Motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2022
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Achtsamkeit mit Kindern
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2022
Elke Opper
Nina Holz
In diesem Beitrag werden das Konzept und die Erprobung eines achtsamkeitsbasierten Praxisprojektes in der Grundschule vorgestellt. Über 3 Wochen haben 18 SchülerInnen einer Karlsruher Grundschule zweimal wöchentlich miteinander geübt und Basiselemente der Achtsamkeit kennengelernt. Das subjektive Wohlbefinden der Kinder hat zugenommen und dazu haben insbesondere die bewegten Übungen beigetragen. Das Projekt wurde während der Corona-Pandemie unter den vorgegebenen Hygienemaßnahmen absolviert.
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Zusammenfassung / Abstract In diesem Beitrag werden das Konzept und die Erprobung eines achtsamkeitsbasierten Praxisprojektes in der Grundschule vorgestellt. Über 3 Wochen haben 18 SchülerInnen einer Karlsruher Grundschule zweimal wöchentlich miteinander geübt und Basiselemente der Achtsamkeit kennengelernt. Das subjektive Wohlbefinden der Kinder hat zugenommen und dazu haben insbesondere die bewegten Übungen beigetragen. Das Projekt wurde während der Corona-Pandemie unter den vorgegebenen Hygienemaßnahmen absolviert. Schlüsselbegriffe: Achtsamkeit, Praxisprojekt, Wohlbefinden, Kinder, Grundschule Mindfulness with children-- mindfulness-based practice project in elementary school This article presents the concept and the evaluation of a mindfulnessbased practice project in elementary school. Over a period of 3 weeks, 18 students of a elementary school from Karlsruhe practiced with each other twice a week and got to know basic elements of mindfulness. The children's well-being increased and especially the moving exercises contributed to an improved concentration performance.The practice project was completed during the Corona pandemic under the specified hygiene measures. Keywords: Mindfulness, practice project, children, elementary school, well-being [ 22 ] 1 | 2022 motorik, 45. Jg., 22-32, DOI 10.2378 / mot2022.art05d © Ernst Reinhardt Verlag [ FORUM PSYCHOMOTORIK ] Achtsamkeit mit Kindern Achtsamkeitsbasiertes Praxisprojekt in der Grundschule Elke Opper, Nina Holz zeiten und Privatsphäre führen kann. Verstärkt wurde und wird diese Situation noch durch die Corona-Pandemie und einen durch Lockdown und Homeschooling begründeten weiteren Anstieg der Bildschirmzeiten von Kindern und Jugendlichen weltweit. So zeigen z. B. die Ergebnisse der Motorik-Modul-Studie einen deutlichen Zuwachs der durchschnittlich genutzten Zeit digitaler Medien für Freizeitaktivitäten: Vor der Pandemie verbrachten 4-17-Jährige 131 Minuten pro Tag mit Mediennutzung, im ersten Lockdown täglich 191 Minuten und im zweiten Lockdown erhöht sich dies auf 228 Minuten pro Tag (Opper / Worth / Woll 2021, 392). Diese veränderte mediale Kindheit stellt die gesamte Gesellschaft vor große Herausforderungen. Als Folge werden beispielsweise eine mangelnde Konzentrationsfähigkeit, innere Unruhe und Kommunikationsstress durch soziale Medien beobachtet (Diagnose.Media 2019, 86). Im Bereich des Wohlbefindens zeigte beispielsweise die PISA-Studie von 2015, dass 15-jährige Schüler und Schülerinnen in Deutschland mehrheitlich nicht zufrieden sind, beim Lernen unter Druck stehen oder sogar Angst haben (OECD 2017, 85/ 87). Dieses Phänomen, dass Schule zunehmend Stress und Leistungsdruck auslöst, konnten Beisenkamp et al. (2012, 145) auch bei Grundschulkindern nachweisen: die Ergebnisse der Elefanten-Kindergesundheits- Angesichts einer rasanten Beschleunigung des Lebenstempos verbunden mit einer permanenten digitalen Erreichbarkeit, ist die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen von dauerhaft verfügbaren Außenreizen und Ablenkungen gekennzeichnet, was zu einer Erosion von Ruhe- [ 23 ] Opper, Holz • Achtsamkeit mit Kindern 1 | 2022 studie zeigen u. a., dass sich SchülerInnen der 2. und 3. Klasse gestresst fühlen: 26 % der befragten GrundschülerInnen (N=4691) sind häufig von der Schule gestresst, 22 % empfinden manchmal Stress. Um Schule aber als einen positiv besetzten Lebensraum mit Entfaltungsmöglichkeiten im Sinne der Persönlichkeitsentwicklung zu erleben, ist neben der Vermittlung von Fachwissen auch das Berücksichtigen personenzentrierter Bedürfnisse aller Beteiligten sowie das Vorleben und Lehren erfahrungsbezogener Lebenskompetenzen und Werte wünschenswert. In diesem Kontext gewinnt das Thema Achtsamkeit seit einiger Zeit vielfältig Eingang in pädagogische Diskurse und Anwendungsfelder. Dabei geht es zum einen um die Förderung einer stressreduzierenden Haltung für SchülerInnen. Zum anderen wird Achtsamkeit in diesem Kontext als Mittel zur Prävention und Intervention für die dargestellten aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen betrachtet, welche Kinder dazu befähigt, sich in dieser neuen Realität wohlzufühlen. Bei einem Blick in den aktuellen Bildungsplan von Baden-Württemberg für die Grundschule wird der Begriff Achtsamkeit bislang zwar nicht explizit erwähnt, Inhalte und Kompetenzen eines achtsamkeitsbasierten Trainings sind jedoch im Fach Sport, Spiel und Bewegung bezogen auf die Körperwahrnehmung integriert (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport 2016, 12/ 28). In dem hier vorgestellten Praxisprojekt »Achtsamkeit mit Kindern« wurde ein achtsamkeitsbasiertes Übungsprogramm entwickelt und an einer Grundschule erprobt. Dabei wurde der Frage nachgegangen, wie sich Achtsamkeitsübungen in der Grundschule umsetzen lassen und wie sie das Wohlbefinden der Kinder beeinflussen. Dafür erhielt eine vierte Klasse einer Karlsruher Grundschule die Möglichkeit freiwillig an einem dreiwöchigen Übungsprogramm teilzunehmen. Achtsamkeit und Wohlbefinden Achtsamkeit kann als eine dem Menschen innewohnende und erlernbare Fähigkeit oder auch als Geisteszustand betrachtet werden, der sich durch ein Wahrnehmen und Annehmen der unmittelbaren Erfahrung auszeichnet (Jennings 2017, 34). Nach Kabat-Zinn (2015, 20) bedeutet Achtsamkeit, auf eine bestimmte Weise aufmerksam und bewusst im gegenwärtigen Moment zu sein ohne zu urteilen. Es ist ein trainierbarer Bewusstseinszustand, der darauf abzielt, was gerade in jenem Augenblick passiert. Altner (2012, 9) beschreibt Achtsamkeit als eine Haltung, »die ermöglicht und zulässt, dass wir in diesem Sinne glücklich sind« und uns wohlfühlen. Der Ursprung des Konzepts des Wohlbefindens lässt sich auf antike Theorien griechischer Philosophen wie Aristoteles zurückführen, die bereits über das menschliche Wohlbefinden reflektierten und dieses als essenziellen Faktor für ein sinnvolles Leben thematisierten. Erst in den 1960er Jahren etablierte sich eine eigenständige Wohlbefindensforschung, die sich stetig weiterentwickelt und ausdifferenziert (Rathmann & Hurrelmann 2018, 68). Aus heutiger Perspektive lässt sich festhalten, dass Wohlbefinden allgemein als individueller oder kollektiver Zustand oder Prozess betrachtet wird, sich selbst, andere und entsprechende Lebensumstände als positiv zu erleben (BZgA 2018). Im Kontext der Bildungsforschung wird Wohlbefinden in Zusammenhang mit Lernen betrachtet, wohingegen in der neuro-kognitiven Forschung insbesondere der Zusammenhang zwischen positiven Emotionen und Lernerfahrungen untersucht wird. Wohlbefinden wird dabei als Vorbedingung für erfolgreiches Lernen interpretiert, das die Wahrnehmung und den Informationsabruf unterstützt (Rathmann & Hurrelmann 2018, 68). Studien zur Achtsamkeit In Deutschland ist das wissenschaftliche und öffentliche Interesse an der Thematik Achtsamkeit in den vergangenen 15 Jahren deutlich angestiegen, was sich in zunehmenden Studien und Publikationen zur Thematik widerspiegelt, aber auch in der Anerkennung und dem Angebot von Achtsamkeitskursen. Für Erwachsene liegen inzwischen verschiedene Konzepte und Studien zur [ 24 ] 1 | 2022 Forum Psychomotorik Achtsamkeit vor (u. a. Valk et al. 2017). In einer groß angelegten Studie des Max-Planck-Institutes für Kognitions- und Neurowissenschaften mit 332 gesunden erwachsenen Personen zwischen 20 und 50 Jahren haben Valk et al. (2017, 1-7) belegt, dass regelmäßige Achtsamkeitsübungen (z. B. Atemmeditation, Körperscan) helfen, Stress zu reduzieren und zugleich Gehirnareale zu stärken, die für Mitgefühl zuständig sind. Bei Kindern und Jugendlichen ist die Erforschung von Achtsamkeit in klinischen sowie nicht-klinischen Kontexten wie beispielsweise der Schule jedoch noch defizitär (Luong et al. 2018, 17). Hier liegen vereinzelt Studien vor, z. B. haben Janssen, Seidl & Richter (2019, 61) stille und bewegungsbezogene Achtsamkeitsmethoden im Zusammenhang mit exekutiven Funktionen untersucht. Sie haben beobachtet, dass Kinder bis 13 Jahre durch ein Achtsamkeitstraining im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ihre Aufmerksamkeit, Inhibitionsleistung, kognitive Fähigkeiten und ihr Arbeitsgedächtnis verbesserten. Auch weitere Studien zur Achtsamkeit mit Kindern und Jugendlichen zeigen positive Effekte. Achtsamkeitsbasierte Interventionen: ■ verbessern die soziale Kompetenz und die sozial-emotionale Entwicklung (Flook et al. 2015, 44) ■ mildern physiologische, psychosomatische und behaviorale Probleme (Black/ Milam / Sussman 2009) ■ dienen der Prävention von psychischen Beeinträchtigungen und Störungen (Zoogman et al. 2014, 12) ■ verbessern die Aufmerksamkeitssteuerung, die Impulskontrolle und das Arbeitsgedächtnis (Schmidt 2014, 399) ■ wirken positiv »auf die Struktur des Gehirns, das Immunsystem, die Emotionen, selbst auf die Gesundheit unserer Gene« (Tang et al. 2015; zitiert nach Rechtschaffen 2018, 13) ■ verbessern die Stimmung, fördern kognitive Fähigkeiten, wie Konzentration, Wahrnehmung, Gefühlsregulation, rationale Entscheidungen und Kreativität (Altner 2019, 17; 2020, 6) ■ verbessern die emotionale Ausgeglichenheit; zudem sind Lernende aufmerksamer und eine Verbesserung der Schulnoten ist erkennbar (Rechtschaffen 2018, 12) ■ verbessern bei SchülerInnen kognitive Leistungsmaße, das Stresserleben und die Resilienz (Zenner et al. 2014, 17). In den dargestellten Einzel-Studien zeigen sich zwar positive Wirkungen, die Effektstärken sind jedoch zumeist nur mäßig. Auch im Hinblick auf die Evidenz gibt es Einschränkungen, da z. B. bei der Stichprobenauswahl keine Randomisierung beachtet und auch keine Kontrollgruppen untersucht wurden, sodass hier zukünftig weitere vertiefende Studien notwendig sind. Ein Anliegen dieses Praxisprojektes war es, zunächst ein achtsamkeitsbasiertes Übungsprogramm für die Grundschule zu entwickeln und zu erproben, um dieses anschließend für den Einsatz in der Grundschule zu optimieren und daran vertiefende Studien anzuschließen. Konzept des Praxisprojektes »Achtsamkeit in der Grundschule« Fragestellung und Methoden Zur Erforschung des Themas »Achtsamkeit im schulischen Kontext« verfolgt das Praxisprojekt zwei Zielsetzungen. Zum einen geht es darum, herauszufinden, wie sich Achtsamkeitsübungen in der Grundschule umsetzen lassen. Dazu wurde zunächst ein Übungsprogramm zum Erlernen und Erleben von Achtsamkeit für Kinder in der Grundschule konzipiert (detaillierte Beschreibung siehe S. 25-28). Dabei sollen die Kinder lernen, ihre Aufmerksamkeit bewusst auf den Augenblick zu lenken und eine offene selbstzugewandte Haltung einzunehmen. Nach der Umsetzung des dreiwöchigen Übungspro- Studien zur Achtsamkeit mit Kindern zeigen positive Effekte. [ 25 ] Opper • Achtsamkeit mit Kindern 1 | 2022 [ 25 ] Opper, Holz • Achtsamkeit mit Kindern 1 | 2022 gramms wurde dieses von den SchülerInnen reflektiert. Zum anderen werden aus Sicht der SchülerInnen die Auswirkungen des Übungsprogramms auf ihr subjektives Wohlbefinden untersucht. Daraus ergeben sich folgende Fragestellungen: 1. Wie lassen sich Achtsamkeitsübungen in der Grundschule umsetzen? 2. Welche Auswirkung haben die Achtsamkeitsübungen auf das Wohlbefinden der Schüler und Schülerinnen? Zur Beantwortung der Fragen wurde eine qualitative Herangehensweise in Anlehnung an Bortz & Döring (2009) gewählt. Mit dieser Art der Datenerhebung wird gearbeitet, um wenig Bekanntes, wie beispielsweise die Achtsamkeit im Kontext der Grundschule, zu erforschen. Dabei wurde die Gruppenbefragung Einzelinterviews vorgezogen, da sich diese für Kinder im Grundschulalter sehr gut eignet (Vogl 2015, 66). Das Gruppeninterview bietet die Gelegenheit, realistische und relevante Informationen zu erhalten, denn es steht nicht ausschließlich die Diskussion, sondern auch das Erzählen, Erinnern und gegenseitige Ergänzen im Fokus (Bortz / Döring 2009, 319). Das Gruppeninterview wird teilstandardisiert und als Leitfadeninterview durchgeführt. Zur Untersuchung von Umsetzungsaspekten des Übungsprogramms werden Fragen zum Raum und zum Umgang mit Lärm / Störungen gestellt. Des Weiteren beinhaltet das Leitfadeninterview Fragen zum subjektiven Wohlbefinden der SchülerInnen, die sich am »Strukturmodell des allgemeinen Wohlbefindens« und an den »Items der Skalen des Fragebogens zum allgemeinen Wohlbefinden« (Wydra 2014, 14) orientieren sowie Aspekte des psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens erfassen. Der Interviewleitfaden umfasst jeweils offene Haupt- und Differenzierungsfragen. Er beginnt mit der Begrüßung bzw. einem Warm-up und endet mit der Abschlussphase, in der die SchülerInnen Fragen an die Übungsleiterin stellen können. Das Gruppeninterview wurde als Audio aufgenommen und anschließend vollständig transkribiert. Stichprobe Bei den ProbandInnen handelt es sich um eine vierte Klasse einer Karlsruher Grundschule, die von 18 Kindern, jeweils neun Jungen und neun Mädchen im Alter von 9 bis 12 Jahren besucht wird. Die Mehrheit (N=17) der SchülerInnen der Klasse haben einen Migrationshintergrund und sie kommen hauptsächlich aus bildungsarmen und sozial benachteiligten Familien. Ablauf und Rahmenbedingungen Das Achtsamkeits-Praxisprojekt wurde im Zeitraum von drei Wochen an je zwei Tagen pro Woche umgesetzt. Die SchülerInnen haben immer zur gleichen Uhrzeit jeweils 45 Minuten lang im Klassensaal geübt. Dabei erfordert die Umsetzung der Übungen gewisse Rahmenbedingungen. Wichtig ist das Treffen bestimmter Vereinbarungen mit den Teilnehmenden, die nach Bedarf angepasst werden können. Für den Gruppenprozess stellt es sich als hilfreich heraus, die Regeln von den SchülerInnen selbst aufstellen zu lassen. Während des Achtsamkeitsunterrichts sollte die Lehrperson permanent Präsenz ausstrahlen und sich ihrer Sprache und Stimme bewusst sein. Statt starren Anweisungen wird den Kindern jederzeit Freiwilligkeit zur Teilnahme vermittelt (Rechtschaffen 2018, 71). Bedeutung der Lehrperson Achtsamkeit wird gelehrt, indem man selbst achtsam ist. Hilfreich ist es, durch Authentizität und Mitgefühl zum Vorbild für Achtsamkeit zu werden, statt vergeblich zu versuchen, diese aufzudrängen. Die Vorerfahrung und eigene Achtsamkeitspraxis der Lehrperson ist von besonders großer Bedeutung. Eine offene Haltung der Lehrperson hilft den SchülerInnen wertfrei mit den eigenen Bedürfnissen umzugehen und sich auf die Übungen einzulassen (Rechtschaffen 2018, 60). Achtsamkeitsbasiertes Übungsprogramm Die allgemeine Themenwahl, der Aufbau des Übungsprogramms und der Stunden sowie die einzelnen Übungen wurden in Anlehnung an Kaltwasser (2016), Rechtschaffen (2018), Jensen (2017) und Geisler & Muttenhammer (2016) kon- [ 26 ] 1 | 2022 Forum Psychomotorik zipiert. Somit basiert das Achtsamkeits-Übungsprogramm auf vier verschiedenen bereits erprobten Ansätzen, die für die Umsetzung in der Grundschule für das vorliegende Projekt modifiziert wurden. Stunde 1 Der Fokus der ersten Stunde des Übungsprogramms liegt auf der Einführung von Achtsamkeit und auf der bewussten Atmung. Dabei werden Ideen und Vorerfahrungen der SchülerInnen über Achtsamkeit gesammelt, ohne sie weiter zu kommentieren. Dadurch soll verhindert werden, dass die Übenden ihre Erfahrungen anhand vorgeschriebener Definitionen kategorisieren und bewerten. Das achtsame Atmen ist eine der wichtigsten und grundlegendsten Übungen in der Achtsamkeitspraxis und wird daher zu Beginn des Übungsprogramms eingeführt und als Einstieg in den darauffolgenden Stunden angewendet (Kaltwasser 2016, 109). Foto 1: Herzatmung (Alle Fotos: Nina Holz) Stunde 2 Das Thema der zweiten Stunde ist die Körperwahrnehmung. Achtsamkeitsbasierte Lektionen, die ein Körperbewusstsein entwickeln, stellen nach Rechtschaffen (2016, 190) die Grundlage zur Arbeit mit Achtsamkeit dar. Körperwahrnehmung steht in enger Verbindung mit Achtsamkeit, da hierbei vor allem das In-Sich-Hinein-Spüren ein zentraler Aspekt ist. In dieser Stunde lernen die SchülerInnen zur bewussten Körperwahrnehmung verschiedene Übungen (vgl. Tab. 1) kennen, die regulierend und entspannend wirken können (Rechtschaffen 2018, 135). Foto 2: Körperwahrnehmung Stunde 3 Im Zentrum der dritten Stunde stehen achtsamkeitsbasierte Sinneserfahrungen. Hierzu gehört Stunde 1 Einführung & Bewusster Atem ■ Herzatmung ■ 5⁄7 Atmung ■ Bewusster Atem ■ Klangstopp Stunde 2 Körperwahrnehmung ■ Schüttel dich! ■ Abklopfen ■ Body-Scan (Körperreise) ■ Bewusste Berührung ■ Tafelrücken Stunde 3 Achtsamkeitsbasierte Sinneserfahrungen ■ Achtsames Sehen ■ Achtsames Hören ■ Achtsames Schmecken ■ Achtsames Riechen ■ Achtsames Fühlen Stunde 4 Achtsamkeit der Gedanken & Gefühle ■ Die blaue Tasse ■ Wolken am Himmel Stunde 5 Selbstwahrnehmung & Selbstmitgefühl ■ Du bist einzigartig! ■ Der magische Rückzugsort ■ Applaustunnel Stunde 6 Verbundenheit mit Anderen ■ Metta-Meditation ■ Komplimente & Wünsche verschenken ■ Energiekreis ■ Magisches Zählen Tabelle 1: Themen und Übungen der einzelnen Stunden des Achtsamkeits-Übungsprogramms [ 27 ] Opper • Achtsamkeit mit Kindern 1 | 2022 [ 27 ] Opper, Holz • Achtsamkeit mit Kindern 1 | 2022 das Achtsame Sehen, Achtsames Riechen, Achtsames Hören und Achtsames Schmecken. Im Alter von etwa sechs bis zwölf Jahren wird Achtsamkeit vorwiegend über die Sinne erfahren (Geisler / Muttenhammer 2016, 55). Die Übungen in Form von Stationenarbeit können die Kinder dabei unterstützen, ihre Sinne zu schärfen und ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren (Rechtschaffen 2016, 210). Das Ausprobieren dieser Übungen, die verschiedene Sinne ansprechen, kann für die Kinder ein Anstoß sein, die eigene Wahrnehmung zu pflegen und alltägliche Gegenstände und Geräusche bewusster zu erleben. Stunde 4 Der Schwerpunkt der vierten Achtsamkeitsstunde liegt auf der geistigen und emotionalen Kompetenz, also den Gedanken und Gefühlen. Die Übungen zu diesem Thema sollen den SchülerInnen helfen, mit Ablenkung umzugehen und ihre Gedankenmuster wahrzunehmen. Schon »das Beobachten von Gedanken ist eine Grundvoraussetzung für Impulskontrolle, emotionale Regulation und das Erkennen von einschränkenden Glaubenssätzen und Vermutungen. […] Durch Körperbewusstseins- und Fokusübungen können sie verstehen, wie ihre Emotionen sie beeinflussen und wie sie konstruktiv reagieren können« (Rechtschaffen 2018, 128). Da eine Schulstunde nicht ausreicht, um diese Kompetenzen aufzubauen, soll diese Einheit als Heranführung verstanden werden, bei der die Kinder erste Übungen kennenlernen. Dennoch sollte die Auseinandersetzung mit diesen Inhalten langfristig angestrebt werden, denn die Fähigkeit, eigene Gedanken und Gefühle wahrzunehmen, sowie negative Gedankenspiralen anzuhalten, kann für Kinder und Jugendliche eine wesentliche Hilfe zur Selbsthilfe sein (Kaltwasser 2016, 162). Stunde 5 Die Selbstwahrnehmung sowie das Selbstmitgefühl bilden den Schwerpunkt der fünften Stunde des Übungsprogramms. Ein Ziel der Stunde ist es, innere Vorstellungen zu entwickeln, die das Befinden der Kinder positiv beeinflussen und ihnen langfristig zur Verfügung stehen. Ein weiterer Aspekt der Stunde bildet die Konzentration auf die Einzigartigkeit und Selbstakzeptanz bzw. -mitgefühl jedes einzelnen Kindes. In Auseinandersetzung mit persönlichen Eigenschaften und der Gegenüberstellung mit den Eigenschaften der anderen Kinder nehmen die SchülerInnen ihre Einzigartigkeit wahr und können über ein imaginatives Verfahren Selbstakzeptanz bzw. Selbstmitgefühl fördern. Foto 4: Applaustunnel zur Stärkung der Selbstakzeptanz Stunde 6 Zum Abschluss des Übungsprogramms wird das Thema »Verbundenheit mit Anderen« vermittelt. Dabei wird die Haltung der Offenheit, des Ver- Foto 3: Achtsamkeitsbasierte Sinneswahrnehmung [ 28 ] 1 | 2022 Forum Psychomotorik trauens und der inneren Sicherheit gefördert. In dieser Stunde lernen die SchülerInnen die »Metta-Meditation« kennen, die auch Meditation der liebenden Güte genannt wird. Diese Art der Meditation soll dabei helfen, eine liebevolle und freundliche Haltung sich selbst und allen Lebewesen gegenüber einzunehmen (Kaltwasser 2016, 204). Stundenaufbau Tabelle 2 zeigt einen Überblick über die Struktur der Stunden der Achtsamkeitsintervention, die in allen sechs Einheiten so eingehalten wurde. Zu Beginn der Intervention starten die Kinder mit einem ersten achtsamen Moment. Dazu wird als Ritual für den Stundeneinstieg die »Herzatmung« eingeführt (Rechtschaffen 2016, 184). Bei dieser Übung werden Bewegung und Atem zusammengeführt, sodass beim natürlichen Verbinden der einzelnen Aspekte bei kontinuierlicher Übung die Vorstellung von Leichtigkeit evoziert und dem Körper das Signal der Beruhigung und des Wohlgefühls vermittelt wird (Kaltwasser 2016, 145). Daraufhin folgt eine Einführung in das Stundenthema, die in ihrer Umsetzung variabel ist. Die Einführung soll den Kindern ermöglichen, sich auf die kommende Einheit einzustellen. Danach folgt eine praktische Übung, die abhängig vom Thema der Stunde variiert. An dieser Stelle werden die Kinder auf eine Erkundungsreise eingeladen und in die verschiedenen Achtsamkeitskompetenzen eingeführt. Für die Lehrkraft und die Kinder ist es hilfreich darüber zu sprechen, wie sie die Übungen erlebt haben. Daher findet eine gemeinsame Reflexion statt, in der die unmittelbaren Erfahrungen mitgeteilt und ausgetauscht werden können (Rechtschaffen 2016, 185). Da für jedes Thema nur eine Schulstunde während des Projektes vorerst genutzt wird, lernen die Kinder innerhalb dieser Stunde mehrere Übungen kennen, um ganz persönliche, bestärkende Erfahrungen in den einzelnen Bereichen der Achtsamkeit zu ermöglichen und die für sie passende Übung oder Übungen im Alltag integrieren zu können. Während der drei Wochen, in denen das Übungsprogramm durchgeführt wird, führt jedes Kind ein Achtsamkeitstagebuch. Rechtschaffen (2018, 121) empfiehlt, den Kindern so die Möglichkeit zu geben, über die erlebten Erfahrungen in ihren Achtsamkeitstagebüchern zu reflektieren und die Bedeutung der Inhalte, die sie gerade gelernt haben, zu erkennen und zu integrieren. In dem Achtsamkeitstagebuch finden sich passende Aufgaben zu den einzelnen Stunden, wobei die Kinder eingeladen sind, auch außerhalb dieser Stunden das Tagebuch zu erweitern und fortzuführen. Nach jeder Einheit gibt es einen abschließenden Achtsamkeitsmoment, der aus einer kurzen Achtsamkeitsübung besteht, sodass der Wechsel zur nächsten Stunde nicht abrupt erfolgt und die SchülerInnen sich darauf einstellen können, dass die Achtsamkeitsstunde bald zu Ende sein wird (Rechtschaffen 2018, 122). Ergebnisse Die während der Gruppendiskussion erhobenen verbalen Daten wurden als Transkripte aufbereitet und mit Hilfe qualitativer Datenanalyseverfahren in mehreren Zyklen ausgewertet. Im ersten Schritt wurde das Transkript mehrfach sequenziell durchgearbeitet, anschließend kodiert und in sinnvolle Einheiten segmentiert (Döring / Bortz 2009). Bei dem vorliegenden Projekt werden die Analyseeinheiten den Themenbereichen des Leitfragebogens (Durchführung, Raum und Lärm / Störungen sowie bezogen auf das Wohlbefinden psychischen, physischen und sozialen Aspekten zugeordnet. 1 Herzatmung- 2 Einführung in das Stundenthema- 3 Achtsamkeitsübung- 4 Gesprächsrunde 5 Eintrag in das Achtsamkeitstagebuch- 6 Abschließender Achtsamkeitsmoment-- Tabelle 2: Stundenaufbau des Übungsprogramms [ 29 ] Opper • Achtsamkeit mit Kindern 1 | 2022 [ 29 ] Opper, Holz • Achtsamkeit mit Kindern 1 | 2022 Wie lassen sich Achtsamkeitsübungen in der Grundschule umsetzen? Durchführung Ein klarer Plan bei der Durchführung erweist sich als hilfreich, ebenso aber auch die Bereitschaft und die Flexibilität, diesen jederzeit adäquat anzupassen. Damit die Kinder nicht frustriert oder gelangweilt von den Übungen sind, ist die Gestaltung des Programms und der Übungen ausschlaggebend. Die Antworten der SchülerInnen bilden nicht nur die Ausgangslage für spannende Gespräche, sondern vor allem die Möglichkeit, die einzelnen Themen zu vertiefen und auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen, beispielsweise darauf, dass einzelne Übungen den Kindern in bestimmten Situationen helfen können. Raum Die meisten Elemente des Übungsprogramms können durchaus in den regulären Unterricht eingebaut werden, ohne einen Raumwechsel durchführen zu müssen. Bei bestimmten Übungen unterschieden sich die Meinungen der SchülerInnen. Zum Beispiel bestand teilweise der Wunsch, die Übung »Schüttel dich! « lieber auf den Schulhof zu verlegen, weil dort mehr Platz zum Ausschütteln vorhanden sei. Bei der Übung »Körperreise« waren die Meinungen der Kinder bezüglich der Körperlage auch gespalten: Mehr als die Hälfte der Klasse bestätigte den Vorschlag eines Schülers, diese Übung liegend durchzuführen, andere Kinder bevorzugten die Sitzposition ( J*: »Ich kann mich viel besser im Liegen konzentrieren. Weil, weil im Sitzen ist es irgendwie manchmal unbequemer als wie im Liegen«, M**: »Weil, ich weiß nicht. Es fühlt sich halt besser an bei der Körperreise, wenn man sitzt, als im Liegen. Man kann sich dann auch besser konzentrieren.«). Für die Achtsamkeitspraxis gibt es nach Rechtschaffen (2018, 44) vier verschiedene Körperhaltungen: Sitzen, Stehen, Liegen und Gehen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, ist die Umsetzung im Klassenraum nicht immer optimal. Um alle Körperhaltungen in der Praxis erfahren zu können, bieten sich zum Beispiel der Schulhof, die Sporthalle und der Wald für Übungen im Gehen an. Ziel ist es also, einen Raum zu schaffen, in dem sich alle Beteiligten wohlfühlen und ihr Potenzial entfalten können. Wenn der Fokus einer Übung auf dem Einzelnen liegt, bietet sich beispielsweise auch die Durchführung auf dem jeweiligen Platz an. Soll hingegen der Gruppenzusammenhalt gefördert werden, ist ein Stuhl- und Stehkreis sinnvoller. Lärm / Störungen Zu diesem Aspekt können wenig Ergebnisse beigetragen werden, da während der Durchführung der Praxisphase nahezu keine Störungen seitens der Kinder auftraten. Gestört hat die Kinder eher externer Lärm, also Geräusche außerhalb des Schulgebäudes, wie z. B. die Müllabfuhr (M: »Manchmal haben sie die Müllcontainer ausgeleert und da war’s eben ganz laut«, J: »Und man konnte sich nicht so gut konzentrieren, weil man halt nur das draußen gehört hat und man nicht so entspannt war und man so nicht so konzentriert war.«). Sollten in einer Praxisphase Störungen innerhalb der Klasse auftreten, kann den Kindern vermittelt werden, eingeladen zu sein, die Übungen mitzumachen und währenddessen ruhig zu sein. Unangepasstes Verhalten wird ohne Wertung achtsamkeitsbasiert thematisiert, indem zum Beispiel gefragt wird, was das Kind benötigt, um sich besser auf eine Übung einlassen zu können. Welche Auswirkung haben die Achtsamkeitsübungen auf das subjektive Wohlbefinden der SchülerInnen? Achtsamkeitsbasierte Übungen führen nach einer dreiwöchigen Praxisphase zu positiven * Junge ** Mädchen Das Übungsprogramm kann in den regulären Unterricht eingebaut werden. [ 30 ] 1 | 2022 Forum Psychomotorik ist man schon wacher.«) und nahmen z. T. auch eine subjektive Verbesserung ihrer Konzentration wahr (J: »Hm. Also zum Beispiel, wenn wir den bewussten Atem gemacht haben, konnte ich mich danach besser konzentrieren. Und auch nach der Körperreise«). Insgesamt wirken die Achtsamkeitsübungen entspannend und beruhigend auf die SchülerInnen. Das Übungsprogramm unterstützt die Kinder darin, eigene negative Gedanken und Gefühle wahrzunehmen. Sie betrachten die Übungen in diesem Zusammenhang als hilfreich, um ihr Wohlbefinden zu steigern. Unmittelbar nach den einzelnen Übungen fühlte sich die Mehrheit der Kinder wacher und konzentrierter. Insbesondere die bewegten Übungen beeinflussten die subjektive Konzentrationsleistung positiv. Ruhige Achtsamkeitsverfahren hingegen, wie zum Beispiel der Body-Scan, lösten vorwiegend ein angenehmes Müdigkeitsempfinden aus, bei dem sich die Kinder entspannt und gelassen fühlten. Den Körper bei den einzelnen Übungen bewusst wahrzunehmen, wird insgesamt positiv bewertet. Unmittelbar nach Abschließen des achtsamkeitsbasierten Übungsprogramms gibt die Mehrheit der SchülerInnen an, sich zufriedener und frei zu fühlen. Es bestand zudem mehrheitlich der Wunsch, die Übungen häufiger durchzuführen und noch mehr Zeit dafür zu haben. Die von den Kindern genannten Gefühle werden auch »Wohlbefindensgefühle« genannt und als Bewertungsemotionen klassifiziert (Gysin 2017, 49). Sowohl Freude als auch Entspanntheit beziehen sich auf eine unmittelbar erlebte und aktuelle Situation und können sich durch Ruhe und Leichtigkeit äußern. Aus den Antworten der Kinder kann somit auf ein positives psychisches Wohlbefinden geschlossen werden. Physische Aspekte Bezogen auf die physischen Aspekte gaben 13 SchülerInnen positive Bewertungen ab, beispielsweise fühlten sie sich beruhigter und nahmen eine langsamere Atmung wahr, die auch beim Einschlafen als hilfreich empfunden wurde (J: »Bei mir Körperreisen, weil wenn ich halt zum Beispiel bisschen angespannt, dann hab ich halt Körperreise gemacht, und dann war ich halt Auswirkungen auf das subjektive Wohlbefinden der SchülerInnen in der Grundschule. Dies zeigen die Antworten der Kinder im Gruppeninterview zu psychischen, physischen und sozialen Aspekten. Psychische Aspekte Die Beiträge der SchülerInnen zum Themenbereich »Psychische Aspekte« beziehen sich auf deren Gedanken und Gefühle zum Achtsamkeits-Übungsprogramm. Hier standen im Gruppeninterview 38 positive Einschätzungen zwei negativen Bewertungen entgegen. Die positiven Einschätzungen von zwei Mädchen (»Das war manchmal echt schön und halt entspannt und manche waren auch lustig, also das mit dem Wackeln und so. Ja.«, »Das hat sich halt so angefühlt […] wie eine fröhliche Welt in der es nichts Trauriges gibt«), unterstreichen, dass Achtsamkeit auch lustig und fröhlich empfunden wird. Zwei Jungen beschreiben, dass die Übungen ihnen helfen, sich wacher bzw. wachsamer zu fühlen (»Ja, hm ich fand das mit dem Schütteln am besten, […] wenn wir gerade gekommen sind und wir sind noch müde, dann können wir das halt machen, und dann wird ich wieder wach sozusagen.« »Achtsamkeit ist für mich, wenn man sehr wachsam ist, und eh auch was sehr gut beobachtet.«). Als negativ haben ein Junge und ein Mädchen bewertet, dass sie sich nach den Übungen müde gefühlt haben (J: »Dass ich danach immer müde wurde.«, M: »Ehm, weil man halt beim Zählen mehr aktiver wird als bei der Körperreise. Da wird man halt so müde und dann ja.«) Insgesamt fühlten sich jedoch mehr Kinder nach den Übungen wacher (M: »Oder, wenn man aufwacht und dann ist man morgens halt noch müde, dann kann man einfach das mit dem Klopfen oder dem Schütteln machen, dann Insbesondere die bewegten Übungen beeinflussen die Konzentrationsleistung positiv. [ 31 ] Opper • Achtsamkeit mit Kindern 1 | 2022 [ 31 ] Opper, Holz • Achtsamkeit mit Kindern 1 | 2022 mehr so entspannt und dann konnt ich halt danach auch besser einschlafen«, M: »Also ehm das hat mir Spaß gemacht. Weil es mich auch manchmal beruhigt. Und dass ich dann auch nicht mehr so ganz schnell atme oder so.«). Zudem äußerten die SchülerInnen, dass körperliche Anspannung vor den Übungen besonders durch die Körperreise abgebaut werden konnte (M: »Ich war halt auch entspannt. Und dann hat man sich auch irgendwie so fit gefühlt, also entspannt und glücklich.«, M: »Mir hat die Stunde wo wir die Körperreise gemacht haben am meisten gefallen. Weil wir dann eh in unseren Körper gegangen sind und uns bewusster wahrgenommen haben.«, M: »[…] da war ich halt voll müde und hatte Kopfschmerzen. Aber danach halt nicht mehr.«). Den SchülerInnen machten vor allem bewegte Übungen, wie z. B. das »Schütteln« Spaß, da sie hier nach längeren Sitzphasen im Unterricht den ganzen Körper bewegen konnten. Negative Bewertungen gab es keine bezogen auf die physischen Aspekte, so dass auch in diesem Bereich ein positives Wohlbefinden der Kinder angenommen werden kann. Soziale Aspekte Die sozialen Aspekte des Wohlbefindens wurden vorwiegend bezogen auf das Pausenverhalten untersucht. Hier stehen 11 positive 2 negativen Bewertungen gegenüber. Positiv haben vor allem die Mädchen das gemeinsame Spiel empfunden (M: »Jetzt spielen wir halt öfters die ganze Klasse zusammen.«). Die Äußerungen der jeweiligen SchülerInnen zeigen, dass sie sich in ihrem sozialen Umfeld wohlfühlen und mit ihren Freunden gerne die neuen Übungen ausprobieren möchten (J: »Also ich kann dann halt jetzt so zum Beispiel, wenn ich halt jetzt müde bin, dieses Schütteln machen. Oder wenn ich mit Freunden bin, kann ich ja auch das machen mit dem Zählen. Ich habe halt jetzt mehrere Hobbys sozusagen.«). Die Gruppenarbeit und die Rücksichtnahme auf andere Kinder sind weitere Aspekte, die in der Klasse genannt wurden. An dieser Stelle erkannten die SchülerInnen, wie wichtig es ist, zusammenzuhalten, rücksichtsvoll und mitfühlend mit anderen Kindern umzugehen und sogar, dass sie dadurch in der Gruppenarbeit erfolgreicher waren (M: »Weil halt wir können uns einigen oder haben es zumindest versucht uns zu einigen, und dann haben wir es halt schon weit geschafft das Zählen.«; M: »Dass man achtsam ist. Dass man halt nicht so sagt, dass man der Boss oder so ist.«). Der Aspekt der Peer-Beziehungen im Zusammenhang mit dem schulischen Wohlbefinden wurde häufiger von den Mädchen zur Sprache gebracht, was sich mit den Beobachtungen von Gysin deckt (2017, 217). Zum Erfüllen des sozialen Wohlbefindens sind nach Gysin (2017, 59) die drei Ziele »Status in der Gruppe«, »Verhaltensbestätigung« sowie »Zuneigung«, beispielsweise in Form von emotionaler Unterstützung, zu erreichen. Aus den Aussagen der Kinder kann angenommen werden, dass diese Ziele erfüllt wurden. Somit kann auf ein positives Wohlbefinden der SchülerInnen im Bereich der sozialen Aspekte geschlossen werden. Ein weiterer Aspekt für ein gutes Sozialklima ist, dass sich die gesamte Klasse gewünscht hat, das Achtsamkeits-Übungsprogramm nicht nur alleine fortzuführen, sondern auch gemeinsam weiterhin im Unterricht zu üben. Zudem äußerten bereits nach den unterschiedlichen Stunden mehrere SchülerInnen den Wunsch, bestimmte Übungen zukünftig gleich zu Schulbeginn gemeinsam durchzuführen. Die positive Einstellung und die Freude auf die Stunden sind weitere Indizien für hohes Wohlbefinden (Gysin 2017, 63f ). Insgesamt betrachtet überwiegen die positiven Eindrücke und Erfahrungen des Übungsprogramms und damit auch das dadurch empfundene Wohlbefinden der SchülerInnen. Fazit und Ausblick Die vorliegenden Ergebnisse implizieren, dass das Wohlbefinden von Kindern im Grundschulalter durch eine im schulischen Kontext eingebettete Achtsamkeitspraxis verbessert werden kann. Dabei haben verschiedene Aspekte, z. B. die Art der Durchführung und die Raumgestaltung, einen bedeutsamen Einfluss auf die Auswirkungen. Bereits eine kurze Zeitspanne von 3 Wochen zeigt, dass die SchülerInnen sich auf [ 32 ] 1 | 2022 Forum Psychomotorik die Achtsamkeitsübungen einlassen und positive Auswirkungen berichten. Die Ergebnisse dieser Arbeit können als Eindruck über das kindliche Wohlbefinden in Zusammenhang mit achtsamkeitsbasierten Übungen betrachtet werden. Bei weiterführenden Studien sollte der Untersuchungszeitraum verlängert, die Stichprobe vergrößert und eine Kontrollgruppe berücksichtigt werden. Es hat sich auch gezeigt, dass Einzelinterviews bei der qualitativen Befragung zur Erhebung des Wohlbefindens der SchülerInnen besser gewesen wären als das Gruppeninterview. Dadurch wären umfassendere Antworten der SchülerInnen erhoben worden, die Verteilung der Beiträge ausgeglichener und neben der gesteigerten Quantität wären ebenso ausführlichere Begründungen erfahrbar geworden. Aufgrund der Erfahrungen mit dem Praxisprojekt ist festzuhalten, dass das Etablieren von achtsamkeitsbasierten Übungen in der Grundschule von großer Bedeutung ist und eine noch unterschätzte Chance darstellt. Für die Zukunft ist es also bedeutsam, weitere Studien zu etablieren, damit auch in Deutschland mehr Schulen das Potenzial für SchülerInnen erkennen und Achtsamkeit in ihrem Schulalltag leben können. Literatur Link zum Literaturverzeichnis: https: / / osf.io/ arpwk/ Die Autorinnen PD Dr. Elke Opper Akademische Oberrätin an der PH Karlsruhe und Mitglied der Motorik-Modul Research- Group, Entspannungspädagogin, Ausbildung Qigong für Erwachsene und Qigong für Kinder und Jugendliche. Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind Studien zur motorischen Leistungsfähigkeit, körperlich sportlicher Aktivität, Gesundheitssowie Bewegungsförderung, Entspannung und Körperwahrnehmung mit Kindern und Jugendlichen. Nina Holz Lehrkraft im Vorbereitungsdienst mit den Fächern Sport und Deutsch, Masterstudentin-Lehramt Grundschule der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe (M.Ed.). Trainerin für Bewegung, Ernährung und Kommunikation, Fortbildungen im Bereich Stressregulation & Entspannung sowie am Milton Erickson Institut u. a. zu therapeutische Arbeit mit inneren Anteilen, hypnotherapeutische und systemische Konzepte für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Anschrift/ Kontakt PD Dr. Elke Opper PH Karlsruhe Institut für Bewegungserziehung und Sport Bismarckstraße 10 76133 Karlsruhe elke.opper@ph-karlsruhe.de Nina Holz nina.holz@pestalozzischule-pfedelbach.de L A B A N / B A R T E N I E F F B E W E G U N G S S T U D I E N Leitung: Antja Kennedy Telefon: +49 30 52282446 info@eurolab-programs.com www.eurolab-programs.com FORTBILDUNG B A S I C / ZERTIFIKATS- P R O G R A M M Deutsches Wochenendformat Beginn: September 2022 erneubachten versteghesfalten Anzeige
