motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2021
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Forum Psychomotorik: Räume wirken
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2021
Nicola Böcker-Giannini
Im vorliegenden Beitrag wird dargestellt, nach welchen Grundlagen Bildungsräume in Kitas gestaltet werden sollten, damit sie Kinder zum selbsttätigen Spielen und damit Lernen einladen. Grundlagen für die Einordnung bieten dabei neben Konzepten aus der Reggio- und Montessoripädagogik auch die Prinzipien psychomotorischer Entwicklungsförderung. Ein weiterer Fokus liegt auf der Auswahl entsprechenden Materials, die u.?a. auf Grundlage der Beobachtung kindlicher Verhaltensmuster geschehen kann, und auf einer Spielraumgestaltung, die die Fähigkeit der Kinder zur Selbstorganisation unterstützt.
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Zusammenfassung / Abstract Im vorliegenden Beitrag wird dargestellt, nach welchen Grundlagen Bildungsräume in Kitas gestaltet werden sollten, damit sie Kinder zum selbsttätigen Spielen und damit Lernen einladen. Grundlagen für die Einordnung bieten dabei neben Konzepten aus der Reggio- und Montessoripädagogik auch die Prinzipien psychomotorischer Entwicklungsförderung. Ein weiterer Fokus liegt auf der Auswahl entsprechenden Materials, die u. a. auf Grundlage der Beobachtung kindlicher Verhaltensmuster geschehen kann, und auf einer Spielraumgestaltung, die die Fähigkeit der Kinder zur Selbstorganisation unterstützt. Schlüsselbegriffe: Raumgestaltung, Psychomotorik, Selbstorganisation, Selbsttätigkeit, Kita, Kindergarten, Bildungsraum How learning areas in nurseries encourage self-directed play and learning This article presents theoretical foundation of designing learning areas in nurseries, motivating the children to engage themselves in self-directed play and learning. The theoretical foundation includes the eductional concepts of the Reggio Emilia approach and Montessori as well as main ideas of development promotion through psychomotricity. Further the article focuses on the selection of appropriate materials on the basis of, among other factors, observations of children’s behavioural patterns, as well as on designing play areas to support the ability of children to self-organise. Key words: interior design, psychomotor education, selforganisation, self-direction, nursery, kindergarten, learning areas [ 15 ] motorik, 44. Jg., 15-20, DOI 10.2378 / mot2021.art04d © Ernst Reinhardt Verlag 1 | 2021 [ FORUM PSYCHOMOTORIK ] Räume wirken Wie Bildungsräume im Kindergarten zum selbstorganisierten Spielen und Lernen einladen Nicola Böcker-Giannini Die meisten Räume, in denen wir uns aufhalten, sind für einen bestimmten Zweck konzipiert. So gibt es Verkaufsräume, in denen Kunden durch die Präsentation der Waren, durch Musik sowie durch spezielle Licht- und Farbeffekte zum Kauf angeregt werden sollen. Es gibt Speiseräume, in denen Tische und Stühle nicht fehlen dürfen und Menschen durch ein entsprechendes Ambiente zum Essen eingeladen werden. Alle Räume haben gemeinsam, dass sich ihre Bestimmung in der Gestaltung widerspiegelt. Auch Räume in Kitas sind für bestimmte Nutzungen vorgesehen. Auch sie laden Kinder und Fachkräfte ein, sich entsprechend ihrer Gestaltung zu verhalten. Wenn Kitaräume Bildungsräume sein sollen, macht es Sinn, sich genau zu überlegen, nach welchem (Raum-)Konzept in der Kita gearbeitet werden soll, welche Funktionen ein Raum haben kann, welches Material und welche Einrichtungsgegenstände das Spiel und damit das Lernen der Kinder anregen und nach welchen Prinzipien eine entsprechende Auswahl getroffen werden kann. Eine wichtige Rolle bei der Frage danach, welche Möglichkeiten Räume Kindern bieten, spielt die Haltung der pädagogischen Fachkräfte. Bringen sie ein Bild vom Kind mit, als ein sich selbst organisierender Organismus (Hüther 2016, 78ff ), ist damit das Wissen verbunden, dass Kinder kompetent, eigenaktiv und einzigartig sind. In der Reggio-Pädagogik, so wie bspw. auch in der Pädagogik Maria Montessoris (Montessori 2014, 9ff ) oder Elfride Hengstenbergs (Hengstenberg, 2008, 7ff ), spiegelt sich eine entsprechende Einstellung eben- [ 16 ] 1 | 2021 Forum Psychomotorik falls wider. Kinder werden in der Vorstellung der Reggianer als aktive Konstrukteure ihrer Entwicklung, ihres Wissens und Könnens (Lingenauber 2016, 18) betrachtet. Auch in der Psychomotorik findet sich ein entsprechendes Bild vom Kind, nämlich das der humanistischen Psychologie. Auf Grundlage dieses Menschenbildes beschreibt Peter Keßel Prinzipien psychomotorischer Entwicklungsförderung (2014). Basierend auf den Prinzipen »Echtheit und Wertschätzung« sowie »Dialog und Begleitung«, die die Beziehung zwischen Kind und Fachkraft im Fokus haben, beschreibt er dabei weitere Prinzipien, die auch unter dem Gesichtspunkt einer sinnvollen Raumgestaltung relevant sein können. In den Prinzipien der »Entwicklungs-«, »Erlebnis-«, »Kind-« und »Ressourcenorientierung« sowie im Prinzip der »Ganzheitlichkeit« spiegelt sich die Idee wider, dass Räume und Material so gestaltet und ausgewählt werden sollten, dass sie unterschiedlichen Bedarfen und Entwicklungsthemen der Kinder entsprechen, spannende und erlebnisreiche Erfahrungen ermöglichen sowie an den Stärken der Kinder ansetzen. Bezogen auf die Gestaltung von Kitaräumen, setzt dies voraus, dass entsprechendes Material in Kenntnis aller Entwicklungsbereiche sowie der Stärken und Schwächen aller Kinder ausgewählt und damit verschiedenste Lernanreize gesetzt werden. Das psychomotorische Prinzip der »Freiwilligkeit« findet sich in der Gestaltung der Räume in dem »Konzept der Offenen Arbeit« (Lill 2006 und 2015; Gruber / Siegel 2008), wie es im Folgenden noch beschrieben wird, wieder. Nur hier haben Kinder die Möglichkeit, frei zu entscheiden, welchen Raum bzw. welches Material sie nach ihren Vorstellungen nutzen möchten. Der Ansatz der Offenen Arbeit unterstützt auch das von Keßel benannte Prinzip der »Kommunikationsorientierung« (2014, 26). Nur dort, wo Kinder in offenen Angeboten selbstbestimmt agieren können, steht ihnen Raum für »selbstgesteuerte und authentische Kommunikation« zur Verfügung (Keßel 2014, 26). Die psychomotorischen Prinzipien der »Handlungsorientierung« und »Strukturierung« können für die Gestaltung der Räume als zentral gelten. Auf ihrer Grundlage lassen sich Handlungsempfehlungen zur Raumgestaltung ableiten, die zum Ziel haben, Räume in Kitas u. a. durch eine vorbereitete Umgebung so zu gestalten, dass sie Kindern in einer klaren Struktur die Möglichkeit bieten, ihre Welt selbsttätig und damit ohne Vorgabe von vorgefertigten Lösungswegen zu entdecken. Wie Räume wirken In der Reggio-Pädagogik wird der Raum neben den pädagogischen Fachkräften und den Kindern, die sich gegenseitig bilden, als »dritter Erzieher« beschrieben (Lingenauber 2016, 139). Angelika von der Beek nimmt diese Bezeichnung in ihrer Auseinandersetzung mit der Raumgestaltung auf und stellt fest, dass Räume auch »erste Erzieher« sein können, weil sie unabhängig von Fachkräften auch dann wirken, wenn diese nicht anwesend sind (von der Beek 2012, 12). Dies lässt sich in der Praxis in vielen Kitas beobachten. Sind Kitaräume mit Material und Möbeln vollgestopft, beschleicht Kinder schnell ein Gefühl von Unwohlsein. Es strömen viele unterschiedliche Reize auf sie ein und es ist unklar, was zuerst mit den vielen Dingen um sie herum geschehen soll. Die Räume wirken überfordernd. Sind Räume dagegen leer und kahl, fehlen auch hier sinnvolle Spielanregungen und das Gefühl kann ähnlich sein. Flure in Kitas sind oftmals Paradebeispiele für solche vermeintlichen »Antispielräume«. Sie sind u. a. auf Grund von Brandschutzvorgaben kaum gestaltet. Sinnvolles Spielmaterial fehlt und / oder die Wände dienen als riesige und unübersichtliche Informationstafeln. Auch diese Räume wirken und laden Kinder durch ihre Nichtgestaltung zum Spielen ein. Sie nutzen dabei die sich ihnen bietenden Anreize in Form der oft langen und schmalen Gänge, den Hall und den Freiraum zum lautstarken Rennen. Hier sind sie unbeobachtet und können sich ausprobieren. Soll sich das Spiel der Kinder ändern, so muss sich auch die Gestaltung der Räume ändern. Ganz im Sinne der von Keßel beschriebenen psychomotorischen Prinzipien der »Strukturierung« und »Handlungsorientierung« (2014, 26) sollten Strukturen geschaffen werden, die Kindern durch die Gestaltung der Räume Orientierung und Sicherheit bieten und es ihnen ermöglichen, selbsttätig zu sein. Ne- [ 17 ] Böcker-Giannini • Räume wirken 1 | 2021 [ 17 ] Böcker-Giannini • Räume wirken 1 | 2021 ben der Möglichkeit, die Wände übersichtlicher zu gestalten und, wenn möglich Bewegungsanreize zu schaffen, können sogenannte »Arbeitsteppiche«, wie sie MontessoripädagogInnen einsetzen, verwendet werden (Abb.- 1). Zusätzlich wird Kindern attraktives Spielmaterial, wie bspw. Kreisel, Magnete und Schrauben in Kisten, bereitgestellt. Der Teppich wird dabei zum Spielbereich, der optisch begrenzt ist. Arbeitet ein Kind mit dem Material auf einem Teppich, ist dies das Signal für andere Kinder, hier nicht zu stören. Ist das Spiel beendet, wird der Teppich samt Kiste wieder weggeräumt und der Flur kann für andere Tätigkeiten genutzt werden. Funktion der Räume Eine Übersicht über Räume, die Kindern in der Kita zur Verfügung stehen, findet sich bei Haug- Schnabel und Bensel (2015). Neben den hier erwähnten pädagogisch nutzbaren Räumen, wie Gruppenraum/ -nebenraum, Schlaf-, Ess- und Bewegungsraum, sind Funktionsräume oder Räume mit verschiedenen Schwerpunkten denkbar. In der Gestaltung ist dabei zunächst die Frage zu klären, wie in der Kita gearbeitet werden soll. Haben Kinder für ihr Spiel »nur« den Gruppenraum zur Verfügung, können sie sich ihre Spiel- und Lernanlässe kaum selbst suchen. Sie werden durch den engen Raum in ihrem Spiel, ihren Partizipationsmöglichkeiten und ihrer Kreativität begrenzt. Anders sieht es aus, wenn Kinder mehrere oder sämtliche Räume einer Einrichtung bspw. nach dem »Konzept der Offenen Arbeit« nutzen können. Die entsprechenden Räume laden Kinder dann u. a. gemäß den psychomotorischen Prinzipien der »Handlungsorientierung« und »Freiwilligkeit« (Keßel 2014, 25) durch ihre Gestaltung ein, sich ihr Spiel und die passenden SpielpartnerInnen eigenverantwortlich zu wählen und ihre Welt selbsttätig zu entdecken. Die Funktionen der Räume werden dabei durch die Bildungsbereiche, die sich aus den jeweiligen Bildungsplänen der Länder ergeben, weiter strukturiert. Hinweise dafür, wie Räume sinnvoll gestaltet werden sollten, bietet auch die Theorie der Schemata (Piaget 1979), die im Folgenden in Bezug zu ihrem Nutzen für die Raumgestaltung beschrieben wird. Schemata und ihre Bedeutung in der-Raumgestaltung Im Spiel der Kinder lassen sich rätselhafte Verhaltensmuster erkennen, die sich immer wiederholen. Es stellen sich z. B. folgende Fragen: Warum schütten Kinder Kisten aus? Warum überfluten sie Waschbecken? Oder warum wickeln sie Gegenstände in Papier ein? Eine Erklärung hierfür findet sich bei Piaget, der die beschriebenen kindlichen Verhaltensmuster als Schemata bezeichnet (1979), mit deren Hilfe Kinder ihre Welt entdecken können. Im kindlichen Spiel sind unterschiedliche Schemata, wie bspw. Einfüllen / Umfüllen, Teilen / Zerteilen, Zudecken / Verstecken, Anhäufen / Zerstreuen, Einwickeln, Transportieren, Sortieren, Verbinden, Schichten und Rotieren, zu beobachten (Edelmann 2008, 30ff ). Werden Schemata erkannt, so sollten Fachkräfte passende Materialien anbieten, die Kinder in ihren Handlungen unterstützen. Der zu Beginn des Artikels beschriebene leere Flur bietet diese Möglichkeiten ebenso wenig, wie Spielzeug, welches in seiner Funktion vordefiniert ist und keine Kreativität zulässt. Spielanreize bieten hingegen die einfa- Abb. 1: »Arbeitsteppich« als klar strukturierter Spielbereich [ 18 ] 1 | 2021 Forum Psychomotorik chen Dinge, wie Alltags-, Natur- und Wertlosmaterial, sowie Haushaltsgegenstände. Sie setzen am Entwicklungsstand sowie an den Stärken der Kinder an und erfüllen u. a. die Kriterien der psychomotorischen Prinzipien der »Entwicklungs-«, »Kind-«, »Ressourcen-« und Handlungsorientierung« (Keßel 2014). Eine Kiste voller Knöpfe lässt sich tragen, die Knöpfe können sortiert und aufgereiht, gestapelt, angehäuft und zerstreut werden. Sie dienen im Rollenspiel als Geldersatz oder werden im Topf rotierend zu Suppe verkocht. Die meisten dieser Materialien werden im Laufe der Zeit verspielt und müssen durch neue, andere und anregende Materialien ersetzt werden. Dies geschieht am sinnvollsten gemäß des psychomotorischen Basisprinzips »Dialog und Begleitung« im »kreativen Dialog« (Keßel 2014, 24) und auf Augenhöhe mit den Kindern. Das Spiel der Kinder geht dann in die nächste Runde, in der alte Verhaltensmuster in neuen Situationen und mit neuen Materialien erweitert werden können. Hat das Kind bspw. sein Schema »Sortieren« erfahren, indem es runde Knöpfe und kantige Steine nach Größe aufgereiht hat, hat es die unterschiedlichen Erfahrungen in dieses Schema aufgenommen (assimiliert). Bekommt das Kind in der Folge die Möglichkeit, Blätter nach deren Farbe zu sortieren, muss es sein Schema an das neue Material anpassen und damit erweitern (akkommodieren). Für die Gestaltung von Kitaräumen bedeutet Piagets Theorie zu Assimilation und Akkommodation (1995, 21ff ), dass Kinder anregendes Material und Möglichkeiten benötigen, um ihre Schemata in den verschiedensten Situationen auszuleben. Prinzipien einer sinnvollen Raumgestaltung Damit das Potential der Kitaräume als Bildungsräume genutzt werden und Spiel und Lernen gelingen können, sind auch die beiden im Folgenden beschriebenen Prinzipien für eine sinnvolle Raumgestaltung zu beachten. »Prinzip der Ordnung und Struktur« Da Räume, wie beschrieben, auch ohne Begleitung der Fachkräfte wirken, muss ihre Gestaltung gemäß dem psychomotorischen Prinzip der »Strukturierung« (Keßel 2014) eine eindeutige Ordnung und Struktur aufweisen, damit Kinder ihr Spiel selbst organisieren und sie im Spiel selbsttätig sein können. Neben klar definierten und reizminimierten Spielbereichen, die ihren inhaltlichen Schwerpunkt deutlich erkennen lassen, ist deshalb auch auf ein reduziertes Materialangebot sowie im Raum klar erkennbare Regeln, die auch ohne Ansagen der Fachkräfte funktionieren, zu achten. Grundsätzlich sollte nur ausgewähltes Material nach dem Motto »weniger ist mehr« zur Verfügung stehen. Ein zu großes Angebot verschiedenster Materialien kann dazu führen, dass Kinder von einem Angebot zum vermeintlich nächst besseren hasten und dabei die intensive, lustvolle Beschäftigung mit einem einzigen Material verloren geht. Der Grundsatz »weniger ist mehr« gilt insbesondere dann, wenn Kinder für ihr Spiel nur einzelne Gegenstände benötigen. Es reicht aus, ihnen fünf identische Scheren (zusätzlich dazu werden Scheren für LinkshänderInnen, Zickzackschere etc. benötigt) zur Verfügung zu stellen. Auch werden nicht mehr als fünf Bücher im Lesebereich benötigt. Sobald es jedoch darum geht, mit Material Schemata auszuprobieren und zu erweitern, benötigen Kinder sehr viel vom selben Material. Hier gilt dann der Abb. 2: Bauen braucht viele identische Bausteine / Baumaterialien. [ 19 ] Böcker-Giannini • Räume wirken 1 | 2021 [ 19 ] Böcker-Giannini • Räume wirken 1 | 2021 Grundsatz »weniger ist mehr, aber davon reichlich« (Abb.- 2). Denn schwer vorstellbar ist das Spiel mit nur zehn Bausteinen oder fünf Knöpfen. Sortieren, Stapeln und Zerstreuen wäre so nicht möglich-- ganz abgesehen vom Streit, der um die wenigen Materialien entbrennen würde. Um die Ordnung und Struktur im Raum zu vervollständigen, sollten Bildungsbereiche für Kinder und Fachkräfte klar erkennbar sein. Es ist deshalb sinnvoll, alles in einem Bereich zusammenzufassen, was zum jeweiligen Schwerpunkt passt. Baubereiche können bspw. je nach Bedürfnis der Kinder durch ein passendes Buch zum Thema, durch entsprechende Bilder an der Wand und durch Zusatzmaterial, wie Metermaß und Wasserwaage, ergänzt werden. Um die Ordnung und Struktur im Raum zu erhalten, ist außerdem ein System notwendig, welches es allen Kindern ermöglicht, das für ihr Spiel benötigte Material auf direktem Weg zu finden und nach dem Spielen wegzuräumen (Abb.- 3). Hierfür können bspw. Fotos oder Piktogramme von Gegenständen am Lagerort aufgeklebt werden. Auch ein Ampelsystem, welches durch die Farben (grün = für Kinder nutzbar, gelb = fragen, rot = nicht für Kinder nutzbar) anzeigt, welches Material bzw. welche Bereiche für Kinder nutzbar sind, unterstützt die Orientierung im Raum. Karteikarten mit je einem Bild von einem Kind können ebenfalls das Spielen und Aufräumen strukturieren. Wird eine Spielpause eingelegt, kann das betreffende Kind sein Foto neben das Spiel- oder Bauwerk legen und signalisiert damit: »Hier spiele ich weiter. Bitte stehen lassen.« Entsprechende zuverlässige Strukturen und Regeln geben den Kindern, wie auch im Prinzip der »Strukturierung« von Keßel beschrieben »Sicherheit und Orientierung« (Keßel 2014, 26). Sie sollten, wenn möglich gemeinsam mit den Kindern entwickelt werden. »Prinzip der vorbereiteten Umgebung« Das zweite Prinzip ist Maria Montessoris Ausführungen zur »vorbereiteten Umgebung« (Montessori 2014, 44ff ) entlehnt und findet sich auch in den psychomotorischen Prinzipien der »Strukturierung« und »Handlungsorientierung« (Keßel 2014, 26) wieder. Durch gestaltete Räume sollen anregende Lernbereiche geschaffen werden, die die Unabhängigkeit der Kinder fördern und es ihnen ermöglichen, sich frei zu entfalten. Dies setzt in der Vorstellung Montessoris voraus, dass das Material immer sauber und ordentlich gehalten wird und Kinder die Möglichkeit bekommen, auch mit Gegenständen zu hantieren, deren Gebrauch ihnen im realen Leben meist nicht gestattet ist (Montessori 2014, 45f ). So sind Gegenstände, wie beispielsweise Porzellanteller und -tassen, Töpfe und Pfannen im Pup- Abb. 3: Ordnungshilfen zum Wegräumen und Wiederfinden des Materials Abb. 4: Reale Gegenstände unterstützen Kinder im Spiel und bieten vielfältige Lernanreize. [ 20 ] 1 | 2021 Forum Psychomotorik penspielbereich oder Hammer, Säge und Nagel im Werkbereich für Kinder, besonders attraktiv. Mit ihnen können sie, ganz im Sinne des Spiels, die reale Welt entdecken, ohne ernsthafte Konsequenzen für ihr Handeln fürchten zu müssen (Abb.-4). Kinder lernen dabei, neben motorischem Geschick, auch wertschätzend mit Gegenständen umzugehen (Montessori 2014, 46). Die Umgebung bietet, wenn sie entsprechend dem Prinzip der vorbereiteten Umgebung gestaltet ist, den Rahmen, in dem Kinder sich und das Material um sie herum nach ihren Vorstellungen ausprobieren können. Aufgabe pädagogischer Fachkräfte ist es, immer wieder den Rahmen zu erhalten und die Gestaltung des Spielraumes an die Bedürfnisse der Kinder anzupassen. Fazit Räume wirken- - immer und überall. Sie entscheiden, neben der Haltung der Fachkraft, darüber, ob Kinder in ihnen selbsttätig sein und mit Begeisterung spielen und lernen können. Für jedes Kitateam und jeden Träger ist es deshalb unerlässlich, sich regelmäßig in Weiterbildungen und Beratungssettings mit dem Thema Raumgestaltung auseinanderzusetzen und dabei eine, für Kinder und ihre Bedürfnisse sinnvolle Gestaltung aller Bildungsräume in der Einrichtung anzustreben. Unter psychomotorischen Gesichtspunkten sind dabei die von Keßel beschriebenen Prinzipien psychomotorischer Entwicklungsförderung (2014) zu berücksichtigen. Anzustreben ist eine Ausstattung mit Material, welches in seiner Handhabung nicht vordefiniert ist und somit das Spiel der Kinder und ihre Kreativität anregt. Die Selbsttätigkeit der Kinder steht bei allen Raumgestaltungsfragen im Mittelpunkt der Überlegungen. Damit Räume als Bildungsräume wirken, müssen ArchitektInnen, PlanerInnen, Träger und Fachkräfte sie als Entdeckerräume konzipieren. Denn nur dort, wo Kinder ihre Räume und die Materialien mit Begeisterung selbsttätig entdecken können, kann Lernen gelingen. Literatur Edelmann, K. (2008): »Schemas«. Frühkindliche Verhaltensmuster als Ausgangspunkt sozialpädagogischen Handelns. Grin, Norderstedt Gruber, R., Siegel, B. (Hrsg.) (2008): Offene Arbeit in Kindergärten. Das Praxisbuch. verlag das netz, Weimar / Berlin Haug-Schnabel, G., Bensel, J. (2015): Raumgestaltung in der Kita. Praxis kompakt: Sonderheft »kindergarten heute«. Herder, Freiburg i. B. Hengstenberg, E. (2008): Entfaltungen. Bilder und Schilderungen aus meiner Arbeit mit Kindern. Arbor Verlag, Freiamt im Schwarzwald Hüther, G. (2016): Mit Freude lernen ein Leben lang. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, https: / / doi. org/ 10.13109/ 9783666701825 Keßel, P. (2014): Prinzipien psychomotorischer Entwicklungsförderung. Überlegungen für die fachschulische Erzieherausbildung. motorik 37 (1), 23- 27, https: / / doi.org/ 10.2378/ mot2014.art05d Lill, G. (2015): Offene Arbeit-- ein inklusives und partizipatives Konzept. In: https: / / www.erzieherin.de/ offene-arbeit-ein-inklusives-und-partizipativeskonzept.html, 24.08.2020 Lill, G. (2006): Einblicke in Offene Arbeit, Betrifft KIN- DER extra. verlag das netz, Weimar / Berlin Lingenauber, S. (2016): Handlexikon der Reggio-Pädagogik. Projekt Verlag, Bochum Montessori, M. (2014): Grundlagen meiner Pädagogik. Quelle & Meyer, Wiebelsheim Piaget, J. (1995): Intelligenz und Aktivität in der Entwicklung des Kindes. Suhrkamp, Frankfurt/ M. Piaget, J. (1979): Sprechen und Denken des Kindes. Cornelsen Schwann-Girardet, Berlin von der Beek, A. (2012): Raum als erster Erzieher. In: Haug-Schnabel, G., Wehrmann, I. (Hrsg.): Raum braucht das Kind. Anregende Lebenswelten für Krippe und Kindergarten. verlag das netz, Berlin / Weimar, 11-17 Die Autorin Dr. Nicola Böcker-Giannini Geschäftsführerin Giocando UG (haftungsbeschränkt), Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin Anschrift Giocando UG (haftungsbeschränkt) Luisenweg 12 D-13407 Berlin www.giocando.de boecker@giocando.de
