Motorik
7
0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
71
2023
463
Forum Psychomotorik: Förderzentrum E. J. Kiphard - Modelleinrichtung für Psychomotorik
71
2023
Hans Jürgen Beins
»Kommt Kinder, kommt herbei, füllt aus den Raum und fühlt euch frei, die beste Therapie ist die, die ihr nicht merkt. […]«
7_046_2023_003_0131
[ 131 ] motorik, 46. Jg., 131-133, DOI 10.2378 / mot2023.art26d © Ernst Reinhardt Verlag 3 | 2023 [ FORUM PSYCHOMOTORIK ] Förderzentrum E. J. Kiphard-- Modelleinrichtung für Psychomotorik Hans Jürgen Beins »Kommt Kinder, kommt herbei, füllt aus den Raum und fühlt euch frei, die beste Therapie ist die, die ihr nicht merkt. Wenn froh ihr werkt und wirkt und alles ausprobiert, darin verbirgt sich euer Drang, das alles wirklich selbst zu tun, ganz ohne Zwang und nicht zu ruhen bis ihr begeistert und mit neuer Kraft es schafft und euer eigenes Leben meistert.« (Beins 2003, 56) Mit diesen Worten eröffnete der Vater der deutschen Psychomotorik Prof. Ernst Jonny Kiphard am 14. Mai 1992 die Rheinische Modelleinrichtung für Psychomotorik in Bonn. In den Räumen eines ehemaligen Schwimmbades war ein besonderer Ort für Bewegungserlebnisse entstanden, in dem Bildung, Bewegung und Wohlbefinden zusammenfließen. Seitdem haben Kinder und Erwachsene die einmaligen Möglichkeiten dieses Förderzentrums täglich genutzt. Grund genug, um nach über 30 Jahren des Bestehens zurück und auch nach vorne zu schauen. Bei der Jubiläumsfeier zum 10-jährigen Beste- Abb. 1: Förderzentrum E. J. Kiphard Alle Abbildungen: Hans Jürgen Beins [ 132 ] 3 | 2023 Forum Psychomotorik hen betonte Prof. Kiphard- - wie schon bei seinen regelmäßigen Besuchen vorher- - das Besondere dieser Einrichtung: »Hier finde ich das, wovon ich immer geträumt habe, psychomotorische Entwicklungsbegleitung wird hier unter idealen Bedingungen umgesetzt« (Beins 2003, 56). Dass die Räumlichkeit des Förderzentrums E.- J. Kiphard für Kinder tolle Möglichkeiten der Entwicklung einer vielfältigen Bewegungs-, Spiel- und Handlungsfähigkeit eröffnet, sehen BesucherInnen auf den ersten Blick: Kinder springen und schwingen auf dem Trampolin oder der Hüpfburg, fliegen in die weichen Kissen der »Schnitzelgrube«, klettern auf Gerüsten und an der Boulderwand. Sie verstecken sich in den Höhlengängen, entspannen sich auf dem Wasserbett oder drehen und schaukeln auf verschiedensten psychomotorischen Spielgeräten, die z. T. auch hier entwickelt wurden. Am fest installierten und gut gesicherten Trampolin hatte Jonny Kiphard besondere Freude, auch weil er das Gerät für die psychomotorische Therapie entdeckt hat. Es wird auch hier nicht primär als Sportgerät genutzt, sondern eröffnet vielfältige Spiel- und Bewegungserfahrungen. Schwingungen werden liegend, sitzend oder stehend erfahren und häufig sind kleine Gruppen auf dem Tuch in Interaktion. Ob Kinder mit Behinderung oder sportlich fitte Kinder- - nicht nur auf diesem Gerät kommen sie auf ihre Kosten. Der Raum fordert alle Sinne, hier besonders die vestibuläre und die taktil-kinästhetische Wahrnehmung, und eröffnet Wechsel von Bewegung und Ruhe, von Anspannung und Entspannung. Die fachkompetente und liebevolle Begleitung durch die TherapeutInnen und PädagogInnen des Fördervereins Psychomotorik bringt diese »reizvollen« Möglichkeiten der Einrichtung für unterschiedliche Kinder zur Geltung. Egal, ob Kinder aus inklusiven Kindertageseinrichtungen, aus Grund- und Förderschulen oder aus psychomotorischen Fördergruppen das För- Abb. 2: die neue Kletterwand Abb. 3: Erinnerungen an Jonny Kiphard [ 133 ] Beins • Förderzentrum E. J. Kiphard-- Modelleinrichtung für Psychomotorik 3 | 2023 [ 133 ] Beins • Förderzentrum E. J. Kiphard-- Modelleinrichtung für Psychomotorik 3 | 2023 derzentrum nutzen, die Kinder sind mit Freude in Bewegung und die größte Schwierigkeit besteht darin, die Kinder am Ende einer Veranstaltung davon zu überzeugen, dass die Stunde schon zu Ende ist. Das Förderzentrum E.- J. Kiphard gilt nicht nur aufgrund seiner besonderen Ausstattung als Modelleinrichtung, auch die Vielfalt der BesucherInnen ist besonders. Regelmäßig kommen Kinder und Erwachsene, Menschen mit oder ohne Behinderung. Es gibt pädagogische und therapeutische Angebote und auch viele der Fortbildungsangebote der Rheinischen Akademie finden hier statt. Kollegien aus Schulen, Teams aus Kindergärten, LehrerInnen, HeilpädagogInnen oder MotopädInnen in der Ausbildung kommen seit Jahren ins Bonner Förderzentrum, um hier Psychomotorik hautnah zu erleben. Auch viele ausländische Gäste aus den europäischen Nachbarländern, aber auch aus Korea und den USA haben den Sprung vom Trampolin in die weiche »Schnitzelgrube« schon gewagt. Den zahlreichen BesucherInnen wird deutlich, dass die Arbeit im Förderzentrum ein wichtiger Bestandteil des Angebotes im Förderverein Psychomotorik ist. Eine flächendeckende Entwicklungsbegleitung für Kinder in Bonn, eine psychomotorische Kindertagesstätte, eine psychomotorische Förder- und Beratungsstelle, das Institut für angewandte Bewegungsforschung und die Fortbildungsarbeit der Rheinischen Akademie setzen die psychomotorische Idee auf anderen Ebenen fort. Mit der Qualifizierung des Förderzentrums als »Modelleinrichtung« war ein weiterer Aspekt verbunden. Dieser bezieht sich auf die konzeptionellen, technischen und atmosphärischen Voraussetzungen, die es braucht, um »psychomotorische Orte« zu entwickeln. Solche Orte können dann auch Kindertagesstätten, Schulen oder öffentliche Räume, umzäunte Außengelände oder Naturräume sein. Ideen und Erfahrungen, diese Orte mit psychomotorischen Leben zu füllen, bringt der Förderverein inzwischen in Beratungs- und Fortbildungsangeboten bundesweit ein. Auch das Förderzentrum wird mit Hilfe von Stiftungen und der Stadt Bonn auf dem neusten Stand gehalten. Neben der Pflege und Erneuerung von Spielgeräten wurden der Hallenboden, die Decke mit dem Licht und die Kletterwand komplett erneuert und eine Erweiterung des Zentrums ist geplant. Während des Besuches im Förderzentrum hat manch erwachsener Mensch das Kind in sich entdeckt und wichtige Erkenntnisse und Erfahrungen gesammelt, die es ihr und ihm ermöglichen, sich in der täglichen Arbeit in die Herausforderungen und Möglichkeiten von Kindern besser einzufühlen. Nicht selten entsteht dabei die Spielfreude, über die sie sich sonst bei Kindern erfreuen. Die Erfahrungen, Erkenntnisse und Erlebnisse in den Tagesfortbildungen oder den Zusatzqualifikationen Psychomotorik tragen dazu bei, dass die Arbeit von Jonny Kiphard lebendig bleibt und im Alltag von Kindertageseinrichtungen, Schulen und Therapieeinrichtungen nach wie vor große Wirkung entfaltet. Eine Vitrine mit Bildern, Büchern und seinem Akkordeon hält darüber hinaus das Lebenswerk von Kiphard in Ehren und gibt nicht selten Gesprächsanlässe über sein Wirken. Seine lebensbejahende, humorvolle Haltung, seine Freude am Menschen und an der Bewegung sowie sein Einsatz für Kinder, die einer intensiven Entwicklungsbegleitung bedürfen, gilt bis heute als vorbildhaft und bildet auch die Grundlage für die Arbeit im Förderzentrum E. J. Kiphard. Weitere Informationen unter: www.psychomotorik-bonn.de. Literatur Beins, H. J. (2003): 10 Jahre Förderzentrum E. J. Kiphard-- Die Modelleinrichtung für Psychomotorik feiert Geburtstag. Praxis der Psychomotorik, 28 (1), 56-57 Der Autor Hans Jürgen Beins Sportpädagoge, Geschäftsführer im Förderverein Psychomotorik, Leiter der Rheinischen Akademie Anschrift Förderverein Psychomotorik, Wernher-von-Braun Str. 3, 53113 Bonn hans.beins@psychomotorik-bonn.de
