eJournals Motorik 47/2

Motorik
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0170-5792
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2024
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Rezension: Pretis, M. (Hrsg.) (2022): ICF-basierte Gutachten erstellen. Entwicklung im interdisziplinären Team.

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2024
Kim Lipinski
Die ICF ermöglicht einen Rahmen für eine gemeinsame Metasprache, die einzelne »Berufssprachen« zu einer gemeinsamen zusammenführt und dies ohne die Intention, die jeweiligen Berufsgruppen ersetzen zu wollen. Da diese »ICF-Sprache« zunächst erlernt werden muss und die ICF keine konkreten Praxisübertragungen formuliert, widmet sich Manfred Pretis in seinem Buch der konkreten Umsetzung im Setting der Gutachtenerstellung und der Arbeit mit der ICF im interdisziplinären Team.
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[ 96 ] 2 | 2024 Medien & Materialien Pretis, M. (Hrsg.) (2022): ICF-basierte Gutachten erstellen. Entwicklung im interdisziplinären Team. Ernst Reinhardt, München, ISBN: 978-3-497-03099-6 (Print); 24,90 € Die ICF ermöglicht einen Rahmen für eine gemeinsame Metasprache, die einzelne »Berufssprachen« zu einer gemeinsamen zusammenführt und dies ohne die Intention, die jeweiligen Berufsgruppen ersetzen zu wollen. Da diese »ICF-Sprache« zunächst erlernt werden muss und die ICF keine konkreten Praxisübertragungen formuliert, widmet sich Manfred Pretis in seinem Buch der konkreten Umsetzung im Setting der Gutachtenerstellung und der Arbeit mit der ICF im interdisziplinären Team. Mittels 6 Kapiteln begleitet der Autor die Lesenden von der Begutachtung mit der ICF (Kap. 1), über die Verwendung der ICF in Befundungen (Kap. 2) und hierbei ausführlicher zur Gesundheitskomponente »Aktivitäten / Teilhabe« (Kap. 3) hin zur ICFbasierten Gutachtenerstellung (Kap. 4) und schließt neben einem eigenen Kapitel zu ICF-basierten Praxisbeispielen (Kap. 5) schlussendlich mit einem Schlusswort aus Sicht einer Betroffenen (Kap. 6). Schon zu Beginn erhält das Thema Begutachtung durch die Sicht eines betroffenen Menschen eine besondere Perspektive: Meike Hörnke gibt einen sehr persönlichen Einblick in ihre Erlebnisse mit einer noch nicht ausreichend koordinierten Vorgehensweise und zeigt auf, dass ärztliche und therapeutische Monologe ebenso wie die fehlende ganzheitliche Sicht und die selbst zu organisierende Alltagsnachsorge und Wiedereingliederung ihr als Menschen nicht gerecht wurden und sie sich auch »bei den Gutachten nicht abgebildet« (30) fühlte. Dem konkreten Gutachtenprozess widmet sich der Autor ab dem zweiten Kapitel und geht neben dem generellen Aufbau von Gutachten konkret auf die einzelnen Gesundheitskomponenten der ICF (2.4 Personenbezogene Aspekte, 2.5 Umweltfaktoren »e«, 2.6 Körperstrukturen »s«, 2.7 Körperfunktionen »b«) jeweils mit einem Überblick, der Befundung und spezifischen Herausforderungen ein. Zusammen mit Andrea Jagusch- Espei und Silvia Kopp-Sixt führt Pretis die Lesenden anschließend durch das ausführliche Kapitel (3) zu Aktivitäten / Teilhabe »d«. Den neun Kapiteln der Domänen (d1-d9) werden die AutorInnen nun mit der bereits bekannten Strukturierung (Überblick, Befundung, spezifische Herausforderungen) in ihrer Komplexität gerecht. Die Einschätzung von Teilhabe(beeinträchtigung) ist die Schlüsselfrage im Rahmen des BTHG und der ICF und kann gutachterlich nur unter Berücksichtigung der konkreten Umwelten des Individuums beantwortet werden. Hierdurch ergibt sich bei der ICF-basierten Gutachtenerstellung die Verantwortung »in Potenzialen der Umweltveränderung zu denken« (162) und gutachterliche Empfehlungen entsprechend zu formulieren (4.4) sowie Maßnahmen abzuleiten (4.5). Die nachfolgenden Praxisbeispiele (5) sind aus verschiedensten Settings gewählt (Neurorehabilitation, frühkindlicher Bereich, sonderpädagogisches Gutachten) und ermöglichen einen durchweg nachvollziehbaren und organisierten Einblick in die praktische Umsetzung. Abschließend kommt erneut Hörnke als betroffene Person mit ihrer individuellen Sicht und einem konkreten Plädoyer für die ganzheitliche Sicht der ICF auf die komplexe Wirklichkeit des Menschen zu Wort (6). Das Buch wird seinem Anspruch als »Leitfaden« umfassend gerecht und schafft es auf insgesamt nur 205 Seiten den Lesenden verständliches Handwerkszeug für eine kompetente gemeinsame Gutachtenerstellung im Sinne der ICF zu vermitteln. Auch wenn die einzelnen Kapitel auf den ersten flüchtigen Blick kurz wirken, halten sie inhaltlich eine wahre Fülle an Informationen und Wissen bereit. Die Zusammenfassungen am Anfang / Ende der einzelnen Kapitel geben zusätzlich einen schnellen Überblick. Die Inhalte werden durch die anschaulichen Fallbeispiele zudem nochmal greifbarer. Das Buch ist definitiv für die Teamarbeit geeignet, bevorzugt keine Fachdisziplin, ist um die Schaffung einer gemeinsamen Sprache bemüht und überzeugt durch die Kombination des Fachlichen und Persönlichen. Kim Lipinski DOI 10.2378/ mot2024.art19d