eJournals motorik 43/1

motorik
7
0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
11
2020
431

Bericht: Psychomotorische Entwicklungsförderung am Ambulatorium für Rehabilitation der Universität Oldenburg

11
2020
Anna Marie Muruchi
Birk Scheibehenne
Annett Thiele
Das Ambulatorium für Rehabilitation vereint als Einrichtung des Institutes für Sonder- und Rehabilitationspädagogik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg verschiedene Förder- und Forschungsprojekte. Der folgende Bericht gibt Einblick in die psychomotorische Entwicklungsförderung am Ambulatorium sowie in das durchgeführte Projekt »Bewegungsmut«, welches für Kinder mit onkologischen Erkrankungen konzipiert wurde. [...]
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[ 42 ] 1 | 2020 Aktuelles / Kurz berichtet Berichte Psychomotorische Entwicklungsförderung am Ambulatorium für Rehabilitation der Universität Oldenburg Das Ambulatorium für Rehabilitation vereint als Einrichtung des Institutes für Sonder- und Rehabilitationspädagogik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg verschiedene Förder- und Forschungsprojekte. Der folgende Bericht gibt Einblick in die psychomotorische Entwicklungsförderung am Ambulatorium sowie in das durchgeführte Projekt »Bewegungsmut«, welches für Kinder mit onkologischen Erkrankungen konzipiert wurde. Psychomotorische Entwicklungsförderung der Universität Oldenburg Die drei Aufgabenbereiche (Forschung, Förderung & Lehre) der psychomotorischen Entwicklungsförderung am Ambulatorium für Rehabilitation agieren eigenständig und gleichzeitig gemeinsam. Die Schnittmenge der verschiedenen Bereiche ist eine multiperspektivische Konzeption, welche bewegungs- und wahrnehmungsorientierte Angebote in den Mittelpunkt stellt. Die Verbindungen zwischen den verschiedenen Tätigkeitsfeldern offerieren zahlreiche Potenziale für Praxis, Lehre und Forschung. Im Rahmen des Bachelorstudienganges der Sonder- und Rehabilitationspädagogik haben die Studierenden die Möglichkeit, sich eingehend mit den theoretischen und praktischen Grundlagen einer bewegungs- und wahrnehmungsorientierten Förderung auseinanderzusetzen. Das zweisemestrige Wahlpflichtmodul beinhaltet u.a. die Auseinandersetzung mit konzeptionellen Ansätzen der Psychomotorik, Wahrnehmungs- und Beobachtungsschulung, Motodiagnostik sowie die Planung, Durchführung, Reflexion und Dokumentation psychomotorischer Angebote. Kooperationsbeziehungen mit Kindertagesstätten, inklusiven Schulen und Förderzentren aus Oldenburg ermöglichen es, wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis zu transferieren und im Rahmen der Lehrveranstaltungen Einblick in die praxisrelevante Umsetzung zu bekommen. Promovierende und Studierende werden in psychomotorische Forschungsprozesse eingebunden oder bei eigenen Forschungsvorhaben unterstützt. Das Projekt »Bewegungsmut« Das im Jahr 2013 initiierte psychomotorische Angebot der Förderung und Familienbegleitung für Kinder mit chronischen und progredienten Erkrankungen (Irmler et al. 2014) am Ambulatorium für Rehabilitation wurde in den Folgejahren vom Fachbereich körperliche und motorische Entwicklung stetig weiterentwickelt. Das sich anschließende Projekt »Bewegungsmut« (Schwarzenberg / Werschnitzke 2017) wurde von 2017 bis 2018 in Kooperation mit der Elterninitiative krebskranker Kinder Oldenburg e.V. konzipiert, durchgeführt und evaluiert. Im Fokus stand dabei die psychomotorische Entwicklungsförderung von Kindern in der onkologischen Rehabilitationsphase unter Einbezug der Geschwister. Davon ausgehend, dass Kindern mit onkologischen Erkrankungen aufgrund langwieriger Klinikaufenthalte und Therapien besonderen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt sind, sollen diese »durch das Medium Bewegung […] [in ihrer] Entwicklung und Krankheitsbewältigung unterstützt und gefördert und die kindseigenen Gesundheitsressourcen gestärkt [werden]« (Kopf 2005, 166). Mangelnde Kontakte zu Gleichaltrigen, belastende Erlebnisse, körperliche Veränderungen sowie Bewegungsmangel können Auswirkungen auf die Entwicklung und Lebensqualität haben (Torp / Gebhard 2013, 218; Kopf 2005, 167). Da das soziale System für die Krankheitsbewältigung sehr bedeutsam ist (Kopf 2005, 169), findet die Förderung unter Einbindung der Familien statt. Die Kinder sollten dabei die Möglichkeit bekommen, sich durch vielfältige Sozial-, Material- und Körpererfahrungen als selbstwirksam und handlungskompetent zu erleben und so positive und ganzheitliche Entwicklungsimpulse erfahren (Kopf 2005, 167; Torp / Gebhard 2013, 219). In spielerischen Situationen wurde den Kindern die Möglichkeit gegeben, in einem bewertungsfreien Raum, über handlungs- und leiborientierte Erfahrungen, in sozialer Interaktion gemeinsame Bewegungserfahrungen zu sammeln. Die prozessorientierte Förderung wurde themenzentriert gestaltet, an die individuellen Interessen und Bedürfnisse der TeilnehmerInnen angepasst und die Phasen der einzelnen Einheiten wurden angelehnt an Passolt und Pinter-Theiss (2013, 75ff ) strukturiert. Psychomotorische Grundprinzipien, wie Offenheit, Freiwilligkeit, Ressourcen- und Kindorientierung, (Keßel 2014, 24ff ) bildeten die Basis der Umsetzung. [ 43 ] Blessing • Bewegungsgetragene Traumaarbeit in-Kindergarten und Schule 1 | 2020 [ 43 ] Aktuelles / Kurz berichtet 1 | 2020 Die Einheiten fanden einmal wöchentlich statt und waren für die partizipierenden Familien kostenlos. Zuletzt nahmen zwei Jungen im Vorschulalter regelmäßig teil; in unregelmäßigen Abständen auch deren Geschwister. Den Familienangehörigen wurden begleitende Reflexionsgespräche angeboten. Evaluation des Projekts Das Projekt wurde im Rahmen einer Abschlussarbeit (Ihbe et al. 2018) mittels einer Dokumentenanalyse und Interviews nach Gläser und Laudel (2010) evaluiert. Ziel war es, das subjektive Empfinden der Eltern und der mitwirkenden studentischen Mitarbeiterin bezüglich der Auswirkungen der Förderung zu untersuchen sowie den Entwicklungsprozess des Projekts darzustellen. Als Ergebnis konstatieren Ihbe et al. (2018, 65ff ), dass die Förderung positiven Einfluss auf die personale und soziale Kompetenz der Kinder hatte. Veränderungen fanden vor allem in den Bereichen Selbstbewusstsein, Motivation, Wahrnehmung, Motorik und Interaktion statt. Besonders positiv bewerteten die Eltern- - gerade im Vergleich zu Angeboten aus dem medizinischen Setting- - den nichtvorhandenen Leistungsdruck und den niedrigschwelligen Austausch mit Gleichaltrigen. Darüber hinaus wurde die psychomotorische Förderung von den Eltern als Entlastung wahrgenommen. Den Kindern boten die Einheiten eine willkommene Abwechslung und kindgerechte Ablenkung aus ihrem teilweise fremdbestimmten Alltag. Für die Zukunft wünschen sich die Beteiligten eine noch umfassendere Fokussierung auf die sozialen Interaktionen. Die Evaluation zeigte auch, dass die einzelnen Fördereinheiten sukzessive offener, non-direktiver sowie freier gestaltet wurden und das wiederum mit den positiv wahrgenommenen Effekten der psychomotorischen Förderung in Wechselbeziehung stand. Ausblick Das Projekt »Bewegungsmut« wurde mit dem Schuleintritt der beiden Jungen beendet und erwies sich für alle Beteiligten als lohnend und lehrreich. Im Rahmen von Forschungs- und Kooperationsprojekten sollen auch zukünftig Beratungs- und Therapieangebote ermöglicht und gleichzeitig Hospitations- und praktische Lernmöglichkeiten für Studierende eröffnet werden. Literatur Gläser, J., Laudel, G. (2010): Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruierender Untersuchungen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, https: / / doi.org/ 10.1007/ 978-3-531- 91538-8_4 Ihbe, R., Mrohs, S. S., Paulini, N. (2018): Psychomotorik in der pädiatrischen Onkologie- - Wirkung einer psychomotorischen Entwicklungsförderung am Beispiel von zwei onkologisch erkrankten Kindern. Nicht veröffentliche Studienabschlussarbeit. Universität Oldenburg, Oldenburg Irmler, M., Peter, L., Gebhard, B. (2014): Psychomotorische Entwicklungsförderung und Familienbegleitung für Kinder mit chronischen und progredienten Erkrankungen. motorik 37 (4), 191-193 Keßel, P. (2014): Prinzipien psychomotorischer Entwicklungsförderung. Überlegungen für die fachschulische Erzieherausbildung. motorik 37 (1), 23-27, https: / / doi.org/ 10.2378/ mot2014. art05d Kopf, B. (2005): Psychomotorik in der pädiatrischen Onkologie- - Angebote für krebskranke Kinder. Praxis der Psychomotorik 30 (3), 166-172 Passolt, M., Pinter-Theiss, V. (2013): »Ich hab eine Idee-…«-- Psychomotorische Praxis planen, gestalten, reflektieren. Verlag modernes lernen, Dortmund Schwarzenberg, E., Werschnitzke K. (2017): Bewegungsmut. Unveröffentlichte Konzeption, C.v.O. Universität Oldenburg, Oldenburg Torp, V., Gebhard, B. (2013): Psychomotorik in der pädiatrischen Onkologie. motorik 36 (4), 218-220 Kontakt Anna Marie Muruchi anna.marie.muruchi@uol.de Birk Scheibehenne birk.scheibehenne@uol.de Annett Thiele annett.thiele@uol.de