motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2019
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Praxistipp: Bewegte Zusammenarbeit zwischen pädagogischen Fachkräften und Eltern / Familien
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2019
Helga Pollähne
Karin Reth-Scholten
Die Zusammenarbeit mit Eltern wird als eine von drei wesentlichen Bestimmungsmerkmalen moderner Frühpädagogik betrachtet (Fröhlich-Gildhoff 2013, 11). Hierzu steht ein breit gefächertes Spektrum unterschiedlichster Formen zur Verfügung: von individuellen Entwicklungsstandsgesprächen bis hin zu Elternzeitungen (Textor o.J., 5). Eltern können über diese Kontakte in den Kitas niederschwellig erreicht werden und nehmen laut Fröhlich-Gildhoff (2013, 12) „die Fachkräfte (…) als kompetente UnterstützerInnen und BeraterInnen in Erziehungs- und Bildungsfragen an.“
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[ PRAXISTIPP ] [ 97 ] Praxistipp 2| 2019 Bewegte Zusammenarbeit zwischen pädagogischen Fachkräften und Eltern/ Familien Gestaltung eines Eltern-Kind-Nachmittages in Bewegung Die Zusammenarbeit mit Eltern wird als eine von drei wesentlichen Bestimmungsmerkmalen moderner Frühpädagogik betrachtet (Fröhlich-Gildhoff 2013, 11). Hierzu steht ein breit gefächertes Spektrum unterschiedlichster Formen zur Verfügung: von individuellen Entwicklungsstandsgesprächen bis hin zu Elternzeitungen (Textor o.J., 5). Eltern können über diese Kontakte in den Kitas niederschwellig erreicht werden und nehmen laut Fröhlich-Gildhoff (2013, 12) »die Fachkräfte (…) als kompetente UnterstützerInnen und BeraterInnen in Erziehungs- und Bildungsfragen an.« Es scheint heutzutage zunehmend schwieriger, Erziehungsberechtigte für einen »klassischen« Elternabend mit Vortrag zu motivieren. Alternativ bieten sich gemeinsame Eltern-Kind-Nachmittage (mit Kinderbetreuung) oder tätigkeitsorientierte Elternabende an, bei denen Eltern z. B. ähnliche Sinnes- und Bewegungserfahrungen wie ihre Kinder machen, die dann Aufhänger für einen gemeinsamen Austausch sind. Vorgestellt wird ein Beispiel zur Gestaltung eines Eltern-Kind-Nachmittages mit Bewegungsspielen und sich anschließender Elterninformation. Inhaltlich steht die Bedeutung der Bewegung für die Schulfähigkeit des Kindes im Vordergrund, das Thema lautet: Auf dem Weg in die Schule---Bewegung und Lernen (Pollähne / Reth-Scholten 2017). Folgende Strukturierung bietet sich für die Gestaltung eines solchen Nachmittages an. Kinder und Eltern erleben zunächst gemeinsam eine Spiel- und Bewegungsstunde. Dies führt einerseits zu einer Stärkung der emotionalen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern und schafft andererseits die Grundlage für die sich anschließende Phase der theoretischen Einordnung des Erlebten. Nach der Spielphase erhalten die Eltern Informationen zum Thema, während die Kinder betreut weiterspielen. Schon der Weg in die Kita kann als Einstimmung bewegt gestaltet werden, z. B. durch einen Hindernisweg vor der Kita (Balanciersteg oder Bewegungsbausteine zum Übersteigen), die Tür kann mit einer Zauberschnur »verschlossen« sein (kreuz und quer spannen), die man zuerst durchsteigen muss. Nach der Begrüßung folgt eine etwa 30-minütige Spiel- und Bewegungsphase für Eltern und Kinder. Als zentrales Material kommen unterschiedliche (Haushalts-)Schwämme zum Einsatz. Kennenlernen und erste Aktivierung Begrüßung: Alle Personen erhalten einen Schwamm. Auf Musik bewegen sie sich durch den Raum. Bei Musikstopp begrüßt man sich und tauscht Schwämme, bis die Musik wieder läuft. Begegnung: 2-3 Schwämme sind mit Gesichtern (smilies) gekennzeichnet. Bei Musikstopp werden sie in eine »Formation« gestellt oder gelegt, zunächst durch eine ErzieherIn, dann auch durch Eltern oder Kinder. Die Anwesenden stellen die jeweiligen Formationen nach. (Körper-, Raumorientierung) Spiel- und Bewegungsphase: Aufgaben an einzelnen Spielstationen Im Anschluss gehen ein oder mehrere Familien zusammen und spielen 3-4 Minuten an den einzelnen Stationen. Wenn Musik erklingt, wird die Station gewechselt. Diese müssen nicht in einer bestimmten Reihenfolge durchlaufen werden. Die Inhalte verdeutlichen verschiedene Förderziele. Bau eines Turmes aus Schwämmen: Die Gruppe errichtet gemeinsam einen möglichst hohen Turm mit Schwämmen. Wenn die Musik erklingt, wird die [ 98 ] 2| 2019 Auf den Punkt gebracht [ 98 ] 2| 2019 Praxistipp Höhe mit einem Zollstock gemessen. (Handlungsplanung) Kunstwerk merken und nachbauen: 3-4 Holzbausteine werden zu einem Bild oder einer Skulptur (zweibzw. dreidimensionaler Raum) aufgebaut. An einem anderen Ort (z. B. nach einer Hindernisstrecke über Stühle) wird das Kunstwerk von allen identisch nachgebaut. Es stehen die gleichen Bausteine zur Verfügung. Die Ergebnisse werden anschließend verglichen. (Formen erkennen, merken, wiedergeben) Jenga spielen: Die Erwachsenen ziehen dabei Handschuhe an, damit sie sich ein wenig in feinmotorische Schwierigkeiten ihrer Kinder einfühlen können. (Feinmotorik) Balancieren über 3-4 Kreisel oder eine umgedrehte Bank: Wer sich traut, probiert es seit- oder rückwärts bzw. mit geschlossenen Augen. (Motorik, Gleichgewicht) »Was ist das? «: Unter einer Decke versteckte Gegenstände (z. B. Löffel, Korken, Spielzeugauto) ertasten. Kinder benennen den Gegenstand. Eltern zeigen pantomimisch oder beschreiben, was damit gemacht wird. Die Anderen raten. (Wahrnehmung, Begriffsbildung) Springen über (gleich große) Schwämme: Aufgabe ist es, herauszufinden, über wie viele Schwämme jede Person springen kann, wenn sie hintereinandergelegt werden. Die Anzahl der Schwämme wird laut gezählt. (Grobmotorik, Zahlenverständnis) Was haben wir gemacht? Verbindungslinien zeichnen Was wird gefördert? Kunstwerk aus Bausteinen bauen, merken und nachbauen Körperwahrnehmung, Orientierung am Körper Wo ist oben / unten / vorne / hinten? über Kreisel oder Bank balancieren, mit offenen / geschlossenen Augen Mit anderen zusammenarbeiten Turmbau mit Schwämmen und Messen der Höhe Wahrnehmung: Formen ertasten, im Gleichgewicht sein Bewegungsentwicklung--- Grobmotorik: laufen, springen Gegenstand ertasten, erkennen, beschreiben oder darstellen Bewegungsentwicklung--- Feinmotorik: kneten, schreiben Sprache: Greifen---Begreifen---Begriff, sich ausdrücken können Schwammspiel mit Gesichtern Raumorientierung - Wo ist oben / unten / vorne / hinten? Physik im Alltag - Stabilität, Haftung und Reibung Jenga spielen (mit Handschuhen) Selbstbewusst und stark sein Konzentriert bei der Sache bleiben über Schwämme springen, Schwämme zählen Rechnen: Zahlen lernen, Mengen erfassen Sich etwas vorstellen und planvoll handeln Tab. 1: Reflexionsbogen zur Praxis für Eltern [ 99 ] Praxistipp 2| 2019 Austausch und Information Nach der Spielphase trennen sich Eltern und Kinder. Die Kinder spielen weiter, z. B. mit den Schwämmen. Mit den Eltern wird in einem anderen Raum der Zusammenhang zwischen der erlebten Praxis und dem fachlichen Hintergrund erarbeitet. Dabei ist es wichtig, ihnen in einer angemessenen (leichten) Sprache zu begegnen und Fachbegriffe zu vermeiden. Die Eltern sollen Gelegenheit haben, sich auszutauschen. Dies kann in folgenden Schritten erfolgen: 1. Eltern ordnen zu: Die TeilnehmerInnen diskutieren in Kleingruppen, welche Kompetenzen an den einzelnen Stationen angesprochen wurden. Auf einem Arbeitsblatt (Tab. 1) können Spiele und Kompetenzen durch Linien miteinander verbunden werden. (10 Min.) 2. Elterninformation: In einer kurzen Präsentation werden fachliche Grundlagen erläutert: Wie lernt das Gehirn? (15 Min.) 3. Eltern sammeln Ideen: Im Plenum werden gemeinsam Ideen zur Förderung zuhause---analog zu den zuvor erarbeiteten Kompetenzen---gesammelt. (20 Min.) 4. Take-home-message: Gemeinsam einen Kernsatz für den Elternabend finden und auf Karteikarten schreiben (z. B. »Bewegung macht schlau«) 5. Eltern erhalten Tipps: Eine Fachkraft fasst die Ideen schriftlich zusammen und stellt sie den Eltern später zur Verfügung. Ein bewegungsorientierter Elternabend könnte ähnlich verlaufen. Die beschriebenen Stationen können auch von den Eltern alleine durchlaufen werden. Solche Elternabende können gut als Kooperationsveranstaltungen von Grundschulen und Kitas angeboten werden. »Insbesondere beim Übergang von der Kita in die Schule ist die Bewegung mitzudenken« (König / Martzy 2017, 36), da Tätigkeiten im Sitzen deutlich zunehmen und körperlich-sinnliche Aktivitäten zurückgehen. Es gilt, immer wieder zu verdeutlichen, dass die in Mittelpunkt rückenden kognitiven Lernprozesse noch immer körperlich verortet sind. Literatur Fröhlich-Gildhoff, K. (2013): Die Zusammenarbeit von pädagogischen Fachkräften und Eltern im Feld der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung. Bildungsforschung 10 (1), 11-25 König, E., Martzy, F. (2017): Es geht auch ohne Stühle. Ein Elternabend in Bewegung. Praxis Grundschule 40 (1), 36- 38 Pollähne, H., Reth-Scholten, K. (2017): Auf kleinen Füßen die Welt erobern. Bewegungstipps für Eltern und ihre Kinder. Eigendruck, Mainz Textor, M. R. (o.J.): Elternarbeit in Kindertageseinrichtungen. In: www.kindergartenpaedagogik.de/ 2273.pdf, 15.05.2018 Helga Pollähne, Karin Reth-Scholten C E R TI F ICAT E P R O G RAM IN L A B A N / B A R T E N I E F F M O V E M E N T S T U D I E S Director: Antja Kennedy Phone: +49 30 52282446 info@eurolab-programs.com www.eurolab-programs.com Intensive Format in English Start: July 2019 in Berlin Anzeige
