motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2017
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Sprach- und Bewegungsförderwoche für Kinder mit Trisomie 21
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2017
Christina Arn
Susanne Störch Mehring
Der vorliegende Artikel stellt ein interdisziplinäres Projekt vor, welches seit drei Jahren an der Hochschule für Heilpädagogik (HfH), Zürich durchgeführt wird. Im Fokus steht ein präventives Angebot für Kinder mit Trisomie 21, welches auf die Herausforderungen des Kindergarten- bzw. Schuleintritts vorbereiten soll. Das Projekt findet statt als Förderwoche im Sommer und wird von Studierenden der Psychomotorik und Logopädie in enger Begleitung durch zwei Dozierende durchgeführt.
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Zusammenfassung / Abstract Der vorliegende Artikel stellt ein interdisziplinäres Projekt vor, welches seit drei Jahren an der Hochschule für Heilpädagogik (HfH), Zürich durchgeführt wird. Im Fokus steht ein präventives Angebot für Kinder mit Trisomie 21, welches auf die Herausforderungen des Kindergartenbzw. Schuleintritts vorbereiten soll. Das Projekt findet statt als Förderwoche im Sommer und wird von Studierenden der Psychomotorik und Logopädie in enger Begleitung durch zwei Dozierende durchgeführt. Schlüsselbegriffe: Psychomotorik, Logopädie, Trisomie 21, Sprachförderung und Bewegungsförderung A week of speech and movement promotion for children with trisomy 21 This article presents an interdisciplinary project, offered annually by the University of Heilpädagogik (HfH), Zurich since three years. This preventive offer for children with trisomy 21 intends to prepare them for the challenges of entering pre school or school. The supportive summer camp week is conducted by psychomotor and speech therapy students, closely monitored by two teachers. Key words: psychomotor therapy, speech therapy, trisomy 21, speech and movement promotion [ TITELRuBRIK ] [ FORuM PSyCHOMOTORIK ] Sprach- und Bewegungsförderwoche für Kinder mit Trisomie 21 Christina Arn, Susanne Störch Mehring Der Anstoß zur Entwicklung einer Projektwoche Sprach- und Bewegungsförderung stammt von der Elternvereinigung Insieme 21. Der Wunsch der Eltern bezieht sich explizit auf die Bedürfnisse von Kindern mit Trisomie 21 im Hinblick auf den Eintritt in den Kindergarten bzw. in die Schule. Von Anfang an ist den Beteiligten klar (u. a. in Anbetracht der kurzen Dauer einer Förderwoche), dass kein therapeutisches, sondern ein präventives Projekt ausgearbeitet wird. Die Zusammenarbeit der beiden Fachbereiche Psychomotorik und Logopädie wird in diesem präventiven Projekt durch institutionelle Nähe sowie mit der thematischen Relevanz begründet. Gegenüber einer reinen Kenntnisnahme des anderen Fachgebietes zielt diese Kooperation auf die gegenseitige Information und gemeinsame Beteiligung im Sinne einer konkreten, interdisziplinären Zusammenarbeit. Angegliedert wurde das Projekt an das Förderzentrum der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik (HfH) Zürich. Diese seit 2012 bestehende Einrichtung des Departements pädagogisch-therapeutische Berufe ermöglicht die Durchführung von Projekten im Rahmen der Fachbereiche Psychomotorik und Logopädie, die einen mittelbaren Bezug zu Lehre, Forschung und Praxis in den entsprechenden Fachbereichen aufweisen. Die Projekte sollen Theorie und Praxis verknüpfen und unter anderem auch die fachliche Entwicklung der Studierenden durch Inter- und Supervision, vor allem aber auch durch eigenverantwortliches Handeln fördern (In: www.hfh.ch/ de/ unser-service/ therapie-lehr-praxis). Die Sprach- und Bewegungsförderwoche für Kinder mit Trisomie 21 Die Zielgruppe des Projektes sind Kinder mit Trisomie 21 zwischen vier und acht Jahren. Trisomie 21 (auch sogen. Down-Syndrom) ist ein genetischer Defekt, bei dem eine Chromosomenanomalie vorliegt, die gesundheitliche und kör- 4| 2017 motorik, 40. Jg., 160-167, DOI 10.2378 / motorik2017.art26d © Ernst Reinhardt Verlag [ 160 ] [ 160 ] [ 161 ] Arn, Mehring • Sprach- und Bewegungsförderwoche für Kinder mit Trisomie 21 4| 2017 perliche Auswirkungen sowie entsprechende Folgeerscheinungen bei den betroffenen Kindern bewirkt und sie in ihrer kindlichen Entwicklung beeinträchtigt (Wilken 2009). Ein präventives Angebot für Kinder mit Trisomie 21 orientiert sich am Verständnis von Prävention, das auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet ist. Dieser zielgruppenspezifische Ansatz findet seine Anwendung bei Teilgruppen, die aufgrund verschiedener Faktoren ein erhöhtes Risikopotenzial haben. Bei Kindern mit Trisomie 21 zeigt sich dieses Risikopotenzial deutlich in den Bereichen Sprache und Motorik. »Kinder mit Down- Syndrom haben zwar einen umfassenden Förderbedarf in allen Entwicklungsbereichen, aber die deutlichsten Schwierigkeiten liegen offenbar in der motorischen und sprachlichen Entwicklung« (Sarimiski 2015, 20). Die Zielorientierung dieses präventiven Projektes ist die Stärkung der kindlichen Kompetenzen, um Entwicklungsproblemen vorzubeugen bzw. diese zu vermindern, da sich bei Kindern mit Trisomie 21 eine verlangsamte Entwicklung im Alter zwischen drei und sechs Jahren als Phase mit geringem Lernfortschritt zeigt (Schott 2010). Diesbezüglich werden Einflussfaktoren definiert und Maßnahmen entwickelt, um Risikofaktoren zu beseitigen und Schutzfaktoren zu stärken (Hafen 2007). Ein weiterer Orientierungspunkt ist der Präventionsansatz nach Bundschuh und Bach (2009), bei dem davon ausgegangen wird, dass eine Veränderung zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf unterschiedlichen Ebenen möglich ist. Entsprechend sind sensitive Phasen (z. B. Schuleintritt, Schulwechsel, Berufseinstieg) zu berücksichtigen, zu deren Zeitpunkt eine Veränderung eher ermöglicht werden kann, da der Heranwachsende sich in einer Phase der Unsicherheit befindet (Bundschuh / Bach 2009). Risikofaktoren Motorik Schott (2010) fasst verschiedene Studien zusammen, die Hinweise auf mögliche Probleme der körperlichen Gesundheit sowie der motorischen Entwicklung bei Kindern mit Trisomie 21 geben. Dazu gehören häufig Herz- und Gefäßfehlbildungen sowie Hör- und Sehschäden (Schott 2010). Darüber hinaus beschreibt sie, dass das Erlernen sowie die Durchführung von Bewegungsfertigkeiten durch langsame und wenig präzise Bewegungen gekennzeichnet sein können, deren Hauptursachen im Zusammenhang mit Gelenkinstabilität, Muskelschwäche und geringem Muskeltonus gesehen werden (Schott 2010). Neben den genannten Faktoren können Erschwernisse durch mangelnde Verarbeitung von visuellen sowie vestibulären Informationen hinzukommen (Schott 2010). Die Kinder mit Trisomie 21 weisen bei ausdauernden, motorischen Aktivitäten häufig eine schnellere Ermüdung auf, ebenso bei koordinativen und feinmotorischen Aufgaben. Die Kinder im Alter der Zielgruppe haben häufig Schwierigkeiten mit beidhändigen Tätigkeiten und besitzen noch keine deutliche Lateralität (Wilken 2009). Ein geringer Anteil von Kindern mit Trisomie 21 ist von einer Instabilität der oberen Halswirbel betroffen - bei diesen Kindern sollten motorische Aktivitäten, die zur Beugung und Streckung der Halswirbelsäule führen (z. B. Rolle Abb. 1: Förderung im Fokus Psychomotorik und Logopädie Abb. 2: Gestaltung einer Schatztruhe - Beobachtung feinmotorischer Fähigkeiten [ 162 ] 4| 2017 Forum Psychomotorik vorwärts, Trampolinspringen) vermieden werden (Wilken 2009). Risikofaktoren Kommunikation und Sprache »Kleinkinder mit Trisomie 21 sind in ihrer expressiven Sprachentwicklung häufig stärker verzögert, als in anderen Entwicklungsbereichen« (Kiesel et al. 2010, 20). Verschiedene syndromspezifische Aspekte erschweren die normale Sprachentwicklung. Bei Kindern mit Trisomie 21 werden häufig Aussprachestörungen diagnostiziert. Die Kinder haben Schwierigkeiten, die Sprachlaute zu bilden und sie in Verbindungen korrekt zu verwenden. Häufig wird eine verbale Entwicklungsdyspraxie beobachtet, ebenso Stottern, Poltern und Formen von Mutismus, oft verbunden mit einer Hörstörung (Giel 2012). Der Erwerb des Wortschatzes und des Sprachverständnisses ist erschwert. Oft liegt der Sprechbeginn erst im dritten Lebensjahr und die Wortbedeutungen werden nur langsam erweitert. »Die meisten Kinder mit Down-Syndrom produzieren ihre ersten Wörter wesentlich später als nicht behinderte Kinder und der Wortschatzaufbau geschieht langsamer, sie bilden später Mehrwortverbindungen und kleine Sätze« (Kiesel et al. 2010, 20). Es ist bekannt, dass Kinder mit Trisomie 21 häufig Schwierigkeiten bei der auditiven Diskrimination und beim, insbesondere auditiven, Kurzzeitgedächtnis aufweisen (Wilken 2014). Die Fähigkeiten in den Bereichen der Kommunikation, Motorik sowie soziale Kompetenz entwickeln sich deutlich langsamer. Besonders große Diskrepanzen zeigen sich in der Altersgruppe von fünf bis sechs Jahren. Aus den zuvor genannten Risikofaktoren werden im Projekt folgende Schwerpunkte als Förderbereiche aufgegriffen (Tab. 1). Projektphasen Das Projekt findet in den Räumlichkeiten der Hochschule statt, die durch zwei gut ausgestattete Bewegungsräume geeignete Voraussetzungen bietet. Der übrige Teil des Gebäudes kann nicht als kindergerechtes Umfeld bezeichnet werden, aber es besteht dadurch ein Normalitätsanspruch und es ergeben sich ganz natürliche Begegnungen mit Mitarbeitenden im Haus. Das Projekt verläuft in drei Phasen: ■ Vorbereitung: Die Studierenden erarbeiten theoretisches Wissen und vertiefen sich in bestimmte fachliche Arbeitsweisen. Vor allem aber wird die Woche unter einem bestimmten Thema (Piraten, Feuerwehr, Eisenbahn, Bauen, …) fachlich geplant, das einen Alltagsbzw. Interessenbezug der Kinder darstellt. Wichtig ist dabei, dass es fachspezifisch getrennte und fachspezifisch übergreifende Sequenzen gibt (Tab. 2). Es wird im Hinblick auf das präventive Arbeiten mit Kindern mit Trisomie 21 ein Orientierungswissen für die Bereiche Bewegung und Sprache zusammengestellt. Hier kann kein vertieftes Fachwissen erreicht werden, sondern es wird versucht, die jeweiligen Vorgehensweisen nachvollziehbar für den anderen Fachbereich zu gestalten und ihn auch umsetzbar zu machen. Die Studierenden beraten sich gegenseitig und suchen gemeinsam nach Lösungen. Dadurch wird interdisziplinäres Arbeiten in konkreter Umsetzung erlernt. Das Herstellen dieses Orientierungswissens, das Planen des gemeinsamen Vorgehens sowie die Optionen zur Inter- und Supervision im Kontext dieser Bewegungs- und Sprachförderwoche haben im Vergleich zum Durchführungszeitraum mit den Kindern einen sehr hohen Organisations- und Zeitbedarf. ■ Durchführung: Die Kinder werden morgens von ihren Eltern gebracht und am Nachmittag wieder abgeholt. Während fünf Stunden wird Förderbereich Logopädie Förderbereich Psychomotorik Übergreifende Aspekte ■ Semantik-Lexik ■ Schriftsprache ■ Kommunikativ-pragmatische Fähigkeiten ■ Koordinative Fähigkeiten (z. B. Gleichgewicht) ■ Körpertonus ■ Feinbzw. Grafomotorik ■ Wahrnehmung (taktil, auditiv, visuell etc.) ■ Soziale Fähigkeiten Tab. 1: Förderschwerpunkte des Projektes [ 163 ] Arn, Mehring • Sprach- und Bewegungsförderwoche für Kinder mit Trisomie 21 4| 2017 ihnen ein sprach- und bewegungsförderndes Angebot vermittelt, eingeschlossen das gemeinsame Mittagessen und eine Ruhephase nach dem Essen. Die präventiven Maßnahmen während der Woche sind zum Teil eng geführt und werden öfter wiederholt (z. B. Geschichten oder Lieder mit Bewegungen) oder sind freie Phasen, bei denen die Kinder die Angebote nach ihrem Bedürfnis nutzen können. Häufig sind auch Kombinationen möglich, dass z. B. zuerst eine Geschichte durch eine Bewegungslandschaft zur Förderung der Gleichgewichtsfähigkeit führt, die Kinder entsprechende Aufgaben ausführen und sie im Abb. 3: Handpuppe Nik begleitet die Kinder durch die Woche Tab. 2: Illustration Wochenplan: Montag Inhalte PMT Förderangebote / -bereich LOG Förderangebote / -bereich Verantwortung Themeneinstieg: Papagei (Handpuppe) Aufmerksamkeit, Konzentration, Motivation Aufmerksamkeit, Konzentration, Motivation PMT + LOG Piraten (T-Shirt, Verkleidung, Stempel) Feinmotorik Pragmatik-Kommunikation beobachten PMT Piratenlied Rhythmisierungsfähigkeit, Koordination beobachten Stimme, Atmung LOG Frühstück Kauen, Schlucken beobachten LOG + PMT Mutprobe: Seilpfad, Seilwanderung, Rollbrett etc. taktile Wahrnehmung, Gleichgewicht, Körpertonus PMT Vorbereitung und Mittagessen LOG Schatztruhe: Piratengeschichte, Flaschenpost Schatzkarte, Schatzsuche visuelle Wahrnehmung und Raumorientierung Ausgewählter Wortschatz zu Piraten LOG + PMT Transfer / Info Elternhaus: Foto in Piratenverkleidung mitgeben Symbole, Verständlichkeit prüfen LOG Schlussrunde und Piratenlied Pragmatik-Kommunikation LOG + PMT [ 164 ] 4| 2017 Forum Psychomotorik Anschluss die gegebenen Aufbauten nach ihren Vorstellungen (z. T. mit Hilfe der Erwachsenen) umbauen. Durch dieses Bewegungshandeln findet eine Auseinandersetzung mit der Umwelt über den Körper - als explorative und gestaltende Gegenstandserfahrung (Kunze- Langenfeld 2014) - statt. Die Erwachsenen haben dabei die Aufgabe, die Kinder (sprachlich) in ihren sensomotorischen sowie sozioemotionalen Erfahrungen und Erkenntnissen zu begleiten. Die StudentInnen erarbeiten im Verlauf der Woche kleine wissenschaftliche Eigenleistungen, wie sie im Rahmen der Ausbildung vorgesehen sind. Vereinzelt wurde die Woche auch als Teil eines der vorgesehenen Berufspraktika mit den entsprechenden Leistungen und Betreuung absolviert. ■ Nachbereitung: Die schriftlichen Arbeiten der StudentInnen werden korrigiert und, falls vorgesehen, an die Eltern weitergeleitet. Die administrativen Arbeiten aller Art, die im Zusammenhang mit der Durchführung anfallen, werden erledigt und der Abschluss der Woche mit den StudentInnen gefeiert. Arbeitsweisen Die Studierenden erhalten die Möglichkeit, fachspezifische Arbeitsweisen in der Praxis zu erproben. Dabei werden diese auch vom jeweils anderen Fachbereich, soweit möglich, ausprobiert. Aufgrund der genannten Risikofaktoren werden in den Bereichen Sprache und Bewegung verschiedene Schwerpunkte mit theoretischem Grundlagenwissen sowie theoretisch bekannten Arbeitsweisen aus der Ausbildung gestützt (Tab. 3). In der Umsetzung lernen die Studierenden, die Differenz zwischen Lebensalter und Ent- Schwerpunkte Bereich Psychomotorik: Förderung der Bewegung und Wahrnehmung Gestaltung von spielerischen Situationen zu den einzelnen Förderbereichen der Psychomotorik orientiert an der Ich-, Sach- und Sozialkompetenz (Fischer 2009, 23). In der selbsttätigen Auseinandersetzung mit den gebotenen Optionen werden Erfahrungen in Bezug auf den Körper, das Material sowie die Umwelt gesammelt, die auch unterstützend zur Begriffsbildung eingesetzt werden können (Zimmer, R. 2009 ff.). Umsetzungstechniken sind meist Bewegungslandschaften u. -baustellen (Miedzinski / Fischer2014; Konze 2015) sowie Sequenzen des ›Bewegten Lernens‹ (Köckenberger 2016). Förderung sozial-emotionales Selbsterleben Hinführung zum Rollenspiel anhand themenbezogener Sequenzen (z. B. ›Piraten‹) und Materialien (z. B. Handpuppen). Anhand von Einzelfallorientierung mit einer Offenheit zu Neuem sowie flexiblen Handlungen und Handlungsvorstellungen, um nicht (präventive) Pauschalangebote anzubieten (Schache 2013) sowie eine empathische Beziehungsgestaltung mit Ausrichtung auf das sozialemotionale Selbsterleben in Bewegungssituationen. Schwerpunkte Bereich Logopädie: Förderung Kommunikation Förderung der sozialen Fähigkeiten, insbesondere des Gesprächsverhaltens und der Selbständigkeit: Die Studierenden reflektieren ihr eigenes Verhalten betreffend Blickkontakt, Themeneinführung, Nachfragen, Regeln des Turn-Taking, Sprachmenge und -struktur (Aitchinson 2012, Dietrich 2002, Rickheit et al. 2016). Die Studierenden begleiten und ermutigen die Kinder bei der Lösung alltäglicher Probleme, die sich im Verlauf der Tage ergeben (Wilken 2014, Beck 2010). Förderung Semantik-Lexik Vorab werden bestimmte Schlüsselwörter ausgewählt, die, passend zum Wochenthema, regelmäßig und in unterschiedlicher Form angeboten werden sollen. Unter unterschiedlicher Form werden verschiedene mediale Möglichkeiten verstanden wie: Gesprochen, in schriftlicher Form, als Gebärde oder Geste, abgebildet, durch Selbsterfahrung, handelnd, usw. (Kauschke u. Siegmüller 2006, Portmann et al. 2016, Wilken, 2014) Förderung Phonologie Frühes Lesen: Anhand eines speziell für Kinder mit Trisomie 21 entwickelten Leseunterrichts lernen die Kinder nicht in erster Linie Lesen, sondern die visuelle Unterstützung hilft ihnen, sich Wörter zu merken und Wörter auch besser bzw. verständlicher zu artikulieren (Oelwein 2007, Manske 2003). Tab. 3: Überblick Arbeitsweisen Psychomotorik und Logopädie [ 165 ] Arn, Mehring • Sprach- und Bewegungsförderwoche für Kinder mit Trisomie 21 4| 2017 wicklungsalter zu berücksichtigen und die gewählten Arbeitsweisen möglichst schnell an die Situation bzw. die Kinder anzupassen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit in diesem Projekt zeigt auf, dass ein Aushandeln der Gewichtung des jeweiligen Förderangebots relevant ist. Ein regelmäßiger Austausch vermeidet einseitiges, eine Disziplin betonendes Vorgehen und ermöglicht die Aushandlung von gemeinsamen Zielen. Jedoch benötigt es die Auseinandersetzung mit den jeweiligen Codes und Begrifflichkeiten sowie der zum Teil anders ausgerichteten Strukturen im anderen Fachgebiet (Hafen 2013). Deshalb werden bei der Planung des Angebotes Erkenntnisse zu den Risikofaktoren sowie zu verschiedenen präventiven Vorgehensweisen beider Fachgebiete als Orientierungspunkte zur Durchführung der Maßnahmen gesetzt, wie dies von Hafen (2013) als Vorteil einer multidisziplinären Ausrichtung formuliert ist. Die teilnehmenden Studierenden orientieren sich diesbezüglich am Zusammenhang zwischen Bewegung und Sprache als gemeinsamen Ausgangspunkt: Für die Sprachentwicklung benötigt das Kind von Anfang an motorische Fähigkeiten (Kiese-Himmel 2016) sowie die sensomotorische Auseinandersetzung mit der Umwelt (Scherler 1975; Kunze-Langenfeld 2014). Und ebenso ist die Sprache zentral für das motorische Lernen des Kindes: »Die Sprache ermöglicht jedoch nicht nur Aufbewahrung und Weitergabe der Bewegungserfahrungen, sondern der Mensch ist mit ihrer Hilfe in der Lage, seine Fähigkeiten im motorischen Lernprozess bewusst auszubilden« (Schnabel et al. 2015, 155). Evaluation Zur Evaluation des Angebots wird im zweiten Jahr eine Elternbefragung durchgeführt mit dem Ziel, die Ausrichtung des Projektes mit den Bedürfnissen der Eltern abzugleichen. Anhand der Ergebnisse werden Anpassungen im folgenden Jahr vorgenommen, wie z. B. die verstärkte Dokumentation der Woche inklusive Transfer für das Elternhaus (u. a. Wochenhefte mit Text und Fotos von verschiedenen Fördersituationen, Abb. 4). Dem Bedürfnis der Eltern, das Projekt in der Nähe ihres Wohnortes durchzuführen, kann aufgrund der Anbindung an die Hochschule und der Nutzung der gegebenen Infrastruktur nicht entgegengekommen werden. Nach der dritten Durchführung werden mittels Leitfadeninterviews die Erfahrungen von Studierenden, Eltern sowie Fachpersonen aus dem Umfeld der Kinder erhoben. Erste Daten zeigen ein interessantes Bild: ■ Von den befragten Studierenden wird die Woche als zum Teil aufwendig und anstrengend wahrgenommen, aber als sinnvoll, um theoretisches Wissen in die Praxis umsetzen zu können. Geschätzt wird die Freiheit in der Gestaltung der Sequenzen, aber ebenso die intensive und unmittelbare Supervision durch die Projektleitung. Ehemalige Studierende geben an, dass die Erfahrungen der Woche ihnen den Einstieg in den Berufsalltag erleichtert haben, da sie eine gewisse Sicherheit im Umgang mit unerwarteten Situationen mit schneller fachlicher Anpassung an diese erworben haben. ■ Die Eltern geben an, mit der Woche zufrieden zu sein und wünschen sich eine Wiederholung. Wichtig ist ihnen auch, dass sich ihre Kinder in einer Gruppe von ›gleichen‹ Kindern bewegen können und wenig Druck auf die Kinder zu spüren ist. ■ Die Lehrpersonen und TherapeutInnen aus dem Umfeld des Kindes stehen der Woche vorab eher skeptisch gegenüber und zeigen sich anschließend durchweg positiv überrascht. Sie beobachten insbesondere eine deutliche Veränderung im kommunikativen Verhalten der Kinder. Sie beschreiben die Woche als Anstoß für einen Entwicklungsschritt der Kinder im kommunikativen sowie im motorischen Bereich. (Thema Zugfahren / Eisenbahn) Heute stand der Gütertransport im Zentrum. Ich habe verschiedene Transportmöglichkeiten kennengelernt. Dazu bin ich auf einem Rollbrett gefahren. Ich habe das Gleichgewicht und die Koordination trainiert und gleichzeitig meinen Wortschatz erweitert. Beim Ertasten von verschiedenen Materialien war meine taktile Wahrnehmung gefordert. Ich habe versucht zu beschreiben, wie sich das Material anfühlt. Abb. 4: Einblick Wochenheft Thema [ 166 ] 4| 2017 Forum Psychomotorik Ausblick Die durchweg positiven Rückmeldungen der Eltern und auch der Studierenden motivieren zum Weitermachen. Die Projektleitung ist immer wieder fasziniert, wie viel Aufwand die Eltern (z. B. lange Anreise) und die Studierenden auf sich nehmen, um an dieser Woche teilzunehmen. Die Rückmeldungen zeigen aber auch, dass die Woche laufend zu evaluieren ist und kleine Anpassungen immer wieder notwendig sind. Eine Herausforderung bleibt die Verbindung zwischen den Fachbereichen Psychomotorik und Logopädie. Die unterschiedlichen Herangehensweisen und Schwerpunkte erfordern eine stetige, respektvolle Diskussion. Das Projekt bietet Potenzial für Weiterentwicklungen im Zusammenhang mit den Kindern, in der Ausbildung der TherapeutInnen sowie in der Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen Psychomotorik und Logopädie. Es bestehen auf jeden Fall weitere Entwicklungsmöglichkeiten! Literatur Aitchinson, J. 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Motologin, Dozentin für Bewegung und-Sport Fachhochschule Nordwestschweiz Anschriften Lic.phil., MAE Christina Arn Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Schaffhauserstrasse 239 CH-8050 Zürich christina.arn@hfh.ch Dr. Susanne Störch Mehring FHNW / PH Institut Vorschul- und Unterstufe Professur Bewegungsförderung und Sportdidaktik im Kindesalter Bahnhofstrasse 6 CH-5210 Windisch susanne.stoerchmehring@fhnw.ch a w In den ersten Schuljahren stehen Grundschulkinder vor ganz unterschiedlichen Herausforderungen: sich beim Kopfrechnen die Aufgabe merken, sich melden, bevor man etwas sagen möchte, bei der Sache bleiben und sich nicht vom Nachbarn ablenken lassen. Diese Fähigkeiten bilden eine wichtige Grundlage für den schulischen Lernerfolg und die sozialemotionale Entwicklung. Voraussetzung ist, dass Kinder Handlungen planen, überwachen und kontrollieren können. Diese kognitiven Prozesse nennt man »exekutive Funktionen«. Wie GrundschullehrerInnen exekutive Funktionen und die Selbstregulation von Kindern in den ersten Schuljahren fördern können, zeigt dieses Praxisbuch. Es gibt Lehrkräften über 50 Spielanleitungen, Übungen und Fördermöglichkeiten für das Klassenzimmer und die Sporthalle an die Hand. Achtung, fertig, los! Sabine Stuber-Bartmann Besser lernen Ein Praxisbuch zur Förderung von Selbstregulation und exekutiven Funktionen in der Grundschule Mit 12 Kopiervorlagen als Online-Zusatzmaterial. 2017. 106 Seiten. 14 Abb. 3 Tab. (978-3-497-02689-0) kt
