motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mot2022.art28d
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2022
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Rezension: Wendler, M./Schache, S./Fischer, K. (2021): Multidisziplinäre Perspektiven auf Körper und Gesundheit.
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Ruth Haas
In diesem Überblickswerk werden zwei zentrale Themenfelder aktueller wissenschaftlicher und praxisrelevanter Diskurse aufgegriffen und deren Schnittfelder sowie wechselseitige Abhängigkeiten vor dem Hintergrund historischer, kultureller und gesellschaftlicher Entwicklungen diskutiert: Körper und Gesundheit.
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[ 150 ] 3 | 2022 Medien & Materialien [ MEDIEN & MATERIALIEN ] Rezensionen Wendler, M./ Schache, S./ Fischer, K. (2021): Multidisziplinäre Perspektiven auf Körper und Gesundheit. Springer, Wiesbaden ISBN 978-3-658-32998-3 (Print); 59,99 € des Leibes von Schmitz zeigen sich Körper und Gesundheit als Phänomene in wechselseitiger Abhängigkeit. Störungen der Gesundheit werden als Zeichen einer leiblichen Entfremdung gedeutet. Ein Plädoyer für ein partnerschaftliches Verhältnis von Mensch und Leib betont »die Kunst leiblicher Lebensführung« als Ausgangsbasis von Selbstsorge und Bewältigung von Entfremdung (Stefan Schache). Die Betrachtung von Körper und Gesundheit aus gesundheitswissenschaftlicher Perspektive komplettiert die Begriffsgeschichte. Die Analyse gesundheitswissenschaftlicher Theoriebildung zeigt die untergeordnete Rolle des Körpers bzw. eine Fokussierung auf den »erkrankten Körper« unter Vernachlässigung psychischer, sozialer und spiritueller Einflussfaktoren im Gesundheitsdiskurs auf (Kerstin Walther). Der zweite Abschnitt untersucht den Stellenwert von Körper und Gesundheit in der Fachdiskussion von Handlungstheorie, Motologie, Körperpsychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie den Sozialwissenschaften. Fischer und Wendler untersuchen die handlungstheoretischen Ansätze anhand der Frage, welche Rolle darin Körperlichkeit spielt. Körperliche Aktivität wird als gesundheitliche Ressource formuliert, die einen wichtigen Bestandteil aktueller Modelle der Gesundheit darstellt (Michael Wendler/ Klaus Fischer). Der Bedeutung von Körper und Gesundheit in der motologischen Theoriebildung widmet sich Henrik Göhle. Hier wird die Körper-Leib-Debatte erneut aus der leibphänomenologischen Betrachtungsebene aufgegriffen. Das hier formulierte Gesundheitsverständnis rekurriert auf das Salutogenese- Modell von Antonovsky und verknüpft dieses mit einer handlungstheoretischen Perspektive. Die körpertherapeutische Betrachtungsebene widmet sich einer Unterscheidung von Körpertherapie und Körperpsychotherapie und deren gesundheitsrelevanten Implikationen (Amara Eckert). Körper, Gesundheit und Krankheit sind in der- kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis eng verknüpft. Sie In diesem Überblickswerk werden zwei zentrale Themenfelder aktueller wissenschaftlicher und praxisrelevanter Diskurse aufgegriffen und deren Schnittfelder sowie wechselseitige Abhängigkeiten vor dem Hintergrund historischer, kultureller und gesellschaftlicher Entwicklungen diskutiert: Körper und Gesundheit. Beide Begriffe erhalten im Kontext wissenschaftlicher Bearbeitung und interdisziplinärer Betrachtungsweisen sich unterscheidende Definitionen und eröffnen zahlreiche wissenschaftliche Perspektiven. Dies wird in diesem Werk auf beeindruckende Weise dokumentiert. Die »Multidisziplinären Perspektiven auf Körper und Gesundheit« werden den LeserInnen in drei inhaltlichen Themenblöcken nahegebracht. Der erste Teil gibt einen Einblick in die Begriffsgeschichte zu »Körper und Gesundheit«. Die instrumentelle Perspektive auf den Körper und deren Konsequenzen für eine »Beherrschung des Körpers« im Zeitalter der Postmoderne durch die Möglichkeiten der Gentechnologie und künstliche Intelligenz werden beschrieben. Der Widerspruch zwischen menschlichem Streben nach Autonomie und Selbstbestimmung sowie der Aufgabe des menschlichen Denkens im Kontext der Möglichkeiten von Optimierung des Körpers wird aufgezeigt (Karin Michel). Mit Rückgriff auf die Philosophie [ 151 ] Jessel • Aktuelles Stichwort: Psychomotorik in (post-)pandemischen Zeiten 3 | 2022 [ 151 ] Medien & Materialien 3 | 2022 werden in die Diagnostik und Therapie nachvollziehbar integriert, da der Körper einen wesentlichen Wirkfaktor im Kontext psychischer Erkrankungen darstellt (Rüdiger Haas). Den sozialwissenschaftlichen Blick eröffnet Erich Huster, der die Bedeutung des Körpers in der staatlichen Gesundheitspolitik historisch skizziert und eine auf das Individuum ausgerichtete Betrachtung des Gesundheitsverhaltens unter Vernachlässigung der Verhältnisprävention kritisiert. Die Frage von sozialer Ungleichheit und Gesundheit wird im Beitrag von Johannes D. Schütte diskutiert. Der Körper als Produkt und Produzent der Gesellschaft spiegelt sich in der sozialen Ungleichheit in gesundheitlichen Fragen wider. Eine Konkretion im Feld der betrieblichen Gesundheitsförderung erfolgt in dem Beitrag von Jörg Schröder. Er zeigt die Gefahren der Flexibilisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt auf. Der dritte Teil des Buches erweitert den multidisziplinären Blick auf Körper und Gesundheit um (Religions-)Soziologie, Gerontologie, Geschlechterforschung und Behindertenpädagogik. Der religionswissenschaftliche Beitrag benennt die spirituellen Elemente von Körpertherapien und -praktiken. Der Zusammenhang von Körper, Gesundheit und Religion wird im Prozess der (Wieder-)Entwicklung von Gesundheit hervorgehoben (Frederike Benthaus-Apel). Im Feld der Gerontologie dominieren Untersuchungen von körperlichen Alterungsprozessen in Medizin und Pflege. Es besteht ein deutliches Forschungsdesiderat bzgl. der Körperthematik in der Soziologie. Eine körperorientierte Gerontologie stellt das Entwicklungsthema einer reflektierten Leiblichkeit als Quelle der lebenslangen Identitätsentwicklung in den Mittelpunkt (Sabine Kühnert / Birgit Schumacher). Die Geschlechterforschung setzt sich bislang nur wenig mit dem Körper auseinander. Im Kontext von Gesundheitswissenschaft wird jedoch die Geschlechterperspektive differenziert bearbeitet. Es wird in diesem Beitrag die Bedeutung von Körper und Leib in der gesundheitsorientierten Geschlechterforschung dargelegt (Jocelyne Cathrin Leismann). Ein sozial- und gesellschaftswissenschaftlicher Begriff der Behinderung liegt dem Verständnis der Autorinnen Gwendolin Bartz und Kathrin Römisch zugrunde. Dies hat eine Abgrenzung von einem biomedizinisch geprägten Begriff der Behinderung unter Bezugnahme auf die UN-Behindertenkonvention zur Folge. Die Gesundheitsthematik wird als multidimensional betrachtet. Die Autorinnen konstatieren ein deutliches Forschungsdesiderat bzgl. der Körperthematik. Körperlich-leibliche Aktivität und Gesundheit stehen aus Sicht von Tobias Staiger in einer interaktiven Wechselbeziehung zur Umwelt. Insbesondere für Menschen mit depressiven Störungen stellt der Körper »eine soziale Gesundheitsressource« dar, da die leiblich-körperliche Symptomatik in enger Wechselbeziehung zur sozialen Teilhabe steht. Das hier besprochene Werk überschreitet fachdisziplinäre Grenzen und beleuchtet die Thematik von Körper und Gesundheit mit bemerkenswerter Tiefe in den einzelnen Beiträgen. Es wird der Frage nachgegangen, welchen Stellenwert Körper und Gesundheit in den einzelnen Disziplinen und therapeutischen bzw. pädagogischen Zugängen erhalten. Eine sehr große Heterogenität bzgl. des Stellenwerts von Körper und Gesundheit wird aufgezeigt. Den Herausgebern ist es gelungen, einen sehr eindrücklichen Überblick zur Thematik zu geben. Der populärwissenschaftlich häufig konstatierten Verknüpfung von Körper und Gesundheit wird ein sehr differenziertes Bild gegenübergestellt. Ruth Haas DOI 10.2378 / mot2022.art28d Klein, F. (2021): Bewegung, Spiel und Rhythmik. Drei unverzichtbare Elemente in der inklusiven Kita-Praxis. Verlag modernes lernen, ISBN 978-3-8080-0901-7, 170 Seiten, 19,95 € In dem vorliegenden Buch erinnert Ferdinand Klein auf fachkundige und engagierte Weise an bedeutende reformpädagogische Erkenntnisse über die drei Urphänomene des Lebens: Bewegung, Spiel und Rhythmik. Rückbesinnend auf elementare kindliche Grundbedürfnisse und gesetzlich verankerte Kinderrechte zeigt er auf, wie eine verstehende, bedürfnisbasierte und beziehungsorientierte Frühpädagogik gelingen kann und fordert eine Pädagogik, die dem Kind (wieder) eine individuell ausgerichtete Leitung und Begleitung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit bietet. Das Buch liefert theoretische Fundierungen, aussagekräftige Fallbeispiele und sehr konkrete Handlungsvorschläge, Förderideen und Übungsbeispiele für eine
