Motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2023
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Rezension: Backmann, U. (2021): Sexualität in der Konzentrativen Bewegungstherapie
41
2023
Sina Allkemper
Die Autorin, Ute Backmann, geht in ihrem Buch »Sexualität in der Konzentrativen Bewegungstherapie« eigentlich zwei Strängen nach: Sie macht ihre klare Haltung pro Geschlechtervielfalt in der körperorientierten Therapie genauso deutlich, wie sie für das Thema Geschlecht und Sexualität in der Therapie im Sinne einer klaren therapeutischen Haltung sensibilisieren möchte.
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[ 100 ] 2 | 2023 Medien & Materialien [ MEDIEN & MATERIALIEN ] TherapeutIn hin. Es sei wichtig, sexuelle (Gegen-)Übertragung wahrzunehmen und zuzulassen, Nicht-Beachtung könne frustrierend wirken. Die Reflexion der eigenen Biografie und des »subjektiven sexuellen Sein« (149) wird betont, auch unter Aspekten von Berührung in der Therapie und einer reflektierten Verbalisierung und Ansprache von Sexualität. Wiederholt plädiert sie für eine »Komplexität von Sexualformen« (86) und betont, dass die sexuelle Orientierung nur als ein Teil der Persönlichkeit der Menschen angesehen werden sollte, »damit sie ihre eigene sexuelle Identität und geschlechtliche Vielfalt frei entdecken können« (162). Die skizzierten KBT-Angebote und -Kasuistiken sind nachvollziehbar und praxisnah gen eine Einführung zur Sexualität in der Leibphänomenologie und sechs psychoanalytische Modelle der sexuellen Entwicklung anhand verschiedener TheoretikerInnen. Die einzelnen Unterkapitel werden mit KBT-spezifischen Angeboten und Kasuistiken illustriert. Im vierten Kapitel trägt sie verschiedene Theorien zusammen und gibt einen Überblick über die Haltung der Psychoanalyse zu den Kernthemen Sexualorgane, sexuelle Identität, Orientierung und Selbsterleben sowie sexualisierte Atmosphären. Diese werden in KBT-Gruppenprozessen Thema und somit auch bearbeitbar. Auch durch die anschaulichen Kasuistiken wirkt dieses Kapitel wie eine Sensibilisierung, therapeutische Prozesse unter einem weiteren Aspekt zu betrachten und für die genannten Kernthemen aufmerksam zu sein. Diese grundlegenden Hinführungen verdichten sich im fünften Kapitel zu störungsspezifischen Aspekten (Trauma, sexualisierte Gewalt durch Geschwister, Borderline-Störung, sexuelle Funktionsstörungen, Essstörungen, Adipositas und somatoforme Schmerzstörungen), die sie teils schlüssiger, teils etwas unkonkret aus der Perspektive der Sexualität beleuchtet. Im meiner Meinung nach sehr wichtigen sechsten Kapitel weist sie deutlich auf die Bedeutung der Reflexion des eigenen »sexuellen Skriptes« als Die Autorin, Ute Backmann, geht in ihrem Buch »Sexualität in der Konzentrativen Bewegungstherapie« eigentlich zwei Strängen nach: Sie macht ihre klare Haltung pro Geschlechtervielfalt in der körperorientierten Therapie genauso deutlich, wie sie für das Thema Geschlecht und Sexualität in der Therapie im Sinne einer klaren therapeutischen Haltung sensibilisieren möchte. Sie steht für die Wahrnehmung sexualisierender Atmosphären in therapeutischen Gruppen als diagnostisches Kriterium. Im ersten Kapitel, welches einen durchaus holprigen Einstieg für mich darstellte, legt sie, klar an der Psychoanalyse ausgerichtet, wesentliche Grundlagen zum Thema Sexualität und Geschlecht dar und klärt wichtige Begriffe. Sie stellt heraus, »Sexualität ist und bleibt mit körperlichen Dimensionen verbunden« (11), weshalb dies auch ein so wichtiges Thema für körperorientierte Therapien sei. Das zweite Kapitel führt in die Konzentrative Bewegungstherapie (KBT), Kernbegriffe und Bezugstheorien ein und erläutert die historische Verknüpfung mit der Psychoanalyse. Darauffolgend widmet sie sich der »Sexualität als Thema« in der KBT. Diese soll in Therapien unbedingt angesprochen und an der sinnlichen Selbstbestimmung und -wahrnehmung sollte gearbeitet werden. Es fol- Rezensionen Backmann, U. (2021): Sexualität in der Konzentrativen Bewegungstherapie. Ernst Reinhardt Verlag, München. ISBN: 978-3-497-03059-0 (Print); 26,90 € [ 101 ] Medien & Materialien 2 | 2023 und machen mich neugierig, diese vertrauten Inhalte auf die Themen Sexualität und Geschlechtlichkeit sensibilisiert zu betrachten und damit den eigenen fachlichen wie praktischen Horizont zu erweitern. Sie richten sich schwerpunktmäßig auf die Wahrnehmung der Körperstruktur, das Körperbild und sind ausgerichtet auf das Selbsterleben und- beziehungsorientierte Erfahrungen, szenisches Verstehen wird im geringeren Maße thematisiert. Auch wenn wiederholt die »sexuelle Identität- -- unabhängig vom biologischen Geschlecht---als eine ›Einschrift‹ in den Körper« (161) betont wird, wünsche ich mir aus motologischer Sicht eine ähnlich intensive Untersuchung des Themas um eine leibphänomenologische Perspektive ergänzt. Dennoch bin ich überzeugt, dass für alle motologisch-psychomotorisch mit Heranwachsenden und Erwachsenen Arbeitenden dieses Buch eine Hinführung zum Thema darstellen und zur eigenen Auseinandersetzung und Weiterentwicklung anregen kann und sollte. Sina Allkemper DOI 10.2378 / mot2023.art20d Wolf, B. (2022): Körperpsychotherapie. 75 Therapiekarten mit 32-seitigem Booklet in hochwertiger Klappkassette. Beltz, Weinheim. 49,95 € Die Aufforderung an den Körper »Erzähl, was dich bewegt! « (3) steht im Mittelpunkt des hier vorgestellten Kartensets Körperpsychotherapie. Mit diesem legt Benajir Wolf, promovierte Motologin, Körperpsychotherapeutin, Heilpraktikerin für Psychotherapie und langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin im Masterstudiengang Motologie an der Philipps-Universität Marburg, einen ansprechenden, kreativen und theoriegeleiteten Fundus an Impulsen für eine körperzentrierte therapeutische Praxis vor. Auch wenn der Titel des Kartensets zunächst KörperpsychotherapeutInnen im engeren Sinne anspricht, wendet es sich auch an alle PsychotherapeutInnen, die in ihre Praxis körperorientiertes Arbeiten integrieren möchten. Für diese NutzerInnengruppe wird im beigelegten Booklet zunächst ein Einstieg in die Bedeutung des Körpers in die Psychotherapie gegeben. Diesem schließt sich ein Kapitel zu den Einsatzmöglichkeiten der Karten sowie ein Überblick über und eine theoretische Rahmung zu den zehn Module, in die die Karten gegliedert sind, an. Die zehn Module tragen folgende Überschriften: 1. Einstieg in die Körperpsychotherapie 2. Bewegung, Ausdruck und Darstellung 3. Beziehungsgestaltung 4. Gruppe 5. Körperschema 6. Körperbild 7. Charakterstruktur und Verkörperungen 8. Zentrierung und Erdung 9. Existenzielle Themen 10. Abschied gestalten Auf der Vorderseite jeder Karte ist ein zu den Impulsen auf der Rückseite passendes Foto bzw. eine passende Grafik abgebildet. Auf der Rückseite befinden sich Impulse beispielsweise für die Themen Ankommen, Grenzen oder Lebensweg. Diese Impulse bestehen z. B. aus Erzähl- und Reflexionsangeboten, Einzel- oder Paarbzw. Gruppeninterventionen. Didaktische Hinweise zum benötigen Material und Raum sowie zur Eignung im Einsatz im Einzel- oder Gruppensetting und ggf. auch der Hinweis »konfrontative Intervention« befinden sich jeweils in der Fußzeile der Karten. Die Karten können in der ambulanten oder stationären therapeutischen Arbeit sowohl mit Erwachsenen als auch mit Jugendlichen, in Einzel- und Gruppensettings eingesetzt werden. Mit ihnen lassen sich ganze Therapiestunden oder einzelne Sequenzen gestalten (3). Die theoretische Rahmung, die gelungene inhaltliche und optische Gestaltung sowie die Zusammenstellung des Kartensets spiegeln den großen körperpsychotherapeutischen Erfahrungsschatz der Autorin. Dieses Knowhow in Kombination mit der ästhetischen Gestaltung der hochwertigen, großformatigen Karten animiert zum Betrachten, Durchblättern, Verweilen und weckt die Lust am Erproben. Viele der Impulse sind meines Erachtens auch für den Einsatz im Kontext der Selbsterfahrung in der körperorientierten Ausbildung und Lehre geeignet, sodass das Kartenset auch für Lehrende zu empfehlen ist. Stefanie Kuhlenkamp DOI 10.2378 / mot2023.art21d
