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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mot2019.art36d
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Praxistipp: »Wir erforschen unsere Schule«
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Alena Kreutz
Folgende Ausführungen zur Realisierung des kunstpädagogischen Konzeptes »Ästhetische Forschung« in einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung liegen einem Projekt zugrunde, welches die Autorin mit einer Unterstufenklasse von April bis Juni 2018 durchführte. Unter dem Motto »Wir erforschen unsere Schule« lag ein Schwerpunkt des Projektes auf dem Suchen sowie Ausgestalten von Mustern und Farben in Elementen der drei Lernumgebungen des Klassen-, Snoezelraums sowie Pausenhofs mit integriertem Spielplatz. Die SchülerInnen wurden hierbei in ihrer Funktion als (Kunst-)ForscherIn mit einer Lupe für die beobachtende Untersuchung der Lernräume ausgestattet. Zudem erhielten sie eine Einwegkamera und ein eigens gestaltetes »Forscherbuch« zum Fixieren der Erfahrungsprozesse aus den Erkundungen. Im schulischen Kontext – insbesondere in der Arbeit mit der SchülerInnengruppe mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung – ist infolge der Distanzierung vom konventionellen Unterricht, im Sinne traditioneller Lernorte und Arbeitsweisen, eine offene Darlegung einer auf Selbstbestimmung ausgerichteten Unterrichtsmethoden vonnöten (Kämpf-Jansen 2012, 240). Für das von Helga Kämpf-Jansen begründete Konzept »Ästhetische Forschung« steht dabei das Initiieren von ästhetischen Erfahrungen im Fokus (Peez 2012, 77). Die Erkenntnisse aus dem Projekt dienten als Basis zur Untersuchung folgender Forschungsfrage (siehe Qualifikationsarbeit in diesem Heft):
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[ 197 ] Praxistipp 4| 2019 [ PRAXISTIPP ] »Wir erforschen unsere Schule« Spielerische Zugänge der Ästhetischen Forschung im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung Folgende Ausführungen zur Realisierung des kunstpädagogischen Konzeptes »Ästhetische Forschung« in einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung liegen einem Projekt zugrunde, welches die Autorin mit einer Unterstufenklasse von April bis Juni 2018 durchführte. Unter dem Motto »Wir erforschen unsere Schule« lag ein Schwerpunkt des Projektes auf dem Suchen sowie Ausgestalten von Mustern und Farben in Elementen der drei Lernumgebungen des Klassen-, Snoezelraums sowie Pausenhofs mit integriertem Spielplatz. Die SchülerInnen wurden hierbei in ihrer Funktion als (Kunst-)ForscherIn mit einer Lupe für die beobachtende Untersuchung der Lernräume ausgestattet. Zudem erhielten sie eine Einwegkamera und ein eigens gestaltetes »Forscherbuch« zum Fixieren der Erfahrungsprozesse aus den Erkundungen. Im schulischen Kontext-- insbesondere in der Arbeit mit der SchülerInnengruppe mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung- - ist infolge der Distanzierung vom konventionellen Unterricht, im Sinne traditioneller Lernorte und Arbeitsweisen, eine offene Darlegung einer auf Selbstbestimmung ausgerichteten Unterrichtsmethoden vonnöten (Kämpf-Jansen 2012, 240). Für das von Helga Kämpf-Jansen begründete Konzept »Ästhetische Forschung« steht dabei das Initiieren von ästhetischen Erfahrungen im Fokus (Peez 2012, 77). Die Erkenntnisse aus dem Projekt dienten als Basis zur Untersuchung folgender Forschungsfrage (siehe Qualifikationsarbeit in diesem Heft): Phasen ästhetischer Forschung Prinzipiell orientierte sich das Projekt an den Leitgedanken Ästhetischer Forschung und dessen fünf Phasen, weshalb anschließend eine komprimierte Projektdokumentation entsprechend der einzelnen Komponenten folgt. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass die einzelnen Phasen ein »dynamisches Gefüge« (Leuscher 2015, 28) bilden, sodass deren Abfolge nicht stets chronologisch auszulegen ist. Phase 1: Thema und Frage finden Auch wenn grundsätzlich in dieser Phase das selbstständige Ermitteln einer individuellen Thematik und Fragestellung durch die Schülerschaft im Vordergrund steht, war es vor allem in der Arbeit mit den SchulanfängerInnen vonnöten, diesen Prozess von außen zu lenken. Wie bereits aufgezeigt, wurde eingangs das Rahmenthema »Wir erforschen unsere Schule« schrittweise mithilfe von Abbildungen und Utensilien transparent gemacht. Dabei kristallisierte sich die Fragestellung »Wo finden wir Muster und Farben in der jeweiligen Lernumgebung? « als geeignet für den Ästhetischen Forschungsprozess der SchülerInnengruppe heraus. Phase 2: Forschen, Sammeln, Erfahren In der zweiten Phase Ästhetischer Forschung wurde das Sammeln von Erfahrungen im Kontext der vier Forschungsfelder »Alltag, Kunst, Wissenschaft sowie ästhetische Praxis« fokussiert. Ausgehend von dem Bezugsfeld »Wissenschaft« fand als Einstieg jeder Projektstunde das beobachtende Erforschen einer neuen Lernumgebung nach Farben und Mustern mittels Lupe statt. Abbildung 1 veranschaulicht, wie ein Junge seine Lupe dazu nutzt, um die Rindenstruktur des Baumes samt Efeu zu analysieren. Zusätzlich dazu hatten die SchülerInnen den Auftrag, die gefundenen Muster mithilfe ihrer Einwegkameras zu dokumentieren (Abb. 2) und in den Erfahrungsprotokollen innerhalb ihrer »Forscherbücher« farbig zeichnend festzuhalten. Inwiefern offerieren räumliche Rahmenbedingungen ausgewählter Lernumgebungen einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung Potenziale für die Initiierung ästhetischer Erfahrungen von SchülerInnen einer Unterstufenklasse? [ 198 ] 4| 2019 Praxistipp Abb. 1: Erforschung der Lernumgebung mittels Lupe Abb. 2: Dokumentation von Mustern mittels Fotografie Im Forschungsfeld »Kunst« konnte anhand der gemeinsamen Rezeption von Werken spezifischer KünstlerInnen aufseiten der SchülerInnen ein Input für die eigene Bearbeitung geboten werden (Abb. 3). Exemplarisch fand daher eine Betrachtung differenter Kunstwerke entsprechend der für die jeweilige Lernumgebung angemessenen Muster- und Farbendarstellung statt, welche von einer Installation aus Alltagsgegenständen vom Künstler Tony Cragg über Abbildungen in Anlehnung an den Themenkomplex »Kunst zum Anfassen« bis hin zu Werken aus der Natur des Landartkünstlers Andy Goldsworthy reichten. Abb. 3: Gemeinsame Rezeption von Kunstwerken Infolge einer Kombination der Verfahren aus den beiden Bezugsfeldern »Alltag« sowie »ästhetische Praxis« ließen sich verschiedene Aufgabenschwerpunkte für die einzelnen Lernräume setzen, wobei insbesondere das Sammeln und Arrangieren farbiger Bausteine oder von Naturmaterialien im Fokus stand. Phase 3: Material aufbereiten Die im Kontext der vier Forschungsfelder gesammelten Materialien wurden im Rahmen der dritten Phase auf eine ästhetisch-künstlerische Art und Weise aufbereitet. Während die Aufgabe innerhalb des Klassenraums darin bestand, mittels farbiger Bausteine entweder frei oder nach Vorlage ein Muster zu legen, sollten auf dem Pausenhof Muster im Sinne der Kunstrichtung »Landart« durch das Arrangieren von Naturmaterialien entstehen. Das Erstellen eigener Tasttafeln wurde hingegen innerhalb des Snoezelraums realisiert. Phase 4: Präsentieren Nach der Fertigstellung der persönlichen »Forscherbücher«- - mitsamt der eigens gesammelten und nach individuellen Vorstellungen angebrachten Materialien und Fotoaufnahmen- - war eine Präsentation dieser künstlerischen Endprodukte vorgesehen, um den SchülerInnen Anerkennung und Wertschätzung für ihre Leistungen zu ermöglichen. Als Rahmen für die Vorstellung der Ergebnisse wurde die Schulversammlung gewählt. Angesichts der unterschiedlichen sprachlichen Fähigkeiten erhielten die SchülerInnen individuelle Beitragsformen, die vom gestischen Zeigen der Werke über Einwortäußerungen bis hin zu ganzen Sätzen reichten. Phase 5: Reflektieren Ein wesentliches Element der Ästhetischen Forschung bildet die Reflexion. In der Arbeit mit der Unterstufenklasse der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung lag der Fokus auf dem indirekten Reflektieren, welches im Anschluss an die einzelnen Gestaltungsprozesse durch das Vorstellen der individuell kreierten Werke sichergestellt werden konnte. Insbesondere die gestalteten Kunstwerke auf dem Boden des Pausenhofs, wie in Abbildung 4 sichtbar, wurden in einer Art »Museumsrundgang« von jedem »Künstler« und jeder »Künstlerin« mit detaillierten Anmerkungen in verbaler sowie nonverbaler Form versehen. Abschließende Bemerkungen Mit dem von Kämpf-Jansen (2012) etablierten kunstpädagogischen Konzept »Ästhetische Forschung« kristallisiert sich ein innovativer Ansatz heraus, [ 199 ] Praxistipp 4| 2019 dessen Schwerpunkt- - vor allem im schulischen Kontext durch eine Abkehr vom traditionellen Kunstunterricht hin zu einer Subjektorientierung- - auf der Initiierung ästhetischer Erfahrungen mittels individueller Forschungsprozesse lag. Insbesondere die spielerische Vernetzung der Verfahren aus den vier Forschungsfeldern »Alltag, Kunst, Wissenschaft und ästhetische Praxis« bot eine Basis, um einen beliebig gewählten Forschungsgegenstand aus differenten Perspektiven zu beleuchten. In einem »Forscher«- oder Tagebuch fusionierten dabei die individuellen Erfahrungen aus den verschiedenen Bezugsfeldern. Durch die Fokussierung der persönlichen Ideen im Rahmen der Ästhetischen Forschung konnten sich die SchülerInnen folglich selbst als wirksam erleben und wahrnehmen. Abb. 4: Gemeinsame Reflexion der fertigen Werke Literatur Kämpf-Jansen, H. (2012): Ästhetische Forschung. Wege durch Alltag, Kunst und Wissenschaft. Zu einem innovativen Konzept ästhetischer Bildung. Kontext Kunst- - Vermittlung- - Kulturelle Bildung. Bd. 9. 3. Aufl. Tectum Verlag, Marburg Leuscher, C. (2015): Die fünf Phasen des Forschungsprozesses. In: Leuscher, C., Knoke, A. (Hrsg.): Selbst entdecken ist die Kunst. Ästhetische Forschung in der Schule. 2. Aufl. kopaed, München, 28-39 Peez, G. (2012): Einführung in die Kunstpädagogik. Grundriss der Pädagogik/ Erziehungswissenschaft. Bd. 16. 4. Aufl. Kohlhammer, Stuttgart DOI 10.2378 / mot2019.art36d Kontakt Alena Kreutz leni.kreutz@online.de
