Motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2023
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Bericht: Sensibilisierung von Eltern zum Thema Körperbild
11
2023
Rachel Wittschier
Wenning Wu
Fabienne Brix
Julie Oberlinkels
Michelle Strüber
Annette Degener
In einem Modul des Masterstudiengangs Rehabilitation, Prävention und Gesundheitsmanagement (RGM) an der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) widmen sich Studierende u.a. der systematischen Konzeption und Umsetzung von Präventionsprojekten.
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[ 46 ] 1 | 2023 Aktuelles / Kurz berichtet In einem Modul des Masterstudiengangs Rehabilitation, Prävention und Gesundheitsmanagement (RGM) an der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) widmen sich Studierende u. a. der systematischen Konzeption und Umsetzung von Präventionsprojekten. Das hier vorgestellte Projekt hatte zum Ziel, Eltern einer Kindertagesstätte für das Thema Körperbild zu sensibilisieren. Hintergrund Das Körperbild kann definiert werden als die Art und Weise, in der wir unseren Körper wahrnehmen und wie wir über ihn denken und fühlen (Katan 2019). Per Definition ist das Körperbild somit nicht auf das äußere Erscheinungsbild reduziert. Ein positives Körperbild äußert sich z. B. in der Wertschätzung und Akzeptanz gegenüber dem eigenen Körper und seinen Funktionen oder auch in dem Gefühl der Verbundenheit mit dem eigenen Körper. Einfluss auf das Körperbild haben neben den Medien (Darstellung von Körperidealen, Schönheitsnormen)-und der Peer-Group (Körperbild anderer Kinder, Ein- / Ausgrenzung durch körperliche Merkmale) vor allem die Eltern (Dohnt/ Tiggemann 2006). Deren eigenes Körperbild, alle Äußerungen und Kommentare über den eigenen Körper oder über den Körper von Anderen (Mazzeo et al. 2012), sowie das Vorleben von Diät- und Bewegungsverhalten beeinflussen bereits ab dem dritten Lebensjahr das Körperbild von Kindern (Hart et al. 2015). Bedarf Eine Untersuchung ergab, dass 50 % der medial dargestellten weiblichen Hauptfiguren aus Kinderfilmen anatomisch nicht lebensfähig wären (Linke / Stüwe / Eisenbeis 2017) und Kindergartenkinder nach der Betrachtung dieser Darstellungen ein negativeres Körperbild aufweisen (Dittmar et al. 2006, Asawarachan 2013). Weitere Studien bestätigen, dass sich Jungen und Mädchen bereits im Kindergartenalter ein anderes äußeres Erscheinungsbild wünschen, viele Eltern das Körperbild in diesem Alter jedoch noch nicht als relevant ansehen (Hart et al. 2015). Nach Hart et al. (2015) ist es daher wichtig, Eltern über die potenziellen Probleme aufzuklären, die durch ihre Äußerungen und aufgrund ihrer Vorbildfunktion entstehen können. Eltern müssen die Gefahren verstehen, die mit der Vermittlung von Botschaften über soziokulturelle Körperideale verbunden sind. Maßnahme Das Projekt richtete sich an Eltern von Kindern in Kindertagesstätten und zielte auf eine frühe Sensibilisierung zur Prävention von Körperbildstörungen ab. Im Mittelpunkt stand ein 90-minütiger Elternabend. Dort wurden die Eltern mit eindrücklichen Beispielen der Medien konfrontiert, in denen Kindheitshelden wie Biene Maja, Dora die Entdeckerin und Bob der Baumeister in ihrer »alten« und dem Schlankheitsideal folgenden »neuen« Körperform gegenübergestellt wurden (vgl. Linke et al. 2017). Es erfolgte eine Einheit evidenzbasierter Wissensvermittlung über die Folgen eines negativen Körperbildes (u. a. niedriger Selbstwert, Risiko für Essstörungen, Einfluss auf schulische Leistungen), den Nutzen eines positiven Körperbildes (u. a. höherer Selbstwert, gesundes Essverhalten, höhere Lebenszufriedenheit) und über Einflussfaktoren auf das Körperbild. Schließlich erarbeitete das Projektteam gemeinsam in einer ausführlichen Diskussion mit den Eltern konkrete Maßnahmen, in Form von Dos and Don’ts zur Förderung eines positiven Körperbildes (Tab. 1). Dabei wurden die sechs Bereiche verbale Äußerungen, Bedeutsamkeit des Aussehens, Essverhalten, Bewegung, emotionale Unterstützung und Konsum von Medien nacheinander berücksichtigt (Katan 2019). Die Ergebnisse wurden notiert und später genutzt, um ein Plakat als Erinnerung in der Kindertagesstätte aufzuhängen. Zudem wurde ein zusammenfassender Flyer zur Verfügung gestellt (Abb. 1). Evaluation Es stellte sich heraus, dass selbst bei einer sehr offenen und reflektierten Elternschaft die bewusste Thematisierung des Körperbildes notwendig Bericht Sensibilisierung von Eltern zum Thema Körperbild Rachel Wittschier, Wenning Wu, Fabienne Brix, Julie Oberlinkels, Michelle Strüber & Annette Degener [ 47 ] Eckert • Flucht, Trauma und Familie 1 | 2023 [ 47 ] Aktuelles / Kurz berichtet 1 | 2023 war und eine Sensibilisierung aller Eltern sehr sinnvoll ist. In einer Befragung zur Evaluation des Elternabends gaben alle Teilnehmenden an, zum Nachdenken angeregt worden zu sein, das Thema selbst in die Hand nehmen zu können und die Vorschläge mit ihren Kindern umsetzen zu wollen. Dos Don’ts Aussehen Aussehen ist nicht alles: Schätze und lobe Werte, Talente und Fertigkeiten bei dir, deinem Kind und Anderen (z. B. Hart et al. 2014; Voelker et al. 2018). ■ Hebe Charaktereigenschaften (z. B. Mitgefühl, Fleiß, Mut, Kreativität), die nicht in Zusammenhang mit Aussehen / Schönheit stehen, hervor ■ Zu viel Zeit mit dem Aussehen verbringen, nur Lob oder Begeisterung zum äußeren Erscheinungsbild (z. B. schöne Haare, gut gekleidet, schmale Figur) ■ Vorgaben zum Körperbild (z. B. »Schlankheitsideal«, »Männer haben Muskeln«) Bewegung Fördere Bewegung, stelle Freude bei der Bewegung und die großartigen Dinge, zu denen unser Körper fähig ist, in den Fokus (z. B. Gaspar et al. 2011; Hart et al. 2014). ■ Betonung der Freude bei der Bewegung ■ Anerkennen der großartigen Dinge, zu denen unser Körper fähig ist ■ Körperbewusstsein und alle Sinne stärken ■ Bewegung als Aktivität im Alltag integrieren; gemeinsam bewegen ■ »Ich gehe trainieren, um abzunehmen / besser auszusehen.« ■ Dinge hervorheben, die der Körper nicht kann ■ Zwang / Leistungsdruck! ■ Stereotype Unterscheidung in Mädchen- und Jungensportarten Tabelle 1: Zusammenfassung zweier erarbeiteter Dos and Don’ts Abbildung 1: Flyer zur Mitnahme (Foto: Rachel Wittschier) 86,7 % der Eltern hatten Interesse an einem erneuten Angebot in ihrer Kindertagesstätte. Für Ausführende solcher Angebote bzw. für die Elternarbeit ist es zwingend erforderlich, sich intensiv in die Thematik einzuarbeiten, um Diskussionen zielführend leiten zu können (u. a. auch zum Themenfeld Gewicht und Ernährung) und keine missverständlichen Ratschläge weiterzugeben. Für weitere Informationen können Sie die Autorinnen kontaktieren. [ 48 ] 1 | 2023 Aktuelles / Kurz berichtet Literatur Asawarachan, T. (2013): The Disney Influence on Kindergarten Girl’s Body Image. Dissertation, University of North Texas Libraries, Denton, https: / / digital.library.unt.edu/ ark: / 67531/ metadc271773/ , 21.11.2022 Dittmar, H., Halliwell, E., Ive, S. (2006): Does Barbie Make Girls Want to Be Thin? The Effect of Experimental Exposure to Image of Dolls on the Body Image of 5to 8-Year-Old Girls. Developtmental Psychology, 42 (2), 283-292, https: / / doi.org/ 10.1037/ 0012-1649.42.2.283 Dohnt, H. K., Tiggemann, M. (2006): Body Image Concerns in Young Girls: The Role of Peers and Media Prior to Adolescence. Journal of Youth and Adolescence, 35 (2), 141-151, https: / / doi. org/ 10.1007/ s10964-005-9020-7 Gaspar, M. J. M., Amaral, T. F., Oliveira, B. M., Borges, N. (2011): Protective effect of physical activity on dissatisfaction with body image in children- - A cross-sectional study. Psychology of Sport and Exercise, 12 (5), 563-569, https: / / doi.org/ 10.1016/ j. psychsport.2011.05.004 Hart, L. M., Damiano, S. R., Cornell, C., Paxton, S. J. (2015): What parents know and want to learn about healthy eating and body image in preschool children: a triangulated qualitive study with parents and Early Childhood Professionals. BMC Public Health, 15, 596, https: / / doi: 10.1186/ s12889-015- 1865-4 Hart, L. M., Damiano, S. R., Chittleborough, P., Paxton, S. J., Jorm, A. F. (2014): Parenting to prevent body dissatisfaction and unhealthy eating patterns in preschool children: a Delphi consensus study. Body Image, 11 (4), 418-425, https: / / doi.org/ 10.1016/ j.bo dyim.2014.06.010 Katan, A. (2019): Body Image in School- Aged Children: A Guide for Parents. University of Waterloo. In: https: / / uwater loo.ca/ mental-health-research-treat m e n t/ sit e s/ c a . m e n ta l h e a lt h r e search-treatment/ files/ uploads/ files/ body_image_children_poster2020. pdf, 21.11.2022 Linke C., Stüwe J., Eisenbeis, S. (2017): Überwiegend unnatürlich, sexualisiert und realitätsfern: Eine Studie zu animierten Körpern im deutschen Fernsehen. Televizion, 30/ 2017 / 2, 14-17. In: https: / / www.br-online.de/ jugend/ izi/ deutsch/ publikation/ televizion/ 30 _2017_2/ Linke_Stuewe_Eisenbeis- Ueber wiegend_unnatuerlich.pdf, 21.11.2022 Mazzeo, S. E., Kelly, N. R., Stern, M., Gow, R. W., Serdar, K., Evans, R. K., Jones, R.- M., Bulik, C. M. (2012): Nourishing our understanding of role modeling to improve support and health (NOU- RISH): design and methods. Contemporary Clinical Trials, 33 (3), 515-522, https: / / doi.org/ 10.1002/ 10.1016/ j.cct. 2012.01.003 Voelker, D. K., Reel, J. J., Greenleaf, C. (2015): Weight status and body image perceptions in adolescents: current perspectives. Adolescent health, medicine and therapeutics, 6, 149, https: / / doi.org/ 10.2147/ AHMT.S68344 Kontakt R. Wittschier: Abteilung Studium und Lehre (DSHS Köln) W. Wu, F. Brix, J. Oberlinkels & M. Strüber: M.A. RGM (DSHS Köln) Dr. A. Degener: Institut für Bewegungstherapie (DSHS Köln) R. Wittschier: rachel@wittschier.com
