eJournals motorik 44/1

motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2021
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Praxistipp: Ein Praxisbeispiel für den spiel- und handlungsorientierten Unterricht

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2021
Christian Theis
Sie sind klein, gelb und ihrem fiesen Herrn treu ergeben: die Minions. Die Latzhosen tragenden Handlanger lockten Millionen in die Kinos. Die Abenteuer dieser Trickfiguren wurden zur Hintergrundgeschichte für ein psychomotorisches Projekt an einer Förderschule mit dem Schwerpunkt »Lernen«. Die Projektarbeit folgte dem Ansatz des »spiel- und handlungsorientierten Unterrichts« (Keller/Fritz 1995). Hier möchte ich zeigen, wie die praktische Umsetzung aussah.
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Praxistipp 1 | 2021 [ PRAXISTIPP ] [ 37 ] Die Minions-- Wir klauen die Krone der Queen Ein Praxisbeispiel für den spiel- und handlungsorientierten Unterricht Sie sind klein, gelb und ihrem fiesen Herrn treu ergeben: die Minions. Die Latzhosen tragenden Handlanger lockten Millionen in die Kinos. Die Abenteuer dieser Trickfiguren wurden zur Hintergrundgeschichte für ein psychomotorisches Projekt an einer Förderschule mit dem Schwerpunkt »Lernen«. Die Projektarbeit folgte dem Ansatz des »spiel- und handlungsorientierten Unterrichts« (Keller / Fritz 1995). Hier möchte ich zeigen, wie die praktische Umsetzung aussah. Phase I In dieser Phase wurden über einen Zeitraum von drei Wochen mehrere Materialien und Spiele eingeführt, um den Kindern zu zeigen, was mit dem Vorhandenen alles möglich ist (Ausgangsbedingungen, wichtig für Phase III). So wurde der Gymnastikraum, vor allem aber auch das Außengelände der Schule samt Spielplatz erkundet. Zum Einsatz kamen einmal die (wenigen) Sport- und Psychomotorik-Materialien des Gymnastikraumes: Langbänke, Matten, Teppichfliesen, Schwungtuch, Tau, Pylonen. Daneben führte ich Alltagsmaterialien ein (Köckenberger 2012): Die SchülerInnen sollten erfahren, dass es nicht nur »spezielle« Sportmaterialien braucht, um phantasievolle Spiele zu spielen. »Material-Zweckentfremdung« sollte damit veranschaulicht werden. Die Aufbauten wurden hier noch zum Großteil von der Lehrkraft aufgebaut und präsentiert. Allerdings stellte ich bereits vereinzelt induktive Aufgaben, um die Kreativität der Kinder anzuregen, z. B. »Womit könnten wir eine Höhle bauen? « Phase II Hier wurden die zuvor durchgeführten Spiele aufgegriffen und erweitert. Vor allem wurden sie in ein Spielthema eingebunden. Da Medienhelden, wie z. B. »Henry Danger« (ein junger Superheld einer TV-Serie), im Alltag der Kinder eine große Rolle spielten, mussten diese Figuren nun Abenteuer bestehen. Dazu wurden Aufbauten vorgegeben und die Handlung von mir erklärt. Beispiel: Henry Dangers Freundin wurde entführt. Um sie zu retten, muss dieser mit seinen Gehilfen einen Lava- See überqueren. Die Kinder mussten von »Insel zu Insel« (Zeitungen) hüpfen und eine schmale »Brücke« (Balancieren auf einem Tau) überqueren. Induktive Aufgaben (»Überlegt euch, wie ihr mit den Materialien dieses Raumes den Lava-See überqueren könnt! «) bahnten die Handlungsplanung an. Phase III Um ein Spielthema für die dritte Phase zu finden, erstellte ich ein Plakat, auf dem die Medienhelden abgebildet waren, von denen die Kinder oft erzählten. Ich ließ mir von ihnen erklären, was das für Figuren sind, welche Abenteuer sie bestehen. Danach erfolgte eine demokratische Abstimmung über das Spielthema. Die Kinder stimmten für die »Minions«. Im Film wurden die Minions beauftragt, die Krone der Queen aus dem Tower zu stehlen. A) Planungsphasen Die Planung für jedes Kapitel der Geschichte erfolgte im Klassenzimmer, wo ein PC mit Internet zur Verfügung stand. Wir recherchierten die Handlung des Films (Kinotrailer), wo England liegt, was der Tower ist und wer ihn bewacht. Zur Visualisierung der vorhandenen Materialien erstellte ich Bildkarten. Sie halfen bei der Frage, womit etwas dargestellt bzw. gebaut werden könne. Beispiel 1: Ein Handlungsziel lautete »Die Fahrt nach England«, denn die Minions (meine Klasse) mussten ja von hier aus nach England kommen. Den Kindern fielen sofort die Kettcars der Schule ein. Mit Pylonen sollte die Straße nach Calais abgesteckt werden. Für die Überquerung des Ärmelkanals erinnerten sich die Kinder an ein Spiel mit dem Schwungtuch (»Wellen machen, Meer durchqueren«) aus Phase I. Beispiel 2: Der »Einbruch in den Tower«. Einem Schüler war sofort klar, dass bei einem Einbruch eine Scheibe durchschlagen werden muss. Ich er- [ 38 ] 1 | 2021 Praxistipp klärte, dass wir keine Glasscheibe nehmen können. Stattdessen verwies ich auf die Bildkarten und sagte: »Mit einem dieser Dinge kann man eine Scheibe darstellen, die man leicht kaputt machen kann.« Nach einiger Hilfe griffen die Kinder schließlich zur Karte »Zeitung«. B) Durchführungsphasen Die praktische Umsetzung erfolgte nach jedem Planungstag im Gymnastikraum oder auf dem Schulhof. Auf dem Hof wurde die Straße gebaut und abgefahren (Abb.- 1). Im Gymnastikraum fand die Durchquerung des Meeres (Wellen mit dem Schwungtuch) statt. Der Kletterturm des Spielplatzes wurde zum »Tower«. Mit Zeitungspapier wurde ein Fenster abgeklebt, das durchbrochen werden musste (Abb.-2). Im Inneren lag die Geburtstagskrone der Klasse. Einzelne Kinder wollten spontan die Wachen spielen und warfen die Eindringlinge mit Bällen ab. Die »Scheibe« wurde mehrfach durchschlagen (alle wollten einmal Einbrecher spielen) und die im Tower versteckte Krone erbeutet. Der Sieg wurde nach Art der Minions mit einem »Bananasplit«-Eisbecher gefeiert und alle Kinder erhielten ein »Meisterdieb- Diplom«. Literatur Keller, R., Fritz, A. (1995): Auf leisen Sohlen durch den Unterricht. Ein Arbeitsbuch zum spiel- und handlungsorientierten Unterricht im 1. und 2. Grundschuljahr. Reihe Motorik, Band 15. Hofmann, Schorndorf Köckenberger, H. (2012): Bewegungsspiele mit Alltagsmaterial. Für Sportunterricht, psychomotorische-Förderung, Bewegungs- und Wahrnehmungstherapie. 6. Aufl. borgmann, Dortmund DOI 10.2378 / mot2021.art07d Abb. 2: Der »Tower« bekommt eine Fensterscheibe. (Foto: Jan Paul Theis) Kontakt Christian Theis christian.86@web.de Abb.1: Die Straße nach Calais wird abgesteckt.