eJournals motorik45/4

motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2022
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Bericht: WVPM-Sommertagung 2022

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2022
Ulf Henrik Göhle
Sina Allkemper
Unter dem Thema: »Leib und Digitalität im Forschungsfeld von Motologie und Psychomotorik: zwischen Technikkritik und Forschungschancen« veranstaltete die Wissenschaftliche Vereinigung für Psychomotorik und Motologie e.V. (WVPM) zum ersten Mal eine Sommertagung am 24. Juni 2022.
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[ 209 ] Theil • Bewegungsorientierte Selbstkonzeptförderung 4 | 2022 [ 209 ] Aktuelles / Kurz berichtet 4 | 2022 Unter dem Thema: »Leib und Digitalität im Forschungsfeld von Motologie und Psychomotorik: zwischen Technikkritik und Forschungschancen« veranstaltete die Wissenschaftliche Vereinigung für Psychomotorik und Motologie e. V. (WVPM) zum ersten Mal eine Sommertagung am 24. Juni 2022. Dieses neue Format, das in Zukunft die gewohnten Treffen im Januar möglicherweise ergänzen mag, erlaubte das erste Treffen in Präsenz seit den coronabedingten Einschränkungen und fand an der Philipps Universität Marburg statt. Schon am Vorabend trafen sich die meisten der TagungsteilnehmerInnen und genossen das gemeinsame Abendessen und die gesellige Einstimmung auf die Tagung. Den Auftakt der Veranstaltung bildete nach den Grußworten von Prof. Dr. Martin Vetter ein bewegter Einstieg. WVPM-Vorständin Sina Allkemper (Bewegung im Mittelpunkt, Bochum) leitete durch eine Erfahrungssequenz, in der die eigenen Ideen zum Tagungsthema zunächst angespürt wurden. In einer spontanen Skalierungsaufstellung »zwischen den Polen Leiblichkeit und Digitalität« verorteten sich die TagungsteilnehmerInnen. Das Bild trug durch die regen Diskussionen des Tages. Daran an schloss sich der Hauptvortrag des Marburger Lehrstuhlinhabers für Praktische Theologie Prof. Dr. Marcel Saß. Sein Vortrag spürte den Transformationsprozessen des Menschen in das digitale Zeitalter nach und fragte epistemisch nach dem Zusammenhang von Bildung und Leiblichkeit im Kontext mediatisierter Gesellschaften. Die digitalen Komponenten, die dabei eine Rolle spielen, sind laut Saß: 1. die kognitiv-instrumentelle Modellierung, 2. die ästhetisch-expressive Begegnung und Gestaltung, 3. die normativ-evaluative Auseinandersetzung mit Wirtschaft und Gesellschaft und 4. die Probleme konstitutiver Rationalität. Dank live-Stream, betreut durch den WVPM-Vorstand Dr. Thorsten Späker (Phillips Universität Marburg), konnte der Vortrag auch im Rahmen der Reihe »Motologie im Dialog« online verfolgt werden. Der zweite Beitrag befasste sich mit konzeptionellen Überlegungen zur Integration quantitativer Daten in die motologisch-psychomotorische Reflexion. Der Motologe Prof. Dr. Henrik Göhle (Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Frankfurt am Main) präsentierte mit dem Biologen Dr. Jan C. Schuller (True Signal, Brüssel) und der Diplom-Psychologin und tiefenpsychologischen Psychotherapeutin Stefania Ferraro (Berlin) ihren Ansatz, dessen Ziel es ist, den in Motologie und Psychomotorik so wichtigen authentischen Kontakt zur Einzigartigkeit des Menschen über objektivierende Daten zu ergänzen. Dabei werden physiologische Daten zur Herzfrequenzvariabilität (HRV)-- die objektiv Stress- und Erholungszustände dokumentieren-- mit dem leiblichen Gefühl verglichen. Stefania Ferraro knüpft in ihrem Promotionsvorhaben daran an, indem sie HRV- Messungen als Feedback-Verfahren in Therapiesitzungen integrieren möchte. Am Nachmittag wurde die Neuerung dann auch praktisch vorgestellt, ausführlich erprobt und diskutiert: Mit einer Erfindung von Dr. Schuller lassen sich HRV-Daten direkt in Klavier- Melodien übersetzen. Dabei handelt es sich, wie Prof. Dr. Göhle es nennt, um ein exaktes »musikalisches Histogramm«, das die feine Variabilität des Herzens mit seinen kleinsten, für Menschen nicht wahrnehmbaren Unterschieden, durch die Konvertierung in Tonhöhen direkt erlebbar werden lässt. Die menschliche Einzigartigkeit dieser jeweils individuellen Regulation wird durch die unmittelbare Übersetzung in eine Tonfolge dokumentiert. Die Weltpremiere war dann die Vorstellung des Prototyps des »Herzpianos«: einem von Jan C. Schuller konstruiertem EKG, das die HRV in Echtzeit in Melodien überträgt. Im Anschluss an diese Präsentation wurde in großer Runde über zugrundliegende Erkenntnistheorie, Szenarien der Anwendung in Forschung und Praxis sowie forschungsethische Fragen diskutiert. Ein großes Augenmerk wurde auf die Sicherung der Ergebnisse, der offenen Fragen und Forschungsanregungen gelegt. So sammelten Sina Allkemper und Dr. Thorsten Späker Material, an das der Fachdiskurs bei der nächsten Jahrestagung im Januar 2023 anknüpfen kann, um mit diesem zukunftsweisenden Thema weiterzuarbeiten und, vielleicht, eine motologisch-psychomotorische Verortung zu erreichen. Berichte WVPM-Sommertagung 2022 Ulf Henrik Göhle, Sina Allkemper