eJournals motorik 43/4

motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mot2020.art38d
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2020
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Medien & Materialien: Aucouturier, Bernard: Handeln, Spielen, Denken - Eckpfeiler der psychomotorischen Praxis in Prävention und Therapie

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2020
Richard Hammer
Aucouturier, Bernard: Handeln, Spielen, Denken – Eckpfeiler der psychomotorischen Praxis in Prävention und Therapie. proiecta Verlag, Bonn, 2019, 126 Seiten, € 25,00 (D) Dieses Buch von Aucouturier ist vor allem ein Plädoyer für das Spiel. »Das Spiel ist die reinste, schönste und großzügigste Idee des Menschen. Spielen ist freie Kunst. Spielen hilft, sich von dem zu distanzieren, was vom Kind und uns selbst abverlangt und gefordert wird. Spielen muss frei sein, eine zweckfreie Tätigkeit, die der Lust und der Freude des Kindes dient« (15). [...]
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[ 209 ] Eckert • Wissen kompakt: Containing 4 | 2020 [ 209 ] Medien & Materialien 4 | 2020 Aucouturier, Bernard: Handeln, Spielen, Denken-- Eckpfeiler der psychomotorischen Praxis in Prävention und Therapie. proiecta Verlag, Bonn, 2019, 126 Seiten, € 25,00 (D) Dieses Buch von Aucouturier ist vor allem ein Plädoyer für das Spiel. »Das Spiel ist die reinste, schönste und großzügigste Idee des Menschen. Spielen ist freie Kunst. Spielen hilft, sich von dem zu distanzieren, was vom Kind und uns selbst abverlangt und gefordert wird. Spielen muss frei sein, eine zweckfreie Tätigkeit, die der Lust und der Freude des Kindes dient« (15). Das Kind spielt spontan. Im Spielen bringt es seine frühe, manchmal schmerzhafte Beziehungsgeschichte zum Ausdruck. Das spontane Spiel wird als Rückversicherungsprozess gegenüber Ängsten aus der Vergangenheit verstanden. Um eine harmonische Entwicklung des Kindes hin zu eigenständigem Denken zu unterstützen, schlägt Bernard Aucouturier eine pädagogische und therapeutische Methodik vor, die Körper, Spiel, Handlungsvermögen und Freude in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückt. Der Autor nähert sich diesem Thema mit einer kurzen Darstellung von Spieltheorien einiger Forscher und Autoren (Piaget, Freud, Klein und Winnicott) und stellt das Spiel, in Anlehnung an Winnicott, als freie und schöpferische Tätigkeit dar. In seinen Betrachtungen der kindlichen Entwicklung arbeitet er heraus, wie über gelungene frühe Interaktionen spontanes Spiel entstehen kann. Diese Interaktionen gelingen bei genügend guter Sorge für das Kind, wenn es spüren kann, dass es in seiner Körperlichkeit und seinen Emotionen respektiert wird. Das Kind kann so um den 6. Monat »einen ersten Grad an Einheit des Selbst« (21) erwerben und im tonisch-emotionalen Dialog mit der Mutter die Lust zum Handeln entwickeln, den Wunsch, groß zu werden. Dies drückt das Kind vor allem im Spiel aus, denn »Spiel ist die Sprache des Kindes« (49), es ist fundamental für die psychische Entwicklung des Kindes. In seinen weiteren Betrachtungen zum Spiel geht Aucouturier ein auf die »Spiele als Rückversicherung«, die den Kindern ermöglichen, »sich gegenüber schmerzhaften körperlichen Spuren aus den archaischen Ängsten rückzuversichern und die Angst zu bannen, vernichtet und zerstört zu werden« (52). Er stellt die Bedeutung des »Übergangsobjektes« (Winnicott), des Guck-Guck-Spiels und des Versteckspiels dar und beschreibt die Erlebniswelt des Kindes bei Bauen und Zerstören eines Turmes aus Bauklötzen. Mit dem Hinweis auf das sensomotorische Spiel und der Bedeutung der Märchengeschichten zeigt Aucouturier, dass er einen psychomotorischen Ansatz vertritt. Diesen Ansatz entwickelt er in weiteren Kapiteln, zunächst für den Erziehungsbereich und schließlich als therapeutische Intervention. Hier finden wir eine Darstellung, wie Psychomotorik im pädagogischen Kontext Eingang finden kann und wie der Aufbau einer Psychomotorikstunde nach dem »Ansatz Aucouturier« zu gestalten ist. Besonders geht er ein auf die Haltung der »Psychomotorik-Therapeutin« und führt damit zum letzten Kapitel, in dem der Aufbau der »Ausbildung in Psychomotorischer Praxis Aucouturier« dargestellt wird. Dieses Buch »ist Ergebnis eines persönlichen und beruflichen Werdegangs« (108), wie der Autor abschließend schreibt. Beim Lesen wird deutlich, dass bei Aucouturier eine-jahrzehntelange psychomotorische Praxis zugrunde liegt, eine Praxis, die theoretisch reflektiert und bereichert wird. Theoretische Grundlagen sind die Psychoanalyse, hier insbesondere Winnicott und Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften. Vielleicht liegt es an dem Begriff der »genügend guten Mutter« (Winnicott), dass für die Entwicklung des Kindes, auch für die »Fehlentwicklung« fast ausschließlich die Mutter verantwortlich gemacht wird, der Vater oder gesellschaftliche Rahmenbedingungen kaum eine Rolle spielen. Dennoch ist die Beschreibung der kindlichen Entwicklung sehr lesenswert. Zum Weiterlesen wäre es auch hilfreich, wenn bei den Literaturangaben auch die deutschen Ausgaben (soweit vorhanden) angegeben worden wären. Fazit: Ein lesenswertes Buch für alle PsychomotorikerInnen, die in pädagogischer oder therapeutischer Praxis tätig sind und im freien und spontanen Spiel eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung des Kindes sehen. Richard Hammer DOI 10.2378 / mot2020.art38d