eJournals motorik 41/2

motorik
7
0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mot2018.art11d
41
2018
412

Körper und Behinderung

41
2018
Stefan Schache
Der Beitrag stellt unterschiedliche Modelle von Behinderung dar, schält das jeweilige Körperverständnis heraus und kritisiert deren Sichtweisen: Mit der Kritik individualisierender, sozialer und kultureller Perspektiven auf Schädigung, Behinderung und Teilhabe drängt sich die Notwendigkeit auf, in der Tradition der Phänomenologie den Leib und leibliche Erfahrungen zu thematisieren, um – wie es Stränge der Disability Studies tun – zeigen zu können, dass Schädigungen auch sozial und Behinderungen verkörpert sind. Mit dieser Perspektive wird eine psychomotorische Förderung im Kontext der Inklusion theoretisch verortet und praktisch legitimiert.
7_041_2018_2_0003
Zusammenfassung / Abstract Der Beitrag stellt unterschiedliche Modelle von Behinderung dar, schält das jeweilige Körperverständnis heraus und kritisiert deren Sichtweisen: Mit der Kritik individualisierender, sozialer und kultureller Perspektiven auf Schädigung, Behinderung und Teilhabe drängt sich die Notwendigkeit auf, in der Tradition der Phänomenologie den Leib und leibliche Erfahrungen zu thematisieren, um - wie es Stränge der Disability Studies tun - zeigen zu können, dass Schädigungen auch sozial und Behinderungen verkörpert sind. Mit dieser Perspektive wird eine psychomotorische Förderung im Kontext der Inklusion theoretisch verortet und praktisch legitimiert. Schlüsselbegriffe: Körper, Leib, Schädigung, Behinderung, soziales und kulturelles Modell, Psychomotorik, Leibphänomenologie Body and Disability in the context of Psychomotricity This article presents different models of disability, their view of body and criticises the various perspectives. Criticism of individualising, social and cultural views on impairment, disability and participation forces a phenomenological perspective on body and body-experiences. The effect is to show, that impairment has to recognise social dimensions and disability is embodied. This view will ground a psychomotor intervention theoretically and will legitimate the code of practice. Key words: body, disability, impairment, social and cultural model of disability, psychomotricity, body-phenomenology [ TITELRuBRIK ] [ FORuM PSyCHOMOTORIK ] Körper und Behinderung Theoretische Nahtstellen zur Psychomotorik und Motologie Stefan Schache Die Forderungen nach Inklusion sind leiser geworden, nicht weil es ausreichend viele Erfolge und Neuerungen zu verzeichnen gäbe, vielmehr scheinen sich inklusive Themen durch zahlreiche Kongresse, (Forschungs-)Beiträge, Beispiele guter Praxis und auch durch institutionelle und organisationale Veränderungen ein wenig »erschöpft« zu haben. Die Themen sind nach wie vor dringlich und politisch brisant (Monitoring-Stelle UN-BRK 2015); die ein wenig eingekehrte Ruhe gibt aber gute Gelegenheit, bestimmte Themenfelder zu sortieren und zu konkretisieren. Das soll auch im Folgenden geschehen, wenn durch eine kritische Einordnung der wesentlichen Modelle von Behinderung der Körper und v. a. der Leib fokussiert werden. Durch die Darstellung des medizinisch-individuellen, des sozialen und kulturellen Modells von Behinderung werden je blinde Flecken benannt, die mithilfe der Leibphänomenologie sichtbar werden und aufzuheben sind. Psychomotorisch-motologische Themen- und Arbeitsfelder in diesem Bereich können dadurch konturiert und anschlussfähig werden. »Behinderung« und Psychomotorik Die Kategorie und der Begriff der Behinderung haben im psychomotorischen Diskurs eine eher marginale Rolle gespielt, es waren eher die (konzeptionellen) Praxisideen mit und für behinderte/ n Kinder und Jugendliche, die den Gegenstandsbereich der Psychomotorik in dieser Hinsicht formten. In dem Rückblick auf die Fachzeitschrift »motorik« von Fischer und Behrens (2012) wird deutlich, dass die Kategorie »Psychomotorische Praxisthemen / Behindertensport« mit 14,4 % die zweithäufigsten Themen der Hauptbeiträge in den Jahren von 1978 bis 2012 stellte und dass 8,3 % der Hauptbeträge sonderpädagogische Themen im Sinne einer Förderung besprachen; von 2008 bis 2012 sind die Themenfelder jedoch explizit gar nicht vertreten (Fischer / Behrens 2012, 160) und von 2013 bis 2017 sind vier Beiträge als sonder- und heilpädagogisch zu bezeichnen. Die Fokussierung auf eine Förderpraxis bei vor- 2| 2018 motorik, 41. Jg., 56-60, DOI 10.2378 / motorik2018.art11d © Ernst Reinhardt Verlag [ 56 ] [ 56 ] [ 57 ] Schache • Körper und Behinderung 2| 2018 handener- und diagnostizierter Behinderung hat selbstverständlich für die Etablierung eines Praxisfelds Berechtigung - auch wenn ihr immer wieder ungenügende Wirksamkeitsnachweise attestiert werden (z. B. Grünke 2006). Allerdings gerät mit dieser Betonung und Verlagerung auf eine konzeptionelle Förderpraxis die Diskussion um den Behinderungsbegriff selbst in den Hintergrund. Mit der Etablierung systemischer und konstruktivistischer Positionen (z. B. Balgo 1998) in der Psychomotorik werden zwar der Störungsbegriff dekonstruiert sowie normative Vorgaben relativiert und kontextualisiert, der Behinderungsbegriff verbleibt jedoch im Unbestimmten. Eingedenk der Genese der Disziplin Psychomotorik und v. a. der politischen und pädagogischen Entwicklungen und Forderungen nach 2006 (UN- BRK), nach 2009 (Ratifizierung in Deutschland), nach 2015 (Staatenprüfung) und 2016 (Zweiter Teilhabebericht) sowie nach / während der inflationären Beanspruchung des Begriffs »Inklusion« verwundert diese Zurückhaltung. Viele der konzipierten psychomotorischen Praxisvorschläge und der Praxiskonzepte für behinderte Menschen gehen (selbstverständlich) von der diagnostizierten und damit scheinbar natürlich vorhandenen Schädigung aus, um Fördermöglichkeiten auszuloten. Damit folgen sie - in den Ursprüngen und der Genese der Psychomotorik sichtbar - einem klaren medizinischen und damit individuellen Modell von Behinderung. Hier wird davon ausgegangen, dass eine individuelle Schädigung die alleinige Ursache für eine Beeinträchtigung und soziale Benachteiligung darstellt. Das medizinische Selbstverständnis in objektiver Untersuchung, in diagnostischer Verschlüsselung und praktischer Behandlung des Körpers steht hierfür Pate: Der Körper wird als ahistorisches und außergesellschaftliches Faktum behandelt und damit Objekt technischer, pharmakologischer und medizinisch-therapeutischer Interventionsmöglichkeiten. Der Körper wird behandelt, kontrolliert und manipuliert (Schnoor 2010, 166). »Dieses individuelle (präziser wäre wohl: individualistische) Modell, das sich in medizinischen und psychiatrischen genauso wie in pädagogischen, psychologischen und soziologischen Diskursen findet und das auch lebensweltlich die vorherrschende Perspektive ist, setzt Behinderung mit der körperlichen Schädigung oder funktionalen Beeinträchtigung gleich und deutet sie als schicksalhaftes, persönliches Unglück, das individuell zu bewältigen ist« (Waldschmidt 2005, 5). Das alte Klassifikationsmodell der WHO, das ICIDH, expliziert diese Sichtweise in den Kategorien des Impairment, Disability und Handicap. Das neuere Klassifikationsmodell ICF (2001) rückt mit seinen Kategorien Impairment, Activity und Participation unterschiedliche Rahmenbedingungen und Kontexte in den Fokus und betrachtet das Individuum als Mitgestalter seiner Situation. In der ICF wird Behinderung nicht als individueller Zustand begriffen, sondern als eine kontextbedingte Lebens- und Handlungssituation (Dederich 2016, 108). Wenn auch eine Erweiterung um die biopsycho-soziale Perspektive vorgenommen wurde und damit die soziale Dimension betont wird, bleibt es dem individuellen Modell mit seinem essentialistischen Kern verhaftet. Das Soziale wird als verhinderte Teilhabe begriffen, die biophysische Schädigung bleibt aber als Normabweichung und Ursache der Behinderung bestehen (Schnoor 2010, 168). Den meisten psychomotorischen, pädagogisch wie therapeutisch, Förderprogrammen ist diese Sichtweise konstitutiv. Das soziale Modell als Wegbereiter der UN-BRK und das kulturelle Modell der Behinderung Die stärkere Betrachtung sozialer und gesellschaftlicher Aspekte der Behinderung wurden im sozialen Modell weitergeführt und verdichtet, sodass in diesem Behinderung nicht das Resultat medizinischer Pathologie, sondern das Produkt sozialer Organisationen sei, die sich an systematischen Ausgrenzungsmustern bedienen (Degener 2016, 63). Die klare Unterscheidung zwischen Impairment und Disability führte dazu, dass nicht Der Körper wird als ahistorisches und außergesellschaftliches Faktum behandelt und damit zum Objekt. [ 58 ] 2| 2018 Forum Psychomotorik die Schädigung als Kausalfaktor der Behinderung bestehen blieb, sondern das soziale System, der soziale Kontext mit sozialer Unterdrückung und Diskriminierung. Das soziale Modell schälte eine innovative Perspektive heraus, die v. a. politische Kraft besaß und in der Formulierung der UN-BRK mündete. Die geforderte Abkehr paternalistischexpertokratischer Bevormundung und Behandlung sollte die Betroffenenperspektive in Selbstbestimmung und Selbsthilfepotentialen stärken. Diese Sichtweise, die theoretisch v. a. auf Parsons Strukturfunktionalismus, auf Goffmanns interaktionistische Stigma-Theorie sowie auf materialistische Gesellschaftstheorien fußt (Waldschmidt 2005, 6), veränderte massiv das Selbstbild der Betroffenen und eröffnete Möglichkeiten des politischen Kampfs der Behindertenbewegungen für gesellschaftliche Teilhabe und Selbstbestimmung (Köbsell 2012, 40) und ist nach wie vor ein Gradmesser inklusiver Entwicklung. Die Weiterentwicklungen, beispielsweise das menschenrechtliche Modell (Degener 2016) oder das kulturelle Modell(Waldschmidt2005), benannten klare Kritikpunkte am sozialen Modell. Vor allem letztgenanntes legte dar, dass die soziale Perspektive auf Behinderung durch ihre (politische) Aktivität für notwendige gesellschaftliche und soziale Veränderung den Begriff des Impairments vernachlässige. Eine Besprechung des Körpers in seiner Verwundbarkeit und möglichen Schädigung hätte die politische Kraft (Politikfähigkeit) gemindert und relativiert. Durch die Nicht-Beachtung redete das soziale Modell damit allerdings - implizit - dem medizinischen Körperverständnis das Wort: Der Körper wurde als biologisches Phänomen, das geschädigt sein kann, und als vorsozialer und natürlicher Gegenstand belassen. Die Konsequenz zeigte sich in der (impliziten) Reproduktion des cartesianischen Dualismus; die Medizin hatte dadurch weiterhin den Zugriff und die Deutungshoheit über den geschädigten Körper (Dederich 2007, 144; Waldschmidt 2005, 8). Diesem (ungewollten) Missstand widmete sich das kulturelle Modell, indem es die Körpervergessenheit thematisiert. Vor allem mit Foucaults Machtanalytik (z. B. 1978) wurde dargelegt, dass nicht nur Behinderung als gesellschaftlich hergestellt verstanden wird, die Schädigungsebene hat eine ebensolche Geschichte, kulturelle Bedeutung und soziale Konstruktion aufzuweisen: Der Diskurs der Körperschädigungen wird von der Medizin beherrscht, die das Monopol in der Benennung körperlicher Dysfunktionen innehat. Damit bringt sie (erst) Bedeutungen hervor, diagnostiziert, etikettiert und schafft damit einen Körper mit bestimmten Auffälligkeiten, Verhaltensformen und normativen Erwartungen. Den historisch gewachsenen Prozess gilt es zu re- und dekonstruieren, um die Schädigung nicht als objektiv, ahistorisch und kulturell unabhängig zu verstehen. Die Prozesse der Kategorisierung, der Ausgrenzung und Stigmatisierung sollen nachgezeichnet werden, um Deutungs- und Handlungsmuster zu erkennen: »wie Wissen über den Körper produziert wird, wie Normalitäten und Abweichungen konstruiert werden, wie exklusive und inklusive Praktiken gestaltet sind, wie Identitäten geformt und neue Subjektbegriffe geschaffen werden« (Waldschmidt 2005, 10). Der Körper wird zu einem kulturellen Repräsentationsraum, indem Letztgültiges, Objektives wenig Platz hat (Schnoor 2010, 169). Im Diskurs der Psychomotorik/ Motologie haben beispielsweise Zeus (2005), durch die Rezeption des Habituskonzepts (Bourdieu 1982), sowie auch Huster und Wendler (2014) auf die Verinnerlichung gesellschaftlicher Strukturen aufmerksam gemacht. Im kulturellen Modell löst sich allerdings der Körper durch einen zu eng geführten kulturalistischen Blick im Diskurs auf - er wird scheinbar seiner Sinnlichkeit und Sensibilität beraubt. Es bedarf also wieder einer Betonung des Individuellen, ohne die Schädigung und Behinderung essentialistisch zu begreifen (medizinischindividuelles Modell). Denn jede Schädigung wird eben auch subjektiv erlebt: »Behinderung wird im, am und durch den Körper erfahren, genauso wie die Schädigung im Lichte der persönlichen und kulturellen Narrationen erfahren wird, die zur Konstitution ihrer Bedeutung beitragen« (Hughes / Patterson 1997, 335). Die Prozesse der Kategorisierung, der Ausgrenzung und Stigmatisierung sollen nachgezeichnet werden. [ 59 ] Schache • Körper und Behinderung 2| 2018 Das leibliche Subjekt im Zentrum Die Leibphänomenologie (Merleau-Ponty 1966) schafft es, »das komplexe Zusammenspiel zwischen dem objektivierten Körper des medizinischen Diskurses, dem phänomenalen Körper der alltäglichen Erfahrung und dem Körperbild, das […] die sozialen Räume zwischen Identität, Erfahrung und sozialen Beziehungen vermittelt« (Turner 2001, 254, zit. n. Dederich 2007, 153), zu erkennen: subjektiv erlebte Leiblichkeit und soziale, symbolische Deutung des Körpers. Hierfür gilt die Aufhebung des cartesianischen Dualismus von Körper und Geist als grundlegend. Die Behindertenpädagogik hat - wie die Motologie - v. a. im Kontext komplexer Behinderung (Schwerstmehrfachbehinderung) die Phänomenologie Merleau-Pontys als Referenztheorie herangezogen (Fornefeld 1997): Der Leib wird als Medium beschrieben, durch das wir in der Welt sind und an ihr teilhaben sowie als verkörperte Subjektivität (Dederich 2007, 151). Wir sind unser Leib, besser: »Ich bin mein Leib« (Merleau-Ponty 1966, 180). Die Subjektivität wurzelt im Leiblichen, durch den Leib wird die Welt wahrgenommen. Für die Psychomotorik und Motologie stehen hier mittlerweile viele Autoren, zentral jedoch Seewald (1992). Die menschliche Wahrnehmung beschränkt sich also nicht auf passives Aufnehmen von Sinneseindrücken sowie der kognitiven Einordnung und Interpretation, Merleau-Ponty skizziert Wahrnehmung als Teilhaben und Erspüren von Wirklichkeit im Sinne einer partizipierenden Wahrnehmung vom empfindenden Subjekt und empfundenem Objekt (Merleau-Ponty 1966, 251). Der Körper ist eben nicht nur ein biophysisches Modell, er verschränkt zudem Geschichte und Biographie, Erfahrung und Bedeutung, soziales Handeln und Lage so miteinander, dass die klassische Trennung von Natur und Kultur hier nicht greifen kann: »Behinderung wird verkörpert und Schädigung ist sozial« (Hughes / Patterson 1997, 336). In diesem Sinn schafft die Perspektive der Leibphänomenologie, die positivistischen Züge des medizinischen Modells mit den (radikal-)konstruktivistischen des sozialen Modells in Berührung zu bringen und das leibliche Subjekt in seiner Verschränktheit mit der Welt zu besprechen. Konsequenzen für die psychomotorisch-motologische Arbeit Die Freude, die seit jeher in psychomotorischen Praxen erlebt wird und als hohes Gut verstanden ist, fußt neben »Bewegung« und »Körperlichkeit« auf der Anerkennung des Subjekts sowie der grundlegenden Wertschätzung, die sich in einer Ressourcenorientierung widerspiegelt. Gerade für behinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene ist diese Zugewandtheit besonders anziehend, da ihnen Möglichkeiten und Gelegenheiten des Leib-Seins angeboten werden. Im Hinblick auf die vermehrte Erfahrung ihres / »eines« verdinglichten, objektivierten, verfügbaren (oder eben gerade nicht) und manipulierbaren Körpers schafft die Psychomotorik Räume, welche die Eigensphäre und Eigenregulation berücksichtigt, um sich auf das spontane Werden des Leibes wieder einzulassen, statt alles machen zu wollen/ müssen (Böhme 2003, 169). Statt des instrumentalisierten Körpers geht es in der Psychomotorik um den leiblichen Lebensvollzug, der mit der Orientierung auf das Sein mit der Haltung der Gelassenheit verknüpft ist: sich und die Dinge auch mal sein zu lassen und sie zu nehmen wie sie sind (Fuchs 2013, 83). Vor allem gilt für die (eher pädagogische) Psychomotorik, sowohl konsequent an ihrem Menschenbild festzuhalten und dieses konsequent in die konzeptionelle Praxis zu überführen, als auch ihr Behinderungsverständnis von der Deutungshoheit der Medizin zu lösen, v. a. im Sinne einer Förderung und pädagogischen Arbeit, die sich in inklusiven Settings beheimaten möchte - das bedeutet in diesem Sinne auch eine Dekonstruktion (diskursiver) Machtpraktiken. Ihr steht es gut, und gerade in der Arbeit mit behinderten Menschen, sich um eine konsequente Abkehr expertokratischer Bevormundung und Verdinglichung, um eine Anerkennung leiblicher Subjektivität zu bemühen. Erst dadurch kann der geschädigte Körper seiner Verdinglichung entkommen und den Status eines Heilungs- und Rehabilitationsobjekts hinter sich lassen. »Mir persönlich hat es geholfen, aus meinem selbstgestrickten Körper-Gefängnis auszubrechen. Seit meiner Kindheit habe ich mich immer [ 60 ] 2| 2018 Forum Psychomotorik in meinem Körper eingesperrt gefühlt - habe ihn bloß als Objekt erlebt, an dem ständig examiniert, untersucht, versorgt, ›gewartet< wurde. Körperlichkeit hat für mich weder Spaß, noch Freude, noch Wohlbefinden bedeutet« (Rebl 2008, 54, zit. n. Magdlener 2015). Die Psychomotorik kann genau diesen Prozess initiieren. Literatur Balgo, R. (1998): Bewegung und Wahrnehmung als System. Systemisch-konstruktivistische Positionen in der Psychomotorik. Hofmann, Schorndorf Böhme, G. (2003): Leibsein als Aufgabe. Leibphilosophie in pragmatischer Hinsicht. SFG Servicecenter Fachverlage GmbH, Kusterdingen Bourdieu, P. (1982): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Suhrkamp, Frankfurt/ M. Dederich, M. (2016): Behinderung. In: Dederich, M., Beck, I., Bleidick, U., Antor, G. (Hrsg.): Handlexikon Behindertenpädagogik. Schlüsselbegriffe aus Theorie und Praxis. 3. Aufl. Kohlhammer, Stuttgart, 107-110 Dederich, M. (2007): Körper, Kultur und Behinderung. Eine Einführung in die Disability Studies. Transcript, Bielefeld Degener, T. (2016): Die UN-Behindertenrechtskonvention - ein neues Verständnis von Behinderung. In: Degener, T., Diehl, E. (Hrsg.): Handbuch Behindertenrechtskonvention. Teilhabe als Menschenrecht - Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe. bpb, Bonn, 55-76 Fischer, K., Behrens, M (2012): Motorik - formale Strukturen und inhaltliche Merkmale: Rückblick auf 35 Jahre Zeitschriftenentwicklung. motorik 35 (4), 151-163 Fornefeld, B. (1997): »Elementare Beziehung« und Selbstverwirklichung Schwerstbehinderter in sozialer Integration - Reflexionen im Vorfeld einer leiborientierten Pädagogik. Mainz Verlag, Mainz / Aachen Foucault, M. (1978): Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft. Suhrkamp, Frankfurt/ M. Fuchs, T. (2013): Zwischen Leib und Körper. In: Hähnel, M., Knaup, M. (Hrsg.): Leib und Leben. Perspektiven für eine neue Kultur der Körperlichkeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 82-93 Grünke, M. (2006): Der Stellenwert der Psychomotorik in der Lernförderung von Kindern und Jugendlichen mit gravierenden Schulschwierigkeiten. In: Fischer, K., Knab, E., Behrens, M. (Hrsg.): Bewegung in Bildung und Gesundheit. Verlag Aktionskreis, Lemgo, 32-41 Hughes, B., Patterson, K. (1997): The Social Model of Disability and the Disappearing Body: towards a sociology of impairment. Disability and Sociology 12 (3), 325-340, https: / / doi. org/ 10.1080/ 09687599727209 Huster, E. U., Wendler, M. (2014): Soziale Inklusion und Bildungsgerechtigkeit im Kontext bewegungs- und körperorientierter Förderung. In: Richter- Mackenstein, J. (Hrsg.): Blickpunkte. Aktuelle Entwicklungen und Verwicklungen in Psychomotorik und Motologie. WVPM, Marburg, 73-90 Köbsell, S. (2012): Integration / Inklusion aus Sicht der Disability Studies: Aspekte aus der internationalen und der deutschen Diskussion. In: Rathgeb, K. (Hrsg.): Disability Studies. Kritische Perspektiven für die Arbeit am Sozialen. Springer, Wiesbaden, 39-54 Magdlener, E. (2015): Vom Körper-Haben zum Leib- Sein. Am Beispiel des Kontakttanzes. Magazin Erwachsenenbildung.at 24, 9 Merleau-Ponty, M. (1966): Phänomenologie der Wahrnehmung. Walter de Gruyter, Berlin Monitoring-Stelle UN-BRK (2015): Abschließende Bemerkungen. In: http: / / www.institut-fuer-menschen rechte.de/ monitoring-stelle-un-brk/ staatenprue fung/ abschliessende-bemerkungen/ kurzdarstel lung-der-abschliessenden-bemerkungen/ , 30.10.2017 Schnoor, H. (2010): Über die Schwierigkeit, anders zu sein. Der behinderte Körper im Spannungsfeld zwischen Konstruktions- und Dekonstruktionsprozessen. In: Abraham, A., Müller, B. (Hrsg.): Körperhandeln und Körpererleben. Multidisziplinäre Perspektiven auf ein brisantes Feld. Transcript, Bielefeld, 165-180 Seewald, J. (1992): Leib und Symbol: ein sinnverstehender Zugang zur kindlichen Entwicklung. Fink, München Waldschmidt, A. (2005): Disability Studies: individuelles, soziales und/ oder kulturelles Modell von Behinderung. Psychologie und Gesellschaftskritik 29 (1), 9-31 Zeus, A. (2005): Leibliche Zugänge zur Verinnerlichung gesellschaftlicher Strukturen - am Beispiel bewegungsorientierter Erfahrungsangebote in Deutschland und Südafrika. Dissertation. Marburg Der Autor Prof. Dr. Stefan Schache Dipl.-Motologe, LA Sonderpädagogik und Sport, Professor für Heilpädagogik/ Inklusive Pädagogik an der EvH Bochum, Vorstand des Berufsverbandes der Motologen e. V. und der Deutschen Gesellschaft für Psychomotorik e. V. Anschrift Prof. Dr. Stefan Schache Ev. Hochschule RWL Immanuel-Kant-Str. 18-20 D-44803 Bochum schache@evh-bochum.de