motorik
7
0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mot2019.art13d
41
2019
422
Forum Psychomotorik: Intrinsische Motivation
41
2019
Peter Keßel
Ausgehend von einem Blick auf Spieldefinitionen wird deutlich, dass intrinsische Motivation eine wichtige Variable in der Entwicklung der Kinder ist. Darauf aufbauend wird herausgearbeitet, was intrinsische Motivation eigentlich bedeutet und in den Zusammenhang mit Prinzipien der Psychomotorik gebracht. Daran lässt sich erkennen, dass in der Psychomotorik der intrinsischen Motivation der Kinder eine besondere Bedeutung beigemessen wird und diese sich auch als zentrale Stärke der Psychomotorik zeigt.
7_042_2019_2_0005
Zusammenfassung / Abstract Ausgehend von einem Blick auf Spieldefinitionen wird deutlich, dass intrinsische Motivation eine wichtige Variable in der Entwicklung der Kinder ist. Darauf aufbauend wird herausgearbeitet, was intrinsische Motivation eigentlich bedeutet und in den Zusammenhang mit Prinzipien der Psychomotorik gebracht. Daran lässt sich erkennen, dass in der Psychomotorik der intrinsischen Motivation der Kinder eine besondere Bedeutung beigemessen wird und diese sich auch als zentrale Stärke der Psychomotorik zeigt. Schlüsselbegriffe: Psychomotorik, intrinsische Motivation, Flow, Selbstbestimmung, Entwicklungsförderung, psychomotorische Prinzipien, Freispiel Intrinsic motivation as core strength of psychomotricity in developmental interventions Intrinsic motivation is an important variable in the development of children. Based on this the meaning of intrinsic motivation is worked out and associated with the principles of psychomotricity. This illustrates that intrinsic motivation is attached to great importance and appears as a core strength of psychomotricity. Key words: psychomotricity, intrinsic motivation, flow, selfdetermination, developmental interventions, principles psychomotricity, free play [ FORUM PSYCHOMOTORIK ] [ 71 ] motorik, 42. Jg., 71-76, DOI 10.2378 / mot2019.art13d © Ernst Reinhardt Verlag 2| 2019 Intrinsische Motivation Eine zentrale Stärke der psychomotorischen Entwicklungsförderung Peter Keßel Psychomotorik bedient sich der Medien Bewegung und Wahrnehmung zur Entwicklungsförderung, weshalb diese beiden auch als zentrale Kategorien psychomotorischer Förderung angesehen werden (Fischer 2009). »Sich bewegen und spielen ist für die Kinder meist eine Sache« (Zimmer 2004, 10), da beides für die Kinder zweckfrei ist und der Gegenwartserfüllung dient (Zimmer 2004). Insbesondere in psychomotorischen Angeboten mit Kindern ist daher das Spiel eine weitere relevante Kategorie. Es entspricht dem frühkindlichen Zugang zur Welt und ist für sie gleichbedeutend mit Entwicklung und Lernen (Heimlich 2018). Obwohl diese Bedeutung des Spiels wissenschaftlich als absolut anerkannt zu betrachten ist, gestaltet sich im erziehungswissenschaftlichen Kontext die Auseinandersetzung mit dem Spiel immer wieder schwierig. Winkler (2014) attestiert dem Spiel eine Resistenz »gegenüber den Versuchen der Institutionalisierung und Professionalisierung des Pädagogischen« (Winkler 2014, 264), es sei mit den vorwiegend instruktiven Tätigkeiten in der Pädagogik nicht vereinbar. Intrinsische Motivation als primäres Charakteristikum für Spiel Wieso gelingt es in der Psychomotorik, unabhängig von den verschiedenen Ansätzen, die jeweils die theoretische Grundlegung der Arbeit ausmachen, echtes Spiel zu ermöglichen und damit seinen Wert für Entwicklung und Lernen zu nutzen? Neben der wertschätzenden Beziehungsgestaltung in der Psychomotorik dürfte die Vermeidung instruktiver Angebote ein entscheidender Faktor sein. Schon in den Anfängen der deutschen Psychomotorik (z. B. Kiphard 1989) wurde formuliert, dass freiwillige, individuell umgesetzte Bewegungsangebote gegenüber eher festgelegten, vorgegebe- [ 72 ] 2| 2019 Forum Psychomotorik nen Bewegungsabfolgen präferiert werden. Den Kindern wird durch die damit verbundene Mitbestimmung und -beteiligung ein Spielraum eröffnet, der den vielen Definitionsversuchen von Spiel gerecht wird. In allen Spieldefinitionen taucht die Freiwilligkeit oder intrinsische Motivation als ein unverzichtbares Kriterium von Spiel auf. Im aktuellen Definitionsvorschlag von Burghardt hat sie ebenso Gewicht. Er formuliert fünf exklusive Merkmale von Spiel (Burghardt 2011, 13ff; Hauser 2013, 20): 1. Unvollständige Funktionalität 2. Positive Aktivierung 3. So-tun-als-ob 4. Wiederholung und Variation 5. Entspanntes Feld Auch wenn lediglich Positive Aktivierung als Merkmal auftaucht, sieht Burghardt die intrinsische Motivation zu einer Handlung als zuverlässigsten Aspekt der positiven Aktivierung und bezeichnet sie als primäres Charakteristikum für Spiel (Burghardt 2011, 14). So gesehen schafft ein psychomotorisches Angebot den Raum, der Freispiel ermöglicht, wie ein häufig geäußerter Kommentar von Kindern zur Psychomotorik deutlich macht: »Das ist super hier- -- wir können machen was wir wollen! « Wichtig ist allerdings der Hinweis, dass im frühpädagogischen Arbeitsfeld Freispiel häufig missverstanden wird. So stellt König (2007) mehrere Studien in Kindergärten zusammen, die eine Vernachlässigung der Beziehungsebene im Freispiel aufzeigen: in einem Zeitanteil von 90 % der Freispielzeit initiieren die Erwachsenen keine Interaktion mit einem Kind und in 81 % der Freispielzeit wären die Fachkräfte zwar in der Nähe der Kinder, interagierten aber nicht mit dem Kind, »es sei denn, um das Kind zum Spiel aufzufordern oder direkte Anweisungen zu geben« (König 2007, 11). Ein begleitendes Dabeisein unterstützt jedoch die Eigenaktivität der Kinder (von Gosen 2018). Somit ist von begleitenden Fachkräften eine »aktive, aufmerksame Zurückhaltung« (Schäfer i. Vorb., zit. n. Nentwig-Gesemann et al. 2011, 16) in Spielsituationen gefordert, die immer die Selbstbestimmung der Kinder im Blick behalten muss (Keßel 2016). Das für Freispiel eine Begleitung bedeutsam ist, zeigt auch die aus dem Englischen übersetzte Beschreibung des Freispiels: Dieser Art der Begleitung liegt eine Haltung zugrunde, die sich immer wieder in reflektierten Praxisberichten aus der Psychomotorik (z. B. Fichtner 2000) als auch in Prinzipien der Psychomotorik (z. B. Keßel 2014) widerspiegelt. So findet sich in dem Basisprinzip Dialog und Begleitung eben dieser Anspruch wieder: Im gemeinsamen Austausch entwickelt sich (oft erst im Verlauf eines Angebots) eine tagesaktuelle Zielrichtung, die meist mit ständigen Nachjustierungen und Impulsen der begleitenden Erwachsenen als auch der Kinder ihren Weg finden. Dafür müssen Fachkräfte vermeintliche Bestimmungsmacht abgeben und lernen, Unsicherheiten auszuhalten oder sogar zu begrüßen (Seewald 2007, 116). »Ziel ist es, das gemeinsame Ziel im Prozess sich entwickeln zu lassen« (Seewald 2007, 115). Dadurch sind psychomotorische Angebote nicht überfrachtet mit Vorab-Zielsetzungen und äußeren Erwartungen, sondern schaffen einen Möglichkeitsraum. In diesem Raum ist dann auch Platz für einen sehr wertvollen und sensiblen Faktor: die intrinsische Motivation der Kinder. Intrinsische Motivation---eine Begriffsschärfung Doch was genau ist intrinsische Motivation? Es scheint eine Motivation zu beschreiben, die von innen kommt und aus der Übersetzung des eng- »[…] Kinder wählen was sie tun, wie sie es tun wollen und wann sie aufhören und etwas anderes probieren. Freispiel hat keine Ziele außerhalb des Spiels selbst, welche von Erwachsenen gesetzt wurden und folgt keinem von Erwachsenen auferlegten Curriculum. Obwohl Erwachsene üblicherweise den Raum und die Ressourcen für Freispiel zur Verfügung stellen und möglicherweise beteiligt sind, führt das Kind und der Erwachsene beantwortet die Initiativen des Kindes« (Santer et al. 2007, xi). [ 73 ] [ 73 ] Keßel • Intrinsische Motivation 2| 2019 lischen Begriffs »intrinsic« mit wahr, wirklich oder eigentlich bezeichnet werden kann (Rheinberg 2010). Selbst in der Motivationspsychologie findet man aber keine eindeutige Verwendung der Begrifflichkeit der intrinsischen Motivation. In Folge führt das auch zu einer uneinheitlichen Verwendung des Begriffs in Spieltheorie und Pädagogik. Rheinberg (2010, 367ff ) nennt fünf verschiedene, sich teilweise überschneidende Verständnisse zur intrinsischen Motivation: 1. Intrinsisch betrifft den Vollzug der Tätigkeit (im Gegensatz zum beabsichtigten Effekt der Tätigkeit). 2. Intrinsische Motivation als Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Kompetenz (wie im Menschenbild der humanistischen Psychologie als angeboren postuliert). 3. Intrinsische Motivation als Interesse und Involviertheit (individuelles Interesse oder ein handlungsnahes, positives Erlebnis während der Tätigkeit, dass auch antizipiert oder gesucht werden kann). 4. Intrinsisch als Übereinstimmung von Mittel und Zweck (Handlung und angestrebte Ergebnisfolgen gehören zum selben Inhaltsbereich). 5. Lernzielorientierung (Kompetenzerwerb) als intrinsische Motivation (im Gegensatz zur Performanzzielorientierung- -- Kompetenzen zu demonstrieren). Hier wird der Fokus auf das für Rheinberg (2010, 373) relevanteste Begriffsverständnis von intrinsischer Motivation gelegt, das auch das ursprüngliche ist: Die tätigkeitszentrierte Motivation. Intrinsisch als »in der Tätigkeit« Die tätigkeitszentrierte Motivation wird hier auch deswegen fokussiert, weil sie den Ausführungen Burghardts (2011) zur Positiven Aktivierung am deutlichsten entspricht. Das Entscheidende dabei ist, dass der Anreiz solcher Tätigkeiten im Vollzug selbst und nicht in einem Effekt der Tätigkeit liegt (Rheinberg 2010). Csikszentmihalyi (1985) hat dafür den Begriff der autotelischen (griech.: auto = selbst; telos = Ziel) Tätigkeit eingeführt: »Autotelische Aktivitäten sind Handlungsmuster, welche unmittelbare intrinsische Belohnungen maximieren. Zwar kann man wahrscheinlich bei jeder Tätigkeit Spaß haben; aber einige Tätigkeitsformen eignen sich viel besser dazu als andere« (Csikszentmihalyi 1985, 42f ). Die handelnde Person gerät in einen Flow-Zustand, wenn die eigenen, individuellen Fähigkeiten und Handlungsmöglichkeiten im optimalen Verhältnis zu den situativen Anforderungen der Tätigkeit stehen (Abb. 1). Abb. 1: Flow-Kanal (nach Csikszentmihalyi 1985, 75) Der Flow-Zustand wird beispielsweise mit einem Nachlassen des Zeitgefühls, einem Versinken in die Tätigkeit, dem Verschmelzen von Handlung und Selbst und einem (oft unbewussten) Gefühl der Kontrolle der Situation und Tätigkeit beschrieben. Es wird zudem angenommen, dass ein Mensch jede beliebige Situation in eine Flow- Aktivität verwandeln könne. Es liege also an der tätigen Person, ob eine Aufgabe oder der Alltag spielerisch bewältigt werden kann. Da eine autotelische Persönlichkeitsvariable vermutet wird, gibt Csikszentmihalyi die Empfehlung, solche Persönlichkeitsstrukturen zum Vorteil der Gesellschaft zu fördern statt auf extrinsische Motivation zu setzen (Csikszentmihalyi 1985, 44). Intrinsische bzw. tätigkeitszentrierte Motivation und Psychomotorik Die Tätigkeitszentrierung zeigt sich also in autotelischen Aktivitäten, deren Untersuchung zum Flow-Modell geführt hat. Ein Blick auf die Veranschaulichung dieses Modells (Abb. 1) macht [ 74 ] 2| 2019 Forum Psychomotorik deutlich, dass sich darin auch ein wichtiges Prinzip der Psychomotorik abbildet: die Entwicklungsorientierung. Diesem Prinzip folgend werden in einem psychomotorischen Angebot die individuellen Entwicklungsstände aller Kinder einer Gruppe berücksichtigt, was zu einer Differenzierung im Angebot führt (Keßel 2014, 25). Über den motorischen Entwicklungsstand hinaus geht es u. a. auch um den sozialen, sprachlichen und emotionalen Entwicklungsstand. In der Praxis zeigt sich das, z. B. bei einem Aufbau, der den unterschiedlichen Balancierfähigkeiten in der Gruppe durch verschieden schwierige Balanciergelegenheiten gerecht wird und ebenso Gelegenheiten zum Nicht-Balancieren berücksichtigt. In der Begleitung gibt es Kinder, die mehr oder weniger emotionale Zuwendung durch begleitende Personen benötigen. Manches Kind traut sich nur zu balancieren, wenn jemand die Hand hält oder danebensteht, ein anderes Kind traut sich etwas nur, wenn niemand zuschaut. Die Liste wäre lange weiterzuführen, eins sollte aber bereits deutlich geworden sein: dieses Prinzip umzusetzen, bedeutet, die situativen Handlungsanforderungen an das einzelne Kind (in der Gruppe) so anzupassen, dass sie mit den individuellen Handlungsfähigkeiten des einzelnen Kindes im optimalen Verhältnis stehen, um jedem einzelnen Kind die Möglichkeit des Flow-Erlebens zu eröffnen (und sei es nur ein Micro-Flow). Das führt dazu, dass in psychomotorischen Angeboten Aufbauten sich ständig verändern können und das gesamte Geschehen im Prozess bleibt: Zeigt sich, dass für ein Kind die Angebote über- oder unterfordernd sind, wird eine erfahrene Begleitperson reflektieren, ob eine Hilfestellung (z. B. eine zusätzliche Aufstiegshilfe) oder eine größere Herausforderung (z. B. eine Balanciergelegenheit höher bauen) Abhilfe schaffen könnte, oder aber andere Fallstricke birgt (z. B. zu große Fallhöhe für impulsive, weniger kontrollierte Kinder). Es wird wohl nicht in jeder Stunde gelingen, allen Kindern Flow-Erlebnisse zu ermöglichen, es ist aber immer ein anzustrebendes Ideal. Der Aufwand lohnt nicht nur, weil Kinder in passenden Angeboten meistens viel weniger mit Störungen oder herausfordernden Verhaltensweisen beschäftigt sind, sondern weil die Kinder dadurch (wieder) Freude an Spiel und Bewegung- -- und damit an Entwicklung---finden. Einem humanistischen Menschenbild folgend ist davon auszugehen, dass Kinder sich entwickeln und selbst verwirklichen wollen. Diese Motivation ist eine intrinsische, die leider immer wieder bei Kindern beschädigt, in psychomotorischen, entwicklungsorientierten Angeboten aber gestärkt wird. Ein weiteres psychomotorisches Prinzip ist die Bewertungsvermeidung. Demnach sollte auf extrinsische Belohnung und Motivierung weitgehend verzichtet werden. Auch wenn es derart verunsicherte Kinder gibt, die zunächst eine extrinsische Motivierung benötigen- -- Ziel wird es immer sein, die Kinder von äußerer Beeinflussung unabhängig zu machen (Keßel 2014; Zimmer 2012). Untersuchungen zum Korrumpierungseffekt legen nahe, dass viele Formen des Lobs oder der Belohnung negativen Einfluss auf die intrinsische Motivation haben können (Rheinberg 2010). Bewertung wird in der Psychomotorik durch Echtheit und Wertschätzung, einem weiteren Basisprinzip (Keßel 2014, 24), ersetzt: Es wird Anteil genommen, echtes Interesse am einzelnen Kind und seinen Themen gezeigt. Es wird sich über Entwicklungsfortschritte des Kindes gemeinsam gefreut, statt sie in eine Leistungshierarchie einzuordnen. Die Kinder können sich vor allem mit der Tätigkeit auseinandersetzen und für sich, bei Berücksichtigung der Entwicklungsorientierung, Freude im Tun empfinden und in einer Tätigkeit vorübergehend aufgehen. Selbstbestimmung und Psychomotorik Ein weiterer Zugang zur intrinsischen Motivation (Rheinberg 2010) soll noch genannt werden, da er ebenfalls für die Psychomotorik interessante Anknüpfungspunkte bietet: die Selbstbestimmung. Die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1993) wurde vor allem in der Pädagogik vermehrt aufgegriffen. In den Untersuchungen setzen sich die Autoren mit der Frage auseinander, inwieweit ursprünglich intrinsisch motivierte Tätigkeiten durch extrinsische Belohnungen an Attraktivität verlieren. Es wurde ein Kontinuumsmodell (Tab.-1) entwickelt, nach dem extrinsische Motiva- [ 75 ] Keßel • Intrinsische Motivation 2| 2019 tion durchaus auch als internal wahrgenommen werden kann. Dennoch unterscheidet sich echte intrinsische Motivation im Kern immer von extrinsischer Motivation und Amotivation, wie auch das Fazit von Deci und Ryan (1993, 235) lautet: »Die Motivation zur aktiven Auseinandersetzung mit der Umwelt ist bereits in den frühesten Stadien der Entwicklung gegeben und braucht keine Anleitungen und äußeren Zwänge.« Die Erkenntnisse der Selbstbestimmungstheorie schwingen ebenfalls in einigen psychomotorischen Prinzipien implizit mit. Vor allem Prinzipien, wie die Freiwilligkeit, die Kindorientierung und das Basisprinzip Dialog und Begleitung, setzen den Kern dieser Theorie in der Praxis um: die Selbstbestimmung des Kindes. Die Kinder erleben sich in psychomotorischen Angeboten nicht als Konsumenten, sondern als Gestalter. Ihre Wünsche und Ideen sind wichtig für den Prozess und von daher gefragt. Sie bestimmen mit über das Angebot und seinen Verlauf, und das Wichtigste: Sie bestimmen auch mit darüber, was mit ihnen passiert. Eine zentrale Stärke der psychomotorischen Entwicklungsförderung Viele Kinder gehen intrinsisch motiviert beispielsweise zum Flötenunterricht oder Fußballtraining. Dennoch scheint es sehr viele pädagogische und therapeutische Angebote bzw. Lern- und Fördersituationen zu geben, bei denen die intrinsische Motivation der Kinder nicht beachtet oder sogar beschädigt wird. Und Kinder, die aufgrund negativer Erfahrungen kaum noch intrinsisch motiviert sind, erfahren in Förderangeboten selten eine Stärkung dieser Motivation. In psychomotorischen Angeboten spielt die intrinsische Motivation der Kinder immer eine große Rolle- -- nicht unbedingt explizit formuliert- -- aber durch die Orientierung an den psychomotorischen Prinzipien, wie in diesem Artikel komprimiert deutlich gemacht wurde (ausführlicher bei Keßel 2016). Von daher wird hier davon ausgegangen, dass gerade diese Berücksichtigung der intrinsischen Motivation als eine zentrale Stärke der psychomotorischen Entwicklungsförderung gesehen werden kann. Somit ist die intrinsische Motivation auch ein möglicher Erfolgsfaktor der Psychomotorik, der mehr Berücksichtigung finden sollte. Wie gesundheitsrelevant die intrinsische Motivation für Menschen ist, wird zunehmend diskutiert (z. B. Schmid 2010) und belegt (z. B. Holmberg / Sheridan 2013). Schiffer (2006) hat das bereits formuliert, indem er ein zu frühes Einführen des Regel- und Leistungsprinzips in die kindliche Welt anprangert. Er sieht dadurch die Freiräume zur selbstbestimmten, intrinsisch motivierten Erkundung der Welt im Spiel beschränkt oder sogar verdrängt. Auch der Spielforscher Sutton-Smith (2001) reiht sich in diese Argumentation ein, wenn er im Gegenteil von Spiel nicht die bestehende Realität oder Arbeit sieht, sondern Depression. Immer stärkere Strukturierungen des Alltags der Kinder sowohl durch gut gemeinte Angebote als auch durch Betreuungssituationen aufgrund der Berufstätigkeit beider Eltern führen ebenso wie die Abnahme von (selbstbestimmten) Spielräumen für Kinder im Alltag zu einer steigenden Tab. 1: Selbstbestimmungskontinuum (nach Deci / Ryan 2000, 237) [ 76 ] 2| 2019 Forum Psychomotorik Belastung. Angebote, wie die Psychomotorik, die Tätigkeitszentrierung und Selbstbestimmung der Kinder ermöglichen- -- und damit die intrinsische Motivation der Kinder erhalten und stärken---werden mehr denn je gebraucht. Literatur Burghardt, G. M. (2011): Defining and Recognizing Play. In: Pellegrini, A. D. (Hrsg.): The Oxford Handbook of the Development of Play. Oxford University Press, New York, 9-18 Csikszentmihalyi, M. (1985): Das flow-Erlebnis. Jenseits von Angst und Langeweile: im Tun aufgehen. Klett-Cotta, Stuttgart Deci, E., Ryan, R. M. (2000): The »What« and »Why« of Goal Pursuits: Human Needs and the Self-Determination of Behaviour. Psychological Inquiry 11 (4), 227-268, https: / / doi.org/ 10.1207/ S15327965PLI1104_01 Deci, E., Ryan, R. M. (1993): Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik 39 (2), 223- 238 Fichtner, G. (2000): Vom Leistungssport zum Doppelmord. (Leidens-)Geschichten aus der Genese eines Psychomotorikers. In: Wendler, M., Irmischer, T., Hammer, R. (Hrsg.): Psychomotorik im Wandel. Aktionskreis Psychomotorik, Lemgo, 65-76 Fischer, K. (2009): Einführung in die Psychomotorik. 3. Aufl. Ernst Reinhardt, München / Basel Hauser, B. (2013): Spielen. Frühes Lernen in Familie, Krippe und Kindergarten. Kohlhammer, Stuttgart Heimlich, U. (2018): Das Spiel von Gleichaltrigen in der Kita---Teilhabechancen für Kinder mit Behinderung. In: https: / / www.kita-fachtexte.de/ uploads/ media/ KiTaFT_Heimlich_IV_DasSpielvonGleichalt rigeninderKita-2018.pdf, 03.08.2018 Holmberg, P. M., Sheridan, D. A. (2013): Self-Determined Motivation as a Predictor of Burnout Among College Athletes. Sport Psychologist 27 (2), 177- 187, https: / / doi.org/ 10.1123/ tsp.27.2.177 Keßel, P. (2016): »Psychomotorik---da kannst Du einfach spielen! « Motivationale Aspekte des Spielens und ihre Berücksichtigung in der Psychomotorik. In: Jessel, H. (Hrsg.): Spiel(T)raum. Spielraum lassen- -- Spielraum geben- -- Spielraum haben. Aktionskreis Psychomotorik, Lemgo, 49-74 Keßel, P. (2014): Prinzipien psychomotorischer Entwicklungsförderung. Überlegungen für die fachschulische Erzieherausbildung. motorik 37 (1), 23- 27, https: / / doi.org/ 10.2378/ mot2014.art05d Kiphard, E. J. (1989): Psychomotorik in Praxis und Theorie. Ausgewählte Themen der Motopädagogik und Mototherapie. Flöttmann, Gütersloh König, A. (2007): Dialogisch-entwickelnde Interaktionsprozesse als Ausgangspunkt für die Bildungsarbeit im Kindergarten. Bildungsforschung 4 (1), 1-21, http: / / dx.doi.org/ 10.25539/ bildungsfor schun.v1i0.54 Nentwig-Gesemann, I., Fröhlich-Gildhoff, K., Harms, H., Richter, S. (2011): Professionelle Haltung---Identität der Fachkraft für die Arbeit mit Kindern in den ersten drei Lebensjahren. DJI, München Rheinberg, F. (2010): Intrinsische Motivation und Flow-Erleben. In: Heckhausen, J., Heckhausen, H. (Hrsg.): Motivation und Handeln. 4. Aufl. Springer, Berlin, 365-387, https: / / doi.org/ 10.1007/ 978- 3-642-12693-2_14 Santer, J., Griffith, J., Goodall, D. (2007): Free Play in Early Childhood. A literature review. National Children's Bureau, London Schiffer, E. (2006): Warum Huckleberry Finn nicht süchtig wurde. Anstiftung gegen Sucht und Selbstzerstörung bei Kindern und Jugendlichen. Beltz Quadriga, Weinheim Schmid, J. L. (2010): Flow---Erleben und Achtsamkeit. Neue Paradigmen psychomotorischer Gesundheitsförderung. motorik 30 (3), 130-134 Seewald, J. (2007): Der verstehende Ansatz in Psychomotorik und Motologie. Ernst Reinhardt, München / Basel Sutton-Smith, B. (2001): The ambiguity of play. 2nd Printing. Harvard University Press, Cambridge von Gosen, A. (2018): Im eigenen Tempo. Bewegungsanregungen aus dem SpielRaum für Bewegung. ZeT, Zeitschrift für Tagesmütter und -väter (3), 14- 15 Winkler, M. (2014): Spiel und Pädagogik. In: Braches- Chyrek, R., Röhner, C., Sünker, H., Hopf, M. (Hrsg.): Handbuch Frühe Kindheit. Barbara Budrich, Opladen, 261-271 Zimmer, R. (2012): Handbuch der Psychomotorik. Theorie und Praxis der psychomotorischen Förderung. 13. Aufl. Herder, Freiburg Zimmer, R. (2004): Das Spiel in der psychomotorischen Therapie. In: Irmischer, T., Hammer, R., Wendler, M., Hoffmann, S. (Hrsg.): Spielen in der Psychomotorik. Aktionskreis Psychomotorik, Lemgo, 9-19 Der Autor Peter Keßel Dipl.-Motologe, wiss. Mitarbeiter am Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) Anschrift Peter Keßel Niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung Jahnstr. 75 D-49080 Osnabrück peter.kessel@nifbe.de
