motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Qualifikationsarbeit: Der Sportverein als informeller Bildungsort
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Lukas Döltgen
Im Rahmen des Studiengangs Kindheitspädagogik an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach befasste sich eine Bachelorarbeit mit den Potenzialen und Chancen, die sich Kindern aus der aktiven Mitgliedschaft in einem Sportverein bieten. Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention besagt, dass Kindern das Recht auf Ruhe und Freizeit, Spiel und altersgemäße aktive Erholung zusteht. Außerhalb sportwissenschaftlicher Disziplinen ist die Annahme weit verbreitet, dass der Sportverein Kindern und Jugendlichen lediglich als bloßer Ort der Freizeitbeschäftigung bzw. zum Erwerb sportmotorischer Kompetenzen diene. Die Potenziale der Vereine gehen jedoch weit über den bloßen motorischen Kompetenzerwerb hinaus und erlangen damit als informelle bzw. non-formale Bildungsorte eine zentrale Bedeutung für das Aufwachsen von Kindern. Denn »Sportvereine sind Erlebnis- und Erfahrungsräume, in denen [Kinder und] Jugendliche sich [...] treffen und austauschen, erproben und entwickeln können« (Neuber et al. 2010, 32f). So können Kinder im Vereinstraining vor allem relevante soziale und personale Kompetenzen erwerben. Für eine bewusste und zielgerichtete Nutzung dieser Potenziale spielen die Qualifikationen von ÜbungsleiterInnen (ÜL) eine essentielle Rolle, wodurch die Qualifizierung, neben den sich wandelnden kindlichen Lebenswelten, im Fokus der Arbeit stand.
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[ 157 ] Aktuelles / Kurz berichtet 3| 2019 Qualifikationsarbeit Der Sportverein als informeller Bildungsort Herausforderungen für die Qualifikation von ÜbungsleiterInnen Im Rahmen des Studiengangs Kindheitspädagogik an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach befasste sich eine Bachelorarbeit mit den Potenzialen und Chancen, die sich Kindern aus der aktiven Mitgliedschaft in einem Sportverein bieten. Artikel 31 der UN- Kinderrechtskonvention besagt, dass Kindern das Recht auf Ruhe und Freizeit, Spiel und altersgemäße aktive Erholung zusteht. Außerhalb sportwissenschaftlicher Disziplinen ist die Annahme weit verbreitet, dass der Sportverein Kindern und Jugendlichen lediglich als bloßer Ort der Freizeitbeschäftigung bzw. zum Erwerb sportmotorischer Kompetenzen diene. Die Potenziale der Vereine gehen jedoch weit über den bloßen motorischen Kompetenzerwerb hinaus und erlangen damit als informelle bzw. non-formale Bildungsorte eine zentrale Bedeutung für das Aufwachsen von Kindern. Denn »Sportvereine sind Erlebnis- und Erfahrungsräume, in denen [Kinder und] Jugendliche sich […] treffen und austauschen, erproben und entwickeln können« (Neuber et al. 2010, 32f ). So können Kinder im Vereinstraining vor allem relevante soziale und personale Kompetenzen erwerben. Für eine bewusste und zielgerichtete Nutzung dieser Potenziale spielen die Qualifikationen von ÜbungsleiterInnen (ÜL) eine essentielle Rolle, wodurch die Qualifizierung, neben den sich wandelnden kindlichen Lebenswelten, im Fokus der Arbeit stand. Kindheit im Wandel - Sportvereine im Wandel Im Vergleich zu früheren Dekaden wachsen Kinder und Jugendliche- grundlegend verändert auf. So sind eine vermehrte Institutionalisierung sowie Pädagogisierung (Neuber 2015,- 47) des kindlichen Alltages zu beobachten. Zudem geschieht, durch ungünstige Wohnumfelder herbeigeführt, eine »Verhäuslichung« der Kindheit (Blinkert et al. 2015, 3). Dazu besteht »eine zeitliche Konkurrenz zwischen der Beschäftigung mit Bildschirmmedien und körperlicher Aktivität« (Robert-Koch- Institut 2014, 38). Diese veränderten Gegebenheiten führen jedoch nicht bloß auf kindbezogener Ebene zu individuellen Konfliktpotenzialen (z. B. Bewegungsmangel, gesundheitliche Defizite, abfallende Peer-Kontaktanlässe), sondern stellen auch Anforderungen an die Sportvereine, Kindern und Jugendlichen diese Erfahrungsräume zur Verfügung zu stellen. Zudem bestimmen familiäre und sozioökonomische Bedingungen den Zugang zu freien, explorativen Handlungsmöglichkeiten im sozialen Nahraum und den Sportvereinen. Daraus ergeben sich soziale Ungleichheiten in Bezug auf Erfahrungs- und Handlungsräume für die Kinder und Jugendlichen. Dies ist mit Herausforderungen für die Gestaltung der Vereinsangebote und damit für die Kompetenzen der ÜL verbunden. Nach aktuellen Regelungen entscheidet der Vereinsvorstand über die alleinige Befähigung der TrainerInnen zur Leitung von Sporteinheiten. Eine ÜL-Ausbildung oder sonstige Kenntnisse in der pädagogischen sportbezogenen Arbeit werden nicht vorausgesetzt, obwohl der Landessportbund NRW selbst die hohe Bedeutung von ausgebildetem Vereinspersonal hervorhebt. Somit steht fest, dass für eine Professionalisierung und Pädagogisierung des Vereinssports Umstrukturierungen unabdingbar sind, da sich vor allem die finanziellen Vereinsstrukturen als hinderlich für eine kostenintensive Aus- und Weiterbildung des Vereinspersonals darstellen würden. Qualifikation von ÜbungsleiterInnen Auf der Basis der vier Bedeutungsdimensionen von Bewegung »Bewegung als Lerngegenstand«, »Bewegung als Medium der Entwicklungsförderung«, »… der Gesundheitsförderung« sowie »…- des Lernens« (Bahr et al. 2012), wurde das Qualifikationsprofil »Bewegung in der frühen Kindheit« (QP BiK) (Schneider et al. 2015) entwickelt. Im Rahmen der Bachelorarbeit wurde das Qualifikationsprofil für Fachkräfte den Kompetenz- und Zielformulierungen der Ausbildungskonzeptionen des ÜL C- Lehrgangs gegenübergestellt. Während das QP BiK umfangreiche Kompetenzformulierungen aus allen Bedeutungsdimensionen der Bewegung benennt, wird in der ÜL-Ausbildung eine Fokussierung auf Kompetenz- und Zielformulierungen deutlich, welche den Schwerpunkt auf der Gesunderhaltung sowie -förderung der Kinder und Jugendlichen richten. In einem zweiten Analyseschritt wurden aus den sechs Handlungsfeldern des QP BiK zwei für die Sportvereine besonders relevante Handlungsfelder, »Grundlagenkompetenz Bewegung« und »Kind/ Gruppe«, ausgewählt und mit der Ausbildungskonzeption des ÜL C-Lehrgangs verglichen (Döltgen 2018). Durch dieses Vorgehen wurde deutlich, welche Aspekte der pädagogisch zentrierten [ 158 ] 3| 2019 Aktuelles / Kurz berichtet Bewegungsarbeit, die aus Sicht des QP BiK als relevant erachtet wurden, innerhalb der ÜL-Ausbildung Berücksichtigung finden. Die Dokumente weisen für beide Handlungsfelder ansatzweise analoge Kompetenzformulierungen auf. Jedoch fokussiert die ÜL-Ausbildung eher auf die Vermittlung von Grundlagenwissen, wohingegen das QP BiK ein hohes Maß an Fach- und Personalkompetenz seitens der Fachkräfte anstrebt. Aspekte, wie Stundenplanung, Einsatzmöglichkeiten von Spiel-/ Sportmaterialien sowie ein grundsätzlicher Einbezug der Zielgruppe, werden in beiden Dokumenten thematisiert. Dagegen finden u. a. die bewegungsgestützte Transitionsarbeit, Elternunterstützung, Beziehungsgestaltung und eine kindgerechte Partizipation nur geringe bzw. keine Berücksichtigung in der Ausbildungskonzeption der ÜbungsleiterInnen. Allgemein fällt auf, dass die Kompetenz- und Zielformulierungen des QP BiK wesentlich bedürfnis- und interessenorientierter formuliert sind und dem Kind vielfältige Bildungs- und Entwicklungsprozesse in der bewegungsgestützten pädagogischen Arbeit ermöglichen. Demgegenüber fokussiert der Schwerpunkt der Ausbildungskonzeption des ÜL C-Lehrgangs eher auf die Vermittlung von Erfahrungen, die ein gesundes Sporttreiben initiieren sowie tiefgreifende sportliche Kompetenzen vermitteln. So wurde vom Autor schlussgefolgert, dass die zentrale Bedeutung, die den Sportvereinen für die Unterstützung kindlicher Entwicklungsprozesse als non-formaler Bildungsort zukommt, Reformen in der Aus- und Weiterbildung von ÜL erfordern. Denn zum einen müssen die angehenden ÜL für die Potenziale, welche zweifelsohne in der sportlichen Betätigung stecken, sensibilisiert und zum anderen für deren Aktivierung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen befähigt werden. Die Potenziale der Sportvereine - insbesondere für Kinder aus prekären Lebenslagen - sollten auch dazu anregen, über eine Etablierung der Vereine in die Kinder- und Jugendhilfe nachzudenken, da über diese zum einen die Finanzierung der Sportvereine gesichert werden würde und zum anderen die Qualifizierung der dort tätigen ÜL verbessert werden könnte. Literatur Bahr, S., Kallinich, K., Beudels, W., Fischer, K., Hölter, G., Jasmund, C., Krus, A., Kuhlenkamp, S. (2012): Bedeutungsfelder der Bewegung für Bildungs- und Entwicklungsprozesse im Kindesalter. motorik 35 (3), 98-109 Blinkert, B., Höfflin, P., Schmider, A., Spiegel, J. (2015): Raum für Kinderspiel! Eine Studie im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes über Aktionsräume von Kindern in Ludwigsburg, Offenburg, Pforzheim, Schwäbisch Hall und Sindelfingen. Lit, Berlin Döltgen, L. (2018): Der Sportverein als informeller Bildungsort - Herausforderungen für die Qualifikation von Übungsleitern. Bachelorarbeit am Fachbereich Sozialwesen Hochschule Niederrhein. In: https: / / www.hsniederrhein.de/ kindheitspaedagogikin-bewegung/ #c135446, 08.03.2019 Neuber, N. (2015): Aufwachsen im Wandel. In: Schmidt, W., Neuber, N., Rauschenbach, T., Brand-Bredenbeck, H. P., Süßenbach, J., Breuer, C. (Hrsg.): Dritter deutscher Kinder- und Jugendsportbericht: Kinder- und Jugendsport im Umbruch. Hofmann, Schorndorf, 24-49 Neuber, N., Breuer, M., Derecik, A., Golenia, M., Wienkamp, F. (2010): Kompetenzerwerb im Sportverein. Empirische Studie zum informellen Lernen im Jugendalter. VS-Verlag, Wiesbaden Robert-Koch-Institut (Hrsg.) (2014): KiGGS. Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland 2013. In: https: / / www.kiggs-studie.de/ file admin/ KiG G S - Dokumente/ kiggs_ tn_broschuere_web.pdf, 10.01.2019 Schneider, J., Kopic, A., Jasmund, C. (2015): Qualifikationsprofil »Bewegung in der frühen Kindheit«. Was frühpädagogische Fachkräfte wissen, können und tun sollten. Springer VS, Wiesbaden Kontakt Lukas Döltgen Kindheitspädagoge (BA) doeltgen.lukas@gmail.com
