eJournals motorik 39/3

motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
71
2016
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Aus- und Weiterbildung in Bewegung

71
2016
Aida Kopic
Christina Jasmund
Jutta Schneider
Professionelles Handeln im Anwendungs- und Bildungsbereich Bewegung in der frühen Kindheit erfordert bewegungsspezifisches Wissen, Fertigkeiten, Sozial- und Selbstkompetenzen frühpädagogischer Fachkräfte. Das Qualifikationsprofil »Bewegung in der frühen Kindheit« (Schneider et al. 2015) beschreibt entsprechende Kompetenzen zu den Handlungsfeldern Kind / Gruppe, Raum, Team, Eltern und Netzwerke. Es bietet eine Orientierung für Träger, Fachberatungen und Leitungskräfte frühpädagogischer Einrichtungen und unterstützt Lehrende an Fach- und Hochschulen sowie ReferentInnen für Fort- und Weiterbildungen bei der Evaluation, Planung und Neukonzeption eigener Angebote.
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Zusammenfassung / Abstract Professionelles Handeln im Anwendungs- und Bildungsbereich Bewegung in der frühen Kindheit erfordert bewegungsspezifisches Wissen, Fertigkeiten, Sozial- und Selbstkompetenzen frühpädagogischer Fachkräfte. Das Qualifikationsprofil »Bewegung in der frühen Kindheit« (Schneider et al. 2015) beschreibt entsprechende Kompetenzen zu den Handlungsfeldern Kind / Gruppe, Raum, Team, Eltern und Netzwerke. Es bietet eine Orientierung für Träger, Fachberatungen und Leitungskräfte frühpädagogischer Einrichtungen und unterstützt Lehrende an Fach- und Hochschulen sowie ReferentInnen für Fort- und Weiterbildungen bei der Evaluation, Planung und Neukonzeption eigener Angebote. Schlüsselbegriffe: Bildungsbereich Bewegung, frühe Kindheit, Kompetenz, Qualifikationsprofil, Handlungsfelder, Ausbildung, Weiterbildung Apprenticeship and further education in movement - A qualification profile in the field of movement Professional action in the field of movement in early childhood education requires specific knowledge, (practical and social) skills and selfcompetences. The qualification profile »Movement in early childhood education« describes appropriate competences of professional educators related to different pedagogical fields of action (work with children, parents, other partners etc.). It offers an orientation for organizations, educational counselors / consultants and heads of kindergartens but also for teachers and lecturers at university and facilities of further education to evaluate, plan and redesign their offer. Key words: field of education, movement, early childhood, competences, qualification profile, apprenticeship, qualification, further education [ 141 ] motorik, 39. Jg., 141-149, DOI 10.2378 / motorik2016.art26d © Ernst Reinhardt Verlag 3 | 2016 [ FACHBEITRAG ] Aus- und Weiterbildung in Bewegung Ein Qualifikationsprofil für den Anwendungsbereich Bewegung Aida Kopic, Christina Jasmund, Jutta Schneider Die frühpädagogische Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern in Tageseinrichtungen hat in Deutschland in den vergangenen Jahren eine wesentliche Bedeutungszunahme erfahren. Ein Trend, der sich durch die aktuellen Entwicklungen wie z. B. die Aufnahme jüngerer Kinder unter drei Jahren oder die Umsetzung von Inklusion fortsetzen wird und sich in gestiegenen Ansprüchen an die pädagogische Qualität manifestiert (Schneider et al. 2015, 9). Der frühpädagogische Alltag ist charakterisiert durch Situationen und Handlungsanforderungen, die sich als Beziehungs- und Interaktionshandlungen hochgradig komplex und individuell darstellen und somit nicht standardisierbar sind. Frühpädagogische Fachkräfte müssen deshalb in der Lage sein, auf Basis ihres reflektierten biografischen Erfahrungswissens sowie ihres theoretischen, wissenschaftlich fundierten Fachwissens in diesen komplexen, mehrdeutigen und individuellen Situationen selbstorganisiert, reflexiv und kreativ zu handeln (Robert Bosch Stiftung 2011, 11). Als Konsequenz haben sich in den letzten Jahren im Zuge vielfältiger Reformen und (Forschungs-)Initiativen im Feld der Frühpädagogik verschiedene Kompetenzmodelle und Qualifikationsrahmen etabliert. Allein im Rahmen der Weiterbildungsinitiative für frühpädagogische Fachkräfte (WiFF), einem Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Robert Bosch Stiftung und des Deutschen Jugendinstituts (DJI), sind seit 2009 zahlreiche Publikationen und Kompetenzprofile zu aktuellen Themen der frühen Kindheit erschienen. In einer nachfolgenden Auflage wurde 2011 das Projekt Ausweitung der Weiterbildungsinitiative für Frühpädagogische Fachkräfte (AWiFF) gestartet, um [ 142 ] 3 | 2016 Fachbeiträge aus Theorie und Praxis weitere Themen und Fragen der frühen Kindheit zu erforschen und neue Erkenntnisse zur Entwicklung des Aus-, Fort- und Weiterbildungssektors zu gewinnen. Im Rahmen dieser Ausweitung wurde auch das Forschungsprojekt »Bewegung in der frühen Kindheit« (BiK) als ein Verbundprojekt der Universität zu Köln, der Fachhochschule Dortmund und der Hochschulen Koblenz und Niederrhein (http: / / www.kompetenzprofilbik.de) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Basierend auf einer hermeneutischen Bedeutungsanalyse von Bewegung, Dokumentenanalysen bildungspolitischer Rahmenvorgaben und empirischen qualitativen und quantitativen Erhebungen wurde das Qualifikationsprofil Bewegung in der frühen Kindheit (QP BiK) erarbeitet (Schneider et al. 2015). Dieses Qualifikationsprofil ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags und soll in seinen theoretischen Grundlagen, der inhaltlichen Struktur und den möglichen Einsatzfeldern vorgestellt werden. Das QP BiK bezieht sich auf Bewegung als einen wesentlichen Qualifizierungs- und Anwendungsbereich der frühpädagogischen Aus- und Weiterbildung. Es liefert damit erstmals einen Transfer der Anforderungen der nicht fachgebundenen Qualifikationsrahmen auf den Anwendungsbereich Bewegung in der Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern und beschreibt die nötige Qualifikation der Fachkräfte im Hinblick auf eine kompetente und professionelle bewegungsorientierte Bildungsarbeit. Dabei wird der Anwendungsbereich Bewegung inhaltlich als Lerngegenstand sowie in seiner Bedeutung für kindliche Bildungs- und Entwicklungsprozesse, als Medium der Interaktion und Kommunikation und in seiner Funktion als Ausdrucks-, Explorations- und Gestaltungsmittel beleuchtet und differenziert durch Kompetenzformulierungen dargestellt. Das dem QP BiK zugrundeliegende Bewegungsverständnis wird im nachfolgenden Abschnitt näher erläutert. Bewegung und Selbsterfahrung als didaktische Kategorie Um sich dem Phänomen menschlicher Bewegung zu nähern, wird zwischen zwei alternativen Zugängen unterschieden (Grössing 1993, 82). Während die analytisch-naturwissenschaftliche Betrachtung die Bewegung als Ortsveränderung eines Körpers oder einzelner Teile im Verhältnis zur Zeit definiert und in erster Linie die damit zusammenhängenden motorischen Bedingungen erforscht, fokussiert die phänomenologischgeisteswissenschaftliche Sichtweise - die dem QP BiK zugrunde liegt - die ganzheitlichen Be- Abb. 1: Einordnung des Qualifikationsprofils »Bewegung in der frühen Kindheit« (Schneider et al. 2015, 65, mit freundlicher Genehmigung des Springer Verlages) [ 143 ] Kopic, Jasmund, Schneider • Aus- und Weiterbildung in Bewegung 3 | 2016 wegungshandlungen des Menschen im Sinnzusammenhang seines Lebens (Fischer et al. 2016). Bewegung und Spiel gehören zu den grundlegenden Betätigungsformen des Menschen. Durch sie entdeckt das Kind seinen Körper und seine Umwelt und jede neue Bewegungserfahrung wird zur Welterfahrung sowie einem identitätsbildenden Moment. »Bewegung ist in der Tat das, über was ein Kind nicht nur sich selbst, sondern auch seine Umwelt in besonderer Weise erfährt, und diese erschließt sich ihm umgekehrt vornehmlich über seine Bewegungen« (Grupe 1992, 17). Der Erfahrungsbegriff wird in diesem Sinne zu einer wichtigen didaktischen Kategorie, weil er den Prozess beschreibt, wie das Kind in der Bewegungshandlung grundlegende identitätsbildende Erfahrungen sammelt und wesentliche Selbst-, Sach-, Sozialsowie Handlungskompetenzen erwirbt (Fischer 2009, 131). Durch handlungsgebundenes Experimentieren und Variieren über die Bewegungstätigkeit und den eigenen Körper, das Dabei-Sein im Sinne Hegels (Giese 2009, 24), schafft sich das Kind die Grundlage zur Handhabung von Dingen (Wissen und Können; Fischer 2009, 131). Angelehnt an die phänomenologisch-geisteswissenschaftliche Sichtweise auf Bewegung ist im QP BiK weniger die Realisierung sportlichen Könnens in einem fachkraftzentrierten anleitenden Vermittlungsweg handlungsleitend. Vielmehr steht die kindliche Erkenntnistätigkeit und das Bild vom Kind als Akteur seiner individuellen Entwicklungs- und Bildungsprozesse (Selbstbildung) im Fokus des Interesses (Fischer et al. 2016). Dabei kommt der Fachkraft eine wesentliche Bedeutung zu. Es ist ihre Aufgabe, Bildungsmöglichkeiten bereitzustellen und den Rahmen zu strukturieren, in dem selbsttätiges (Bewegungs-) Handeln und Denken möglich wird, in dem geistige und kulturelle Werkzeuge zugänglich sind, damit Kinder sich ihr Können und Wissen selbst erarbeiten können (von der Beek et al. 2006, 42 f ). Der Erkenntnisgewinn entsteht demnach aus der kooperativen Erkundungshandlung und überlässt der Fachkraft die Rolle des Bildungsbegleiters bzw. Arrangeurs von Lernprozessen und Lernumfeld (Fischer 2010, 124 f ). Darüber hinaus können Bewegungshandlungen u. a. abhängig von der jeweiligen Persönlichkeit, der aktuellen Situation, den Lebensumständen und dem Lebensalter des Kindes unterschiedliche Bedeutungen und Gewichtungen für den Menschen haben (Schneider et al. 2015, 40 ff ). Diese bedarf es vonseiten der Fachkraft im Hinblick auf das Kind individuell herauszufinden und in der Gestaltung des Settings zu beachten. Für die professionelle bewegungsorientierte Bildungsarbeit können und sollten unter Berücksichtigung des dargelegten Bewegungsverständnisses sowohl ■ die Bewegung als Bildungsgegenstand kindlicher Entwicklung als auch ■ die Bewegung als Medium ■ für umfassende Lernprozesse, ■ die Gesundheitsbildung und ■ eine ganzheitliche Entwicklung in der frühen Kindheit im Fokus pädagogischen Handelns stehen (Schneider et al. 2015, 47 ff ). Kompetenzmodell des Qualifikationsprofils BiK Für die Beschreibung der Handlungskompetenz frühpädagogischer Fachkräfte im Anwendungsbereich Bewegung wurde ein mehrdimensionales Kompetenzmodell entwickelt, das der Komplexität des Handlungsfeldes gerecht wird und die Anschlussfähigkeit des Profils an andere Qualifikationsrahmen gewährleistet. Wie den meisten modernen Qualifikationsrahmen liegt dem Qualifikationsprofil eine performative und outputzentrierte Kompetenzorientierung zugrunde. »Die Orientierung an Kompetenzen soll dazu beitragen, dass das Lernen auf die Bewältigung von Anforderungen statt auf den Aufbau von zunächst ungenutztem Wissen ausgerichtet wird« (WIFF 2011, 68). Referenzmodell des QP BiK ist der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR). Neben seiner poli- Die Fachkraft als Arrangeur von Lernprozessen und -umwelt [ 144 ] 3 | 2016 Fachbeiträge aus Theorie und Praxis tischen Bedeutung ist er mit seiner analytischen Unterscheidung von vier Dimensionen geeignet, themenspezifische Kompetenzprofile zu entwickeln (WIFF 2014, 80). Kompetenz definiert sich nach dem DQR als die »Fähigkeit und Bereitschaft des Einzelnen, Kenntnisse und Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten zu nutzen und sich durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten. Kompetenz wird in diesem Sinne als umfassende Handlungskompetenz verstanden« (AK DQR 2011, 16). Passgenauer für die Beschreibung der Handlungskompetenz frühpädagogischer Fachkräfte erschien den Autorinnen eine Definition nach Weinert. Er definiert Kompetenz als »die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können« (Weinert 2001, 27). Kompetenz kann demnach verstanden werden als Disposition der prinzipiellen Fähigkeit, bestimmte Anforderungssituationen zu bewältigen (Klieme et al. 2007, 72 f ). Sie zeigt sich jedoch in der Performanz, also der motivations- und situationsabhängigen Handlungsbereitschaft und dem tatsächlich erbrachten pädagogischen Handeln der Fachkraft in komplexen Handlungssituationen (Schmidt 2005, 162 ff ). In diesem Sinne beschreibt das QP BiK die Kompetenz der Fachkräfte auf der Ebene der Disposition. In Anlehnung an den DQR werden hierfür die vier Dimensionen »Wissen«, »Fertigkeiten«, »Sozialkompetenz« und »Selbstkompetenz« genutzt. Anstelle des Begriffs Selbstständigkeit (DQR) wurde im QP BiK der Terminus Selbstkompetenz gewählt. Zusätzlich zur Definition der Selbstständigkeit umfasst die Selbstkompetenz im QP BiK die persönlichen Voraussetzungen der Fachkraft und ihre Fähigkeit, eigene Einstellungen zu und Erfahrungen mit Bewegung vor dem Hintergrund der theoretischen Grundlagen zu hinterfragen und für Überzeugungen zum Ziel einer bewegten Bildungsarbeit einzustehen. Die Methodenkompetenz findet als Querschnittkompetenz Berücksichtigung in allen Dimensionen. Da das Denken und Handeln von Menschen jedoch nicht allein durch ihre Fach- und Personalkompetenz beeinflusst wird, sondern - in pädagogischen Arbeitsfeldern - maßgeblich geprägt ist von einem individuell-biographischen und kollektiven Habitus, Wertevorstellungen und Einstellungen (Nentwig-Gesemann et al. 2011), wurde die »Professionelle Haltung« zusätzlich als handlungsleitende Dimension aufgenom- Abb. 2: Kompetenzmodell »Qualifikationsprofil Bewegung in der frühen Kindheit« (Schneider et al. 2015, 70, mit freundlicher Genehmigung des Springer Verlages) [ 145 ] Kopic, Jasmund, Schneider • Aus- und Weiterbildung in Bewegung 3 | 2016 men. Die Haltung im Sinne bewusster und unbewusster subjektiv-verinnerlichter Sinnstrukturen beeinflusst den Prozess der Umsetzung von Wissen, Fertigkeiten, Sozial- und Selbstkompetenz in die Handlungspraxis (Performanz). Sie wird im QP BiK nicht durch separate Kompetenzen beschrieben, sondern ist den Kompetenzformulierungen der vier Dimensionen implizit. Neben der Verbindung von Fachkompetenz, Personaler Kompetenz und Haltung im frühpädagogischen Handeln ist auch die Fähigkeit zur systematischen und methodisch fundierten (Selbst-)Reflexion Kern professionellen Handelns. Erst eine durchgängig forschende Herangehensweise an pädagogische Praxis sowie die Fähigkeit zur kontinuierlichen biografischen Selbstreflexion ermöglichen es der Fachkraft, in komplexen Situationen spontan und reflektiert zu handeln und nach verschiedenartigen und differenzierten Lösungen zu suchen (Robert Bosch Stiftung 2011, 41). Reflexionswissen entsteht, wenn implizites, alltäglich angewandtes Handlungswissen bewusst zum Gegenstand des Nachdenkens und der Auseinandersetzung gemacht wird. Um der Bedeutung der Reflexion für ein professionelles Handeln gerecht zu werden, stellt sie die Basis des entwickelten Kompetenzmodells dar und findet fortlaufend während des gesamten Handlungsprozesses oder als nachträgliche Rekonstruktion statt. Die implizite, eventuell auch explizite, Reflexion des pädagogischen Handelns in einer konkreten Situation wirkt wiederum auf die Ebene der Disposition zurück und erweitert oder verändert diese. Handlungsfelder und inhaltliche Struktur des Profils Die Struktur des DQR wird im Qualifikationsprofil Bewegung in der frühen Kindheit um eine weitere Ebene ergänzt: den vier Kompetenzdimensionen Wissen, Fertigkeiten, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz sind fünf Handlungsfelder zugeordnet. Die Handlungsfelder beschreiben das typische, wiederkehrende Tätigkeitsspektrum des pädagogischen Alltags, dessen Anforderungen und Aufgaben die frühpädagogischen Fachkräfte professionell und kompetent handhaben und bewältigen müssen. Zu den etablierten Handlungsfeldern gehören die Kategorien Kind / Gruppe, Eltern / Öffentlichkeit, Team / Netzwerke, Organisation / Management und Wissenschaft/ Forschung (Robert Bosch Stiftung 2011, 47). Folglich gliedert das QP BiK Kompetenzen in handlungsfeldübergreifende Grundlagenkompetenzen zur Bewegung sowie in handlungsfeldergänzende Kompetenzen. Die Grundlagenkompetenzen fassen jene Kompetenzen zusammen, welche die Bedeutung von Bewegung, bewegungsorientierte Ansätze und Konzepte, grundlegende Bezugstheorien zur Bewegung und die Entwicklung in der frühen Kindheit thematisieren. Diese Kompetenzen stellen die Basis für die pädagogische Fachkraft dar, um bewegungsorientiert handeln zu können. Weiterführende - auf die Grundlagenkompetenz Bewegung aufbauende - zielgruppen- und settingorientierte Kompetenzen für den Anwendungsbereich Bewegung ergeben sich aus den Handlungsfeldern: 1. Kind / Gruppe (Beobachtung und Dokumentation; Methodik und Didaktik) 2. Raum (Analyse und Gestaltung bewegungsfreundlicher Innen- und Außenräume) 3. Eltern / Familie (Gestaltung einer bewegten Erziehungs- und Bildungspartnerschaft) 4. Team (handlungsorientierte / bewegte Konzeptions- und Teamarbeit) 5. Netzwerke (Vernetzung im Sozialraum zur Realisierung einer bewegungsorientierten Bildungsarbeit) Diese inhaltliche Strukturierung der Kompetenzen (Abb. 3) soll eine übersichtliche und präzise Bestimmung der Lernziele einer bewegungsorientierten Bildungsarbeit ermöglichen und den Anwendungsbezug im Arbeitsalltag der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung sicherstellen. Professionelle Haltung als handlungsleitende Dimension [ 146 ] 3 | 2016 Fachbeiträge aus Theorie und Praxis Das im Folgenden beschriebene Anwendungsbeispiel (siehe Kasten) zeigt, wie die zu den Handlungsfeldern aufgelisteten Kompetenzformulierungen des QP BiK zur Konzeption und Ausgestaltung von Fort- und Weiterbildungsmodulen genutzt werden können. Einsatzfelder und Nutzergruppen Primäre Zielgruppen des Qualifikationsprofils Bewegung in der frühen Kindheit sind Lehrende an Fachschulen / Fachakademien und Hochschulen / Universitäten in den Ausbildungen für ErzieherInnen und KindheitspädagogInnen sowie ReferentInnen im Fort- und Weiterbildungssektor. Für sie steht das Qualifikationsprofil als Matrix für die Evaluation von Ausbildungen und die Neukonzeption von Curricula zur Verfügung. Des Weiteren können Aus- und Weiterbildungsinstitutionen und -träger ihre Angebote und Qualifikationsportfolios kompetenzorientiert anpassen, ggf. ausbauen und ihre Angebote kompatibel zum DQR dokumentieren. Damit werden diese auf der jeweiligen Niveaustufe vergleichbar und anrechenbar für weitere Qualifikationen und unterstützen die berufliche Weiterentwicklung im Sinne des lebenslangen Lernens. Darüber hinaus sind sie in der Lage, die Qualifikation ihrer ReferentInnen transparent auszuweisen bzw. diese gezielt zu rekrutieren. Dies ermöglicht es Fachkräften und Trägern den anzustrebenden Kompetenzerwerb vorab zu prüfen und den Lernerfolg nach der Veranstaltung zu evaluieren. Anbietern und TeilnehmerInnen ist damit eine mehrperspektivische Qualitätskontrolle möglich. Trägern und FachberaterInnen von Tageseinrichtungen kann das Qualifikationsprofil einerseits als Instrument der Qualitäts- und Personalentwicklung dienen. So können gezielt bewegungsrelevante Handlungskompetenzen evaluiert, ausgebaut oder angeworben werden. Sie sind bedeutsam für die einrichtungsspezifische Konzeptionsentwicklung und die bewegungsorientierte Umsetzung in den relevanten Handlungsfeldern. Andererseits können auf dieser Grundlage Fort- und Weiterbildungsangebote überprüft, ausgewählt und der anschließende Transfer in die pädagogische Praxis gesteuert und überprüft werden. Kategorien der Strukturqualität wie die Innen- und Außenraumgestaltung und die Materialauswahl können mithilfe des Qualifikationsprofils überprüft und ggf. bewegungsförderlicher gestaltet werden. Aber auch die themenspezifische Kompetenzentwicklung im Team, die erfolgreiche Umsetzung von Erziehungspartnerschaften, der Aufbau von Kooperationen und Netzwerken können mithilfe des Qualifikationsprofils (neu) gestaltet werden. Abb. 3: Inhaltliche Strukturierung der Kompetenzen (Schneider et al. 2015, 99, mit freundlicher Genehmigung des Springer Verlages) [ 147 ] Kopic, Jasmund, Schneider • Aus- und Weiterbildung in Bewegung 3 | 2016 Bei pädagogischen Fachkräften, InteressentInnen und Studierenden frühpädagogischer Ausbildungsgänge unterstützt das Qualifikationsprofil die selbstreflexive Betrachtung der eigenen Handlungskompetenz und dient als Orientierungshilfe für einen angestrebten bewegungsspezifischen Kompetenzaufbau. Es unterstützt die Eigenverantwortung der fachlichen Qualifikation, indem es als Übersetzungshilfe zwischen den institutionsspezifischen Rahmenlehrplänen und Modulhandbüchern einerseits und den Curricula andererseits eingesetzt und so die spezifisch formulierten Lernziele der jeweiligen Kompetenzbereiche auf der zu erreichenden Niveaustufe des DQR eingeordnet und überprüft werden können. Ausblick Der Fort- und Weiterbildungsbereich für frühpädagogische Angebote ist gekennzeichnet durch fachliche Heterogenität, fehlende Qualitätskriterien, Intransparenz und Unverbindlichkeit. Insbesondere für den Anwendungsbereich Bewegung existiert nur ein begrenztes und regional konzen- Vertiefungsqualifikation Psychomotorik in der Kindheit - Die deutsche Akademie für Psychomotorik (dakp) ist der erste Fortbildungsanbieter, der in der Ausarbeitung seiner bewegungsorientierten Weiterbildungsangebote das Qualifikationsprofil Bewegung in der frühen Kindheit berücksichtigt und umsetzt. Die Vertiefungsqualifikation Psychomotorik in der Kindheit (dakp) baut auf der Berufsqualifikation Psychomotorik (dakp) auf und bietet eine Auseinandersetzung mit den mehrdimensionalen Anwendungsperspektiven psychomotorischer Bildungs- und Entwicklungsförderung in der Kindheit. Zentral thematisiert die Vertiefungsqualifikation die verschiedenen Handlungsfelder des QP BiK. Die Module 1 und 2 der Vertiefungsqualifikation werden durch den Abschluss der Berufsqualifikation Psychomotorik abgedeckt und setzen sich mit der psychomotorischen Gestaltung von Bildungs- und Entwicklungssituationen in der frühen Kindheit (Handlungsfeld Kind / Gruppe) sowie dem Umgang mit der eigenen Haltung und Rolle auseinander. In Modul 3 »Brücken bauen« - Übergänge psychomotorisch gestalten (Handlungsfeld Eltern und Familie / Netzwerke) ist die Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Bewegung und Spiel für die Gestaltung von Übergangsprozessen zentral. Modul- 4 »Raum schaffen« - Räume wahrnehmen und gestalten (Handlungsfeld Raum) fokussiert die Auseinandersetzung mit der Beziehung von Körper und Raum und die Bedeutung der Raumgestaltung für kindliche Bildungs- und Entwicklungsprozesse. Im Mittelpunkt von Modul 5 »Den Stein ins Rollen bringen« - Transfer in die eigene Arbeitswelt (Handlungsfeld Team) steht die Implementierung bewegungsorientierter Methoden und Praktiken in das eigene Arbeitsfeld unter der Berücksichtigung der eigenen Funktion in diesem. Als Beispiel sollen im Folgenden die in Modul 3 »Brücken bauen« angestrebten Fach- und Personalkompetenzen aus dem QP BiK beschrieben werden: Nach Abschluss des Moduls verstehen die TeilnehmerInnen Transitionsprozesse als gemeinsame Entwicklungsaufgabe aller Beteiligten und erkennen Möglichkeiten, aber auch Grenzen einer bewegungsfördernden Zusammenarbeit (Selbstkompetenz). Dazu ist es erforderlich, Wissen um die Relevanz von Netzwerkarbeit für das Gelingen von Transitionsprozessen zu erwerben und bewegungsorientierte Aktivitäten zur Begleitung von Familien in Transitionsprozessen durch Selbsterfahrung kennenzulernen (Wissen). Auf dieser Grundlage sollten die TeilnehmerInnen des Moduls die Kompetenz erwerben, geeignete Formen und Methoden der bewegten Zusammenarbeit von Eltern / Bezugspersonen und Fachkräften zielgruppenspezifisch und zielorientiert auszuwählen und gemeinsam mit den Beteiligten zur Unterstützung und Begleitung von Transitionsprozessen umzusetzen (Fertigkeiten und Sozialkompetenz) (dakp o. J.). [ 148 ] 3 | 2016 Fachbeiträge aus Theorie und Praxis triertes Angebot, welches die Struktur und die Inhalte des Qualifikationsprofils Bewegung in der frühen Kindheit bisher nur unzureichend berücksichtigt (Zabern / Kuhlenkamp 2013). Das QP BiK bietet durch die beschriebenen qualitativen Standards erstmals eine Möglichkeit zur Strukturierung des uneinheitlichen Aus-, Fort- und Weiterbildungssektors und leistet einen Beitrag zur kompetenzorientierten Qualifikation frühpädagogischer Fachkräfte für den Anwendungsbereich Bewegung. Dadurch trägt das Profil nicht nur zur Verbesserung der Bildungsqualität für Kinder bei, es bringt Bewegung in den Aus-, Fort- und Weiterbildungssektor und fördert dessen Weiterentwicklung und Professionalisierung. Um diese Entwicklung zu begünstigen sowie unübersichtlichen und nicht wissenschaftlichen Angeboten bzw. Anbietern entgegen zu wirken, erarbeitet eine Forschergruppe derzeit auf der Basis des existierenden Qualifikationsprofils »Kompetenzorientierte Gestaltung von Weiterbildungen« (WIFF 2014) und der im Rahmen des BiK- Projektes empirisch ermittelten Ergebnisse und Bedarfe ein bewegungsspezifisches Qualifikationsprofil für Lehrende. Dieses Profil fokussiert die Fach- und Personalkompetenz von Lehrenden und ReferentInnen im Feld der bewegungsorientierten Aus-, Fort- und Weiterbildung. Es beschreibt deren Handlungskompetenz im Sinne einer doppelten Didaktik (Gaigl 2014, 35), in der WeiterbildnerInnen sowohl die Lernsituation in der Weiterbildung als auch den Transfer der Teilnehmenden in die eigene Praxis gleichermaßen berücksichtigten. Dieser Artikel durchlief das Peer-Review. Literatur Arbeitskreis DQR (2011): Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen. In: https: / / www.htwkleipzig.de/ fileadmin/ hochschulrecht/ hrk_kmk_ AR_SMWK/ 2011-10-28_DQR_Gesamtdokument _110322.pdf, 15.03.2016 Deutsche Akademie für Psychomotorik (dakp): VertiefungsqualifikationPsychomotorikinderKindheit. In: www.psychomotorik.com/ weiterbildungen/ vertiefungsqualifikation/ , 15.03.2016 Fischer, K. (2009): Einführung in die Psychomotorik. 3. Aufl. Ernst Reinhardt, München / Basel Fischer, K. (2010): Die Bedeutung der Bewegung für Bildung und Entwicklung im frühen Entwicklungsalter. In: Schäfer, G. E., Staege, R., Meiners, K. (Hrsg.): Kinderwelten - Bildungswelten. Cornelsen, Berlin, 117-131 Fischer, K., Kopic, A., Schneider, J. (2016): Bewegung als anthropologische Kategorie. Das Bewegungsverständnis des Forschungsprojektes BiK. In: Fischer, K., Beudels, W., Jasmund, C., Krus, A., Kuhlenkamp, S., Hölter, G. (Hrsg.) (im Druck): Bewegung in der frühen Kindheit - Fachanalyse und Konzeptionalisierung der Aus- und Weiterbildungsprofile. Springer Verlag, Berlin Gaigl, A. (2014): Weiterbildung kompetenzorientiert gestalten - Anforderungen an Weiterbildnerinnen und Weiterbildner. In: Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.): Kompetenzorientierte Gestaltung von Weiterbildungen - Grundlagen für die Frühpädagogik. WiFF Wegweiser Weiterbildung. Band 7. München, 34-53 Giese, M. (2009): Theoretische Grundlagen eines erfahrungsorientierten und bildenden Sportunterrichts. In: Giese, M. (Hrsg.): Erfahrungsorientierter und bildender Sportunterricht. Ein theoriegeleitetes Praxishandbuch. Meyer & Meyer, Aachen, 13- 53 Grössing, S. (1993): Bewegungskultur und Bewegungserziehung. Grundlagen einer sinnorientierten Bewegungspädagogik. Hofmann, Schorndorf Grupe, O. (1992): Bewegung, Spiel und Leistung im Sport: Grundthemen der Sportanthropologie. Hofmann, Schorndorf Klieme, E., Avenarius, H., Blum, W., Döbrich, P., Gruber, H., Prenzel, M., Reiss, K., Riquarts, K., Rost, J., Tenorth, H.-E., Vollmer, H.J. (2007): Zur Entwicklung [ 149 ] Kopic, Jasmund, Schneider • Aus- und Weiterbildung in Bewegung 3 | 2016 nationaler Bildungsstandards. BMBF. Bonn. In: www.bmbf.de/ pub/ zur_entwicklung_nationaler _bildungsstandards.pdf, 15.03.2016 Nentwig-Gesemann, I., Fröhlich-Gildhoff, K., Harms, H., Richter, S. (2011): Professionelle Haltung - Identität der Fachkraft für die Arbeit mit Kindern in den ersten drei Lebensjahren. WIFF Expertise 24.-Deutsches Jugendinstitut e. 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Verlag das Netz, Berlin Zabern, L. v., Kuhlenkamp, S. (2013): Ergebnisbericht bewegungsspezifische Fort- und Weiterbildungen. (Unveröff. Projektbericht). Fachhochschule Dortmund Die AutorInnen Aida Kopic Dipl.-Heilpädagogin, ZQ Psychomotorik, seit 2012 wiss. Mitarbeiterin im Fachbereich Sozialwesen an der Hochschule Niederrhein; Multiplikatorin zur Alltagsintegrierten Sprachbildung und -beobachtung im Elementarbereich in NRW; freiberufliche Dozentin in der Aus- und Weiterbildung frühpädagogischer Fachkräfte Prof. Dr. Christina Jasmund Dipl.-Philosophin, Dipl.-Sozialpädagogin, Motopädin, Marte Meo Kollegentrainerin, Promotion an der Universität Osnabrück zum Thema »Bewegungskindergärten in NRW«, seit 2009 Professorin für Kindheitspädagogik an der Hochschule Niederrhein Jutta Schneider Dipl.- Heilpädagogin, Marte Meo-Therapeutin, Systemische Beraterin, 2003-2014 als Heilpädagogin im Zentrum für Frühbehandlung und Frühförderung in Köln tätig, seit 2006 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität zu Köln; freiberufliche Dozentin in der Aus- und Weiterbildung frühpädagogischer Fachkräfte Anschriften Prof. Dr. Christina Jasmund und Aida Kopic Hochschule Niederrhein Fachbereich Sozialwesen Richard-Wagner-Str. 101 41065 Mönchengladbach christina.jasmund@hs-niederrhein.de aida.kopic@hs-niederrhein.de Jutta Schneider Universität zu Köln Lehrstuhl für Bewegungserziehung Gronewaldstr. 2a 50931 Köln j.Schneider@uni-koeln.de