motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mot2021.art18d
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Rezensionen
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Uschi Germer
Sexueller Missbrauch steht in der Arbeit mit Kindern meist nicht im Fokus. Gleichwohl kann es für ein Kind entscheidend sein, dass Fachkräfte verschiedener Professionen erkennen, wenn ein Kind in Not ist. Das vorliegende Buch nimmt uns mit in die Welt von zwei betroffenen Mädchen und vermittelt, in eine spannende Geschichte verpackt, gezielt Informationen für Kinder sowie Erwachsene. Es thematisiert die komplexen Emotionen, die bei sexuellem Missbrauch entstehen, wie sich Kinder wehren und Erwachsene helfen können. Die Autorin beschreibt einfühlsam, wie sich sexualisierte Gewalt in das Leben der Freundinnen schleicht, welche ambivalenten Gefühle es in ihnen auslöst und wie sich schließlich ein Ausweg findet und für die Mädchen eine Zukunft ohne Missbrauch möglich ist.
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[ 92 ] 2 | 2021 Medien & Materialien Kampschroer, Anna: Emma schafft es! Schluss mit sexuellem Missbrauch! Ernst Reinhardt, München / Basel, 2020, 103 Seiten, € 19,90 (D) Sexueller Missbrauch steht in der Arbeit mit Kindern meist nicht im Fokus. Gleichwohl kann es für ein Kind entscheidend sein, dass Fachkräfte verschiedener Professionen erkennen, wenn ein Kind in Not ist. Das vorliegende Buch nimmt uns mit in die Welt von zwei betroffenen Mädchen und vermittelt, in eine spannende Geschichte verpackt, gezielt Informationen für Kinder sowie Erwachsene. Es thematisiert die komplexen Emotionen, die bei sexuellem Missbrauch entstehen, wie sich Kinder wehren und Erwachsene helfen können. Die Autorin beschreibt einfühlsam, wie sich sexualisierte Gewalt in das Leben der Freundinnen schleicht, welche ambivalenten Gefühle es in ihnen auslöst und wie sich schließlich ein Ausweg findet und für die Mädchen eine Zukunft ohne Missbrauch möglich ist. Erzählt wird aus der Sicht der Mädchen, in altersgerechtem Ton für Kinder im Alter von 8 bis 13 Jahren. Es gelingt der Autorin, die widerstreitenden Gefühle zu formulieren und gleichzeitig die Handlung voranzutreiben, sodass das Buch sich spannend liest. Es geht um ein belastendes, schwieriges Thema, für betroffene Kinder und für Erwachsene, die im Arbeitsumfeld einen Verdacht haben und nicht wissen, wie sie handeln könnten. Kampschroer schafft es, in den Spannungsbogen der sich aufbauenden Geschichte, mit Gefühlen von Ohnmacht und Angst bis hin zu Verzweiflung und Mut viele Themen zu integrieren, die Kinder und Jugendliche generell bewegen. Es geht um Freundschaft und Vertrauen, um Geheimnisse, die geteilt oder nicht geteilt werden dürfen. Es geht um Vertrauen zu Erwachsenen und es geht darum, wo Loyalität angebracht ist. Gerade diese Loyalität zu nahestehenden Erwachsenen und sexueller Missbrauch innerhalb von Familie und Freunden bringt Kinder in starke Gefühlskonflikte-- und das wird verständlich herausgearbeitet. Das gute Ende, schon im Titel vorweggenommen, hilft das Buch in die Hand nehmen zu wollen und die Handlungsaufforderung, Hilfe anzunehmen, vorzubereiten. Träume und Dissoziationen sind Reaktionen auf traumatische Erlebnisse und sie stellen in Situationen der Ohnmacht eine hilfreiche Lösungsstrategie dar, um diese ertragen zu können. Emma, eine der Hauptpersonen des Buches, merkt bald, dass sie dieses Wegträumen daran hindert, ihre Ohnmacht selbst zu beenden und aktiv zu werden. Das Ende des Buches ist zügig geschrieben, das mag realen Situationen nicht ganz gerecht werden, kann aber an dieser Stelle Mut machen zu handeln. Warum ist dieses Buch auch für PsychomotorikerInnen relevant? Sexualisierte Gewalt zieht sich durch unsere Gesellschaft und es wird immer wichtiger, in jeder Arbeit mit Kindern Warnsignale zu erkennen. Das Buch greift Themen auf, die uns in der Psychomotorik vertraut und wichtig sind. Das Konzept des Safe Place- - den die Mädchen auf verschiedene Weise für sich gestalten- - wird indirekt thematisiert. Körperliche Sinneserfahrung wie Sich-Spüren-Wollen ist für Emmas Freundin bei sportlichen Aktivitäten im Schwimmbad ein Antrieb für intensive Bewegung. Freiwilligkeit als psychomotorisches Prinzip wird ebenso thematisiert wie das Recht, Grenzen aufzuzeigen. »Respektvoller Umgang bedeutet auch, niemals dem Jungen / Mädchen Berührungen aufzuzwingen, die dessen Grenzen verletzen (…)«, schreibt die Autorin im Begleitmaterial. Gleichzeitig geht es darum, Kindern nicht Erfahrungen von Berührung und Nähe zu nehmen. Respektvolles Verhalten in diesem Spannungsfeld spielt in der psychomotorischen Arbeit in vielen Handlungsfeldern eine wichtige Rolle. Das Buch wird von ausführlichem Online Material zum Einsatz in verschiedenen Handlungsfeldern begleitet. Dabei stehen praxisorientierte Einsatzmöglichkeiten im Vordergrund. Absicht der Autorin ist es, die innere Not der betroffenen Kinder zu verdeutlichen und sie leistet hiermit einen wertvollen Beitrag zur Sensibilisierung für ein Thema, bei dem noch viele Unsicherheiten bestehen. Uschi Germer DOI 10.2378 / mot2021.art18d
