu beachten, dass es keinen generell richtigen Weg gibt, sondern dass die gewählte Methode mit ihren spezifischen Vor- und Nachteilen möglichst gut zur Fragestellung bzw. dem Untersuchungsgegenstand passt (DeGEval 2008). Literatur DeGEval- - Gesellschaft für Evaluation e. V. (Hrsg.) (2008): Standards für Evaluation. 4. Aufl. Mainz Klein, J., Knab, E., Fischer, K. (2006): Evaluation und Qualitätsentwicklung im Bereich psychomotorischer Förderung und Therapie. motorik 29, 4, 168- 178 Macsenaere, M., Esser, K. (2012): Was wirkt in der Erziehungshilfe? Ernst Reinhardt, München / Basel Der Autor Prof. Dr. rer. nat. habil. Michael Macsenaere Geschäftsführender Direktor des IKJ-- Institut für Kinder- und Jugendhilfe gGmbH, Mainz, Forschungsschwerpunkte: Evaluation im Sozialwesen, Qualitätsentwicklung und wirkungsorientierte Steuerung, Ressourcenorientierte Pädagogik und Sportpsychologie Anschrift IKJ Institut für Kinder- und Jugendhilfe gGmbH Prof. Dr. Michael Macsenaere Saarstr. 1 D-55122 Mainz macsenaere@ikj-mainz.de
